Dieses Review schreibe ich auf die Gefahr, dass ich die gesamte Gegend zwischen Joensuu und Helsinki gegen mich aufbringe: Vielleicht ist es in Finnland in Rollenspielerkreisen gerade Mega-In, entweder den Barock oder das beginnende 19. Jahrhundert darzustellen (so ganz wird das nicht klar). Oder der Uni-Kurs "Kreatives Schreiben" hat sich dieses Semester am Beispiel von Shakespear und Goethe langgehangelt, Motto: Jack The Ripper meets Faust inklusive zwei unglücklichen Verliebten. Vielleicht wurde auch gerade eine neue Hart-Alk-Pipeline zum Studio von Tuomas Holopainen eröffnet. Im Ernst, ich versuche mir dieses Machwerk gerade schön zu schreiben, aber so recht mag das nicht gelingen. "Sufferion - The Hammartia Of Prudence" ist gleichzeitig ein einnehmendes Gothic- bis Metal-Album mit zwei außergewöhnlichen Stimmen - dem etatmäßigen Sänger Matti Aikio und Gastsängerin Tanya, die ich von Lullacry nicht so vielseitig in Erinnerung hatte. Die Duette sind variabel, beide dürfen über den vollen Umfang ihrer Stimmen gehen und müssen nicht auf der üblichen Klischee-Schiene - "piep-piep-piep" gegen "brumm-brumm-brumm" - fahren, sehr angenehm, ebenso wie die zweite Sängerin Maija Turunen. Die Arrangements sind - für Leute, die´s mögen - opulent bis bombastisch (für meinen Geschmack überladen, aber ich tanze auch nicht mehr in Ballkleidern durch alte Gemäuer) und können sich bis ins Drumming mit jeder besseren Metalband messen, zusätzlich positiv wirkte sich wahrscheinlich schon auf die Komposition aus, dass die Violine zur Band gehört. Tuomas Holopainen, besser als Tastenhexer von Nightwish bekannt, hat ein wirklich gutes Stück Produzentenarbeit abgeliefert. Gleichzeitig ist es ein eher mittelmäßiges Hörspiel mit pseudo-klassischem Drama (von wegen großer Liebe, leibhaftiger Versuchung und schlimmem Ende) und übertriebener Umsetzung, spätestens nach dem ersten Durchlauf sogar nervig. SILENTIUM hatten sich offensichtlich in den Kopf gesetzt, ein Konzeptalbum als theatralisches Goten-Singspiel mit hohem Sprechanteil veröffentlichen zu wollen - und leider hört man das selbst, wenn man nur die Songs einprogrammiert, im Übergang wird schon gelabert. Es muss immerhin so viel Spaß gemacht haben, dass freiwillig eine Menge Musikerkollegen im Studio vorbeigeschaut haben, darunter Tapio Wilska, der "Aushilfssänger" von Finntroll. Solltet ihr trotzdem Interesse am Reinhören haben, unbedingt die "geraden" Titel anspielen, da verstecken sich die Songs.
Eine Nachwuchsband aus der Gegend um Koblenz mit dem ungewöhnlichen Namen RA’S DAWN, abgeleitet vom ägyptischen Sonnengott, die dann auch noch Pyramiden auf dem Cover von Solar Force haben, machen mich, als altem Ägypten Fan natürlich allein schon aufgrund der äußeren Begleitumstände sofort neugierig. Der für ein Demoband wirklich recht hochwertige Inhalt bestätigte mich dann bereits nach dem ersten Hördurchgang um so positiver. Die Formation um den Gitarristen John Schmitz ist seit 2001 aktiv und hat gerade zwei neue Musiker erfolgreich in die Band integriert, die auf diesen vorliegenden Aufnahmen "Solar Force" noch nicht zu hören sind. Ich würde die Musik als epischen Metal mit progressiven Elementen bezeichnen, stellenweise sind sogar etwas doomige Parts miteingestreut worden wie etwa bei dem schleppenden aber trotzdem catchigen Opener "Forlon Dream". Insgesamt liegt die Betonung auf guten Melodien, abwechslungsreiches Riffing und einen äußerst satten Schlagzeugsound alles zusammen eingebtettet in einem epischen Gesamtkontext. Die Keyboards sind nicht ständig präsent, wenn dann eher songdienlich als Füller im Hintergrund gehalten außer es gilt mystische bzw. sphärische Stimmungen zu schaffen, dies könnt sich mit dem neuen hauptamtlichen Tastenartisten eventuell zukünftig ändern. Mit Sänger Olaf kann man ebenfalls mit einen weiteren Aktivposten