So ganz neu im Geschäft sind ANGER nicht, auch das portugiesische Hoheitsgebiet haben die Jungs scheinbar schon mehrfach tourenderweise verlassen. Mir bis dato völlig unbekannt haben ANGER nun mit "The Bliss" die Fühler wahrlich in viele Richtungen ausgestreckt. Es wirkt beinahe als habe man den groben Wirkungsbereich im Nu Metal abgesteckt und teste nun mit Versuchen in mehreren Spielarten wie die Musik funktioniert. Dank tendenziell hoher Melodieverliebtheit und druckvoller Produktion ist eine recht hohe Massentauglichkeit für diese Versuche gegeben. "Feel My Anger" als zackiger Opener läuft deutlich rockiger vom Stapel als das folgende "Another Game", dass mit fast schon langweiliger Träge im Chorus bei hämischer Betrachtung eine Halbballade mimt. Während die Nu Rock Ausflüge hier generell zumindest in meinen Augen nicht ganz funktionieren wollen, haben sie bei "Iced" durchaus von Linkin Park gelernt und eine pfiffige Gitarre mit melodischem Chorus kombiniert, bei "Nemesys" klingen ANGER fast experimentell und ziemlich harsch. ANGER beherrschen das Spiel aus aggro und kuschlig, eiern manchmal leider aber auch zwischen Scratchen, Elektronik und Standardsounds in einem Fahrwasser dessen Ziel sich mir nicht erschließen will. Abwechslungsreich ist "The Bliss" also geworden, durchweg gut hörbar sowieso, grade der Chorus vieler Songs punktet gnadenlos dank toller Melodien. Einzigartig sind ANGER aber sicher nicht und das gesamte Album ist für meine Ohren auch noch zu wenig eindeutig mit dieser Band zu assoziieren. Der Weg stimmt aber definitiv!
Laut Homepage der Band hat das deutsche Quintett schon 1988 sein erstes Demo aufgenommen - und steht 2004 noch immer ohne Vertrag da. Einerseits verwunderlich, gehört der komplizierte Progressive Metal der Band garantiert nicht in die Ausschussabteilung, andererseits aber auch verständlich, muss man für die Musik viel Geduld und Knobelspaß mitbringen. Die Zeit, die man benötigt, um diese Maxi zu erkunden, wendet man bei vielen Longplayern anderer Bands nicht mal ansatzweise auf. Der gut zehnminütige Titelsong der Scheibe, "Shadows Of Insanity", ist ein klasse Stück mit vielen Emotionen und sehr dichter Atmosphäre, der trotz seiner Komplexität sogar recht eingängig daherkommt. Die anderen beiden Songs, das achtminütige "Wasted Life" und das neunminütige "Losing All" halten dieses Niveau leider nicht ganz und wirken in der Tat wie typische "B - Seiten", obwohl auch diese beiden Nummern, wie auch das Titelstück, sehr abwechselungsreich gehalten sind. Wer auf geniale Progressive - Größen wie ANACRUSIS, VAUXDVIHL (die stilistisch grob passen - mit DREAM THEATER, FATES WARNING und Co. haben VANILLA REX, besonders beim Gesang, nicht ganz soviel am Hut) oder den begnadeten Devin Townsend abfährt, ist hier ganz gut aufgehoben. Eine für "Hardcore" - Proggies durchaus hörenswerte und zum Antesten empfehlenswerte Maxi, bei der besonders der Titelsong Lust auf mehr macht.
Erhältlich ist diese Maxi über Hellion Records, Sentinel Steel Records und andere Anbieter, nachzulesen auf der Homepage der Band.
