Wer ohne jegliches Hintergrundwissen nur den Bandnamen liest, könnte möglicherweise auf die Idee kommen, dass es sich bei 18 SUMMERS um eine rechte Band handelt, was natürlich völliger Blödsinn ist. Die „18“ steht für den 18. August 1988, an dem die erst 18 Jahre alte Silke Bischoff beim Geiseldrama von Gladbeck getötet wurde. Gitarrist und Sänger Felix Flaucher benannte seine frühere Band nach dem Namen dieses Mädchens, da er nicht Effekthascherei betreiben wollte, sondern weil der Fall wie kein zweiter in der Geschichte der Nachkriegszeit für die Unfähigkeit des Staates steht, seine Bürger zu beschützen. Es gab Zeiten, da hatte Gothic noch eine anspruchsvolleren politischen Anstrich, aber diese Zeiten sind wohl vorbei. 18 SUMMERS führen das Erbe der Vorgänger weiter und spielen weitestgehend ruhigen, angenehm Elektronik-befeuerten Gothic Rock, der Metallern aber nach wie vor abgehen dürfte. Man kann der Band auch einen Hang zum Gotenschlager nachsagen („Deep In Your Heart“ oder der Titelsong – furchtbar!), aber unterm Strich gewinnt die Atmosphäre über das arg poppige, schmalzige Songwriting. Gegenüber dem ultimativen Kommerz-Techno-Rotz, der heutzutage in gängigen Gothic-Schuppen runtergenudelt wird, besitzen Stücke wie „Underworld“, „The Strange Fruit“, „Radio S.A.T.A.N.“ oder „Secretly“ viel von der ursprünglichen Melancholie, die die Szene früher gebrandmarkt hat. Man kann „The Magic Circus“ als Headbanger ganz schnell in die Kitsch-Tonne treten, aber wenn man sich ein wenig mit dem Werk beschäftigt, kann man ihm auch als Nicht-Goth einige Momente abgewinnen. Szenegänger, die SILKE BISCHOFF bereits in den 90ern mochten, werden hier sicher nicht enttäuscht!
THE GATHERING haben mit "Meltdown" einen Song ihres kommenden Albums "Disclosure" auf ihrer Bandcamp-Seite gepostet. Erscheinen soll das Album dann im September.
Komplett irre, was das englische JAMES CLEAVER QUINTET hier vom Stapel lässt. Bands wie FAITH NO MORE und SYSTEM OF A DOWN lassen im Geiste grüßen, und doch klingt „That Was Then, This Is Now” ganz anders. Hardcore wird mit Metal, Post-Punk, Rock, vertrackten Riffs und jazzigen Harmonien kombiniert, cleaner Gesang wechselt sich ab mit Growls und Shouts, und dazwischen passen auch noch ein Latin-Beat und das ein oder andere atmosphärische Interlude. Klingt abgefahren? Ist es auch. Funktioniert aber erstaunlich gut. Das liegt zum einen wohl an der überbordenden Energie, die die Band in den meist eben doch extrem nach vorne abgehenden Parts ausstrahlt, zum anderen aber auch an den immer wieder eingebauten melodischen und eingängigen Passagen. Der rote Faden ist hier absolute Unberechenbarkeit, und man ist immer wieder gespannt darauf, was den Jungs wohl als nächstes einfällt. Die Überdrehtheit, die sie mit eingangs erwähnten Bands teilen, wirkt auf einige sicher nervig, ist auf eine eigene Art aber auch ebenso faszinierend wie ansteckend. Diese Scheibe ist sicherlich nicht Jedermanns Sache, wenn man sich aber darauf einlässt, kann man viel Spaß damit haben.