aufwarten (auch wenn er bei den etwas höheren Stellen sicher noch zulegen kann), denn er kann sowohl singen als auch etwas in die Shouter Richtung agieren, was den wirkungsvoll in einem rau-metallisch gehaltenen Flair der Songs nur zu gute kommt. Insgesamt sind auf den knappen 40 Minuten lediglich drei zum Teil überlange Tracks enthalten wobei der komplexe Hauptsong "The Dawn Of The Raw" sich über 24 Minuten erstreckt und in fünf Unterpartsparts gegliedert ist. Trotz dieser Länge sind Arrangements sehr gut gelungen, der Song langweilt zu keiner Minute, im Gegenteil er wächst noch bei jedem weiteren Anhören und deckt alle Facetten von progressiven Metal in Reinkultur ab. Es lohnt sich hier wirklich auch für jeden Fan härterer Bands einmal reinzuhören, die Jungs haben Potential und der Democharakter der CD ist zu keiner Sekunde zu merken. Ganz im Gegenteil für mich ist der Klang sogar besser gelungen als so manche teure Studioproduktion. Vor allem der Drumsound ist oberamtlich gut, hier könnte sich Herr Ullrich mal eine Scheibe abschneiden, wie ein Schlagzeug heutzutage klingen sollte. Die Gitarrenarbeit von meister Schmitz kommt ebenfalls sehr abwechslungsreich egal ob mal heftig oder akzentuiert, die häufigen Rhythmuswechsel bzw. Breaks ergänzen einander ideal, egal ob Stakkatoriffs oder eher Midtempo auch akustisch (wie beim dem wunderbaren "In Memory") es paßt einfach. Die Band hat ein sicheres Gefühl und die notwendige Instrumentenbeherrschung wie ihre Songs klingen sollten ohne dabei zu überladen oder den Frickelfaktor unangemessen in die Höhe zu treiben. Gegen Ende zaubern Ra’s Dawn mit "Epilogue" dann doch tatsächlich noch einen reinrassigen Proghammer aus dem Hut - ziehe den selbigen daher voller Respekt und wünsche mir eine weitere so starke Platte von den Jungs. Für nur 5 € +Versandkosten gibt’s das Teil auf der Homepage der Band zum Schnäppchenpreis - sollte man sich zulegen.
Ein entfernt an Boschs Höllenphantasien erinnerndes Artwork bei dem die Figuren jedoch hämisch grinsen fällt immerhin auf. Denkste. Die Musik fällt noch viel mehr auf. Und wird wohl dem größten Teil der möglichen Hörerschaft wie eine flache Hand ins Gesicht schlagen. Denn die wirklich obskur anmutende Mischung aus düsteren Gitarrenwänden und einer Sängerin zwischen Nina Hagen und einer Gothicträllerin auf Speed verwirrt und polarisiert. Teils jazzig, teils verspielt, teils kaum hörbar weil atonal und dann wieder ohrenschmeichelnd melodisch. Recht wandelbare Vocals und progressive Instrumentalparts treffen nur an manchen Punkten aneinander, entfernen sich voneinander und werden nicht selten auch unharmonisch. An das übliche Songschema aus Strophe und Chorus hält man sich bei ATROX ohnehin nicht. Ich würde es über weite Strecken verrückt nennen was auf "Orgasm" geboten wird, das dem Hörer viel abverlangt. Bei aller Avantgarde: Das ganze ist immer Geschmackssache und keine Frage des Intellekts - denn nicht jeder will bei Musik erst mal Leiden müssen bis es gefällt. Und das macht aus ihnen einen Paradiesvogel der Szene, wenn auch einen schwarzen, der nicht gefallen muss, aber kann.
Vor gerade mal drei Jahren erschien diese Scheibe erstmals, jetzt schmeißt Regain "Within" erneut auf den Markt. Symphonische Mucke, irgendwo zwischen Death- und Black-Metal, zwischen Soilwork und Cradle. Sehr nette Scheibe, wie Kollege dod bereits schrieb. Aber diese Wiederveröffentlichung scheint so lieblos, dass sie wirklich kaum Sinn macht. Es sei denn, ihr habt die Scheibe seinerzeit verpasst und wollt den Kauf unbedingt nachholen. Die Bonus-Songs "Big in Japan"und " Book Of Keys" (auf der Japan-Edition bereits auf "Within") sind ja schon auf dem Re-Release von "Amorous Anathema" verbraten. Hochwertig sieht auf jeden Fall anders aus. Und bei Wiederveröffentlichungen hört das Auge ja bekanntlich mit, quasi ...
