Konzert:
Wave-Gotik-Treffen 2012 - Samstag
Konzert vom Auf der Parkbühne im Clara-Zetkin-Park (ich weiß, der ist jetzt umbenannt worden, aus welchem dummen Grund auch immer – als wenn Clara Zetkin schuld an den Ausprägungen des Sozialismus in der DDR gewesen wäre! Karl-Liebknecht-Straßen werden doch auch nicht alle paar Meter gegen den Namen eines alten Monarchen (zurück-) umbenannt! Zeter...!) ...wo war ich?! An der Parkbühne jedenfalls kommt auch beim WGT richtiges Open-Air-Feeling auf. Der Name täuscht ein wenig, denn das Venue steht nicht mitten zwischen den Bäumen, sondern ist eine feste, gebaute Bühne mit Infrastruktur und einem gemauerten Zuschauer-Umgang. Der schützte dann auch vor der Sonne, begrenzt aber die Zuschauer-Zahl auf geschätzt maximal 1.000. Hier feiern drei von vier Bands heute ihre Reunion, und den Anfang machen die legendären Gothic-Metaller von
SECRET DISCOVERY.
SECRET DISCOVERY
Die Brüder Hoffmann aus Bochum spielen hier gegen die Sonne, sind aber so motiviert und freuen sich auf das Publikum, dass sie den Set ohne Sonnenbrille durchziehen. Kai (das ist der am Gesang), Falk an der Gitarre und ihre Mitstreiter sind sehr gut in Form und haben sich kaum verändert – na, wenn man von ihren ziemlich großen Kindern absieht, die sich am Bühnenrand tummeln und die Band per Kamera festhalten. „Das ist unser Original-Gitarrist, den wir extra aus Norwegen zurückgeholt haben, wo er jetzt lebt“, kündigt Kai den Mann an der zweiten Gitarre an. Ich erkenne nur Songs von den ersten drei Alben, darunter „Another Life“, „Execution Day“, „Flower In The Dust“, „Into The Void“ und als Abschluß „Hello Goodbye“ sogar mit einem Gastsänger. Was für eine Reise in die frühen Neunziger! Trotzdem hätten SECRET DISCOVERY mehr Hits auf der Liste haben können. Aber, wir wollen an diesem sonnigen, frühen Nachmittag nicht meckern: SECRET DISCOVERY können es definitiv noch, und wenn sie das nächste Mal in der Stadt sind, unbedingt anschauen – dann kann man auch auf mehr Hits (zum Beispiel vom Album „The Final Chapter“) hoffen!
Auf THE DANSE SOCIETY war ich vor allem deswegen gespannt, weil die mir so gar nichts sagten. Vor 25 Jahren hatte die Band das letzte Mal auf der Bühne gestanden, konnte man aus den Ansagen der Sängerin entnehmen. Dazwischen hatten sie sich wohl keine aktuellen Bühnenklamotten gekauft, besonders ästhetisch waren THE DANSE SOCIETY eine Herausforderung. Nicht nur die Lederhose des Gitarristen war gewagt, auch der rote Minirock der Sängerin war „mutig“. „Hey. Das ist unsere Zukunft!“ antwortete eine Zuschauerin vor uns auf den laut gedachten Gedanken, „oder meine Gegenwart.“ Nein, keine Angst. Das kleine, alte Persönchen am Mikro wirkte, als hätte sie Sex mit dem Mikrofon und reduzierte sich sonst selbst auf Strapse und Brüste. Zwar hatte sie eine beeindruckende Stimme, aber die Musik von TDS war eher langsamer Gitarren-Gruft – und über die Strecke erschöpfte sich auch das Timbre in der gleichbleibenden Oktave. Möchte noch jemand was essen?!
