Als XANDRIA 2007 in die Auszeit gingen, hatten sie zuletzt ihren an WITHIN TEMPTATION angelehnten Gothic-Sound mit keltischen und orientalischen Nuancen gewürzt. Fast fünf Jahre später und nach dem Ausstieg von Sängerin Lisa Middelhauve in 2008 gibt es nun Album Nummer 5 der deutschen Gothic Metal Band. Dabei wurde die Ausrichtung der Band bewusst verändert. „Neverworld’s End“ bietet auf hohem Niveau eine Ausrichtung gen Finnland - weniger Gothic, mehr Symphonic Metal. NIGHTWISH ohne Tarja hat bei vielen Fans des Genres eine Lücke gerissen; XANDRIA bietet sich durchaus an diese zu schließen. Die neue Stimme am Mikro, Manuela Kraller (früher bei HAGGARD), erzielt mit ihrem Sopran auch tatsächlich eine ähnliche Wirkung wie die ehemalige NIGHTWISH Frontfrau. Musikalisch geht man deutlich bombastischer und symphonischer zu Werk, ohne die XANDRIA-eigene Grundmelancholie zu verlieren. Hier seien mit dem düster epischen Eröffnungssong „A Prophecy Of Worlds To Fall“ und dem ausladenden „The Nomad's Crown“ zwei Highlights genannt. Aber auch das flotte „Valentine“ (fast schon Power Metal), das eingängig harte „Blood On My Hands", das folkloristisch angehauchte „Call OF The Wind“ sowie die Balladen „The Dream Is Still Alive“ und das semiakustische „A Thousand Letters“ überzeugen umgehend. Schwächen sind kaum auszumachen, „Neverworld’s End“ hält über fast 70 Minuten was der Opener verspricht. XANDRIA sind definitiv härter als früher, fette Chöre und Orchestrierung inklusive. Dazu kommt mit Manuela Kraller eine Sängerin, deren klarer, kräftiger und emotionaler Gesang XANDRIA der musikalischen Kurzkorrektur das i-Tüpfelchen aufsetzt. Bandleader, Songwriter und Gitarrist Marco Heubaum muss um die Zukunft nicht Bange sein. Für Genrefans ist „Neverworld’s End“ sicherlich ein erster Leckerbissen in 2012.
Nach den beiden 2007er-Demos wurd’s still. Und bleibt’s, schnöde nach dem CD-Titel geurteilt. Doch die EP schlägt alles andere als leise Töne an, ist harsch, kalt, skandinavisch, roh – Black Metal eben. Dabei verzichtet Multi-Musiker Evae allerdings nicht auf ruhige Momente, akustische Intermezzi, die einen immer wieder herunterholen von eisigen Höhen in sphärische Tiefen – Ambient Black Metal also auch. Und so bedient der Rheinland-pfälzische Solo-Täter zwar durchaus gängige BM-Klischees (hallige Produktion, kehlige-verschrieene Vocals, ruhige Burzum-Parts, Solo-Projekt etc.), schafft es aber dennoch mittels der würzigen Kombination aus Härte und Melodie, Tempo und Bremsen sowie Abwechslung und Monotonie ein interessantes Scheibchen zu schneiden. Wer es mal wieder roh und mit Gefühl besorgt haben will, ohne dabei an Selbstmord zu denken, oder zumindest nachdenklich-traurig zu schauen, der ist hier verdammt richtig. Hört einfach „Traum von einer Jugend“ und ihr erkennt: Es muss ja nicht immer Norwegen sein.
Wer bei Female Fronted Metal gleich an elegische, engelsgleiche Stimmen denkt, der wird bei SHEAR sein blaues Wunder erleben, denn was das finnische Sextett da bietet entspricht so gar nicht diesen Erwartungen: zum einen geht es generell ordentlich zur Sache, zum anderen hebt sich die leicht raue Stimme von Sängerin Alexa Leroux deutlich von der Mehrzahl ihrer Kolleginnen ab. Stilistisch bewegt sich die Band irgendwo in der Grauzone zwischen Melodic bis Power Metal, Hard Rock und symphonischen Elementen; die Songs kommen mit viel Druck aus den Boxen, die Gitarren dröhnen was das Zeug hält und werden von Synthesizerklängen abgerundet, allesamt geerdet durch Alexa Lerouxs Gesang. Dass SHEAR problemlos zum Headbangen taugen, macht schon der Opener „The Awakening“ deutlich, dass sie aber auch anders kann demonstriert die Band beim tendenziell deutlich ruhigeren „Stillness“ oder dem recht synthesizerlastigen „Wounded“. Fazit: lohnende rockige Kost aus dem hohen Norden.
