„Hoppla“, denkt man sich beim Anhören von WHITE WIDDOWs selbstbetiteltem Debüt, „ist diese CD wirklich neu? Ganz sicher, dass sie nicht in Wahrheit schon in den 80ern aufgenommen und vielleicht aus irgendeinem Grund jetzt erst veröffentlich wurde?“. Denn das Erstlingswerk der fünf Australier klingt dermaßen nach dem Melodic Rock der 80er, dass man sich mittels Zeitmaschine um etwa 25 Jahre in der Zeit zurückversetzt fühlt. Insbesondere die Keyboards scheinen original aus dem goldenen Zeitalter des Melodic Hard Rock zu stammen, erinnert doch zum Beispiel „Change Of Passion“ in dieser Hinsicht ganz schön an BON JOVIs „Runaway“, an anderer Stelle werden Erinnerungen an VAN HALEN und andere Genre-Größen wach. Eingängig ist das ganze durchweg, die Gitarrensoli brauchen sich nicht zu verstecken. Das musikalische Spektrum wäre damit hinreichend umrissen, die Keyboards wirken zum Teil zwar etwas arg kitschig, aber alles in allem liefern WHITE WIDDOW ordentliche Arbeit ab.
Mit ihrem neuen Album „Forging The Eclipse“ sind NEAERA zum gewohnt kurzen Abstand zwischen zwei Veröffentlichungen zurückgekehrt, ist der Vorgänger doch gerade mal 18 Monate alt. Andere Bands brauchen da deutlich länger, während die Münsteraner da zur schnellen Sorte zählen, was bisher aber immer brauchbare Ergebnisse gebracht und ihnen viele Fans beschert hat. „Forging The Eclipse“ führt die seit zwei Alben eingeschlagene Death Metal-Ausrichtung weiter, BOLT THROWER und AT THE GATES bleiben die großen Vorbilder, während Hardcore-Einflüsse nur noch ganz selten durchschimmern. Das Ergebnis kann in diesem Fall aber nicht durchgehend überzeugen, da die Hitdichte geringer ist als noch auf „Omnicide – Creation Unleashed“. Während Tracks wie das starke „In Defiance“ (mit grandioser Gitarrenarbeit und starkem HEAVEN SHALL BURN-Einschlag) oder das bösartige „Eight Thousand Sorrows Deep“ vollends überzeugen und Eingängigkeit mit Brutalität verbinden, wie es Schwedenbands nicht besser können, gibt es gleichzeitig andere Songs, die ganz gut sind, aber das Niveau nicht halten können. Trotzdem macht „Forging The Eclipse“ Spaß, denn selbst die schwächeren Songs bewegen sich noch immer auf einem hohen Qualitätslevel, können eben nur nicht die von NEAERA selbst gesteckte Marke erreichen. Solide ist die Scheibe trotzdem und dürfte Death Metal-Fans den Herbst versüßen.
Ist das eine neue CANNIBAL CORPSE Scheibe? Das Cover lässt mich direkt auf den Gedanken kommen, dass ich es mit einem neuen Machwerk der Death Metal Legende zu tun hätte. Witzigerweise stellt sich mir die Frage auch, nachdem ich die ersten beiden Songs auf der CD namens „Slaughtered“ der holländischen Band SERVERE TORTURE gehört habe. Die Ähnlichkeiten sind nicht wegzudiskutieren. Bei dem ersten Song „Grave Condition“ geht es direkt im Blast-Tempo zur Sache. Growlende, tiefe Vocals und kompromisslose Gitarrenriffs machen meinen Mund wässrig. Klasse. Nach 2:40 Minuten kippt der Song in einen langsameren Part, der tief und bedrohlich den Song noch fast 1:30 Minuten wegschleppt. Mit Song Nummer zwei, „Unholy Misconception“, legen SERVERE TORTURE dann direkt den nächsten Kracher hin. Zunächst etwas aufgewühlt wirkend und schnell einsetzenden Vocals (typisch auch für manchen CANNIBAL CORPSE-Song) hetzt der Song entlang. Es folgt ein abgedrehtes kurzes Gitarrensoli, bevor der Song ab 1:20 Minuten in einen geilen und brutalen Refrain übergeht. Ganz großes Kino. Leider schwächelt die CDs bei den sonstigen Songs doch etwas. Herausheben will ich noch das kompromisslose „Feeding On Cadavers“, das sich als Hammertrack Nr. 3 entpuppt. Growlende Vocals, hämmerndes Schlagzeug und Gitarrenriffs, die uns allen beweisen, dass Death Metal noch lange nicht tot ist. Vielen anderen Songs fehlt leider das Geniale, was die beschriebenen Songs so ausmacht. Es verbleibt eine überdurchschnittliche Death-Metal Scheibe, die insbesondere frische Ideen bei der Gitarrenarbeit erkennen lässt. Wären nur alle Songs wie die erwähnten drei, dann würde die CD Maßstäbe setzen, so liefern SERVERE TORTURE gehobene Qualität, die sicherlich auch live richtig reinhauen wird. Gut!