EXMORTEM waren ein wenig aus meinem Blick verschwunden. Drummer Reno hat seit der 2002er Scheibe kurz bei DIMMU getrommelt und die coole PANZERCHRIST-Scheibe eingeprügelt, aber ansonsten haben EXMORTEM den Kopf unten gehalten. Mit "Nihilistic Contentment" melden sie sich jetzt umso eindrucksvoller zurück und lassen eines der ersten Highlights des jungen Jahres los, da hat sich das Warten gelohnt. Mal wieder bei nem neuen Label, haben EXMORTEM nicht nur den Labelaufdruck auf dem Booklet verändert, sondern sind deutlich technischer geworden. MORBID ANGEL mag da als Vergleich herhalten. Vor allem Drummer Reno hebt die Scheibe aus dem üblichen US-Death heraus und prügelt sich mit einer Präzision durch die Scheibe, dass so manchem Nachwuchsdrummer schlecht werden dürfte. Ein Mann allein ist aber für technisch anspruchsvollen Death Metal nicht genug und so haben auch die Saitenzupfer eine ordentlich Schippe raufgepackt und richtig komplexe Sachen am Start - vor MORBID ANGEL oder BEHEMOTH müssen sie sich nicht mehr verstecken. Was mir bei der Scheibe nur ein wenig abgeht war zum einen die Abwechslung, viele Songs hören sich doch arg gleich an (wenn auch auf hohem Niveau) und die zum anderen die Fähigkeit, einfach mal einen simplen, aber effektiven Nackenbrecher loszulassen. Ein, zwei Songs, bei denen man sich nicht so dermaßen konzentrieren muss, sondern einfach mal bangen kann. Wer darauf verzichten kann und auch technische Mucke steht, ist bei EXMORTEM genau richtig.
Songtitel wie "Tyhjyydestä" oder "Katumuksen kyinen koura" führen einem die kosmopolite eigene Sprachgelähmtheit eindrücklich vor Augen. Aber schließlich ist Hörer ja nicht taub. Die Finnen stilistisch einzuordnen, fällt nicht ganz leicht. Die einzelnen Komponenten: Black-Metal-lastiger Keif-Grunzgesang (von (Ex-)Amorphis-Pasi, der sich hier Ruoja nennt), viel, episches Keyboard-Gewaber, allgegenwärtiges Mid-Tempo und groovende Riffs. Zusammengeklebt ergibt das, ähem, ich möchte sagen, AJATTARA. Ein Name, der auf dem dritten (arg kurz geratenen) Output nicht gerade für Abwechslung steht, im Gegenteil. Sie gewinnen tatsächlich in der Monotonie an Boden. Vielleicht ähneln sie da Bolt Thrower - auch, wenn sie an deren Effektivität der Wiederholung noch lange nicht heranreichen. AJATTARA bewegen sich viel mehr in irgendeiner Schnittmenge aus Amorphis, Bathory, älteren Tiamat, wobei das Ganze mit kleinen Additiven aus paganischem BM, verträglichen DM und sogar Doom verfeinert wird. Oder? Jedenfalls verzichten die Nordies auf den bei landsmannschaftlichen Kollegen derzeit so beliebten Schunkel-Huppda-Jux, sind immer melancholisch, bisweilen ernst, haben aber jederzeit das goldene Händchen für musikalischen Grip. Und solange eine Scheibe so sehr catchy daherkommt, ohne popelig zu wirken, ist mir egal, dass viele die Scheibe einfach langweilig finden. Das einzige Problem der Herrschaften aus Suomi: Sie haben schon zwei bessere Platten gemacht.