Bedenkt man, dass Bandkopf, Multiinstrumentalist und Namensgeber Haemoth auch noch bei den hochgradig an allen Nervenenden zerrenden Industrial-wat-auch-immer-Black-Lärmern SPEKTR für Unruhe sorgt, macht er hier mit seinem Flügelmann und Drummer Syth auf dem dritten HAEMOTH-Album alles andere als einen schlechten Job. Ganz im Zeichen der aufstrebenden französischen Black Metal-Szene, geht das Duo zwar ordentlich räudig und frostig kalt zur Sache, erinnert dabei stellenweise auch gerne mal an die beiden göttlichen DISSECTION-Frühwerke (als Anspieltipps empfehle ich nicht nur in diesem Zusammenhang die superben, richtig fiesen „Demonik Omniscience“ und „Disgrace“), besitzt aber auch einen landestypischen Schuss Progressivität, der „In Nomine Odium“ richtig gut zu Gesicht steht und dem über weite Strecken monotonen und in Sachen „Gesang“ ordentlich verzerrten Album eine eigene Identität verleiht. Mit diesem Werk vereinen die zwei Krawallpandas, ähnlich (aber stilistisch keineswegs gleich) wie ihre Kollegen BLUT AUS NORD, die basischen Schwarzmetall-Wurzeln der 90er und den etwas „moderneren“, vertrackter ausgerichteten Geist unter Anderem ihrer französischen Heimat und klingen dabei in engem Rahmen sogar noch eigenständig. Eine echt gute Scheibe!
ZEBULON SPIKE machen mit Bandnamen und Plattentitel klar, dass hier kein einfacher Kram zu erwarten ist. So ist es dann auch, fünf überlange Doomsongs werden von dem US-Haufen zum Besten gegeben. Dabei fällt natürlich der Verzicht auf Gesang auf, wodurch sich der Fokus noch mehr auf die Arbeit an den Instrumenten legen kann. ZEBULON PIKE zeigen sich da zwar im Doom verwurzelt, haben aber auch viele Einflüsse aus dem Progressive Rock verarbeitet. Sie halten sich dabei selten zu lange mit einem Part oder einer Idee auf, ohne dass der einzelne Song zu einer bloßen Ansammlung halbgarer Ideen wird – im Gegenteil, ZEBULON PIKE haben erkennbar viel Kreativität ins Songwriting gesteckt, um „Space Is The Corpse Of Time“ zu einer komplexen wie nachvollziehbaren Platte zu machen. Ist ihnen gelungen, auch wenn der Hörer einige Durchgänge brauchen wird, um mit dem Kram klarzukommen. Für Freunde doomiger und progressiver Töne ist das hier eine interessante Platte.
Das VALHALL-Drittwerk lag lange auf Halde und wurde erst von Mr. Anselmo (DOWN, PANTERA) gefunden und veröffentlicht, um jetzt via Hammerheart Records auch in Europa erhätlich zu sein. Wie es dann so ist, lag die Scheibe dann auch hier noch etwas herum, weswegen das Review etwas später kommt. Aber VALHALL wird das am Wenigsten stören, jedenfalls falls sie das Klischee des dauerbekifften semi-Hippies leben, das sich aus ihrer Musik ergibt. „Red Planet“ strotzt nur so von THC-Einflüssen, dass alles ruhig mal entspannter angegangen werden kann. So mäandert sich die Chose durch die Lande und erinnert dabei gerne mal an MONSTER MAGNET-Frühwerke. Alles easy. Mit „Made In Iron“ wird es dann tatsächlich knackiger, hier werden Metalbands auf die Schippe genommen, was VALHALL gut gelungen ist. Insgesamt ist „Red Planet“ aber ein klassisches Stoner-Album, mit dem VALHALL zwar keinen Meilenstein des Genres geschrieben haben, aber für THC-Musik-Freunde eine ansprechende Scheibe.
Ich hatte in den späten 80ern eine Kassette von BANG TANGO. Das Cover war bunt wie ein Kirchenfenster. Wie die hieß? Keine Ahnung. Hab' das Teil dann auch irgendwann verschlampt. Im Vergleich zu damaligen Genre-Größen wie GUNS ´N´ ROSES, MÖTLEY CRÜE oder auch FASTER PUSSYCAT konnte BANG TANGO sich in meiner Sammlung nicht etablieren, auf Kassette schon mal gar nicht.
Nun, 2012, kommt mir die Aufgabe zu, die neue BANG TANGO mit dem Genre-typischen Titel "Pistol Whipped In The Bible Belt" zu besprechen. BANG TANGO's neue Scheibe ist ein räudiger, alter, verlauster Straßenköter, der knurrend um sich beißt, hin und wieder das Beinchen hebt und - ja - manchmal auch mit dem Schwanz wedelt. Rythmisch, schäbig rocken die Nummern einem den Staub aus den Gliedern.