Die Italiener von DOPE STARS INC. haben ein Hühnchen mit der deutschen Bürokratie zu rupfen: „Wir haben euch extra vor dem Festival viele Videos auf Youtube hochgeladen, damit ihr unsere neuen Songs schon vor dem Auftritt kennenlernen könnt, und dann kommen wir hier her, und alle sind mit dem Hinweis auf die GEMA gesperrt!“ In der Original-Ansage waren die Worte „Fucking, fucking, fucking“ und „Fuck“ in unterschiedlicher Lautstärke eingebaut, und die Ansage wurde im entsprechenden italienischen Temperament vorgetragen. Damit die Fans die neuen Songs doch noch kennenlernen, musste dann live halt doppelt so viel gearbeitet werden, die DOPE STARS sind abgegangen wie die Sau auf der Bühne. Das heißt, nur die eine Hälfte: Sänger und Gitarrist haben vor Spielfreude durchgedreht, während der Bassist die erstaunliche Begabung besitzt, exakt einen Gesichtsausdruck zur Schau zu tragen. Die Gesichtszüge entgleiten ihm nur, wenn auch er mal eine Ansage macht. Faszinierend, Mr. Spock! Nicht nur wegen ihrer offenen Worte wurden die Italiener bei super Stimmung, super Sound und super Sonne super abgefeiert.
Kommen wir von dieser im mehrfachen Wortsinne aktiven Band zu den DREADFUL SHADOWS. Ziehen die Berliner ihre Reunion nun durch? Sind sie nur „for the money“ noch zusammen auf der Bühne? Nach dem drölften Auftritt seit ihrem Split 2000 und dem als „einmalig“ angekündigten Reunion-Konzerten von 2007 kam im Vorfeld des WGT jetzt endlich die erlösende Pressemitteilung, dass die DREADFUL SHADOWS auch wieder ein neues Album zusammen schreiben werden. Die Welt ist definitiv ärmer ohne die DREADFUL SHADOWS! Diese Stimme! Oder besser: Diese Stimmen! Außer Sven Friedrich steht da noch ein weibliches, singendes Wesen auf der Bühne, die das ihre zum gelungenen Gig beitrug. Aber leider kristallisierte sich auch heraus, dass die Band, die zusammen so toll Musik macht, im Umgang miteinander fremdelt. Jeder ist in seiner eigenen Welt auf der Bühne, es gibt kaum bemerkbaren Augenkontakt, selbst den Applaus nimmt jeder für sich. Und davon gab es immerhin ganz verdient reichlich.
In der AGRA spielten fast zeitgleich AESTHETIC PERFECTION, die einen Vorgeschmack darauf geben sollten, was COMBICHRIST nachher abfeiern wollen. Sänger Daniel Graves hatte zwei Schichten einer Latex-Maske über dem Gesicht, von der er sich den ersten Teil während des ersten Songs abriss und den zweiten Teil bei den folgenden Songs absurd dehnte - sehr passend zu seiner eher psychotischen Stimme. Dazu scheuchte er wie ein Derwisch über die Bühne, angetrieben von dem Schlagzeug, dass effektvoll am Bühnenrand, aber quer zur Bühne stand. Vom Band läuft dazu Uptempo-Elektro – bisher meine Entdeckung des Festivals!
Heute gilt genau wie gestern, dass das Gras auf der Wiese des Nachbarn grüner ist als auf der eigenen. Mit dem einen oder anderen Tropfen Herzblut haben wir wegen Überschneidungen verpaßt: SECRETS OF THE MOON, AMORPHIS, QNTAL, die zweite Show von WARDRUNA (heute im Centraltheater) und UNTO ASHES. Am Unterhaltsamsten von allen sollen allerdings – wie bereits im Vorfeld vermutet – COMBICHRIST in der Agra gewesen sein - zu denen hatten wir es nach der letzten Zugabe der DREADFUL SHADOWS aber nicht mehr geschafft...
Konzert:
Wave-Gotik-Treffen 2012 - Freitag
Konzert vom Das 21.
