FJØRT haben mit "Kontakt" Großes vor, Grand Hotel van Cleef passt da als Partner perfekt. Spätestens mit mit dem Vorgängeralbum "D'accord" hatten sich die Aachener Deutschlandweit ins Bewusstsein aufgeschlossener Musikfans gespielt, die vielen dann gespielten Shows festigten den Ruf der Band als Überbringer intensiver Musik. "Kontakt" ist als Weiterführung des Vorgängers auf den ersten Blick chaotisch und fordernd. Auf dem zweiten Blick findet sich im Hardcore-meets-Postrocks-meets-Metal-Gemisch eine ganz eigene Struktur, die Songs wie den interessante Opener "In Balance" oder das heftige "Kontakt" zu kleinen Perlen lassen. Dazu trägt nicht nur die abgefahrene Gitarrenarbeit ihren Teil bei, sondern auch die intensiven, das aktuelle Zeitgeschehen behandelnden, Texte und der nicht minder intensive Gesang. Besonders "Paroli" als Aufruf zum Widerstand gegen rechte Hetzer und das markige "Belverde" müssen für die Texte genannt werden. FJØRT positionieren sich inhaltlich eindeutig, ein wenig im Kontrast zu ihrer Musik. Gute Sache. "Kontakt" zündet zwar schon beim ersten Durchlauf und auf dem ersten Blick, aber seine ganze Schönheit entfaltet sich für Ohren und Augen erst nach mehreren Durchläufen. Wer der neuen FJØRT-Scheibe diese Zeit gibt, wird mit einer fantastischen Platte belohnt, die voller Emotionen, Aggressivität und Einfallsreichtum steckt. Und sich als schwer zu beschreibend entpuppt. Also aktiv werden: Videos angucken, zu FJØRT-Shows gehen, die Platten kaufen und eine der innovativsten deutschen Bands unterstützen, wo es nur geht!
Ganz schlicht “Live 2015” lautet der Titel des jüngsten VERSENGOLD-Werkes, und genau das bekommt man auch. Aufgenommen auf der Tour im Herbst, präsentieren die Spielleute hier auf einem Doppelalbum satte zwei Stunden lang, was sie live so draufhaben. Schön ist, dass dabei auchdas Flair nicht zu kurz kommt: wirken Live-Aufnahmen des öfteren durch die nahezu komplette Ausblendung des Publikums doch etwas steril, ist bei „Live 2015“ die Interaktion mit dem Publikum, die nicht unwesentlicher Bestandteil von VERSENGOLD-Konzerten ist, erhalten geblieben und man bekommt beim Anhören mit geschlossenen Augen so tatsächlich das Gefühl, einem Konzert beizuwohnen – abzüglich Bierdunst und Gedränge. Die Energie und Spielfreude der Band und die gute Stimmung im Publikum sind mit Händen greifbar, auch an der Klangqualität gibt es nichts zu mäkeln. Da auf einer Doppel-CD zudem reichlich Platz ist, um eine breite Palette des eigenen Schaffens darzubieten, findet sich hier bunt gemischt Neues neben Altem, und optisch hübsch aufbereitet kommt das Ganze auch noch daher. Fazit: Mit „Live 2015“ haben VERSENGOLD ein rundum gelungenes Live-Album auf die Beine gestellt, dass vielen Fans das Warten auf das nächste Konzert sicherlich beträchtlich versüßen wird.
Die LORANES sind ein neues Trio aus Berlin. Mit an Bord ist u. a. Ex-KADAVAR-Bassist Philipp „Mammut“ Lippitz, mit BLACK SABBATH-mäßigem Proto-Metal haben sie aber nicht viel am Hut. „Vintage“ wird zwar auch bei den LORANES groß geschrieben, nur geht es bei ihnen um Rock-Musik der alten, dreckigen Schule. Als Einflüsse nennen sie VELVET UNDERGROUND, THE JESUS AND MARY CHAIN, OASIS – und eben auch BLACK REBEL MOTORCYLCE CLUB. Und dieser letzte Verweis hätte eigentlich schon ausgereicht, denn nach denen klingen die LORANES dermaßen, dass sie fast schon als BRMC-Tribute-Band durchgehen. Songs wie „Servant Of Fear“ oder „Easy“ grenzen an Plagiate (von „Berlin“ bzw. „Bad Blood“). Wer sich daran nicht stört, hat sicher seine Freude an „Trust“. Die Songs grooven dreckig, bieten aufgrund eingängiger Refrains auch jede Menge Hit-Potenzial, der Sound ist dreckig, roh und angenehm garagig, die Attitüde stimmt. Auch sind die LORANES zumindest etwas dadurch entschuldigt, dass sich BRMC ihrerseits ebenfalls bei den anderen genannten Vorbildern bedienen (abzüglich OASIS, die ich aber auch bei den LORANES nicht heraushöre). Wer also die Zeit bis zum nächsten BRMC-Album überbrücken möchte, kann bei den LORANES bedenkenlos zugreifen.