Es muss nichts darüber geschrieben werden, dass BRING ME THE HORIZON polarisieren. Die Band mit dem oftmals gefönten wie verhassten Frontman und Tattoofetischisten Oli Sykes hat sich mit ihren drei vorangehenden Deathcore-Alben, ihrem arroganten Teenierockstargehabe mindestens genau so viele Kritiker wie eingeschworene Fans geschaffen. Nun steht die neue Scheibe mit dem griffig kurzen Titel „There Is A Hell, Believe Me I've Seen It, There Is A Heaven, Let's Keep It A Secret“ in den Läden bereit. Nach dem Ausscheiden des Gitarristen Curtis Ward, der laut Bandstellungnahme „die Musik nicht mehr genießen konnte“, greift nun für die Sheffielder Ex-BLEEDING THROUGH Klampfer Jona Weinhofen in die Saiten. Das Album mit dem etwas seltsamen Coverartwork in Form eines Mannes mit venezianischer Maske und schwarz-weißem Umhang zur Symbolisierung der Gegensätze startet mit dem Song „Crucify Me“, aus dem auch der Titel des Albums entnommen wurde. Zunächst beginnt der Song sanft mit einem akkustischen Intro, bevor die E-Gitarren die Melodie fortführen und ab Sekunde 50 der unfassbar druckvolle und treibende Gesang von Sykes einsetzt. Der Song steigert sich gewaltig und wird direkt zu einem Highlight auf der CD, da er einen sowohl von der Melodie als auch vom Gesang absolut mitreisst. Etwas merkwürdig erscheint dann der Refrain als eine Art elektronisch zerhacktes Sample mit dem Text des Albumtitels, bevor der über sechsminütige Song sich in gewohnter Form fortsetzt. Elektronische Spielereien verschiedener Arten (z.B. Abruptes Verlangsamen eines Songs oder Verfremdungen des Sounds) findet man ab und an ebenso auf der CD. Das ist Geschmackssache, passt aber sehr gut. Weiter geht es mit einer schnellen Nummer namens „Anthem“, die durch ihre tighten – mich manchmal an PANTERA erinnernden – Gitarrenriffs überzeugt und einen zum Mitbrüllen des Refrains einlädt. Hier wird richtig Vollgas gegeben, so dass der positive Ersteindruck nicht verfliegt. Dann folgt die erste Single „It Never Ends“, die für mich auch eine der stärksten und typischsten Songs des Albums ist, da sie unheimlich viel Druck aufbaut und sich auch nach vielen Wiederholungen einfach „nicht wund hört“. Wie auch schon der erste Song überzeugt die Nummer durch einen super brutalen und aggressiven Gesang, der – wie schon bei der bekannten Single des Voralbums „Chelsea Smile“ – immer wieder cleane Passagen hat, aber damit absolut angereichert wird. Herausheben will ich noch den Song „Don´t Go“, der stark melancholisch angehaucht und mit der Frauenstimme und Violinen gewürzt wird. Großartig. Der Song „Fuck“ mit den Gastvocals von Josh Franceshi (YOU ME AT SIX) gehört dann ebenso noch zu den Ohrwürmern auf der Scheibe. Es ließen sich jetzt noch einige Songs aufzählen, die Aufmerksamkeit verdient hätten. Schwachstellen gibt es bei den Songs sehr wenige. Letztlich schaffen BRING ME THE HORIZON es auf dem Album mit wenigen Ausnahmen, eine perfekte Synthese von ungezügelter Aggression, Melancholie und muskalischer Verzweifelung zu vermitteln, ohne nie zu vergessen, den Hörer dabei so dermaßen in den Arsch zu treten, dass man sich eigentlich nach dem Album Beruhigungspillen einwerfen müsste, um nicht die eigenen Schrankwände umwerfen und mit der Kettensäge verkleinern zu wollen. Ich bin überrascht, da ich letztlich nicht gedacht hätte, dass der Band mit dem fragwürdigen Hype ein solch weiter Wurf gelungen wäre. Wer der Band aufgrund der vergangenen Zeiten negativ gegenübersteht, sollte ihr hier nochmals eine Chance geben. Ich gebe jedenfalls die volle Punktzahl.