Schlicht und einfach WHORES. nennt sich dieses Trio aus Atlanta, und was es auf seiner EP „Ruiner“ auf den Hörer loslässt, ist so böse, wie ich es seit langem nicht mehr gehört habe. Über fünf Songs groovt sich die Band gleichermaßen brutal und quälend langsam durch ihren Noise-Rock, mit übersteuerter Gitarre, verzerrtem Bass und roh bolzenden Drums. Über all dem schreit sich Sänger/Gitarrist Christian Lembach wütend die Kehle aus dem Hals. Das ist auf fieseste Weise dermaßen grandios, dass es kaum zum Aushalten ist. Fraglich ist, ob dieser intensive Sound auch über ein ganzes Album funktionieren würde. Irgendwann kann man wahrscheinlich einfach nicht mehr vor lauter Zeitlupen-Aggression und Tiefton-Druck. Diese EP für sich genommen ist aber ein wahres Kleinod, ein perfekt in Klang umgesetzter unbarmherziger Ausbruch lange angestauten Zorns. Trotz der eben geäußerten Skepsis: Ja, davon hätte ich gerne mehr. Der eigenen psychischen Gesundheit zuliebe am besten weiterhin in 5-Song-Dosen, sonst garantiere ich für nichts.
Unsere holländischen Nachbarn sind im Symphonic Metal Genre durchaus eine Macht – AFTER FOREVER (R.I.P.), WITHIN TEMPTATION und EPICA seien da mal angeführt. Mit DELAIN schickt sich nun nach zwei starken Alben („Lucidity“, 2007 und „April Rain“, 2009) eine weitere Band an, zu dieser illustren Riege aufzuschließen. Das neue Album „We Are The Others“ bekam dabei von Roadrunner eine professionelle Produktion verpasst, will meinen: fett, aber auch mainstreaming und radiotauglich – LACUNA COIL und EVANESCENCE lassen grüßen. Ungeachtet dessen schieben sich im Vergleich zu den ersten beiden Werken die Gitarren weiter in den Vordergrund. Sie ergänzen den symphonischen, Keyboard dominierten Sound, welcher sicherlich auch wegen Bandcheffe und Tastenmann Martijn Westerholt (ex-WITHIN TEMPTATION) die Grundlagen der Songs von DELAIN bilden. Über allen thront Charlotte Wessels Stimme, welche weniger den opernhaften Gesangstil o.g. Bands imitiert, sondern in hohen und mittleren Tonlagen, einschmeichelnd oder angemessen laut, ihren eigenen Stil frönt. Dabei wird sie nur beim härtesten und dank Monsterrefrain immer noch sehr eingängigen Song „Where Is The Blood” von FEAR FACTORY Schreihals Burton C. Bell kontrastiert. Als Highlights kristallisieren sich die bombastischen Ohrwürmer „Hit Me With Your Best Shot” (Single-Kadidat mit Hammer-Refrain) und das eher ruhige „Are You Done With Me” heraus, sowie der Titeltrack „We Are The Others“, welcher den Fall des englischen Gothic-Mädchens Sophie Lancaster schildert, die aufgrund ihres Outfits ins Koma geprügelt wurde und verstarb. Wobei DELAIN für ein durchweg hohes Niveau der Kompositionen sorgen und durch abwechlungsreiche Arrangements für keinen Spannungsabfall sorgen. In dieser Form sind DELAIN ein ebenbürtiger Herausforderer von EPICA & Co.
Und nochmal was von Eonian Records. Wieder beamt uns das findige Label zurück in die End-80er, wieder in die Bay Area. Diesmal heißt die Band RATTLESHAKE und bewegt sich im Fahrwasser der MÖTLEY CRÜE, SKID ROW und von CINDERELLA. Dabei scheint der erste Song „Shootin' Whiskey“ durchaus Programm – melodische Komposition die ins Ohr geht, unterlegt mit fetten Hard Rock Riffs, klassisches Gitarrensolo, anständig Groove und ein staubig erdiger Gesang in bester Sleaze-Tradition. Danach variiert man, bringt die Quotenballade, rockt im Midtempo, erhöht die Schlagzahl wieder, versucht es rhythmisch stampfend und hat dabei immer ordentlich Drive – „Take Me Down“ und „Mudbone Delight“. Für Fans des Hair-Metal & Co. eine schönte halbe Stunde zum Bangen und wippen. Hier darf man getrost sagen, dass es Schade ist, dass man nur 7 Songs und 28 Minuten geboten kriegt. Wäre interessant gewesen zu sehen, was RATTLESHAKE aus einem Plattendeal gemacht hätten. Die Band hatte hörbar Potential.