Interview Wann seid ihr denn hier angekommen?Ich weiß es nicht mal genau. Irgendwann heute nacht, glaube ich.
Hast du geschlafen? Ja. Ich bin auch erst vor 45 Minuten aufgestanden.
Oh, na dann Guten Morgen.... Ja, genau....Danke.
Muss ziemlich hart sein, so lange auf Tour unterwegs zu sein.Je nachdem. Mit dieser Gruppe schon, ja, das ist ziemlich hart.
Wie transportiert ihr eigentlich euer Equipment, wenn ihr international unterwegs seid und zum Teil fliegen müsst? Musiker haben doch grundsätzlich eigentlich Angst um ihr Equipment und da ihr euch ja wohl auch keinen Privatjet leisten könnt-Jonne (lachend): Nein, so weit ist es noch nicht..... NOCH nicht, zumindest. Wir arbeiten dran.
Und wenn man sich anschaut, wie mit normalem Gepäck zum Teil am Flughafen umgesprungen wird- so möchte man keine Gitarre behandelt sehen. Also was macht ihr? Die Gitarren kommen mit dem Flugzeug mit der Crew mit.
Also die nehmt ihr mit an Bord? Ja. Aber wir haben auch diese Hardcases für die Gitarren...
Trotzdem. Ja, je nachdem.... Manchmal wird das Gepäck dann doch ziemlich durch die Gegend geschmissen. (Er imitiert eine rücksichtslose Wurfbewegung).
Und bis jetzt ist da noch nie was passiert? Nein, nicht dass ich wüsste. Nicht dass ich wüsste.
Glück gehabt. Ja. Eigentlich wurde bei uns noch nie irgendwas beschädigt oder ging verloren. Gott sei Dank, wir hatten wirklich Glück. Aber ich habe gehört, dass THE 69 EYES in London, in Heathrow, die Hälfte von ihrem Zeug verloren haben. Alle Cymbals, und auch Gitarren. Vor ein paar Jahren war das schon. Wir hatten bis jetzt wirklich Glück.
Oh Gott, muss furchtbar sein, wenn man da ankommt und das ganze Zeug ist weg. Auf jeden Fall. Also wir versuchen... Die anderen Instrumente, wie das Schlagzeug, die Verstärker, kommen bei uns mit dem Schiff, ungefähr zwei Wochen vor der Show, von Finnland nach Deutschland.
Damit auf jeden Fall genug Zeit ist? Ja, genau. Und wir haben zwei Drumsets und zwei Backlines, damit wir dann trotzdem proben können. Das eine Set wird dann verschifft und das zweite ist in unserem Proberaum.
Hast du irgendeine Art Ritual vor oder nach einem Gig? Ja, hab ich. Ich vesuche, meine Stimme aufzuwärmen. Insbesondere die Songs vom "Anorectic"-Album sind viel höher als jemals zuvor und da ist das schon ganz gut.... Ich meine, je mehr Shows man spielt, desto besser wird es. Aber ich habe auch so ein Art Ritual, Sachen, die ich dann mache-ich versuche, mich zu beruhigen, wechsele meine InEar-Monitore und so was, ich schätze, das ich schon so eine Art Ritual. Und die ganze Zeit summe ich dabei vor mich hin, ungefähr so: (Er summt und brummt vor sich hin.)- ziemlich tief. Das hilft. Ich habe nämlich mal ein paar Stunden Gesangsunterricht genommen und der Lehrer da hat erzählt, dass das die Stimmbänder ein bisschen entspannt Ich versuche dann, mich in Live-Stimmung zu bringen. Du kannst nicht einfach so auf die Bühne gehen und dann loslegen- ich hab´s vesucht, aber es funktioniert nicht. Ich stehe dann eher so da und denke "What the fuck?"...
Du meinst so was wie: "Was mache ich eigentlich hier? Und wer sind all diese Leute da?" Jonne (lacht): Ja, genau. Das funktioniert nicht. Dann ist man vielleicht beim letzten Song in der richtigen Live-Stimmung angekommen und dann ist auch schon alles vorbei.
Wie bist du eigentlich überhaupt zur Musik gekommen? Wie hat alles angefangen, was war dein erstes Instrument?Mein erstes Instrument war eine Akustikgitarre, mein Vater hat sie mir zum Geburtstag geschenkt, als ich zwölf wurde. Das war der Anfang. Meine Eltern haben viel Musik gehört- die Beatles und solche Sachen. Und die richtige "Initialzündung", der Schlüsselmoment, war, als ich eine Guns ´n´ Roses-Show auf Video, ich meine im Fernsehen, sah. Da war´s um mich geschehen. Das war total...
"Das will ich auch machen!" Oh yeah.... In einem ausverkauften Stadion.
Angeblich bezieht sich euer Bandname auf den schlechten Einfluss, den du als Kind auf die anderen Kinder in der Nachbarschaft gehabt haben sollst. Was genau war das denn für ein schlechter Einfluss, oder gab es in Wahrheit gar keinen? Oh, naja, Rauchen und so was...
