Nach seinem Ausstieg bei NEVERMORE möchte sich Gitarrist Jeff Loomis verstärkt seiner Solokarriere widmen, die er bereits 2008 mit der Veröffentlichung seines überzeugenden Debütalbums „Zero Order Phase“ begonnen hat. Für den Nachfolger hat sich der erstklassige Saitenhexer gleich Unterstützung in der großen Familienpackung zugelegt; mit von der Partie sind neben seinen festen Bandmitgliedern Shane Lentz und Dirk Verbeuren (SOILWORK) auch Marty Friedman und Chris Poland (beide MEGADETH), IHSAHN (EMPEROR), Tony MacAlpine (Steve Vai), Attila Vörös (NEVERMORE) sowie die ebenfalls in Seattle beheimatete, großartige Christine Rhoades, die bereits auf dem NEVERMORE-Werk „Dreaming Neon Black“ zu hören war. „Plains Of Oblivion“ ist dabei erwartungsgemäß weder ein supereingängiges Werk geworden noch zeigen hier die Akteure ihre instrumentalen Masturbierkünste bis der Arzt kommt. Man merkt überdeutlich, welchen Einfluss Jeffs Songwriting auf NEVERMORE hatte, denn der groovige, progressive Stil seiner ehemaligen Hauptband ist allgegenwärtig. Und wenn dann noch, wie etwa im Fall der Songs mit Christine Rhoades am Mikro (die sich bei der limitierten Edition sogar noch um zwei erhören), Gesang hinzukommt („Tragedy And Harmony“ – klasse!), stellt sich zusätzlicher Gänsehautfaktor ein. Ebenfalls ein Highlight ist „Surrender“, dem Ihsahn mit sowohl abgründigem Kreischen als auch epischen Gesängen echtes Nordland-Tuning spendiert. Unterm Strich bietet das Album viel Abwechselung, ist kompositorisch wie technisch auf allerhöchstem Niveau angesiedelt und dürfte nicht nur NEVERMORE-Fans gefallen. Mit noch mehr begnadeten Gästen an seiner Seite könnte Jeff locker auch eine Wundertüte wie die AVANTASIA-Alben oder das begnatete Iommi-Solowerk zurechtbiegen!
Die letzte Scheibe von LITA FORD („Wicked Wonderland“, 2009) war, gelinde gesagt; bescheiden. Demnach kann es nur besser werden – und wird’s auch! Auch wenn „Living Like A Runaway” noch immer ein ganzes Stückchen weg ist, so scheint LITA FORD sich auf den 80er-Sound zu besinnen, der sie erfolgreich machte, wie u.a. „Gotta Let Go“, „Kiss Me Deadly“, „Close My Eyes Forever“ (mit OZZY). Dabei darf man den Titel „Living Like A Runaway“ durchaus programmatisch verstehen, startete LITA FORD (Jahrgang 58) in den 70ern doch in der Band THE RUNAWAYS (u.a. mit Kollegoin JOAN JETT) und hatte über die letzen Jahrzehnte nicht immer leichtes Spiel – ein reges (vor allem auch privates) Auf und Ab. Wobei, wie schon erwähnt, dass 2009er Comback ein richtig Schwaches war und damit ein großes „Ab“. Auf „Living Like A Runaway“ zeigt LITA FORD sich nun wieder eher rockig – wie der gut nach vorne gehende Opener „Branded“ oder auch das direkt folgende, rhythmische „Hate“ – könnte sicherlich Airplay bei einschlägigen US-Stationen kreigen. Womit die stärksten Songs aber auch bereits gleich zu Anfang verbraten werden; gelungen auch noch die gefühlvolle Akustik-Ballade „Mother“. Bei den restlichen Songs wechseln sich weitere typische Rocknummern mit einer gewissen Härte und (leider) auch etwas belanglosere Kompositionen ab. Nicht bei allen Songs hat man das Gefühl, dass sie LITA FORD repräsentieren, manches wirkt musikalisch zu aufgesetzt, auch wenn die Texte meist autobiografische Züge tragen. „Living Like A Runaway” ist definitiv kein Album auf welches die Hard Rock Gemeinde gewartet hat. Guter Durchschnitt, that’s all. Wer von seinen 80er Schwarm Neues hören möchte, darf aber durchaus ran. Ansonsten ist man mit den ersten LITA FORD Platten immer noch bestens bedient.
MUTILATION RITES ist das neue Betätigungsfeld ehemaliger TODAY IS THE DAY- und TOMBS-Mucker, die hier ihrem Faible für Black Metal nachgehen. Der hat mit dem hippen WOLVES IN THE THRONE ROOM-Sound aber nichts gemein, stattdessen wird auf eine Crust-meets-DARKTHRONE-Mixtur vertraut, die dank einer entsprechend räudigen Produktion schön authentisch nach Mitt-90er klingt. Witzigerweise sind die Songs länger als erwartet, in gut 35 Minuten gibt es ganze sechs Songs und nicht wie erwartet die doppelte Anzahl. Die Songs selbst sind gnadenlos: gnadenlos schnell, gnadenlos roh, gnadenlos heftig, aber leider nicht gnadenlos geil. Einzeln machen sie durchaus Laune, gerade wenn MUTILATION RITES mal das Tempo kurz rausnehmen und leichte Doom-Einflüsse einstreuen; aber auch die rasanten Songs können einzeln gefallen. Nur im Albumverbund will das Ganze nicht zünden, dafür ist es dann doch zu sehr nach dem gleichen Strickmuster gemacht. Ein zwiespältiges Album, das sich Black Metal-Puristen ruhig mal anhören können, aber Wunderdinge sollten nicht erwartet werden.
DYING FETUS haben es mit „Reign Supreme” endlich wieder geschafft, an die guten alten Netherton-Zeiten anzuknüpfen, um das Fazit gleich mal vorwegzunehmen. Auch wenn die beiden Vorgängeralben nicht schlecht waren, fehlte doch der letzte Kick, um sie mit „Destroy The Opposition“ auf ein Level zu bringen – mit „Reign Supreme“ ist das dem Trio endlich gelungen. Es ist dabei gar nicht offensichtlich, woran dieser Eindruck festzumachen ist, denn technisch anspruchsvollen Death Metal in Verbindung mit mächtigen Groove-Parts haben DYING FETUS schon immer geschrieben, aber auf diesem Album zünden die Songs endlich wieder richtig und kommen aus der „sind ja ganz nett“-Ecke weg. „From Womb To Waste“ beispielsweise entpuppt sich als wahnsinniger Orkan, während „In The Trenches“ den Mörder-Groove von „Destroy The Opposition“ aufnimmt. Großes Tennis. Handwerklich gab und gibt es nichts zu meckern, von der Gitarrenarbeit über das Drumming bis zum gewohnt heftigen Gesang ist das hier gewohnt erstklassig; dazu kommt eine etwas bessere Produktion als bei „Descend Into Depravity“, die die Drums organischer, natürlicher klingen lässt, ohne ihnen Punch zu nehmen. DYING FETUS strotzen auf „Reign Supreme“ vor Energie genauso wie vor guten Ideen, was in Kombination eine fulminante Death Metal-Platte ergibt. Endlich, endlich nicht mehr nur gut, sondern sehr gut!