There Is A Hell, Believe Me I've Seen It, There Is A Heaven, Let's Keep It A Secret
Rauher Sound begrüßt mich, als ich die CD des schwedischen Trios STENCH in den Player lege. Die Debütscheibe nennt sich „In Putrescence“ und bietet acht Songs, die laut der Pressemitteilung Fans von ENTOMBED und GRAVE gefallen könnten. Ja, könnten. Die Musik der Band ist nicht besonders innovativer schwedischer Death Metal im Up-Tempobereich, den man schon oft gehört hat. Gesanglich driftet man gelegentlich leicht in Black-Metal typische Schreierei mit etwas Hall ab. Beachtenswert und nicht negativ zu sehen ist die ungewohnte und auffallende Dominanz des Basses, dessen Präsenz bei jedem Song allgegenwärtig ist. Bei einer Band, die als Trio agiert, ist so etwas aber auch nicht selten vorzufinden. Der Sound der 8 Songs ist rotzig, denn die Produktion lässt viele Wünsche offen. Manch einer wird sagen, dass das ja so gewollt ist, so dass ich die Feststellung insofern nicht gegen die Band verwenden will. Trotzdem muss ich leider statuieren, dass es kein Song so richtig schafft, meine Begeisterung zu wecken. Mir fällt es hier auch schwer, einen Song herauszugreifen, denn letztlich wummert alles in einem Einheitsbrei an einem vorbei. Alles schon mal irgendwie gehört. Ich kann die Scheibe daher leider nicht empfehlen.
Obwohl der Haufen aus Pennsylvania von so etwas wie mehrstelligen Plattenverkaufszahlen (gewollt!) weit entfernt ist, hat er seit 1996 bereits sieben Alben auf dem Buckel, denen sich mit „The Animal Spirits“ nun nahtlos Werk Nummer acht anschließt. Und wieder wird es nur zwei Meinungen geben: die eine und die andere. Die eine bedeutet abzuwinken ob der skurrilen Töne und Songstrukturen, die für den gemeinen Hörer mit Nummer-Sicher-Geschmack viel zu unnachvollziehbar sind, während die andere von genau den Leuten vertreten wird, bei denen die Platten von SLOUGH FEG im Regal direkt neben den Werken von MANILLA ROAD, OMEN, BROCAS HELM, PRIMORDIAL oder auch THE DEVIL´s BLOOD stehen. Und eigentlich machen SLOUGH FEG nichts anderes als ca. 7392856 Rock-, und Metal-Combos in 50 Jahren: sie verbinden Leidenschaft für Musik mit ebenso großer Leidenschaft für Ungewöhnliches, nur dass wir nicht mehr in den 60ern oder 70ern leben, wo so etwas noch normal war und warme Plattenproduktionen noch zur Serienausstattung eines jeden Musikerzeugnisses gehörten. Und selbst, wenn man sich „The Animal Spirits“ nur allzu skeptisch nähert: hat man sich erstmal an die eigenartige, röhrende Stimme von Gitarrist Michael Scalzi gewöhnt, gehen Stück wie „The 95 Thesis“, das superbe Instrumental „Materia Prima“, das vertrackte „Lycanthropic Fantasies“, das von einer coolen Kirmes-Melodie durchzogene „Heavyworlder“ oder das mit einem SAVATAGE-artigen, hymnischen Mittelpart versehene „Kon-Tiki“ als absolute Sternstunden des kauzigen Metal durch, die Fans von abgedrehten, aber jederzeit traditionellen Klängen lieben werden. Saugeile Scheibe!
Klar, die Spötter, die behaupten, BAD RELIGION würden seit dreißig Jahren immer wieder dasselbe Album aufnehmen, werden auch durch „The Dissent Of Man“ nicht verstummen. Und tatsächlich zeigt schon der Opener, dass im Prinzip wieder einmal alles beim Alten geblieben ist. Greg Graffin holt einmal kurz Luft, und direkt ist alles wieder da: die Ohrwurm-Melodien, die mehrstimmigen Backings und die bissigen, kritischen Texte. Insgesamt lassen sich aber doch kleine Veränderungen heraushören. So sind wirklich wütende Ausbrüche, wie es sie auf den letzten beiden Alben immer mal wieder gab (siehe z. B. „Sinister Rouge“ oder „Murder“), hier nicht zu hören. Auch wird das Tempo öfter gedrosselt und wirkt das neue Material (noch) harmonischer und melodieverliebter als auch schon. Bei Songs wie „Won’t Somebody“, „Turn Your Back On Me“ oder dem fast schon poppigen „I Won’t Say Anything“ sind außerdem Singer-Songwriter- und Folk-Einflüsse herauszuhören, wodurch sie etwas an Graffins Solo-Alben erinnern. BAD RELIGION scheinen versöhnlicher geworden zu sein. Wundern würde es einen nicht, denn die Jüngsten sind sie ja auch nicht mehr. Trotzdem ist dieses Album immer noch weit entfernt von Altersmilde: Die Musik ist immer noch randvoll mit Energie, und der Sound klingt so frisch und unverbracht wie eh und je. So ganz ist also doch nicht alles wie immer, aber natürlich klingt auch „The Dissent Of Man“ immer noch absolut typisch nach BAD RELIGION. „The Dissent Of Man“ ist sicher nicht ihre stärkste Scheibe, aber trotzdem ein hervorragendes Album, das spätestens ab dem zweiten Durchlauf süchtig macht.