Du rauchst? Nicht mehr. Ich hab aufgehört. Ich will nicht mit Lungenkrebs enden. Ich hab ziemlich viel geraucht. Deshalb bin ich auch so klein...
So klein bist du doch gar nicht. Naja, ich habe zwei Brüder und beide sind größer als ich, der eine ist fast zwei Meter groß. Ich bin der Kleinste. Ich hab zum ersten mal geraucht als ich zwölf war, das war eine sehr hektische Zeit. Ich habe mit Leuten rumgehangen, die älter waren als ich und schon Alkohol getrunken haben und wurde entsprechend von denen beeinflusst. Aber zu diesem Zeitpunkt haben die Leute auch sehr extrem versucht, alle schlechten Einflüsse von ihren Kindern fernzuhalten und auch bei mir in der Nachbarschaft musste es halt einen Sündenbock geben...
Und das warst du. Das war ich. Ich war gar nicht so schlimm. Da gab es viel schlimmere Leute. Aber wir haben schon ziemlich viele dumme Sachen gemacht, ich hatte wirklich Glück, dass ich nie erwischt wurde. Wir haben alle möglichen Sachen geklaut...
Wie zum Beispiel? Alkohol, Zigaretten, Kondome,...
Also so ziemlich alles, was ihr in die Finger kriegen konntet?Ja, so in etwa.
Einfach nur zum Spaß oder wieso? Ja, einfach nur zum Spaß. Ich war ziemlich gut darin, weil zu dem Zeitpunkt die Leute Kinder für absolut harmlos hielten... weißt du, was ich meine?
Ja, sie halten einen dann für so süß und denken, man könnte kein Wässerchen trüben. Genau. Naja, ich brauche das alles nicht mehr. Ich habe es ausprobiert und weiß, wie es ist, ich muss das nicht mehr machen. Ich bin jetzt gerade 24 geworden und auf der Suche nach meinem Platz im Leben, wo ich hingehöre. Die letzten paar Jahre.... Inzwischen laufe ich zum Beispiel lieber. Ich brauche das, zweimal die Woche so sechs bis acht Kilometer zu joggen. Es ist ein Hobby. Dazu kommt, dass ich mich auch auf der Bühne gerne wohl fühlen und das Ganze genießen will, anstatt nach kurzer Zeit nur noch keuchend nach Luft zu ringen und mich zu fragen, wann es endlich vorbei ist. Ich habe einen sehr guten Freund außerhalb der Band und er ist so was wie mein Personal Trainer. Zuerst haben wir´s mit Tennis versucht- das ist nicht gerade besonders Rock´n ´Roll-mäßig, aber das ist mir egal, ich kümmere mich nicht um meine Street Credibility. Naja, ich werde etwas weiser und älter.
Du hat gesagt, dass du jetzt 24 geworden bist, und ihr seid jetzt ja doch schon seit einer Weile bekannt. Wie ist das, zu wissen, dass dich Leute kennen, die du nicht kennst, oder wenn du Leute trifft, und nicht weißt, ob ihnen wirklich etwas an dir als Person gelegen ist oder an dir als Promi, als dem Bild, das sie von dir haben?Ich denke wir haben großes Glück, dass wir schon so viele Dinge sehen konnten, obwohl wir so jung sind. Man weiß nie genau, wie es weitergeht, ob man wirklich richtig groß wird, ob es etwa so bleibt, wie es ist, oder ob es plötzlich vorbei ist. Ich hatte schon so ein bisschen eine Krise.... Ich habe ein bisschen Angst, dass mein Leben vorbei ist, bevor ich 30 werde. Die letzten Jahre waren wirklich ziemlich hektisch und es fühlt sich an, als hätten sie für immer angedauert, es ist soviel passiert; was ist, wenn es irgendwann vorbei ist? Und fühle mich seit mehreren Jahren schon als wäre ich 18 oder 19- als ich 24 wurde, hatte ich ein Gespräch mit einem Freund und habe ihm erzählt, dass ich mich noch nicht mal daran erinnere, 21 oder 22 zu sein, weil ich mich immer wie 18 oder 19 gefühlt habe. Danach ist so viel passiert mit der Band und des ging einfach alles so schnell. Und man wartet immer auf irgendetwas. Du bist auf Tour, du sollst ein neues Album rausbringen. Dann arbeitest du dran und übst die Songs, vielleicht so zwei Monate. Dann gehst du ins Studio. Und wenn du damit fertig bist, gehst du wieder auf Tour und alles geht wieder von vorne los. Und die Zeit verschwindet einfach irgendwo hin, weil du so beschäftigt bist.
Gruselig. Ja. Aber hey, ich kann mich nicht beschweren. Ich liebe das, was mir machen. Und ich hoffe, wir werden noch größer...
So unbekannt seid ihr doch schon gar nicht mehr. Nein, nein, aber weißt du.... Je mehr man hat, desto mehr will man. Ich glaube, für so etwas gibt es keine Grenzen. Wir sind die Art Band, die bereit wäre, eine Show auf dem Mond zu spielen.