Beim erstem Hören ist das neue DEAFHEAVEN-Werk "New Bermuda" erschlagend, genau wie es der Vorgänger "Sunbather" war. Die fünf neuen Songs sind bösartig, verstörend und gleichzeitig voller verwirrender Anspielungen und unerwarteter Wendungen - in "Gifts For The Earth" findet sich eine Reminiszenz an einen 90er Pop-Hit. Natürlich liegt auch "New Bermuda" Black Metal zugrunde, wobei ja angesichts des Erfolgs und der Attitüde der Band die Frage nach der Genre-Zugehörigkeit der Amerikaner in Black Metal-Kreisen noch nicht abschließend beantwortet werden konnte. Mit der neuen Platte wird das Finden einer Antwort nicht einfacher werden. Dabei hauen die Jungs um Shouter - und wieder einmal mit hochinteressanten Texten glänzenden - George Clarke harten Black Metal raus, wenn ihnen der Sinn danach steht ("Brought To The Water"). Norweger schlackern da mit den gschminkten Ohren.
DEAFHEAVEN können aber nicht nur Black Metal, sondern sind auch im Alternative Rock fit ("Baby Blue") und stecken SLAYER Riff-mäßig in die Tasche ("Luna"). Beim Songwriting variieren sie alle Zutaten so geschickt, dass in keinem der fünf überlangen Songs auch nur eine Sekunde Langeweile aufkommt oder eine Idee, ein Riff zu Tode geritten werden.
"New Bermuda" stellt den Hörer vor eine Herausforderung ob des wilden Hin- und Herspringens in Musikstilen. Eine reine Black Metal-Platte wäre sicher einfacher zu verdauen und in sich homogener, würde DEAFHEAVEN aber nicht gerecht werden. In den Songs finden sich viele Ideen, die zu in sich stimmigen - wenn auch in der Regel nach zwei bis drei Minuten wechselnden - Soundgebilden geformt wurden. Der Hörer wird so herausgefordert, um zu erkennen, dass "New Bermuda" ein bei aller Variabilität in sich schlüssiges Black Metal-Album ist, das sich auf hohem Niveau bewegt. Langweilig wird "New Bermuda" nicht; gleichzeitig stellt es die logische Weiterentwicklung des DEAFHEAVEN-Sounds dar. Top!
ROTOR nehmen sich nicht nur bei ihrer Musik viel Zeit, sondern auch für ihre Veröffentlichungen. Seit 1998 existiert die Berliner Band bereits, und ihr neues Album ist gerade mal das fünfte. Ähnlich konsequent, wie KARMA TO BURN mit ihren Songs umgehen, werden die Alben einfach durchgezählt, nur dass die „Fünf“ zum ersten Mal ausgeschrieben wurde. Mit eben genannten verbindet sie auch die grundsätzliche Ausrichtung ihrer Musik. ROTOR spielen instrumentalen Stoner Rock mit einem Schuss Psychedelic, wobei sie sich von KARMA TO BURN dadurch unterscheiden, dass sie deutlich vielseitiger zu Werke gehen.
Der psychedelische Opener „Echolot“ (Die Songs sind bei ROTOR durchgehend deutsch betitelt.) atmet etwas „Riders On The Storm“-Atmosphäre, „Scheusal“ zeichnet sich durch komplexe Rhythmik aus, die am Progressive Rock kratzt, und das ruhige, melodische „Rabensol“ geht gar in Richtung Americana. Im leicht swingenden „Oktagon“ wiederum klingt Krautrock an, das durige, verspielte „Herrengedeck“ erinnert an AND SO I WATCH YOU FROM AFAR, und mit „Weltall Erde Rotor“ wird es am Ende sogar ein bisschen episch. Aber dazwischen gibt es auch immer wieder die gewohnten dreckigen Stoner-Riffs, wie im treibenden, perfekt betitelten „Fette Kette“ oder dem düsteren, drückenden „Vollast“.
