Mein Review Nummer 600 für MI, da sollte schon etwas Besonderes besprochen werden und die Scheibe "The Dark Third" ist ganz zweifellos ein solch würdiges Hammeralbum. Für mich haben die sechs Briten von PURE REASON REVOLUTION ganz klar schon jetzt einen vorderen Platz in den Jahresbestenlisten 2007 sicher. Die Formation ist von ihrer musikalischen Bandbreite erfreulicherweise deutlich in anderen Fahrwassern wie derzeit angesagte "einfach" Kapellen im Stile der ARTIC MONKEY’S oder KAISERCHIEFS unterwegs, trotzdem sind gewisse Parallelem in Punkto eingängigeren Melodien nicht ganz von der Hand zu weisen. Andererseits agiert man wiederum nicht so in massiven Härtegraden wie z.B. die Landsmänner der Prog-Metalformation THRESHOLD. Trotzdem verstehen es PURE REASON REVOLUTION zwischen all ihren hymnischen Chorussen und Wechselgesängen ein ordentliches Pfund einzupflegen, deutliche Anleihen an LED ZEPPELIN lassen sich nicht verbergen. Das lange Intro "Aeropause" steht zwar mehr oder weniger als recht (gut gemachte) ganz offensichtliche Blaupause eines typischen PINK FLOYD Klangmusters, aber im Verlauf der weiteren 65 Minuten entledigt sich die Band völlig jegwelcher fremden Federn und entwickelt ein ungeheuer intensives Klangerlebnis. Schon der ungewöhnliche Bandname, dieser ist teilweise vom Philosoph Emanuel Kant beeinflusst ("Kritik der reinen Vernunft") zeugt von einer sehr differenziert denkenden Band und der Albumtitel steht letztlich für das eine Drittel des Lebens, welches der Mensch nur mit Schlafen verbringt. "The Dark Third" beschäftigt sich als eine Art Konzeptalbum mit sämtlichen Phänomenen rund um Schlaf und Traum. Die Musik mit ihren weitläufig, progressiven Gefilden trägt diese Texte mit zahlreichen Sprengseln aus Post/Art/Spacerock, elektronischen Samples und ganz viel psychedelischen Elementen. Und dann immer wieder diese transzendenten Melodien und Hooks - einfach zum reinlegen, irgendwelche Begrenzungen sind bei PRR nicht auszumachen.
"Unsere Maxime lautet, dass es für Songs keine Regeln gibt. Sie können jede beliebige Länge und jede Instrumentierung annehmen. Meine Gedanken und Gefühle äußern sich klar und intensiv, wenn ich sie frei und ungezwungen mit Musik verbinde", erklärt der Gitarrist Jon Courtney.
Die vermeintlich zarte Stimme von Sängerin Chloe Alper entführt den Hörer immer wieder in die ausufernden Klangwelten einer Band, auch die anderen männlichen Vocals sind eher relativ unspektakulär, aber die Zusammensetzung als Ganzes macht hier den eigentlichen Reiz aus. PRR geraten dabei traumhaft sicher nie in die Gefahr ins Belanglose abzudriften, insbesondere die Mischung aus Indierockgitarren und heftigeren Rockriffs ist einfach klasse gemacht. Auch Dank der galaktisch guten Produktion von Paul Northfield (Gentle Giant, Rush, Marilyn Manson, Suicidal Tendencies und Porcupine Tree) besticht "The Dark Third" durch eine sehr intensive und vor allem dynamische Ausstrahlung mit viel Laut/Leise-Wechselspielen. Aber auch kuriose Breaks mit Ambient Trip Hop Sounds wie bei "Voices In Winter/In The Realms Of The Divine" finden hier ihre Berücksichtigung. Als zentraler Track des Albums steht das knapp zwölfminütige Epic-Masterpiece "The Bright Ambassadors Of Morning" welches beginnend mit sphärisch wummernden Keys a la Jean Michel JARRE sich mit einem chill-out Zwischenteil hin zu einem unheimlich intensiv-atmosphärischen Monsterrocktrack mit fetten Riffs verwandelt. Die wunderbaren Gesangsharmonien mit den üppig bombastischen Chorarrangements erinnern dabei teilweise an das geniale Lucassen Projekt STAR ONE. Ein atmosphärisch absolut spitzenmäßiges Album ohne Schwächen, das nie langweilig wird.
"The Dark Third" ist jetzt über InsideOut Music in einer von den bereits vorliegende US- und UK-Ausgaben abweichenden Version - mit modifiziertem Artwork und Booklet sowie einer fünf Tracks umfassenden Bonus-CD (die mir hier leider nicht vorlag) erschienen. Zwei dieser Stücke sind bislang unveröffentlicht, einer ("In Aurelia" stammt von der EP "Cautionary Tales For The Brave", zwei weitere ("The Exact Colour" und "The Twyncyn/"Trembling Willows") von der UK-Version des Albums.
Was den Durchgeknalltheits-Faktor angeht, ist man ja von japanischen Bands einiges gewohnt. Daher ist man vom dritten Release der 1992 in Osaka gegründeten BALZAC anfangs fast schon fast etwas enttäuscht. Zwar ist schon alleine die Vorstellung von vier abgedrehten Japanern, die MISFITS-mäßigem Horropunk frönen, ziemlich skurril, aber das Album selbst bietet dann doch keine besonders außergewöhnliche Kost. Das heißt nicht, dass es wirklich schlecht wäre. Die Songs machen durch die Bank Spaß, bieten durchaus einiges an Ohrwurmpotential und sind dazu noch herrlich trashig, verwaschen und mit viel Hall produziert. Aber sehr schnell klingt alles gleich, und es werden kaum echte Highlights geboten. Wirklich herausragend sind lediglich die Songs, in denen die Band mal vom üblichen Sound abweicht, wie bei "D.A.R.K", das mit einem Industrial-/Jungle-Beat brutal und fies nach vorne brettert, dem Metal-lastigen "Japanese Trash" oder dem titellosen dreizehnten Track, einer atmosphärischen Ballade, die sich gegen Ende in psychedelischen Lärm steigert. Trotzdem: Wer Horrorpunk mag, dem wird hier mit 20 Songs jede Menge mehr als solides Material geboten.
