Das Zepter, sprich der Führungsanspruch, des gediegenen Melodic Rock/AOR ist mittlerweile von amerikanische in schwedische Hände übergegangen. Und hier gehören neben WORK OF ART und H.E.A.T. eben auch ECLIPSE zur Phalanx des Genres - wobei Letztgenannte die Kernigsten und Härtesten des Trios sind. Und das unterstreicht das Stockholmer Kollektiv nun auch mit Album Nr. 9 "Wired".
Die Gesangsmelodie des energischen "Roses on your Grave" ist gelinde gesagt einfach nur brilliant. Fette Chöre und ein treibendes Schlagzeug jagen die Nummer über die Ziellinie. Die Hitdichte auf "Wired" ist immens, nahezu jede Nummer punktet mit griffigen Melodien und packenden Refrains. "Run for Cover" bietet eine sanfte Melancholie sowie markige Gitarren-Arbeit an und mündet in ein zweiminütiges emotionales und machtvolles Songfinale. Passend darf danach mit dem besinnlichen "Carved In Stone" und zwei Nummern später mit dem folkig angehauchten, in Lagerfeueratmosphäre eingetauchten "Poison Inside My Heart" durchgeatmet werden. Das Album unterhält auf höchstem Niveau; harte, schnelle Phasen werden im richtigen Moment durch gemächliche abgekühlt. "Bite the Bullet" erinnert mit einem Eddie VAN HALEN Gedächtnis-Riff an eben diesen unersetzbaren Künstler, wobei die Nummer sich gegen Mitte umbaut und geradezu episch schließt.
ECLIPSE bleiben sich treu, verändern ihre Formel nur marginal und halten ihren Kurs unbeirrt und ohne Qualität einzubüßen bei. Das wird auch weiterhin von Erfolg gekrönt sein und das absolut zu recht. Starke Band, großartiges Album!
Markus Winter, auch parzieller Namensgeber des Projektes WINTER, ist ein Musiker und Künstler, der mit verschiedenen Unternehmungen (u.a. Hörspiele) schon relative Erfolge einheimsen konnte. Dieser "Zuspruch" glückte ihm, allen voran im Gothic-Genre und generell in der schwarzen Szene, in deren Radius auch sein neues Album "Pale Horse" gut plaziert sein könnte. Der Reinländer bietet auf dem visuell ansprechend gestalteten Album massig Songs; darunter sind 5 Covertracks (u.a. STEVE JONES, TEARS FOR FEARS, RAMONES).
Opener "Dancing Into Danger" positioniert sich gekonnt zwischen Synthie-Pop und Gothic Rock. Er bietet dabei authentische 80er Jahre Vibes, was auch daran liegt, dass er von Hubert Kemmler (HUBERT K.) und Michael Cretu (ENIGMA) in eben dieser Zeit geschrieben wurde. Das eingebettete Gitarrensolo ist klasse. Der Spagat zwischen poppigen Klängen und rockigen Inhalten gelingt jedoch nicht immer. Manches Mal kommt einem der Gitarrenpart oder das Riff eher als Alibi-Veranstaltung, oder gar Fremdkörper vor. Der Gesang von Markus Winter schwankt zwischen leisen, nahezu fast gesprochenen und unterkühlten Passagen bis hin zu durchaus leidenschaftlich vorgetragenen Melodien ("Beginning Of An End"). Eben die Melodien sind zuweilen recht gefällig; auch wirkt das Werk durchaus in manchen Momenten atmosphärisch (Frauengesang, Geige etc). Leider fehlt der Scheibe aber irgendwie die Glaubwürdigkeit. "Pale Horse" ist kommerziell ausgerichtet und wirkt ein stückweit kalkuliert, ich unterstelle mal, dass Markus Winter eine Einladung zum ZDF Fernsehgarten mit Freude annehmen würde. Freunde von Gothic- und 80er Jahre Pop-Rock dürften unter den 17 Songs und 78 Minuten dennoch das ein oder andere Stück recht gelungen finden.