Mit „Fünf“ legen ROTOR ihr bislang abwechslungsreichstes Album vor, das verschiedenste Spielarten ihres ursprünglichen Stils zulässt, ohne diesen jedoch zu verleugnen. Filigranen Parts stehen wuchtige Kopfnicker-Parts gegenüber, so dass die Scheibe gleichermaßen beim bloßen Zuhören fasziniert als auch zum Abgehen auf den anstehenden Konzerten taugen dürfte. A pro pos: Ab Ende Oktober kommen die Jungs auf Deutschland- und Österreich-Tour. Wer auf diesen Sound steht, sollte sich das nicht entgehen lassen.
„Zeitlos“ heißt der neue Silberling der Herrschaften von VERSENGOLD und präsentiert wird darauf reinster Mittelalter-Folk mit einer bunten Mischung aus irisch inspirierten Instrumentals, Kapitalismuskritik („Der Rubel Rollt…“) und Hymnen aufs Leben, zu denen sich trefflich bechern lässt, wie dem eingängigen „Hoch Die Krüge“, das auch die erste Single-Auskopplung darstellt. Der Opener „Zeitlos“ lässt auf eingängige Weise das Leben für den Moment hochleben, „Kein Trinklied“ nutzt vordergründig die in Mittelalterkreisen verbreitete Trinkthematik, verwendet sie bei näherem Besehen jedoch als Metapher für die individuelle Einstellung zum Leben und das Lenken des eigenen Geschicks. Das ruhige und im ersten Moment textlich etwas überraschende „Frühlingsgruß“ besingt Unachtsamkeit und Rücksichtslosigkeit, die beiden Instrumentals „Luna´s Reel“ und „Sol´s Reel“ nehmen Bezug auf die Sonne-Mond-Thematik des Album-Covers und kommen irisch-beschwingt daher. Das flotte „Spaß Bei Saite“ beschreibt das Leben als Spielmann mitsamt seinen Vorteilen, für die Ballade „Die Schönheit der Schatten“ konnte Katja Moslehner von FAUN als Gastsängerin gewonnen werden. Fazit: Versengold haben sich auf „Zeitlos“ eindeutig weiterentwickelt und liefern ein rundes Album ab.
RAISED FIST haben sich seit Mitte der 2000er Jahre immer viel Zeit für ihre Alben gelassen, so dass die lange Pause zwischen dem durchwachsenen "Veil Of Ignorance" und "From The North" nicht überrascht. Mittlerweile ist das Quintett aus Uppsala bei Epitaph Records gelandet und hat sich für die Produktion mit Roberto Laghi (STONE SOUR, TRIVIUM, LAMB OF GOD) einen echten Hochkaräter angelacht. Der hat einen Job abgeliefert, der seiner Reputation alle Ehre macht: "From The North" knallt druckvoll-differenziert aus den Boxen und lässt allen Instrumenten den nötigen Freiraum zur vollen Entfaltung. Mit Jimmy Tikkanen gibt - und dann genug der Neuerungen - einen neuen Gitarristen an Bord. Er ersetzt Urgestein Marco Eronen. Und macht einen fantastischen Job, die Gitarrenarbeit gehört zu dem Besten, das von RAISED FIST jemals abgeliefert wurde. Immer wieder werden Verbindungen zu den früheren Werken der Band aufgezeigt und gleichzeitig an den Durchstarter "Sound Of The Republic" erinnert. Shouter Alle setzt mit seinem einzigartigem Organ weitere Highlight und beeindruckt einmal mehr durch MG-artiges Sprechtempo. Über Matte Modin (DEFLESHED, ex-DARK FUNERAL) an den Drums muss kein weiteres Wort verloren werden, der war und ist fantastisch. Soweit also alles im grünen Bereich, aber wie sieht es mit dem Songwriting aus? Immerhin hat das Vorgängeralbum da ja einige Schwächen gehabt. Schon der erste Durchlauf von "From The North" macht klar, dass das vorbei ist und RAISED FIST zu alter Stärke gefunden haben. Die Songs sind mitreißend, eingängig und kommen auf den Punkt. Immerhin ist das Album in einer guten halben Stunde durch und alles gesagt. "We Will Live Forever" ist der Mitsing-Hit, "In Circles" und "Gates" werden Live für Abriss sorgen und "Chaos" zeigt allen Nachwuchscombos, wie sich schwere Riffs und Hardcore zusammenbringen lassen. "From The North" ist ein echter Kracher geworden, mit dem RAISED FIST jeden Fan in Verzückung versetzen werden!
