Konzert:
Nightwish, Sonata Arctica, Timo Rautiainen & Trio Niskalaukaus - Hamburg, Color Line Arena
Konzert vom 7000 Menschen in der Color-Line-Arena - von den Hanseaten liebevoll Colina genannt. Das ist ne ganze Menge, aber wenig, wenn man bedenkt, dass beinahe 16.000 insgesamt reinpassen. Na ja und von den 7000 interessieren sich in etwa 6900 nicht für den Opener
TIMO RAUTIAINEN & TRIO NISKALAUKAUS - wobei letzteres nicht auf die Bandstärke, sondern eher auf Inhalte hindeutet. "Niskalaukaus" bedeutet nämlich Genickschuss - und zumindest nen kleinen Schlach innen Nacken hätte das Ignoranten-Volk verdient. Denn scheinbar bewegungslos stand (oder saß) das Gros der Menschen in der Riesen-Halle herum. Allenfalls Höflichkeitsapplaus verdienten sich die in Finnland so erfolgreichen Jungs mit den drei Gitarren. Dementsprechend fett kam ´s auch aus den Boxen. Sicherlich: Es ist nicht jedermanns Sache, die deutschen Texte mit dem finnischen Akzent, der scheinbar monotone aber dafür unglaublich groovende Sound von
TIMOund Co. Egal, viele waren eben nur wegen NW da, viele kannten den Rest nicht oder ignorierten alles außer Tarja… Die hundert Aufrechten aber, die hörten folgende (und viel zu wenige) Songs und amüsierten sich bestens:
Kalter Zustand
Elegia
Hartes Land
Nyt On Mies
Zeit der steigenden Säfte
Schneewanderer
Wer sich anschließend am Merch-Stand austoben wollte, der hätte vorher Omma und Oppa kidnappen oder umlegen müssen, denn 25 Euro für ein Shirt spotten wie immer auf diesem (Kommerz-)Niveau jeder Beschreibung. Also lieber ein bis zwölf Bier vom fliegenden Zapfer und SONATA ARCTICA genossen. Eine Mischung aus Helloweens 80er-Speed-Metal, symphonischeren Klängen der heutigen Haarspray-Bands und einem Sänger, der von Zeit zu Zeit seine Klötze anner Garderobe abgegeben zu haben schien. Die Show war okay, musikalisch war´s okay, Stimmung auch okay. Will sagen: Nicht so schlimm, wie ich dachte, die Gold-Hamster aus Finnland haben´s drauf und die Leute fanden´s besser, als TIMO. Ich frage mich zwar warum, aber es gibt wirklich viel schlechtere Band in dieser Richtung. Setlist, ohne Gewähr:
Misplaced
Blinded No More
Kingdom For A Heart
Broken
Replica
Victoria´s Secret
My Land
Black Sheep
The Cage
Fullmoon
Don´t Say A Word
Vodka Song (memme)
Und wie Memme schon gesagt hat, ob Männlein oder die zahlreich anwesenden Weiblein: Alle wollen Tarja Turunen. Als das zarte Persönchen auf der Bühne auftaucht, gibt es kein Halten mehr - der Vorschussapplaus für die anderen Bandmitglieder war schon laut, aber jetzt brandet er zusammen mit den "Tarja"-Rufen und dem allgemeine Gekreische auf wie ein Orkan. Tarja trägt ein rotes Mantelkleid und Keyboarder und Mastermind Tuomas einen seltsamen Hut, aber diese Äußerlichkeiten werden innerhalb der ersten Sekunden durch einen mächtigen Knall weggewischt: Mit den ersten Pyros öffnet sich das "Dark Chest Of Wonders", gleichfalls der Titelsong der aktuellen Platte "Once". Mein erstes Highlight wird gleich im Anschluss von Bassist Marco Hietala angestimmt, "Planet Hell" hat eben nur noch wenig von dem verzückten Klassikmischmasch der vergangenen Zeit, sondern stampft umpf und stumpf auf die zwölf, wie wir das ansonsten von Rammstein und Konsorten gewohnt sind. Ich finde ja, dass NIGHTWISH durch den zweiten Pol in Form von Marco extrem gewonnen haben - Tarja kann ihre Stimme ausruhen und muss nicht singen, anfeuern und die Ansagerin spielen