Manchmal liegt unser Magazin ziemlich richtig mit den Bewertungen von Underground-Perlen und hat ein Nase für Combos, die bald den Durchbruch schaffen werden. Ein Beispiel dafür ist die Band KNIFE, die schon mit den zwei Demotapes „Black Leather Hounds“ und „Locked In“ unsere Redaktion begeistern konnte und im Nachgang auch von der restlichen Presse mit Vorschusslorbeeren überhäuft wurde. Es kam, wie es kommen musste – Dying Victims schnappten sich die Heavy-, Black-, Speed Metal-Punks, und nun erwartet den Hörer mit dem selbstbetitelten Longplayer ein Output, der die Metalwelt in Aufruhr versetzen wird. KNIFE zeigen modernen Einflüssen in den 36 Minuten permanent den Stinkefinger und ballern uns eine bewährte Mischung aus VENOM, IRON MAIDEN und MOTÖRHEAD um die Ohren, dass es nur so eine Freude ist.
KNIFE schaffen den Spagat zwischen Chaos und kontrolliertem Songwriting spielend und hauen mit „White Witch“ und „I Am The Priest“ wahre Metal-Hymen aus den Boxen, die auch nach hunderten Durchläufen nicht an Intensität verlieren dürften. Die Gitarrenarbeit kann auf „Knife“ gnadenlos überzeugen, was besonders im Song „Inside The Electric Church“ auffällt. Hier präsentieren KNIFE, wie grundehrlicher Metal im Jahr 2021 gespielt wird. Besonders die IRON MAIDEN-Einflüsse sind hier nicht von der Hand zu weisen und pushen den Song in ungeahnte Sphären. Aber auch die anderen Musiker müssen sich nicht hinter der Gitarrenarbeit verstecken, und man merkt, dass sich hinter den Pseudonymen gestandene Musiker befinden, die ihre Hausaufgaben längst erledigt haben. Gesangstechnisch konnte sich Sänger Vince Nihil nochmals steigern und giftet seine Botschaften intensiv und brachial durch die 12 Songs. KNIFE schaffen es in fast jedem Song, eine unglaubliche Atmosphäre aufkommen zu lassen, und spätestens bei der Textzeile „Obey the Knife“ in dem Song „K.N.I.F.E.“ wird sich der Hörer selbiges zu Herzen nehmen und dem Messer hörig werden.
Fassen wir es zusammen – KNIFE räumen mit dem Debütalbum komplett ab. Es ist kein Stinker auf der Scheibe zu verzeichnen, der Sound knallt und das Coverartwork ist stimmig. Also keine Kritikpunkte? Doch, sogar ein ganz großer Kritikpunkt: auf „Black Leather Hounds“ huldigten KNIFE mit einer fantastischen Version von „Feel The Knife“ der Metal-Legende EXCITER – diese Coverversion fehlt auf dem Debüt. Eigentlich eine Schande, aber warum sollte man auch einen gecoverten Klassiker auf die eigene Scheibe nehmen, wenn man selber wahre Klassiker schreibt? Fazit: KNIFE werden nicht nur bei uns abräumen und zu den Gewinnern des Jahres 2021 zählen. Viele etablierte Bands werden hier in ihre Schranken verwiesen werden. Wetten?
Richie Kotzen und Adrian Smith haben im März diesen Jahres für eine ähnlich gelagerte Vorstellung einen Riesenapplaus erhalten (Review: SMITH/KOTZEN). Somit sollten auch GRINDER BLUES für "El Dos" Ovationen einheimsen können, auch wenn Doug Pinnicks (KING'S X) Vocals doch eine ganze Spur trockener und lässiger daherkommen als die leidenschaftliche Performance des Duos. "El Dos" ist das zweite Album, und neben den genannten SMITH/KOTZEN ist ZZ TOP, aber deren alte, noch tief im Mississippi-Sumpf steckende Version, als Entsprechung zu nennen.