PIANOS BECOME THE TEETH haben sich schon immer als Band verstanden, die einem konstantem Wandel unterliegt: das Line-Up ändert sich immer und auch musikalisch legen sich die Amis nicht richtig fest. Mit "Keep You" geben sie ihren Einstand bei ihrem neuem Label - auch hier eine Verändeurng - Epitaph Records. Eine kluge Wahl, denn so wird die Band sicherlich neuen Hörerschichten zugänglich gemacht werden. Was beim ersten Durchlauf von "Keep You" verwirrt, ist die Abwesenheit beinahe aller Screamo/ Hardcore-Einflüsse. Kein Geschrei mehr, keine heftigen Gitarren, keine wirklich schnellen Songs. Stattdessen ruhige Klänge, in denen gesungen wird, und die den Fokus auf eine nachdenkliche, leicht melancholische Atmosphäre legen. Das erinnert - ob von der Band bewusst gewählt, bleibt unklar - an ANATHEMA und lebt viel vom Schlagzeugspiel, welches gleichermaßen songdienlich-ruhig und technisch anspruchsvoll ist, und den ruhigen Gitarren. PIANOS BECOME THE TEETH haben mit "Keep You" eine intensive Platte geschrieben, die vor Emotion und Atmosphäre nur so sprüht und den Hörer fesselt. Gleichzeitig ist es eine überraschende Platte, war doch der Vorgänger deutlich roher und aggressiver. PIANOS BECOME THE TEETH überzeugen auf ganzer Linie, "Keep You" ist eine Empfehlung für jeden Musikfan, der auf intensive Musik steht!
Mit "Dear Youth" wollen THE GHOST INSIDE an den Erfolg ihres Durchbruch-Albums "Get What You Give" anknüpfen, immerhin sind sie seit dessen Release eine der ganz großen Nummern im Hardcore/ Metalcore geworden. So wurde in Sachen Produktion auf Nummer Sicher gegangen und mit Jeremy McKinnon (VEARA, THE DEVIL WEARS PRADA) und Andrew Wade (A DAY TO REMEMBER, EYES SET TO KILL) das passende Produzentendoppel für den Brachialsound der Band verpflichtet. Das Ergebnis überzeugt: "Dear Youth" kommt mächtig druckvoll und gleichzeitig differenziert aus den Boxen. Jonathan Vigils Stimme bekommt viel Platz, ohne dass das zu Lasten der anderen Instrumente geht, und kann so Akzente setzen. Die Band funktioniert so gut aufeinander eingespielt wie eine Schweizer Taschenuhr und lässt ein Groovemonster nach dem anderen auf den Hörer los. Von Anfang bis Ende gibt es bei "Dear Youth" gewohnt gekonnt auf die Fresse, immer angetrieben von der Rhythmusfraktion und den knackigen Gitarren. Am Mikro gibt Mr. Vigil alles und kitzelt aus seinen Stimmbändern das letzte heraus. Die elf Songs zeigen die Band dabei abgeklärt und nachdenklich, was sich ja schon bei "Get What You Give" angedeutet hatte. Wer nicht auf die Texte achten will, kann zu jedem der elf Songs einfach steilgehen und die Moves auspacken. THE GHOST INSIDE haben einen würdigen Nachfolger zu "Get What You Give" geschrieben und werden auch mit "Dear Youth" in der Hardcore/ Metalcore-Melange ganz vorne mit dabeisein. Und das völlig zu Recht!
OBEY THE BRAVE liefern mit "Salvation" ihre zweite Scheibe ab, nachdem sie mit ihrem Debüt gut durchstarten konnten und dabei sicher auch von der eigenen Vergangenheit als DESPISED ICON proftieren konnten. Seitdem waren die Jungs auf amerikanischen und europäischen Bühnen dauerpräsent. So ist "Salvation" auf der einen Seite das Produkt gut aufeinander eingespielter Musiker, auf der anderen Seite im Grunde nur dafür da, um die Band weiterhin auf Tour zu schicken. Da verwundert es nicht, dass die meisten Songs so massiv und innovativ wie eine Ziegelwand sind. Es gibt schön auf die Moppe, immer mit Gangshouts, viel Gorilla-Gehabe und knackigen Riffs. Innovativ ist dabei genau nullkommanix, aber dafür sind OBEY THE BRAVE auch nicht im Musikzirkus unterwegs. Sie orientieren sich an Arbeitstieren wie TERROR und THE GHOST INSIDE, wobei beide Bands knackigeren, schlicht bessere Songs als OBEY THE BRAVE schreiben. "Salvation" bleibt so ein solides Album, dessen Songs im Pit für Furore sorgen werden, aber in der heimischen Anlage in ihrer Berechenbarkeit und mit Reißbrettcharme nur bedingt fesseln können. Musik als Handwerk.