Review: Stand Up (Re-Release)
Mit ihrem zweiten Album „Stand Up“ entwickelten sich JETHRO TULL weg vom Blues des Debüts „This Was“ (ohne diesen komplett über Bord zu werfen) hin zum Rock und Folk (ohne dabei schon so konsequent rockig zu sein wie auf den nachfolgenden Megasellern („Aqualung) – „Stand Up“ erscheint über weite Strecken doch recht semi-akustisch und atmet noch die Luft der End-Sechziger. Die Konstante dabei war der eindringlich, markante Gesang von Bandleader Ian Anderson, welcher auch die akustischen Gitarrenparts sowie Piano und Hammond spielte, und natürlich das JETHRO TULL Markenzeichen – die Querflöte. Der Opener „A New Day Yesterday" schlägt als bluesorientierter Rocksong noch die Brücke zum Debüt (harte Gitarre und Mundharmonika inklusive). Beim folgenden frisch daherkommenden „Jeffrey Goes To Leicester Square“ gibt es dann bereits die neuen JETHRO TULL zu hören – ein folkiger Song mit allerlei akustischen Spielereien, natürlich der Flöte und erste progressive Ansätze. „Bouree“ ist einer der Songs, mit den sich Ian Anderson ein Denkmal gesetzt hat – und der noch heute regelmäßig im Liveset der Band auftaucht. Im Original von Johann Sebastian Bach steigert sich die JETHRO TULL Adaption vom klassischen Querflötenspiel und einem tollen Basslauf (Glenn Cornick) auf eine jazzige Weise - die Melodie sollte ein jeder im Ohr haben. Auch „Nothing Is Easy” (waschechter, abwechslungsreicher Hard Rock Song), der typische TULL-Folktrack „Fat Man” mit reichlich Percussion (Clive Bunker), sowie die wunderbaren Balladen „We Used To Know” mit seinen alternierenden Gitarren- (Michael Barree) und Flötensoli und „Reason For Waiting“ (ruhigster Songs auf „Stand Up“, toll arrangiert, mit Streichern, Bläsern und Orgel) sind echte Klassiker.
Natürlich darf als Bonus „Living In The Past“ nicht fehlen. Obwohl der Song auf dem Originalalbum gar nicht enthalten war – er erschien 1969 vorab als Stand-Alone-Single – ist es doch einer ihrer größten Hits – dem ungewöhnlichen 5/4 Takt zum Trotz. Die beiden weiteren Bonussongs „Sweet Dream“ und „17“ fallen da aber kaum ab. Die verdammt gut aufgemachte „Stand Up“ Collectors Edition enthält das remasterde Originalalbum, ergänzt u.a. um die oben genannte Single „Living In The Past“, den weiteren Singles, dazugehörige B-Seiten und Aufnahmen einer BBC-Session (Titel siehe unten). Originalcover samt Pop-Up-Element und ausführliches Booklet dürfen da nicht fehlen. Die zweite CD enthält ein 80-minütiges Konzert vom November 1970 aus der New Yorker Carnegie Hall (bereits mit Keyboarder) und zeigt nicht nur die schon zu Anfang der Karriere exzellente, professionelle Live-Performance, sondern auch die damals übliche, bei JETHRO TULL fast im Übermaß vorhandene, ausufernde Improvisationsfreude, welche sich nicht nur in einem langen Gitarrensolo ergießt, sondern auch den einzelnen Songs eine jeweils eigenwillige Note gibt. Die DVD schlussendlich enthält die Audioversion des Konzertes in Stereo und 5.1 und ein neu aufgezeichnetes Interview mit Ian Anderson.
Für Fans von JETHRO TULL ist die „Stand Up“ Collectors Edition somit sicher ein must-have. Aber auch Neueinsteiger in Sachen 70er-Rock können hier ein unheimlich zeitlos gutes Album abgreifen.