Alle, die sich nicht oder kaum noch an die "gute, alte" Zeit erinnern können, die müssen hier zugreifen. Diese Scheibe ist so was von Megadeth, wie die Kalifornier (oder besser der Mustaine) seit Jahren nicht mehr sind. Nach dem achten Lied des 85er-Debuts "Killing Is My Business …" benannt, trümmern die Franken hier in feinster Speed-Thrash-Manier durchs Gehölz, dass es nicht nur "ewig gestrigen" Metallern die Tränen in die Ohren treibt. Für eine Eigenproduktion warten die Nürnberger mit einem erstaunlich fetten, treibenden Sound auf. Geil. Und noch viel unglaublicher: Wolf, Gitarrist und Sänger, kommt so wahnsinnig nah an die charismatische Stimme des rot-blinden Vorbilds heran, dass man meinen möge, Meister Mustaine ist inkognito nach Deutschland eingereist, um zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Natürlich haben sich Mustaine, Ellefson, Poland und Samuelson mit dem Metal-Meilenstein ein Denkmal gesetzt, an dem niemand rütteln kann. Das ist wahrscheinlich der einzige Makel. Die Scheibe strotzt nicht gerade vor eigenen Einfällen. Aber wer mit eigenen Songs so gut covert, zumal das Original meilenweit von allem entfernt ist, der hat es verdient, dass man seine Scheibe öfter in den Schacht steckt. "Killing is Mechanix’ business … and Mechanix is good."
"Tiefgang - Härte - Vielfalt" - das alles wollen die Herren aus Franken transportieren. Was mitunter anmutet wie eine Thrash-Scheibe mutiert zwischenzeitlich zu einer Metal-CD mit ordentlich progressivem Anspruch. Nur, und das steht allem im Weg: Der Sound - vor allem in Bezug auf die Drums - spottet jeder positiven Beschreibung. Zudem kommen mir die vielen Breaks derart hakelig vor, dass es nichts mit Tiefgang zu tun, sondern eher mit Stillstand. Und bei "Bound To Sorrow" klingt es teilweise, als würden die Herren zwischenzeitlich einschlafen. Und wenn es mal schneller, eingängiger und härter wird, dann verhindert der dünne Klang größere Durchschlagskraft. Songtechnisch also missfällt’s mir also, soundmäßig erst recht. Da auch die Stimme wenig bis nichts rausreißt, kann ich diese Scheibe nicht empfehlen. Und das ist noch vorsichtig formuliert. Nix Tiefgang - Gang in den Proberaum. Sorry.
Man, solche Bands wie The Wake bringen mich immer in eine Zwickmühle: guter melodischer Schwedentod, der aber so originell wie ein Sand Eimer ist. Soll man so einer Band nun vorwerfen, dass sie nichts Neues bietet oder einfach anerkennen, dass sie ein gutes Album eingespielt hat, dass Freunden melodischen Death Metals gefallen dürfte? Weiß kein Mensch, ich kann sowohl die eine als auch die andere Sichtweise verstehen. The Wake stammen aus Karjaa, wo das genau in Finnland liegt weiß auch kein Mensch. Vor drei Jahren gegründet, haben sie unter dem Namen Bleeding Harmony zwei Demos auf den Markt gebracht und sich kurz vor den Aufnahmen zur ersten Scheibe in The Wake umbenannt. Warum weiß kein Mensch, ist ja aber auch egal. "Ode To My Misery" zeigt die Liebe der Band zum schwedischen Death Metal auf, vor allem zur Göteborg-Ecke. Die Band hätte auch locker Mitte der 90er auf No Fashion Records ihren Platz finden können, auch wenn sie einige Soli mehr in ihren Sound eingebaut haben als die typischen No Fashion-Band. Die Gitarrenarbeit ist ziemlich gut, vor allem da die beiden Saitenheinis auch wissen, wann sie sich mal im Hintergrund halten müssen und Sänger Kaj das Feld zu überlassen haben. Der hat die typische Melodic-Death-Stimme, so wie alte Dark Tranquillity, In Flames, Decameron oder The Moaning. Am Schlagzeug hat aber ein Herr Platz genommen, der über den skandinavischen Tellerrand herausgeschaut hat und in seiner Arbeit oft Anleihen am amerikanischen Todesblei erkennen lässt, wobei gerade der permanente Einsatz der Double-Base ziemlich geil. Die Mucker sind also alle recht fit und haben auf der Scheibe zehn recht flotte Songs geschrieben, den In Flames in ihren frühen Tagen nicht hätten anders machen können, hier regiert Göteborg. Einen einzelnen Song kann man da kaum als Anspieltip nehmen, dazu sind sie einerseits alle ziemlich gut und andererseits alle ziemlich ähnlich. The Wake gehen sicher nicht als die innovativste Metal-Band in die Annalen ein, aber was soll’s?
