Einfach großartig, die Wunschliste in der sowie schon nicht wunscharmen vorweihnachtlichen Zeit scheint immer länger zu werden - zumindest für den qualitätsbewussten Fan anspruchsvoller und harter Prog-Mucke. Eine der Inspirationsquellen vieler Größen wie Queensryche und Dream Theater lädt nämlich zu einer Live-DVD. Die Amerikaner FATES WARNING haben in einer Hammerbesetzung ihren Gig vom 20. Februar 2005 im Gargarin in Athen für eine DVD aufgezeichnet. Neben den auch auf der DVD unglaublich singenden Ray Alder sind dies die Gitarristen Jim Matheos (OSI) und Frank Aresti, Über-Bassist Joey Vera, Spock’s Beard Schlagzeuger Nick D’Virgilio und Ex-Dream Theater Keyboarder Kevin Moore. Da gibt’s mal nichts zu meckern auf der musikalischen Seite. Da eine Band wie FATES WARNING in über 20 Jahren und mit zehn Studioalben im Gepäck unglaublich viele Klassesongs im Petto hat, braucht es nicht zu verwundern, das wohl jeder eine andere Setlist bevorzugen bzw. zusammenstellen würde - deswegen nachstehend und wertungsfrei die Live dargebotenen Songs:
01. One
02. A Pleasant Shade Of Gray Part 3
03. Life In Still Water
04. Simple Human
05. Heal Me
06. Pieces Of Me
07. Face The Fear
08. Quietus
09. Another Perfect Day
10. A Pleasant Shade Of Gray Part 11
11. The Eleventh Hour
12. Point Of View
13. Monument
14. Still Remains
15. Nothing Left To Say
Dazu kommt noch ein wenig, leider nicht allzu ausgiebiges Bonusmaterial in Form eines kurzen, qualitativ leider mäßigen und nur in Originalsprache gehaltene Bericht des bulgarischen Fernsehens sowie Aufnahmen von Proben und Soundcheck zum Athener Konzert. Zusätzlich gibt es noch zwei Bootleg-mäßige Aufnahmen vom 2005er Holland Headway Festival mit Mike Portnoy (Dream Theater) am Schlagzeug ("Another Perfect Day" und "The Eleventh Hour"). An der Qualität des Livemitschnittes ist von Ton und Bild her nichts zu mäkeln, nur bei den Extras hätte man ja ruhig noch was drauflegen können.
Und die nächste Band im aktuellen, man möchte beinahe schon sagen, natürlich von der Insel kommenden Retro-Hype wird an die Verkaufsoberfläche gespült oder auch nur von findigen Managern clever in Position gebracht: BLACK WIRE aus Middlesbrough (Yorkshire).
Auch hier werden viele Versatzstücke aus Rock, Pop, Punk, Ska, New Wave sowie tanzbare Discogrooves im typischen 80er Jahre Soundgerüst miteinander mehr oder weniger effektvoll miteinander kombiniert mit schrägen Gitarrensounds versehen und fertig ist die Laube. Die angesagtesten Bands dieses derzeit ziemlich florierenden "Genres" sind ja derzeit FRANZ FERDINAND oder auch die KAISER CHIEFS. Mit denen können BLACK WIRE u.a. was die Hitqualitäten angeht sicher (noch) nicht ganz mithalten aber ob die vorschnelle Abqualifizierung mancher Kritiker, die dem Trio schlicht das Prädikat "Trittbrettfahrer" oder gar drittklassiges Niveau attestieren wollen, ist dann vielleicht etwas vorschnell. Nun die Zeit wird es weisen. Dieses Trio um Sänger Dan Wilson, Si McCabe (Gitarre, Vocals, Piano, Drums & Drumcomputer) sowie Bassist Tom Greatorex hat ursprünglich mal studiert, zusammen in einer WG gehaust, dann eine Band gegründet und ist in ihrer musikalischen, sagen wir mal Ausdrucksfähigkeit, sicher noch nicht an ihren natürlichen Grenzen angelangt. BLACK WIRE versuchen ansonsten schon ihr eigenes Ding abzuziehen, auf den knapp 35 Minuten bietet ihre Musik schon einen gewissen skurrilen fast schon düsteren Charme, mit einigen guten Ansätze, wenn auch stellenweise etwas die prägnant-fesselnden Ideen fehlen. Man merkt hier ging alles ziemlich schnell voran - nachdem die ersten Demos Anfang 2003 an das Magazin Dazed And Confused gegangen waren gewann man prompt den zweiten Platz in der Kategorie "New Music". Es folgten erste Gigs im Pigs Club und auch die Radiostationen XFM sowie Radio 1 wittern eine neue Erfolgsband. Die auch enthaltende Debütsingle "Attack! Attack! Attack!" war mehrmals Single der Woche, wobei der relativ langweilige Track mit seinen tausend Refrainwiederholungen und schwachem Refrain wirklich nichts besonderes ist. Da kommt die zweite etwas packendere Single "Hard To Love Easy To Lay" irgendwie schon etwas besser rüber. Ansonsten sind Tracks wie "Smoke And Mirrors (hat irgendwie was von den BLUES BROTHERS) sowie der solide Opener "God Od Traffic" sind durchaus positive Beiträge. "Promote The Happy Hours" ist dann aber etwas stark bei THE KNACK "My Sharona" geklaut oder nicht?! Die Produktion kann nicht allzu viel gekosten haben, es klingt oft etwas holprig, die Instrumentierung ist überschaubar und eher spartanisch. Mit den künstlichen Drums übertreiben es die Jungs dann auch etwas, na ja dafür ist der Gesang ganz o.k. Wie gesagt, ob man dieses Album jetzt wirklich auch noch gebraucht hätte überlasse ich dann lieber der angesprochenen Käuferschaft.