"Another Way Around" könnte eine alte WHITESNAKE-Single sein, allerdings mit der Einschränkung, dass man sie statt mit 45 mit 33 UPM laufen lässt. "Everbody" hält etwas Leichtes, Beschwingtes zum Mitwippen bereit, bis zu dem Moment, an dem Gitarrist Jabo Bihlman sein Instrument aufheulen lässt. Dieser Kontrast - quasi gegen die Richtung gekämmte Harmonie - ist packend und mitreißend. Und das machen die drei immer mal wieder; der Hörer befindet sich in einer Fahrtrichtung, und dann wird ein instrumentaler U-Turn hingelegt. "El Dos" ist eigenständig, ursprünglich und modern zugleich und mit seiner kompromisslosen, absonderlichen Art aufsehenerregend. Somit geben die oben genannten Bands nur grob eine Richtung vor. GRINDER BLUES schafften etwas Beeindruckendes; sie haben den Blues Rock neu definiert, ohne seine Essenz zu verändern.
RAGE sind wieder zu viert! In dieser personellen Konstellation haben sie bereits das legendäre Album “Black In Mind“ sowie "End Of All Days" eingespielt. Die Vorzeichen für das neue Werk "Resurrection Day" könnten also erstmal besser nicht sein. Wie kam's dazu? Nach dem Ausstieg von Marcos Rodriguez (Gitarre) im vergangenen Jahr konnten zunächst Stefan Weber (Ex-AXXIS) und nur wenige Wochen später auch Jean Bormann (ANGEL INC., RAGE & RUINS) an den Gitarren verpflichtet werden. Schlagzeuger Vassilios "Lucky" Maniatopoulos, der schon seit 2015 zu RAGE gehört, komplettiert das Quartett. Erstmals in Bild und Ton zu sehen war die aktuelle Besetzung im Videoclip zu "The Price Of War 2.0", bezeichnender Weise einer Neuauflage des Songs von "Black In Mind".
Das 26. Studioalbum überrascht mit einem opulenten orchestralen Einstieg und geht mit dem Titeltrack auch direkt in die Vollen. Die erste Video-Single "Virginity" steigert die Intensität anschließend noch mal gewaltig. Es ist allerdings der einzige reinrassige Thrash-Song. Stilistisch bewegt man sich auf einer enormen Bandbreite, die ich schwerpunktmäßig dem klassischen Heavy Metal zuordnen würde. Die Tonlage ist insgesamt tiefer, als wir das von RAGE gewohnt sind, das Tempo ist gedrosselt und der Focus liegt definitiv auf Melodie und Arrangement. Aufgepeppt wird das Ganze immer wieder durch den Einsatz eines Orchesters (unter der Leitung des Spaniers Pepe Herrero). Ob man einer schnellen Nummer wie "The Age Of Reason" Tiefe und Ausdruckskraft verleiht, oder für die Ballade "Black Room" (ja tatsächlich: eine Ballade!) einen Teppich bereitet, alles wirkt stimmig und stimmungsvoll. Besonders gut gefällt mir darüber hinaus "Traveling Through Time", das man aufgrund seines folkloristischen Touchs locker in die Viking Metal-Schublade stecken könnte. Die klassischen Parts bilden gleichwohl hierbei den passenden Rahmen.
Als letztes Jahr "Wings Of Rage" erschien, war ich begeistert und hätte nicht erwartet, dass die Truppe um Peavy ein Jahr später nochmal eins drauf setzen würde. Die beiden Gitarristen machen nicht nur einen hervorragenden Job, sondern verleihen dem Sound ein Vielfaches an Volumen und Twin-Power. Den Fuß dezent vom Gas zu nehmen, hat dem Stil von RAGE obendrein sehr gut getan. Das Songwriting ist exzellent und vielschichtig, die Nummern saugen sich förmlich im Gehörgang fest, und die klassischen Elemente sorgen für die adäquate Atmosphäre. Für mich ist "Resurrection Day" ein heißer Anwärter auf die Metal-Platte des Jahres.