Es ist immer ein etwas seltsames Gefühl, wenn man das erste Album nach dem zweiten hört. Bildet man sich doch ein, Dinge zu hören, die es gar nicht gibt und nur zu leicht verwechselt man laufend die Entwicklungsrichtung der Band - die ja das zweite Album im Normalfall beim Release des ersten noch nicht kannte. Und so versuche ich mich erst gar nicht in entsprechender Psychologie. Und doch muss man die Zeit beachten, in der "Amorous Anathema" entstand. IN FLAMES liefen noch nicht im Radio, Melodic Death Metal boomte vor 5 Jahren noch nicht wie heute. Was die natürlich aus Schweden stammenden EMBRACED musizieren, war zwar auch damals nicht neu, die Mischung aus Black Metal inspirierten Vocals und vorder- wie hintergründigen Keyboards noch nicht so salonfähig. Die derben Riffs und kitschigen Melodien sind in dieser Form oft vorhersehbar, dies tut aber natürlich der Tatsache keinen Abbruch, dass die Musik hochgradig gut ins Ohr geht und doch durch harte Elemente Kontraste setzt. Und um dann doch auf "Within" zu sprechen zu kommen: Mir gefielen die originelleren Songstrukturen dort besser und auch der sparsamere beziehungsweise effektivere Keyboardeinsatz. Zwei Bonus Songs bieten sie dem Hörer auch noch, wovon mich zumindest das Cover "Big In Japan" aber eher zum Gähnen animiert. Es muss ja nicht immer dieser Song sein, oder? Sei’s drum, "Amorous Anathema" rockt auch ein halbes Jahrzehnt nach dem Erscheinen noch ordentlich.
Nach ihrem letzten Album "Walking On A Thin Line" und der daraufhin selbst verordneten Schaffenspause für 2004, legen die Jungs um das Mädel Sandra mit "Live" nun endlich ein Werk auf den herbstlichen Gabentisch, das ihrer explosiven Bühnenpräsenz gerecht wird. Dafür auf jeden Fall meine Anerkennung, eineinhalb Monate später wäre dem bandeigenen Geldbeutel nämlich sicher zuträglicher gewesen. Der emsig tourenden Band steht diese Art eines Albums wie erwartet gut zu Gesicht, inwiefern das ganze aber einen klaren und druckvollen Sound hat, kann und will ich ob des lediglich vorliegenden Audiotapes nicht beurteilen. Die am 2.5.2003. im Kölner Palladium aufgenommene CD erscheint für die Schnellen unter euch in einer limitierten Version inkl. einer DVD, die ebenfalls 20 Songs enthält und somit einen verdammten Haufen Value For Money beinhaltet!
AOR sind ein Projekt des französischen Songwriters Frédéric Slama und spielen genau das, wonach sie sich benannt haben. Hier gibt es weder Hochgeschwindigkeitsorgien noch Schädelrotatoren. Stattdessen driften fast alle Songs dieses von insgesamt über 30(!) Gastmusikern eingespielten Albums in die chanson-orientierte Ecke und eignen sich prima zum Kuscheln oder Träumen. Das hat nur leider den Beigeschmack, dass die Chose leicht zu langweilen beginnt, denn gerade gegen Ende des Albums wird der Hörer mit Saxophoneinlagen und pathetischen weiblichen Gesangsparts gequält, die arg schmalzig wirken und zumindest nicht Jedermanns Geschmack treffen dürften. Wer natürlich die entsprechende Energie mitbringt und sich mal richtig weichspülen lassen möchte, wird auf solide, softe und durchaus hörenswerte Songs treffen, die stellenweise schön melancholische Emotionen bereithalten. Als Anspieltipps und leider auch als kompositorische Höhepunkte seien hier "On Dangerous Ground" und "Last Days In San Francisco" genannt, denn der Rest ist über die gesamte Spielzeit von einer knappen Stunde betrachtet doch sehr einschläfernd. Und hierzu sei angemerkt, dass der Verfasser dieser Zeilen durchaus auch auf ruhige Songs abfährt und nicht nur wummernden Blast-Speed-Kotz-Krach-Prügel Metal hört. "Dreaming Of L.A." ist eigentlich nichts für Metaller, sondern eher etwas für "Ottonormalhörer" mit Hang zum softeren Classic Rock und eventuell zum Jazz. Die hingegen können das Album ruhig mal anchecken.