in einer Person, und sie wirkt dadurch wesentlich gelöster. Das Ohr des Zuhörers kann sich ebenfalls vom hohen Geträller entspannen, beide Stimmen harmonieren und wirken zusammen sehr viel besser. Song Numero drei wird allerdings wieder ganz von Tarjas Operngesang getragen - trotzdem bekommt der Bassist Szenenapplaus, als er seinen imposanten Bart in alle Richtungen verzieht - und verwandelt sich in das "Phantom der Oper". Ein paar wenige Musical-Liebhaber klatschen daraufhin noch einmal lauter, einige Metalfans verziehen die Augenbrauen, aber alle müssen dem Duett zugestehen, dass sie die Operette mit deutlich mehr Hingabe spielen als die Darsteller in der Neuen Flora vor zuletzt einem Jahr - trotzdem flaut die Stimmung hier das erste Mal um ein Quäntchen ab. Es folgen zwei ältere Stücke, danach nimmt sich Tarja ihre Pause und Marco erneut das Mikrofon, dieses Mal für eine sehr deutliche Ansage, er erklärt, angesichts der Wahlen in den USA und anstehender Wahlen in Finnland sei "Symphony of Destruction" ein besonders aktueller Song, denn wenn Politiker nicht "voll von sich selbst" seien, seien sie "full of shit". Ich finde es ja schon allein geil, dass NIGHTWISH den MEGADETH-Song covern, mein Nachbar ist allerdings größerer Dave Mustaine-Fan als ich und verzieht die Mundwinkel. Das Metaller-Herz wird mit dem Outro von "Wishmaster" noch einmal gestreichelt - war das schon ein Bier zu viel für mich oder haben Emppu und Tuomas da mal eben ein Lick von DEEP PURPLE dran geklatscht? Die beiden folgenden Songs hätten in meiner persönlichen Wunschliste nicht drin gestanden und hatten erneut einige Längen, aber Lightshow und Pyroeffekte ließen bis hierhin keine Wünsche offen, waren dezent, aber effektvoll und unterstrichen schon bis hierhin die Show perfekt - bei dem Megahit "Nemo" wird das Publikum dann von einer Wasserwand überrascht, die vor der Band aus dem Lichttrass kommt und die Bühne wir ein überdimensioniertes Aquarium aussehen lässt. Danach geht das Licht aus - war das schon der Set? Ja, und zur Zugabe erscheint Frau Turunen im schwarzes Kleid, und Konfetti-Kanonen unterstreichen "Ghost Love Score". Mit der sinnlos-lustigsten Ansage des Tages, Tuomas sei kein Perverser, nur weil er gern lyrisch was mit der Jungfrau Maria anstellen wolle, beginnt "I Wish I Had An Angel", und mit diesem Höhepunkt verabschieden sich NIGHTWISH von inzwischen circa 8000 Fans nach satten 90 Minuten Spielzeit. Die Karten haben fast 35 EUR gekostet, dafür gab es auch in Sachen Showeffekte Value for Money.
Ach ja, die deutsche Booking Agentur hatte sich einen lustigen Gimmick für ihre Band einfallen lassen und ihr nach der Show in Hamburg heimlich still und leise in den Katakomben der Color Line Arena das "Goldene Ticket" für 50.000 im voraus verkaufte Eintrittskarten verliehen - danach sah man Marco Hietala mit einem Schleier aus Verpackungsmaterial durch die Gegend laufen, und unter dem Arm klemmte außer seinem eigenen Rahmen auch ein "Goldenes Ticket" für eines der Crewmitglieder, und er sah ziemlich zufrieden aus.
NIGHTWISH spielten:
Dark Chest Of Wonders
Planet Hell
Deep Silent Complete
Phantom Of The Opera
She Is My Sin
Sleeping Sun
Symphony Of Destruction
Bless The Child
Everdream
Wishmaster
Dead Boys Poem
Slaying The Dreamer
Nemo
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Ghost Love Score
Wish I Had An Angel
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