WAVE-GOTIK-TREFFEN hatte ein ganzes Bataillon an geilen Bands zu bieten, aber wer sie alle gesehen hat, hat entweder einen persönlichen Fahrer, oder – und das ist viel wahrscheinlicher – sich von Harry Potter ein paar Tricks wie Apparieren abgeguckt oder den Time Turner ausgeliehen. Das war also von vornherein aussichtslos.
Metal-Inside.de war mit zweiköpfigem Team angereist – und hier könnt ihr lesen, was wir zu sehen geschafft haben...
TANZWUT haben den musikalischen Teil des Festivals in diesem Jahr auf der Agra-Bühne eröffnet. Da waren wir allerdings schon im Werk II:
Hach, waren die süß miteinander! Das war der erste Auftritt ever von DARK DRIVE CLINIC, und die Sängerin wird nicht müde, das zu betonen. Und so schnatterte sie sich vor Nervosität um Kopf und Kragen, „ich werde jetzt meine Bandmitglieder blamieren, wenn ich sie vorstelle“, sagte sie entwaffnend charmant, und auch der Ehemann lächelte, als sie ihn als den ihren vorstellte. Und doch war sie dabei so selbstironisch, schlau und witzig, dass sie das Publikum im Sturm eroberte – und die Band, ja die mochten sie eh. Mit toller Stimme sang sie akustische und elektrifizierte Songs. War das noch Goth-Rock? Die Musik war auf jeden Fall sehr eigen!
Wir blieben zu CONTROLLED COLLAPSE im Werk II. Und haben es bereut und sind dann doch in Richtung Agra geflohen: Die polnischen Elektroniker kommen aus der Konserve so ganz peacig rüber, aber hier war der Sound nur noch laut – und statt Gesang gab es Gebrüll. Nein, nein. Also weiter:
In der Agra durften als zweite Band STAHLMANN auf die Bretter – und wurden abgefeiert hoch 10. Ich war erst skeptisch – aber dazu lassen die Göttinger einem gar keine Zeit. STAHLMANN haben den nötigen Arschtritt, um (rein altersmäßig) Oomph nachzufolgen. Wie auf dem Video zu „Spring nicht“ sind alle Bandmitglieder metallisch angemalt – das passt ja zum aktuellen Album „Quecksilber“.
Und dann kamen wir zur ersten deftigen Terminüberschneidung: In der Agra bleiben, oder BLAZING ETERNITY im Kohlrabizirkus gucken? Dort wenigstens für LACUNA COIL vorbei schauen, oder sich im Heidnischen Dorf einen Platz auf einer mittelalterlichen (höhö) Picknick-Decke suchen, um WARDRUNA zu lauschen? Aaahhhrgh, eine typische WGT-Situation!
Wir blieben erst einmal in der Agra: Die Dark-Wave-Heroen CLAN OF XYMOX spielten sich durch alle Schaffens-Phasen und sorgten für eine große Party in der alten Halle, die bis zu 8.000 Leute fassen kann. Die Holländer sind schon so lange dabei, dass ihre Musik schon in ein Dutzend Schubladen passte, und dann doch immer wieder rausfiel. Aber das beste: Band und Publikum befeuerten sich gegenseitig, am Ende bleibt die Feststellung: Schön,dass es Menschen gibt, die sich nur durch den Zuspruch des Publikums jung und schön fühlen können. Denn wichtig ist doch im Herzen!
Ja, so ähnlich hätte die Ansage der beiden Moderatoren auch gehen können – nach der inzwischen also drölften Band kommt die offizielle Eröffnungsansage des 21. WGT, mit einer speziellen Widmung an alle „Virgins“, also die WGT-Erstbesucher. Die englischen Worte werden mit einem Misch aus Sächsisch und Schwäbisch betont. Herzlisch Willgommen!