ROINE STOLT genießt in Prog- und Artrockkreisen einen mehr als guten Ruf. Nicht nur wegen den exquisiten Alben seiner Stammformation THE FLOWERKINGS, auch bei TRANSATLANTIC, THE TANGENT und KAIPA gehört er zu den künstlerischen Stützen und was Gesang, Gitarrenarbeit und Songwriting angeht zählt man ihn zu den Großen der Szene. Mit seinem neusten Solowerk, dem 16 Song starken Doppelalbum "Wall Street Voodoo" scheint Meister STOLT sich seiner auch im Blues liegenden Wurzeln zu erinnern und diese musikalisch zu verarbeiten. Rausgekommen ist eine Mixtur von Cream, den Allman Brothers, Grateful Dead bis zu den Beatles und Anleihen aus seinen aktuellen Alben - und natürlich nennt STOLT Zappa, Robin Trower, Peter Green und Hendrix als Vorbilder für das Dargebotene. Schon der über 11-minütige Opener "The Observer" ist für Fans von ROINE STOLT eher schwerverdauliche Neukost. Beim folgenden "Head Above Water" hört man zwar schon leichte Transatlantic-Anleihen heraus - die Frickeleien kommen dann aber bluesgetränkt aus den Boxen. Mehr oder minder schlagen dann alle folgende Songs in diese Kerbe - natürlich handwerklich erste Sahne, aber was den Blues ausmacht, nämlich Atmosphäre will sich über die komplette Spielzeit nicht so recht einstellen. Eher wird es mit der Zeit fast zuviel, die meist überlangen Longtracks verlieren sich irgendwo zwischen Retro-Blues ohne Gefühl und instrumental hochwertiger Spielkunst. Also Vorsicht - "Wall Street Voodoo" dürfte somit nicht jedermanns Sache sein und da sollte man vor Erwerb schon mal lieber beim Händler seines Vertrauens ein Ohr riskieren. Und dies gilt nicht nur für Proggies, sondern auch für Liebhaber bluesiger Töne. Bei der Besetzung hätte eigentlich mehr drinnen sein sollen.
Nach der tollen "Gravity" vor knapp zwei Jahren haben die die ostdeutschen Hopefuls SVART ärgerlicherweise aus den Augen verloren. Vor einiger Zeit stolperte ich mal wieder über die Scheibe (aufräumen hat auch sein Gutes…) und schaute mir mal wieder die Homepage der Band an. Siehe da, SVART haben sich wieder ins Studio verzogen und eine neue EP aufgenommen! "To Satisfy My Demons" heißt das gute Stück und enthält leider nur fünf Songs. Leider, da die Songs wieder allererste Sahne sind und abwechslungsreichen melodischen Death Metal vom Feinsten bieten, der zu überzeugen weiß und wie schon bei "Gravity" die Frage aufkommen läßt, warum immer noch kein Label bei dieser Band zugegriffen hat. Verdient hätten es SVART allemal, so feinen Melo-Death ist man sonst nur auf Skandinavien gewohnt. Die Gitarren sind so melodisch und bratend zugleich, wie man es in dieser Richtung kaum besser machen kann, der Gesang die keifende Röhre, die ich so liebe und selbst die gelegentlichen Keyboard-Einsätze stören nicht, sondern erweitern den Gesamtsound der Band ungemein ("Receiver Of The Lie"). Da die Jungs auch eine Menge Gehirnschmalz und Ellbogenfett in das Songwriting investiert haben und so zu fünf erstklassigen Tracks gekommen sind, kann ich die EP nur jedem ans Herz legen, der mit schwedischem Melodic Death was anfangen kann.