APOPHIS machen auf dem neuen Longplayer „Excess“ viel richtig – der Song steht im Vordergrund und wird nicht durch zu viel technische Beweihräucherung verwässert. Die meisten Songs sind im Midtempobereich angesiedelt, und nur selten wird der Dampfhammer geschwungen, was den Songs in jedem Fall ein großes Wiedererkennungspotential verleiht. Sänger Bernd Kombrink gefällt mit seinen düsteren Growls, welche aber teilweise sogar gut verständlich sind. Gut zu Gesicht steht den Songs, dass Bernd immer öfter auch cleane Vocals einbaut, welche für weitere Abwechslung sorgen. Grundsätzlich hat jeder Song eine eigene Note, und somit bietet „Excess“ viel Hörvergnügen und wird definitiv nicht schnell langweilig. Ein Problem hat die Band aber – sie ist mit ihrer Musik irgendwie im deutschen 90er Death Metal hängengeblieben. Viele Bands dieser Zeit hatten einen unverkennbaren Sound. Relativ schlichte Riffs, gute Sänger und ein gewisses Gespür für Melodie. Eine feine Mischung, die in den Jugendclubs immer gut ankam und für prächtige Stimmung sorgte. Viele dieser Bands gibt es nicht mehr, und fast keine hat den Sprung an die Spitze geschafft. APOPHIS ist auch so eine Band – kompetenter 90er Death Metal, alles sauber und gut, aber den Sprung nach oben werden sie leider nicht schaffen. Vergleicht man „Excess“ mit internationalen Veröffentlichungen, so hängt APOPHIS ein wenig zurück. Dafür kann die Band gar nichts, weil die Jungs eigentlich alles richtig machen, aber es ist eben der falsche Sound zur falschen Zeit. Fakt ist, ich bin ein Kind des 90er Jahre Death Metals aus Deutschland und feiere ihn, und somit hat „Excess“ bei mir für offene Ohren gesorgt. Also, wer gerne ein wenig geschichtsträchtigen Death Metal hören will, der kann bedenkenlos zugreifen!
FYRNASK klingen auf „VII – Kenoma“ bedrohlich, aggressiv und andächtig zugleich.
Aus dem Städtchen Bonn kommt nicht nur Ludwig van Beethoven, sondern auch die Ambient Black Metal-Kombo FYRNASK. Obwohl man die Band vom Eindruck her auch in Island verorten könnte.
Musikalisch bewegt sich die Truppe in Post Black Metal-Gefilden mit Folk- und Dark-Ambient-Elementen; auch Second-Wave-Einflüsse der alten nordischen Schule sind zu erahnen. Ich könnte gewisse Parallelen zu ULTHA, THE RUINS OF BEVERAST, SCHAMMASCH und BLUT AUS NORD ausmachen. Das vierte Album FYRNASKs ist voll von Kontrasten und Wendungen, rituell zeremoniell anmutenden Klängen, Atmosphäre und Mystik. Die Scheibe erschien bereite Ende April beim Label Ván Records und macht auch in Sachen Cover-Artwork was her. Textlich und konzeptionell wird sich mit dem Buch „Musibatname“ des persischen Dichters Fariduddin Attar auseinandergesetzt. 2008 wurde FYRNASK als Soloprojekt von Mastermind Fyrnd (NEBELUNG) gegründet, inzwischen im Jahr 2021 ist es eine fünfköpfige Band. Die Rheinländer verzichten auf klassische Songstrukturen zugunsten eines eher fließend meditativen und spirituellen Ansatzes.
Die Vocals teilt sich Fyrnd mit Rune; mal kann man sie als Chor-ähnliches Klagen und mal als schmerzverzerrtes Brüllen bezeichnen. Beim Opener „Hraevathefr“ steigert sich die Stimme von Flüstern über Rufen zum Kreischen. Der Track ist sozusagen umgeben von einem unheimlich wabernden Dunst. "Sjodhandi blodh" ist "Hraevathefr" ähnlich: langsamer Beginn, Leadgitarrenmelodien und hinzukommende Härte. Immer wieder fühle ich mich eingelullt, in gefährlicher Sicherheit gewogen, und dann erwischen mich harte Riffs und Schreie eiskalt, wie ein auf hinterhältige Weise verübter Meuchelmord. Beide Songs sind lang, aber nicht langweilig. So verhält es sich auch beim wirklich starken Track „Helreginn“, der abwechslungsreiches, teilweise marschartiges Schlagzeugspiel, elektronische Sounds, eruptionsartige Tempowechsel und in Trance versetzende Monotonie auffährt. Rausschmeißer „Blotgudh“ geht musikalisch in Richtung Nordic Folk mit Streichinstrumenten, weiblichem Gesang und Xylophon.