Und bevor jetzt noch jemand anfängt, zu flauschen... Ach quatsch. Natürlich wird weitergeflauscht! Statt mit hanseatischer Sachlichkeit beginnt Peter Spilles von PROJECT PITCHFORK seinen Set mit „Hallo WGT. Schön, bei euch zu sein.“ Spilles singt wenigstens in seiner üblichen, heiseren Singstimme, sonst würde mich hier jetzt alles wundern. PITCHFORK haben sich anscheinend mal wieder einem Line-Up-Wechsel unterzogen, außer Spilles erkenne ich nur noch Jürgen Jansen als „ständiges Mitglied“ auf der Bühne, stattdessen sind zwei Drummer dabei, einer im Hintergrund und einer ganz in den Vordergrund gerückt, der Rest ist Auslauffläche für Peter Spilles. Bei „Timekiller“ ist das doppelte Live-Drumming nicht nur ein Eyecatcher, sondern heizt das Publikum zusätzlich an. Doch dann stimmt „Lament“ den eher langsamen Teil des Sets ein, und ich überlege: Schaffe ich es noch rechtzeitig in den Kohlrabizirkus? Ich schaffe es!
Setlist PROJECT PITCHFORK
Intro
Continuum
Timekiller
Lament
Conjure
Run FOr Cover
Souls
Endless Infinity
K.N.K.A.
The Queen Of Time And Space
Souls
The Dividing Line
Beholder
Existence
Fire And Ice
LACUNA COIL
Jaha, der Kohlrabizirkus ist wieder da. Diesen Satz muss man am besten vor dem Spiegel sagen, während sich der linke Mundwinkel dem Erdmittelpunkt zuwendet und links alle Muskeln erschlaffen und die rechte Gesichtshälfte freudig erstrahlt. Das Venue mit den von allen Seiten hallenden Wänden (und speziell das konische Dach) ist für Rockkonzerte so geeignet wie eine Sperrholzdose für ein Kirchenkonzert. Also NICHT. Trotzdem ist es viel besser als die letztjährige Messehalle 15, wo zu den Sound- noch die Platzprobleme kamen. Im Kohlrabizirkus sieht man wenigstens von überall gut und hat selbst bei 2.000 anwesenden Gästen genug Platz zum Hüpfen und Tanzen. Doch dazu bekamen die Italiener ihre gotischen Freunde erst sehr spät. Keine Ahnung, ob das Gerücht stimmt, dass viele enttäuscht gegangen sind, weil Andrea Ferro, Cristina Scabbia und Co. keine Songs von den ersten beiden, eher gotisch-langsamen Alben gespielt haben. LACUNA COIL sind seit fast 10 Jahren eine Band, zu der man eher abgehen kann, und die ihre überbordende Energie in Bewegung umsetzen. Und das auch noch tun, wenn sie selbst seit über 30 Stunden keinen Schlaf bekommen haben, die sechs kommen direkt aus Iowa vom letzten Gig der Tour mit Megadeth. So bleibt der Gig ein Ringen – kein Vergleich mit den letzten Wahnsinnsauftritten zum Beispiel auf der großen Bühne in Wacken, aber zu „Swamped“ und „Trip The Darkness“ springen auch die Schwarzgewandeten. Punktsieg!
Setlist LACUNA COIL
Kill The Light
Heaven's A Lie
Entwined
Give Me Something More
Spellbound
Our Truth
Upsidedown
In Visible Light
To The Edge
Fragile
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Swamped
Trip The Darkness
My Spirit
Doch damit war der Abend noch nicht zu Ende, der fotografierende Teil der Metal-Inside.de-Abordnung war noch im Centraltheater bei LOVE IS COLDER THAN DEATH. Die früheren DDR-Dark-Wave-Pioniere sind inzwischen eher ein Gesamtkunstwerk – und verhalten sich dementsprechend. Als einzige Interaktion mit irgendjemandem sagt die Sängerin „Wir hätten immer noch gern Licht auf der Trommel,“ an die Technik gewandt – ansonsten muss die Kunst für sich sprechen. Und da fahren LICTD groß auf, spielen Theremin vor einem phantastischen Bühnenbild, zur Trommel wird Bauchtanz vorgeführt. Spannend, und etwas ganz anderes als ein Konzert.
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