Tracklist
CD1 – Original Album Remasterd
1. A New Day Yesterday
2. Jeffrey Goes To Leicester Square
3. Bouree
4. Back To The Family
5. Look Into The Sun
6. Nothing Is Easy
7. Fat Man
8. We Used To Know
9. Reason For Waiting
10. For A Thousand Mothers
Bonus Tracks
11. Living In The Past
12. Driving Song
13. Sweet Dream
14. 17
15. Living In The Past (Original Mono Single Version)
16. Bouree (Top Gear BBC Radio Session)
17. A New Day Yesterday (Top Gear BBC Radio Session)
18. Nothing Is Easy (Top Gear BBC Radio Session)
19. Fat Man (Top Gear BBC Radio Session)
20. Stand Up (US Radio Spot #1)
21. Stand Up (US Radio Spot #2)
CD2 – Bonus CD - (Live At Carnegie Hall)
1. Nothing Is Easy
2. My God
3. With You There To Help Me/By Kind Permission Of
4. A Song For Jeffrey
5. To Cry You A Song
6. Sossity, You're A Woman/Reasons For Waiting/Sossity, You're A Woman
7. Dharma For One
8. We Used To Know
9. Guitar Solo
10. For A Thousand Mothers
DVD - (Live At Carnegie Hall)
1. Introduction
2. Nothing Is Easy
3. My God
4. With You There To Help Me/By Kind Permission Of
5. A song For Jeffrey
6. To Cry You A Song
7. Sossity, You're A Woman/Reasons For Waiting/Sossity, You're A Woman
8. Dharma For One
9. We Used To Know
10. Guitar Solo
11. For A Thousand Mothers
12. Interview mit Ian Anderson
Stand Up (Re-Release)
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
31
Länge:
155:47 ()
Label:
Vertrieb:
Konzert:
Saltatio Mortis - Wuppertal, Historische Stadthalle
Konzert vom 10 Jahre SALTATIO MORTIS- da sollte man eher klotzen als kleckern, dachten sich die Spielleute und mieteten als Location die Historische Stadthalle in Wuppertal an. Die rühmt sich, einer der schönsten Veranstaltungsorte in Deutschland zu sein- und zwar zu Recht, wie man eingestehen muss. In der Regel eher für klassische Konzerte und ähnliche Veranstaltungen genutzt, war entsprechend schon das im Jahre 1900 erbaute und reich verzierte Gebäude ein Augenschmaus für sich, sowohl von Innen als auch von Außen- und welch schöneren Rahmen könnte man sich für das Jubiläumskonzert einer Mittelalter-Rockband vorstellen, noch dazu, wenn das Konzert für eine DVD aufgezeichnet werden soll? Zahlreiche Gastauftritte waren angekündigt, die Tickets schon seit Monaten ausverkauft- die für das auf 400 Mann beschränkte zusätzliche Akustikkonzert im Rahmen der Aftershowparty erst recht. Anstatt sofort zur Bühne im großen Saal zu stürmen verteilte sich das Publikum zu nicht unbeträchtlichen Teilen zunächst einmal auch im Foyer, zum einen, weil auch dieses schön fürs Auge war, zum anderen, weil es am sich dort befindlichen Merchandising-Stand T-Shirts zum Jubiläumspreise gab- Geburtstagsgeschenke für alle.
Um 21h schließlich war es soweit, die Spielmänner betraten unter großem Jubel die Bühne und los ging´s mit „Rastlos“. Beim sich anschließenden „Tritt Ein“ war die Stimmung bereits am Kochen und SALTATIO MORTIS in Bestform. Sänger Alea hieß das Publikum herzlich willkommen, das zu „Wirf Den Ersten Stein“ und „Keines Herren Knecht“ rockte, was das Zeug hielt, bevor Märchenonkel Lasterbalk in gewohnt süffisanter Weise „Das Kalte Herz“ ankündigte. Zu „Daedalus“ wurde nicht nur ein titelgemäßer Ausflug zu den alten Griechen angekündigt, sondern auch die ersten Gäste des Abends auf die Bühne geholt, und das gleich zahlreich: Dr. Pest von den APOKALYPTISCHEN REITERN sowie Victor Smolski von RAGE gaben sich die Ehre und von den Kollegen von SUBWAY TO SALLY war mit Frau Schmidt, Bodenski und Eric Fish gleich die halbe Band mit am Start. Das Ergebnis konnte sich entsprechend sowohl sehen als auch hören lassen. Frau Schmidt, Dr. Pest und Victor Smolski behielt man gleich da, um bei der nachfolgenden und ein ums andere mal anrührenden Ballade „Letzte Worte“ Verstärkung zu haben. Abgang der Gastmusiker, weiter im Programm, das eine Art „Best Of“ der vergangenen Dekade darstellte: „Junges Blut“, „Dessous Le Pont De Nantes“, „Le Corsaire“, der vielgeliebte „Prometheus“- alle dabei. Für „Salome“ stand DORO PESCH mit auf der Bühne, ein Umstand, der Alea trotz vorausgegangener Zusammenarbeit immer noch mit Unglauben erfüllte: „Diese Frau hing früher als BRAVO-Poster über meinem Bett. Meine Eltern sitzen dahinten, die können das bestätigen!“. Mit dem Aufritt von Johanna von der Vögelweide (FEUERSCHWANZ) und ihrer Geige bei der Hymne „Wer Wind Säet“ fand der Reigen der Gastauftritte schließlich ein Ende und die Spielmänner bestritten des Rest des Programms alleine.