Die Ambient-Passagen wurden auf „VII – Kenoma“ wunderbar in die Musik integriert und wirken neben den typischeren Black Metal-Parts keineswegs fehlplatziert. Hier liegt übrigens der Hauptunterschied zu Fyrnasks Vorgänger-Scheibe „Fórn“ und den bisherigen Veröffentlichungen, bei denen die wesentlichen Bestandteile identisch zu sein scheinen, jedoch weniger ineinander verwoben waren.
Die Produktion ist klar und dynamisch. Drei Jahre lang wurde an „VII – Kenoma“ gearbeitet und gefeilt, und das hört man.
Resümierend würde ich das Album als etwas unzugänglich beschreiben, es aber trotzdem empfehlen! Den Hörer erwarten keine leichte Kost und keine eingängigen Hooklines, sondern beklemmende Vielschichtigkeit, der man sich mit Ruhe und Muße widmen sollte.
"I want out" - passender könnte die Aussage in dieser bizzaren Zeit kaum sein. Wer will nicht raus aus diesem Käfig aus Vorschriften, Bedenken und, teilweise zurecht, Einschränkungen an Freiheitsrechten? Ja, die Pandemie nimmt uns alle mit, aber gerade die Künstler leiden im besonderen Maß darunter. DANKO JONES 10. Album "Power Trio" eröffnet mit diesem kraftvollen und in seiner Attitüde bissigen Rocksong angemessen und markiert damit gleichzeitig das 25. Jahr ihres Bestehens. 11 Tracks, die kompakt und knackfrisch daherkommen und nicht mehr sein wollen als ein deftiger Rocksong. Das ist in diesem Fall Segen und Fluch zugleich, da den Nummern doch ein ähnliches, sich wiederholendes Grundmuster innewohnt. Tempo, die breitbeinige Sport-Gitarre und der etwas monotone, knurrige Gesangstil des Namensgebers nutzen sich im Verlauf des Albums dann doch etwas ab. "Power Trio" wirkt angepisst und trotzig, aber als nahezu einzige, sich wiederkehrende musikalische Ansage ist mir das ein bisschen zu wenig. DANKO JONES können das eigentlich besser (siehe: "Wild Cat" ). Gleichwohl machen Songs wie das elektrisierende, punkige "Flaunt It", das groovende "Ship of Lies" oder das mit MOTÖRHEAD-Gitarrist Phil Campbell aufgewertete "Start The Show" Laune .
Mit der biblischen Paarung Apfel und Schlange ist Sängerin Nastassja verführerisch auf kühlem weißen Hintergrund dargestellt. Und ähnlich wie das Artwork ihres neuen Albums zeigen sich ENEMY INSIDE auf "Seven" modern kühl und anziehend melodiös. Die sieben Todsünden werden thematisch verarbeitet, was das Obst und das Reptil erklärt. Wie auf dem Debüt "Phoenix" sind die Unterfranken bei ihrem Songwriter-Duo Nastassja Giulia und Evan K (Gitarre), der das Album auch wieder produziert hat, geblieben. ENEMY INSIDE positionieren sich wie gehabt im symphonischen und modernen Metal zwischen EVANESCENCE und LACUNA COIL. Und doch hat sich etwas verändert. Die Songs machen einen gereifteren, ausarrangierteren Eindruck, und der Sound hat an Breite und Dichte zugelegt.
"Crystallize" präsentiert sich kompakt und wuchtig. Der Song wird auf einer Woge von Melodien zum Refrain getragen, und trotzdem gelingt es der Band, nicht plump und kalkuliert gefällig zu klingen. Das atmosphärische, melancholische "Break Through" punktet mit kühlem Background im Kontrast zur warmen, gefühlvollen Stimme und hat Hitpotential. Evan K versüßt mit seinen Soli die Nummern songdienlich, wobei ich mir, ob seines Talentes, hier manches Mal ein wenig mehr Präsenz und Kante vorstellen könnte.