Sonderlich bekannt sind SEMEN DATURA noch nicht unbedingt, obwohl die Band bereits seit 1997 existiert und auch ein paar Veröffentlichungen vorweisen kann, darunter ein Debüt - Album mit Andy Classen - Produktion. Das deutsche Quintett mischt melodischen Black Metal mit traditionellen Elementen und sortiert sich damit etwa in der großen Schnittmenge aus DIMMU BORGIR, NAGLFAR oder CRYPTIC WINTERMOON ein. Dabei sind SEMEN DATURA weder so Soundtrack - artig bombastisch wie die einen, noch so dynamisch - aggressiv wie die anderen. Alles wirkt ein Bissel gemäßigt und geht daher auch nur schwer ins Blut, obwohl "Vineta Part I" keine schlechte Angelegenheit geworden ist. Auch nach mehreren Durchläufen wirkt das Material zwar fett, erstklassig gespielt und durchdacht, aber auch leicht farblos. Einen echten Überhit, Ohrwurm oder mitreißenden Knaller konnte ich jedenfalls nicht entdecken. Am Nächsten kommt dem noch "Palace Of Pain" mit seinem an "Der Mussolini" erinnernden Anfang, den superben Breaks und dem vokalen Overkill von Gitarrist und Sänger Conrath von Auerswald. Freunden melodischen Schwarzmetalls sei "Vineta Part I" zum Hineinhören empfohlen, denn ein echter Fehlkauf ist das Album nicht, nur eben über die gesamte Spielzeit kein Oberhammer.
In schöner Regelmäßigkeit liefert Devon Graves (früher bekannt als Buddy Lackey und mit der Kultcombo Psychotic Waltz unterwegs) jedes Jahr ein erstklassiges Album seiner Band DEADSOUL TRIBE ab. Auch Anno 2005 hat sich daran nichts geändert - auch "The Dead Tree" verbreitet eine düstere, schwermütige, zum Teil gar "Tool’sche" Stimmung und packt schon so einiges an kompositorischen Einfällen in die dreiviertel Stunde. Dabei ist "The Dead Tree" atmosphärischer als die beiden schon überragenden Vorgängerwerke (das geniale Debüt lasse ich da bewusst außen vor), entfaltet teilweise eine hypnotische Stimmung und dank Adel Moustafa (Schlagzeug, Percussions) treibt es einen geradezu polyrhythmisch durch das Album. Mr. Devon Graves hat mal ansonsten wieder alles selbst gemacht: komponiert, Gitarre und Keyboard eingespielt und natürlich dem Album mit unverkennbarem, Melancholie verbreitenden Gesang seinen Stempel endgültig aufgedrückt. Wobei gerade die von DEADSOUL TRIBE verbreitete Stimmung oft im Gegensatz zu den tiefgründigen, poetisch hoffnungsfrohen Songtexten steht. Nach einem kurzem Intro geht es gewohnt abwechslungsreich mit "A Flight On An Angels Wing" los, bevor mit dem fast sechsminütigem, emotionalen "To My Beloved ..." der erste genial groovende Streich folgt. "Let The Hammer Fall" ist dann schon ein Stück weniger düster progressive und lebt vor allem von Graves Gitarrenarbeit. Bei dem hochmelodischen, ebenfalls von Gitarre getragenen "Waiting In Line" kramt Devon wieder mal seine unverzichtbare Querflöte raus und lässt so seine besondere Note in den Song einfließen, bevor es mit der Klavierballade "Someday" ungewohnt, aber nicht weniger gekonnt ruhig wird. Mit dem intensiven und eher gedämpften "My Dying Wish" und dem epischen "The Long Ride Home" (auch mit Flötentönen versehen) gibt es zum Schluss noch mal zwei richtige Überflieger. November - DEADSOUL TRIBE - "The Dead Tree" - jeglicher hoffnungsgetränkter Weg durch Nebel und Nacht führt zu diesem Album. Ach ja, und Anfang Januar 2006 ist man zusammen mit Sieges Even auf Tour - sollte man hin.