In einer Pause zwischen zwei Songs begann plötzlich irgendjemand der Band mit „Happy Birthday“ ein Ständchen zu singen, das Ganze verbreitete sich wie ein Lauffeuer und binnen Sekunden sang das gesamte Publikum, während die Band ungläubig, gerührt und fassungslos von der Bühne blickte, Alea, dem vor Rührung die Worte fehlten, das Gesicht in den Händen bergend. Nach dem im Anbetracht des Anlasses sehr passenden „Uns Gehört Die Welt“ folgte der erste Abgang, der nicht von langer Dauer war, weiter ging´s mit „Sieben Raben“, „Licht und Schatten“ und „Dunkler Engel“, bevor ein erneuter Versuch gemacht wurde, die Bühne zu verlassen. Auch dieser blieb zur Freude von Publikum und Band erfolglos, SALTATIO kehrten zurück und Alea ließ sich- es lebe die gute alte Tradition- zu „Falsche Freunde“ durchs Publikum reichen. Nicht fehlen durfte natürlich der „Spielmannsschwur“, der sowohl Publikum als auch Band höchst zutreffend charakterisiert: „Wer mit uns zieht, der teilt unser Leben/
Wer mit uns zieht, dem wird alles gegeben/Wer mit uns zieht, setzt sich für uns ein/ Wer mit uns zieht ist nie mehr allein“- dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Nach einer Spielzeit von fast drei Stunden schließlich verabschiedeten sich die erschöpften und –natürlich wie üblich- „unglaublich gutaussehenden und immer und allzeit potenten“ Spielleute endgültig, begleitet von dem Versprechen, nach einigen Minuten der Verschnaufpause zum Merchandising-Stand zu kommen. .
Danach war für den größeren Teil der Anwesenden der Abend beendet, für den Rest jedoch ging es weiter in den kleineren Saal, in dem die Aftershowparty steigen sollte. Dort war zunächst einmal Warten angesagt, was nach den vorausgegangenen knapp drei Stunden des Feierns die Mehrzahl der Besucher dazu veranlasste, sich erst einmal auf dem Boden niederzulassen, sich an der Bar mit Getränken zu versorgen und den geschundenen Gliedern etwas Erholung zu gönnen, um Kräfte für den zweiten Teil des Abends zu sammeln. Gegen halb 2 begann die Spannung erneut zu steigen, die meisten zog es wieder auf die Füße. Um 1:45 Uhr füllte sich dann auch die Bühne mit Leben: SALTATIO MORTIS traten zum zweiten Auftritt an diesem Marathon-Abend, diesmal ohne E-Gitarren, an und gaben zu, dass in ihrem Umfeld durchaus der eine oder andere Zweifel an ihrem Verstand laut geworden sei ob der Absicht, zwei Konzert am selben Abend zu spielen- aber das mache nichts, wie Alea grinsend bekundete, denn sie seien in der Tat vollkommen wahnsinnig. Und so folgte zu einer Zeit, zu der ein sicher nicht unbeträchtlicher Teil der Landesbevölkerung bereits im Bett lag, noch einmal ein komplettes, anderthalb stündiges Mittelalter-Set, bei dem wie durch ein Wunder weder Band noch Publikum irgendeine Form von Müdigkeitserscheinungen zu erkennen gaben. Die Glücklichen, denen es gelungen war, Karten für die Aftershowparty zu ergattern, waren entschlossen, sich nicht geschlagen zu geben und lieferten sich mit der Band einen konstanten Wettstreit, wer länger durchhalten konnte. Zu „Pirates Life“, „Herr Holger“, „In Taberna“ , dem „Drunken Sailor“ und einer ganzen Reihe weiterer Songs wurde gefeiert, als ob es kein Morgen gäbe. Und trotz der zusammengerechnet wahrhaft atemberaubend langen Spielzeit gab es im Programm keine einzige Dopplung. Nach erneuten zwei Zugaben und den Mittelalter-Versionen von „We Will Rock You/Lady In Black“ zum Abschluss verabschiedeten sich die völlig verausgabten Spielleute unter zahlreichen von Herzen kommenden Dankesbekundungen um 3:15 Uhr schließlich endgültig und hinterließen ein ebenso ausgepowertes wie euphorisches Publikum. Es verneigen sich in Ehrfurcht: die berauschten und an diesem Abend immer und allzeit zufrieden Konzertbesucher.
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