Sängerin Nastassja hat eine charaktergebende, hochmelodiöse Stimme, liefert eine fehlerfreie und professionelle Performance ab und ist sowohl live eine starke als auch attraktive Künstlerin. Einzig fehlt ihr hin und wieder ein wenig Rock-Appeal. Zu zart empfinde ich in manchen Passagen die Stimme. So überrascht es nicht, dass die poppige Cover-Nummer "Crush" (JENNIFER PAIGE) nahezu perfekt zu ihrer Stimmfarbe und ihrem Gesangstil zu passen scheint. Die grazile Lady dürfte sich ruhig ab und an etwas mehr Schärfe in ihren Stimmbändern leisten.
"Seven" ist ohne Zweifel ein großer Schritt nach vorne. ENEMY INSIDE sind auf dem richtigen Weg, haben internationales Profil und werden über kurz oder lang ein noch größeres Publikum erobern - nicht nur in Deutschland, das ist sicher!
„Come One, Come All“ ist die Band von Drummer Mirka Rantanen, der eine langjährige Karriere bei Bands wie KING COMPANY, NORTHERN KINGS etc. für sich verzeichnen kann. Die große Karriere ist aber bislang ausgeblieben, und nun versucht es Mirka mit einem imposanten Projekt, welches durch Musikkollegen von Bands wie AMARANTHE, TYKETTO, NIGHTWISH, STRATOVARIUS, MASTERPLAN usw. tatkräftig unterstützt wird. Klingt nach einem Projekt, welches auf dem Reißbrett entworfen wurde, und derzeit hat ja das Label Frontiers sowieso einige Projekte dieser Art am Start. Das soll uns aber bei der Bewertung von „Come One, Come All“ nicht stören, da das Album wirklich ein Highlight darstellt!
Irgendwie denke ich bei dem (wirklich ansehnlichen) Cover-Artwork an den neusten Output von ONSLAUGHT, aber CIRCUS OF ROCK sind musikalisch natürlich auf einer ganz anderen Spielwiese beheimatet. Mal bewegt man sich in AOR-Gewässern, um dann in bluesige Gefilde vorzustoßen oder auch mal die Rocksau rauszulassen. Meines Erachtens wurden hier bei der Sängerauswahl die richtigen Entscheidungen getroffen, da wirklich jedes Lied eine perfekte Besetzung an den Vocals vorweisen kann.
Nach einem stimmungsvollen Intro geben CIRCUS OF ROCK Vollgas und legen mit „The Beat“ die Meßlatte hoch, welche von dem Folgenden „Desperate Cry“ gleich locker übersprungen wird. Die Hammond-Orgel habe ich irgendwo schon mal gehört, aber ich komme nicht drauf, wo – sei es drum, der Song überzeugt und klingt nach ganz alten BON JOVI. Die Bridge baut schöne Spannungsbögen auf, und beim Refrain scheint der Song zu explodieren. An den Vocals überzeugt die raue Stimme von Johnny Gioeli, der seine Stimmbänder ansonsten bei HARDLINE strapaziert. „Crossroads“ kommt wunderbar relaxt aus den Boxen und hat eine leicht bluesige Note. Hier sucht man den AOR zwar mit der Lupe, aber der Song bleibt trotzdem wunderbar in den Hörgängen hängen. „Tears Of A Clown“ hat ein wenig was von Fahrstuhlmusik, aber ich stehe auf solche Klänge. Eine tolle Ballade, die fernab von Klischees agiert und vor 30 Jahren bei MTV auf Dauerrotation gelaufen wäre.
Das Projekt CIRCUS OF ROCK ist für mich ein echtes Sommerhighlight. Die Beteiligten agieren alle auf einem sehr hohen Niveau, und man kann selten erahnen, dass es sich bei „Come One, Come All“ nur um ein Projekt handelt. „Chef“ Mirka hat sich zu seinem 50. Lebensjahr mit der Scheibe ein wunderbares Geburtstagsgeschenk gemacht und lässt die Hörer mitfeiern. Derzeit gilt – wenn Frontiers eine Projektplatte auf den Markt bringt, dann ist meistens ganz viel Gutes darin!