Nach dem im Frühjahr 2006 erschienenen, sehr positiv aufgenommen Doppelalbum "Paradox Hotel" ging Roine Stolt und seine Mannen erst mal auf eine Europatournee. Das 165-minütige Konzert im niederländischen Tilburg vom 19. April 2006 wurde dabei aufgezeichnet und wird nun den Fans der FLOWER KINGS als Doppel-DVD "Instant Delivery" präsentiert. Das dabei musikalisch erstklassiger progressiver Rock geboten wird, kann man bei Künstlern wie Keyboarder Tomas Bodin, Gitarrist Hans Froberg, Schlagzeuger Marcus Liliequist, Bassist Jonas Reingold und natürlich dem Meister Roine Stolt an Gitarre und Mikro erwarten. Hektik auf der Bühne war dabei auch nicht zu erwarten - die ruhige Kameraführung lässt ausgiebig Zeit die Musiker bei ihrer Arbeit zu beobachten - die ausufernden Instrumentalpassagen werden so zu einem echten Genuss. Angenehme Atmosphäre eines FLOWER KINGS abends einschließlich sympathischer Ansagen wurden gut eingefangen - und der im Tilburger Club "013" eingestellte Sound genügt ebenfalls hohen progressiven Ansprüchen. Das Publikum nahm neben neun Songs vom aktuellen Longplayer vor allem auch Klassiker wie "I Am The Sun" und das abschließende "Stardust We Are" euphorisch auf (siehe unten). Dabei kürzten THE FLOWER KINGS auf "Instant Delivery” einige Songs und legten den Schwerpunkt ihrer Liveperformance auf, für ihre Verhältnisse, kompaktere Kompositionen, was dem Konzert als Ganzes durchaus gut tut. Das Fehlen jeglichen Extramaterials ist als echter Minuspunkt zu werten - macht das doch neben der optischen Beobachtung der Kunstfertigkeiten der einzelnen Künstler und deren Bühnenpräsenz vor allem das Medium DVD aus. Hier hätte man den reichlich vorhandenen Platz auf den beiden DVDs nutzen müssen. Neben der "normalen" Doppel-DVD (in Dolby und 5.1) gibt es noch eine sogenannte, auf 8000 Exemplare limitierte Edition mit zwei Audio-CDs des FLOWER KINGS Konzertes und ein umfangreichem Booklet.
"Meantime" und "Betty" - HELMET haben schon einige coole Alben veröffentlicht, die mit "einflussreich" nur unzureichend benannt werden können. In den letzten Jahren gab es bei den New Yorkern einige Band-interne Stretigkeiten, die zum Resultat hatten, dass von der Ur-Besetzung nur noch Page Hamilton übriggeblieben ist. Über seine Stimme konnte man sich schon vor einer Dekade wunderbar streiten und auch anno 2006 ist es nicht besser. Bisher mochte ich seinen Gesang immer, aber "Monochrome" offenbart die erschreckende Tatsache, dass auch Mucker nicht ewig jung bleiben. Zu oft klingt Mr. Hamilton nur nervig und angestrengt, Teifpunkt ist der Beginn von "410", einem Song, der sowieso unterirdisch ist und viel zu zahm (fast schon wie die FOO FIGHTERS) klingt. Dabei macht der Opener "Swallowing Everything" noch Mut: ein knarziger, treibender Song, der die einzigartige HELMET-Mischung aus Noise, Punk und Rock in sich trägt. "Brand New" ist ähnlich gelungen, wirkt dabei aber merkwürdig gehemmt. "Bury Me" offenbart das erste Mal die Schwächen im Gesang und kann auch bei der Gitarrenarbeit nicht überzeugen. Der Titeltrack läßt das erste Mal Erinnerungen an die FOO FIGHTERS aufkommen, Mordgedanken schließen sich an. "On Your Way Down" ist ein akzeptabler Kopfnicker-Song, krankt aber auch wieder am nervigen Gesang. Außerdem ist das Wort "akzeptabel" im Zusammenhang mit HELMET klar nicht akzeptabel. "Money Shot" ist eine viel zu softe Nummer, was durch das folgende "Gone" etwas gemildert wird, bei dem HELMET mal wieder ordentlich rocken. Auch wenn’s etwas grungig klingt. "Almost Out Of Sight" wünscht man sich den gleichnamigen Song, das ist schon der dritte viel zu softe Track der Platte. Wo ist die Wut hin, wo der Zynismus, wo der Noise? "Howl" scheint es zu haben, der Beginn ist wunderbar giftig. Und dann wieder dieser Schwenk Richtung Mainstream-Rock. Gott! "410" hatten wir schon, das möchte ich im Leben nicht wieder hören müssen. "Goodbye" als letzter Song ist hin- und hergerissen zwischen alten HELMET-Tugenden und dem Versuch, modern zu klingen. Das muss nicht sein. Weder der Song, noch die ganze Platte. Hätte Page doch nur ein etwas kleineres Ego und die Scheibe unter dem Name seines Nebenprojektes veröffentlicht, dann wäre HELMET nicht so in den Dreck gezogen worden. Traurig. Das Ende einer Legende.