Die Stimmbänder von Joe Leste, einzig verbliebenes Urmitglied, mussten wohl seit den 80ern noch einiges mehr an Whiskey und Tabak verkraften; somit klingen die noch rauer und verschlissener, was aber positiv zu werten ist. Die Rhythmus- und Gitarrenarbeit ist verspielt und beschwingt - es gelingt, jedem Song einen eigenen Anstrich zu geben. So kommt "Dick In The System" groovig, stampfend - fast schon bedrohlich - herangerollt, während "Our Way" selbstbewusst einen auf fröhlich dicke Hose macht, mit einem Gitarrensolo, welches mir die Tränen in die Augen treibt. Die 10 Nummern enthalten 100% Sleaze, ich habe lange nicht mehr eine so reine Fassung des Genre gehört. Jeder, der auf tiefhängende Gitarren und Kopftücher im fettigen Haar steht, sollte sich das Ding besorgen. Ich suche mal meine zerrissene Jeans und die alten Cowboystiefel - die passen ja auf jeden Fall noch! Kann mir nicht vorstellen, dass GUNS `N` ROSES noch zu ähnlichen Glanzleistungen fähig sind, zumindest nicht in der Besetzung. Von FASTER PUSSYCAT gar nicht zu reden.
Hätte ich "Pistol Whipped In The Bible Belt" als Kassette, würde ich diesmal besser aufpassen, viel besser.
ALKERDEEL haben mit “Morinde” eines der räudigsten Black Metal-Alben des Jahres im Gepäck, so viel lässt sich schon im Februar sagen. Die vier Songs kratzen hart an der Grenze des Hörbaren, doch wer sich durch das Album kämpft, entdeckt den rohen Charme des Mixes aus LoFi-Black Metal, Drone und Sludge. Der Kontrast zwischen klarem Bass und räudigen, fiesen Gitarren, die zäh fließenden Songs und die düstere Atmosphäre machen „Morinde“ zu einer erstklassigen Platte, die werken ähnlich gelagerter Nerd-Bands wie THE SECRET oder LITURGY in nichts nachsteht. Selbst WOLVES IN THE THRONE ROOM-Hipster können mit ALKERDEEL warm werden (es gibt den Kram natürlich auch im wieder angesagten Vinyl), so sie sich durch die gut 40 Minuten erbarmungslosen Sound kämpfen können. In jedem Fall ist „Morinde“ mehr Black Metal als viele glatt polierte Skandinavien-Heinis heutzutage hinbekommen und mehr Punk als viele Punkbands. Fettes Teil, das den Hörer sehr fordert.
“Teenage Time” wird über den Let It Burn Records-Ableger Acuity.Music ausschließlich digital vertrieben, da passt die moderne, trendige Musik der Scheibe ja wie Arsch auf Eimer. MADISON AFFAIR sind in einer Reihe mit HIS STATUE FALLS, BIONIC GHOST KIDS oder WE CAME AS ROMANS einzuordenen, also talentierte Kids, die brutalen Metalcore, Elektroeinflüsse und Pop munter mischen. Das kann funktionieren (BIONIC GHOST KIDS) oder nur langweilen (HIS STATUE FALLS), gerade wenn sich eine Band zu sehr in den Spielereien verliert – genau das ist bei MADISON AFFAIR der Fall. Die hippen Kids hatten hörbar Spaß am Einbauen aller möglichen und unmöglichen Elektro-Schnipsel, Gesangseffekte und Pop-Appeal, aber darüber vergessen, dass Schema F-Metalcore-Songs langweilig ob ihrer Berechenbarkeit sind. Für sich genommen machen die Metalcore-Parts Spaß und sind die cheesy Pop- und Elektroeinschübe witzig, aber zu homogenen Songs ließen die sich nicht zusammenfügen, was „Teenage Time“ auf Dauer ermüdend und anstrengend werden lässt. Gewollt und nicht gekonnt.
Hinter DEAD SUMMER SOCIETY steckt ein einzelner italienischer Musiker, der sich nur für die männlichen und weiblichen Gesangsparts Unterstützung ins Studio geholt hat. „Vision From A Thousand Lives“ fühlt sich dabei zu jeder Sekunde sehr 1995ig an, was mal gut, mal schlecht ist. Die Aufteilung der Gesangsabschnitte ist schnell vorhersehbar und altbacken, während die Keyboard-Einsätze tatsächlich gut gewählt sind und viel für die Atmosphäre bringen. Bei der Gitarrenarbeit ist die größte Vielfalt zu hören, hier hat sich der kreative Kopf namens Mist [sic] hörbar die meiste Mühe gegeben und das größte Können vorzuweisen. Durch die abwechlsungsreichen Einsätze der Gitarren werden die an sich unspektakulären Songs immer wieder gerettet, der Hörer kann in vielen Parts gar nicht anders, als zu den Melodic Death-Gitarrenläufen mit dem Kopf zu nicken. Schwachpunkt und damit diametral zu den Gitarren stehend ist das Drumming, das von einem Drumcomputer erledigt wurde, der von Mr. Mist nicht gut genutzt wurde. Viel zu klinisch, viel zu stark als Drumcomputer erkennbar und dadurch die Atmosphäre und den Flow der Songs kaputt machend. „Visions From A Thousand Lives“ bleibt so ein durchwachsenes Album, das über die gesamte Spieldauer ermüdend eintönig ist, aber dessen einzelne Songs eine nette Hommage an alte MY DYING BRIDE- und KATATONIA-Zeiten darstellen.