Gibt es irgendeinen Ort wo du besonders gerne spielen würdest?Auf dem Mars! (lacht)
Na dann sagt bescheid, wenn ihr soweit seid, das wäre dann ja doch sehenswert... Yeah, okay. Naja, es gibt auch immer mal wieder Krisen, auch wenn wir das jetzt schon seit einer ganzen Weile machen. Alles hat zwei Seiten. Das ist dann die Seite, die die meisten Leute nicht sehen. Wir in der Band hatten zum Beispiel schon öfters Probleme mit Alkohol- das scheint ein ewiges Problem zu sein.
Wenn man so lange Zeit auf so relativ engem Raum zusammengepfercht ist, geht man sich ja mit Sicherheit auch früher oder später gegenseitig auf die Nerven, oder? Natürlich, natürlich....Manchmal sitzt du dann da und der neben dir säuft wie verrückt und du trinkst gar nichts und musst dir dann so Sachen anhören "Du bist so ein verdammter Langweiler!"... Naja, aber das ist sozusagen Teil der Beziehung, in der Band, so wie in einer Ehe.
In guten wie in schlechten Zeiten? Ja, genau.
Wie fühlst du dich, wenn du zum Beispiel im Supermarkt Einkaufen bist und plötzlich kommt ein wildfremder Mensch auf dich zu und fragt dich nach einem Autogramm oder einem Foto? Zuerst hat mir das Angst gemacht. Das war ziemlich unheimlich und ich konnte erst mal nicht besonders gut damit umgehen, ich hab?s zu ernst genommen. Aber man gewöhnt sich dran, es mittlerweile ein Teil meines Lebens. Ich nehme es nicht mal mehr richtig wahr. Wenn irgendein Fremder an mir vorbeiläuft und mir Hallo sagt, sage ich automatisch "Hei!", ohne es überhaupt richtig zu bemerken. Es ist mir inzwischen auch relativ egal. Zuerst hab ich mir einen ziemlichen Kopf gemacht, "Oh Gott, wie sehe ich aus, ich habe keinen Eyeliner im Gesicht" und so weiter- aber ich meine, wen stört´s? Das ist mir egal. Ich meine, es gibt Tage, an denen man einfach seine Ruhe haben und niemanden sehen will- aber dann bleibt man halt einfach zu hause. So schlimm ist es aber auch noch nicht. Aber es ist natürlich schon so, dass du, wenn du zuhause durch den Park läufst oder so was, fühlst, wie dir manche Blicke folgen.
Habt ihr nach euren Gigs eigentlich Aftershow-Partys? Heute? Nein, ich denke nicht. Im Bus. (lacht) Nein, normalerweise eigentlich nicht. Ich war hier auch noch nie in einer Bar. Als wir mit HIM und The Rasmus auf Tour waren, hat Ville von HIM einmal eine Bar angemietet und wir hatten da dann alle eine gemeinsame Party, aber eigentlich bin ich eher die Art Mensch, die dann auch ganz gerne mal allein ist. Eineinhalb Stunden auf der Bühne mit der Band, viele Leute... eigentlich willst du danach dann eher gar nichts mehr hören, sondern deine Ruhe haben. Ich liebe diese Zeit zwischen dem Ende der Show und dem ins Bett gehen.
Wie lange brauchst du nach einem Gig überhaupt, bis du schlafen kannst? Da kursiert dann ja doch ziemlich viel Adrenalin in den Adern. Ja, das dauert schon so ein bis zwei Stunden. Meistens zwei. Hängt davon ab, wie müde ich bin.
Also kommst du vor 2 oder 3 Uhr morgens eigentlich selten ins Bett.Ja, 3 Uhr kommt ziemlich gut hin. Sowas um den Dreh ist es meistens. Wir gehen etwa so um 24 Uhr in den Bus und dann dauert es noch zwei Stunden oder auch mal länger. Aber ich habe glücklicherweise keine Schlafprobleme, ich kann überall schlafen. Mein Zuhause ist, wo mein Bett ist. (Er grinst.)
Musst du gerade viele Interviews geben? Nein, gar nicht mal. Aber ich muss selber eins machen demnächst. Ich soll eine Girlband aus Finnland namens Stalingrad Cowboys interviewen. Jemand hatte die Idee, dass man doch mal Künstler andere Künstler interviewen lassen könnte und so was ist das. Das ist ganz nett, da lernt man mal die andere Seite kennen. Da muss ich mir also noch Fragen ausdenken- ich habe bis jetzt erst vier und brauche noch sechs mehr.
Welche hast du denn schon? Also, ich habe.... (Er überlegt) Einmal: Warum der Name "Stalingrad Cowboys"? Und dann.... In welchem Land- nein, warte, wie war das.... Was für eine Bratwurst sie am liebsten mögen, also aus welchem Land. (Er grinst etwas verlegen) Ich krieg jetzt nicht mehr alle zusammen.
Na dann noch viel Glück! Ja, danke, das werde ich brauchen.