CARNAL DECAY haben nach einigen Besetzungswechseln anscheinend endlich ein stabiles Line-Up zusammen und legen nach der letztjährigen Split mit PREJUDICE und INFANT BILE mit ihrem ersten Album nach. "Carnal Pleasures" ließ sofort Erinnerungen an die leider aufgelösten DEFACED CREATION wach werden, CARNAL DECAY haben die gleiche geniale Mischung als amerikanischer Brutalität und schwedischer Melodie. Quasi das beste beider Welten. Die zehn Songs sind dann auch konsequent groovende Songs erster Kajüte geworden, bei denen einfach alles stimmt. Die Drums machen einen immensen Druck und kriegen alle Blastparts sauber hin, die Gitarren weben einen dichten Soundteppich und beim gutturalen Gesang (der manchmal sogar in Frog Voice-Regionen geht) gibt es ebenfalls nichts zu meckern. Dazu kommt das gute Songwriting, das keine Langeweile aufkommen läßt, und eine druckvolle Produktion. Kurzum: eine arschgeile brutale Death Metal-Platte. Kaufen, sag ich, kaufen!
Vor ein paar Jahren, irgendwo in den USA: ein paar bekiffte Typen sitzen auf der Ladefläche ihres Pickup-Trucks und schauen in den Nachthimmel. "Alter, wie schnell die Sterne sich heute bewegen…". PLANES MISTAKEN FOR STARS fallen im Alveran-Stall auf wie eine Kuh auf einem Ponyhof. Statt Tough Guy Hardcore oder Metalcore zocken die vier Amis erdigen Stoner Rock, der Verwandschaft zu mighty KYUSS nicht leugnen kann. Allerdings gibt es bei PLANES MISTAKEN FOR STARS keine leicht verdaulichen Wüstnerock-Songs, sondern komplexen und oft sehr düsteren Rock. Ähnlich wie bei KYUSS kann man sich nie sicher sein, was sich die Band um Sänger/ Gitarrist Gared im nächsten Song einfallen läßt. Neben Genre-typischen rockigen Parts gibt es viele dunkle Passagen, in denen die leidende Stimme des guten Mannes voll zur Geltung kommt und durch eine fast schon doomige Instrumentalarbeit unterstützt wird. Also nix mit Platte rein, Fenster runter und schön im Sommer cruisen. "Mercy" muss man in anderer Umgebung in sich aufnehmen. Eher Lavalampe, dunkler Raum, Kopfhörer und ne Tüte.
UNHOLY veröffentlichen mit "Awaken The Sleep” zwar ihre erste Scheibe, sind aber beileibe keine Anfänger, in ihrer Bio stehen Namen wie THE PROMISE, ANOTHER VICTIM und BLOOD RUNS BLACK, dazu kommen die noch aktiven WHEN TIGERS FIGHT und PATH OF RESISTANCE. Die Jungs können also was und beweisen das mit den atmosphärisch dichten Songs der EP eindrucksvoll. Hier geht’s nicht um Coolness, um das Zitieren möglichst vieler Metalbands, um den fiesesten Moshpart oder die den größten Prollfaktor. UNHOLY bringen ihre Wut auf die Welt zum Ausdruck, da passt es, dass Karl Buechner von EARTH CRISIS zu Gast im Studio war. UNHOLY-Sänger Danny ist mit einem gleichermaßen ausdrucksstarken Organ gesegnet und schreit die (durchweg negativen) Lyrics mit Feuer im Herzen hinaus. Die Saitenfraktion hat einige sehr coole Melodien und setzt oft auf rockige Riffs ("Scales From A Leper"), während Drummer Joe und Basser Rick für den nötigen Druck sorgen. In den Songs wird komplett auf Moshparts verzichtet, sind aber trotzdem mega-heftig und brutal. Die acht Songs sind qualitativ auf einem Level und machen Lust auf ein komplettes Album. Wer bei den genannten Bands aufhorcht, sollte sich die EP zulegen und sich auf die dunkle Seite des Hardcore ziehen lassen. Ihr werdet es nicht bereuen.
In Deutschland hält sich ja hartnäckig das Vorurteil, dass alle Schweizer lieb und ein bisschen langsam seien. Dass dem nicht so ist, haben eigentlich schon CELTIC FROST bewiesen, und allerspätestens CATARACT dürften das auch dem Letzten klar gemacht haben. Wer das immer noch nicht geschnallt hat, sollte sich das neue Album der Zürcher Death Metaller CENSORED anhören, denn das zieht einem mit voller Wucht eins über den Schädel, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die Musik des Trios setzt sich zusammen aus einem Großteil Ami-Death, versetzt mit Thrash-Metal-Parts und Grindcore-Attacken. Marcel Zilics Gitarren brettern und sägen, was das Zeug hält, Nik Naumann bolzt mit den Drums alles nieder, und darüber grunzt und brüllt sich Sänger/Bassist Manuel Früh so dermaßen böse die Seele aus dem Leib, dass einem Angst und Bange wird. Der Sound ist brutal, fett und gemein, aber doch so transparent, dass man alle Instrumente heraushört. Lediglich der Snare-Sound ist für mein Empfinden stellenweise etwas penetrant, aber das ist vermutlich Geschmackssache. Dazu kommt, dass die Jungs wirklich spielen können. In jedem Tempo wird präzise Arbeit geleistet, und besonders, was Nik Naumann an den Drums abliefert, hat Hochachtung verdient. Wenn man einen Blick ins Booklet wirft, wird man außerdem dadurch überrascht, dass in den Texten nicht sinnlos rumgemetzelt wird, sondern dass diese durch die Bank zwar düster, aber durchaus tiefgründig, teils auch politisch und gesellschaftskritisch und manchmal sogar poetisch sind. Eine weiterer Pluspunkt ist das tolle Cover-Artwork, das die morbide Stimmung der Musik sehr gut wieder spiegelt. Insgesamt ist "in-existence" also eine rundum mehr als gelungene Scheibe geworden, die CENSORED mit Sicherheit weitere Türen öffnen wird. Für uns Deutsche bleibt nur zu hoffen, dass die Jungs bald mal wieder im großen Kanton im Norden unterwegs sind, um uns auch live das Gehirn wegzublasen.