Wer in nächster Zeit vorhat, in den Plattenladen zu gehen und sich die neue USURPER zu kaufen (als LP natürlich), sollte die Gelegenheit nutzen und sich nach dem Debüt von ANAL VOMIT erkundigen. Entgegen dem ersten Eindruck durch den bescheuerten Bandnamen ist die Band kein Nebenprojekt von ANAL CUNT, sondern eine richtig old schoolige Death Metal-Truppe aus Peru. Auch so Typen, die ihre Patronengurte mehr lieben als saubere Klamotten und so Metal sind, wie man nur sein kann, auch wenn man in Klischees verfällt. Anfang der Neunziger gegründet, waren die damaligen SEPULTURA sicher schon zu modern für die Truppe, so orientiert man sich an den ganz frühen Werken der ehemaligen brasilianischen Könige. Und VENOM, die haben auch ihre Freunde bei ANAL VOMIT, allein schon durch die Atmosphäre, die bei allem Geschredder aufgebaut wird. Das ist ein echtes Kunstück, denn eigentlich ballern sich ANAL VOMIT nur old schoolig durch die Gegend und lassen Noizer immer das gleiche keifen, was mich schon ein wenig angeödet hat, aber der einzige Schwachpunkt einer coolen Scheibe geworden ist. Falls man einen Retro-Flash bekommt oder zur "ganz früher war alles besser und Vinyls noch aus Holz"-Fraktion gehört: kaufen!
Seit der letzten Scheibe hat sich im Hause REVENGE nicht viel geändert. Ne Website ist immer noch nicht am Start und für Akustikfetischisten gibt’s auch nicht viel zu holen. "Victory.Intolerance.Mastery" brummt wie gehabt dumpf aus den Boxen, ziemlich roh und primitiv. Ist aber nicht weiter wild, da sich die Band fast ausschließlich in High Speed-Gekloppe ergeht und Feinheiten im Sound nicht so wichtig sind für den Gesamteindruck. Wenn jemals eine Scheibe als akustisches Inferno bezeichnet wurde, muss sie sich ab sofort mit "Victory.Intolerance.Mastery" messen. So roh, brutal und anstrengend wie Grind nur sein kann. Auf Dauer nervt nur das Gekeife vom Grunzer und das ziemlich eintönige Geprügel vom Drummer - beide variieren einfach überhaupt nicht und kennen genau zwei Arten zu spielen: langsam und verdammt schnell. REVENGE sind weiterhin super geeignet zu zeigen, was man für ein harter Kerl ist und was für brutale Mucke man hört, aber jenseits von solchem Poser-Kram braucht man diese Scheibe nicht.
1996 gegründet kann man DISCO ENSEMBLE wohl zu den dienstältesten Emocore-Bands Finnlands zählen. Nach intensivem Touren quer durch Skandinavien will das Quartett jetzt auch den Sprung in den Rest Europas wagen. Ihr Debüt "Viper Ethics" wurde bereits Mitte 2003 eingespielt, ist aber jetzt erst in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu haben und ist eher als Appetithappen auf das neue Album zu betrachten, das im Februar bzw. März europaweit erscheinen soll. Leider teilen die Finnen aber das Schicksal der meisten Emo-Bands: Sie klingen einfach zu glatt und zu schön, als dass irgendetwas hängenbleibt. Die Songs an sich sind zwar gut gemacht, aber sie gehen zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Das liegt sicherlich auch am Sound, dem ganz einfach der nötige Wumms fehlt - die Gitarren sind recht dünn und die Drums flach. Der Gesang von Miikka Koivisto ist dagegen stark in den Vordergrund gemischt, was nicht grade von Vorteil ist, da er keine wirklich herausragende und eher hohe und klare Stimme besitzt. Dazu kommt noch, dass er besonders in den Höhen ziemlich hektisch rumjault und dadurch stellenweise an einen Robert Smith auf Ecstasy erinnert, was irgendwann echt nervt. Lediglich bei "In Neon" geht er mal richtig zur Sache und zeigt, dass er auch vorzüglich schreien kann. Das ist dann auch der beste Song der Platte, ein echter Kracher, der - wenn man ihn sich druckvoller abgemischt vorstellt - schon fast in die Metalcore-Ecke geht. So was sollten die viel mehr machen... Von der Vielfältigkeit, Sprödheit und Tiefe einer Band wie den artverwandten HOT WATER MUSIC sind DISCO ENSEMBLE noch weit entfernt.