Doom Metal bei Sonnenschein hören ist immer ein wenig merkwürdig. Als Doom-Band aus einem Sonnenverwöhnten Land wie Spanien zu kommen, ist noch viel merkwürdiger, andererseits kann ja niemand was für seine Herkunft. AUTMNAL suchen sicher immer den Schatten in ihrer spanischen Heimat, anders kann man so düstere, depressive Musik wie auf "Grey Universe" gar nicht machen. Ganz im Stile von MY DYING BRIDE, alten KATATONIA und PARADISE LOST wird hier in sechs Stücken auf hohem Niveau gelitten, dass es eine Wonne ist und dem Hörer selbst an Frühlingstagen ein Frösteln überkommt. Großes Kopfkino, dass nur wenige Bands schaffen (erinnert sich noch jemand an PARADIGMA?)! Hier paßt einfach alles, besonders der leidende Gesang (immer wieder unterbrochen durch Growl-Parts), die zähen Gitarren und die effektiv eingesetzten Streicher, die dermaßen traurig klingen, dass man sich für jedes Lächeln schämt. AUTUMNAL ist mit dieser Scheibe eine kleine Perle des Doom-Genres gelungen, die hoffentlich die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient. Lass die Sonne in dein Herz? Von wegen - vertreib sie mit "Grey Universe"!
DAATH haben mit Drummer Kevin Talley (u.a. ex-MISERY INDEX, ex-DYING FETUS) einen äußerst kompeteten Mann in ihren Reihen, der es in den dreizehn Songs von "The Hinderers" durchgehend verstanden hat, sich in Szene zu setzen und einen anständigen Drumsound zu bekommen. Mr. Talley treibt den aus Atlanta kommenden Haufen dann auch immer wieder an und gibt den Songs einen brutalen Grundtenor, auch wenn es ihm in einigen Songs nicht gelingt, gegen die Ideenflut anzukommen (bei "Under A Somber Sign" passt sein Double Bass-Spiel so gar nicht). DAATH haben eine starke Death Metal-Schlagseite, bedienen sich aber ungeniert in anderen Genres und scheuen selbst vor Synthie-Klängen ("Dead On The Dance Floor") nicht zurück. Meist sind die Amis aber in schnellen, grooiven Fahrwasser unterwegs und lassen ihre Mischung aus Death und Black für sich sprechen. Dabei deckt die Band ein breites Spektrum ab und klingt mal nach brutalem Ami-Tod ("Ovum"), nach Death’n’Roll ("Subterfuge") und mal nach bombastischem Black Metal ("Festival Mass Conform") - eine reichlich bunte Mischung innerhalb der selbstgesteckten Grenzen. Neben Mr. Talley kann Sänger Sean mit seiner an AMON AMARTH erinnernden Stimme und die Gitarrenfraktion überzeugen (die meistens ordentlich bratend agiert), an der Produktion von James Murphy gibt es ebenfalls nichts auszusetzen. DAATH ist mit "The Hinderers" ein guter Einstand bei Roadrunner gelungen, den sich Freunde gepflegten Geballers mal anhören sollten, auch wenn sie bei zwei oder drei Songs sicher die Skip-Taste nutzen werden.
Das polnische Label Metal Mind scheint auf Fließband-DVD-Produktion zu machen, liefert aber eine professionelle Veröffentlichung nach der anderen ab. Da machen auch die Rachel-losen SINISTER aus Holland keine Ausnahme. Das Herzstück des Datenträgers bildet ein Auftritt der Death-Metal-Urgsteine vom August vergangenen Jahres aus dem Warschauer Stodola Club, eingefangen in professioneller Bildqualität mit erfrischend stressfreier Schnittfrequenz. Gut 57 Minuten prügeln sich die Oranjes auch ohne Meisje durch ihre Band-Geschichte sehr dickem Sound. Wie von anderen Produkten des Labels bekannt, kommen die Käufer in den Genuss von etwa 100 Minuten Zusatzmaterial darunter vier "Bootlegs", deren Qualität die des beschriebenen Gigs naturgemäß unterschreiten und so eher für absolute SINISTER-Fans geeignet sind. Die Doku ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen, das Interview mit Grunzer Aad Kloosterwaard und Gitarrist Alex Paul liefert ein paar Hintergründe und viel Persönlichkeit. "Prophecies Denied" ist eine lohnende DVD vor allem für SINISTER-Fans, aber auch für Anhänger des traditionelleren Metzel-Metals insgesamt. Hier noch mal die Inhalte:
Live in Warschau:
(Intro)
Bleeding Towards The Wendigo
Epoch Of Denial
The Grey Massacre
Sadistic Intent
Into The Forgotten
Men Down
Barbaric Order
(Enslave The Weak Intro)
Enslave The Weak
Altruistic Suicide
Afterburner
(Cross The Styx Intro)
Cross The Styx
To Mega Therion
Boni:
Angels Of The Apocalypse (Dokumentation)
"Bootlegs”
Men Down, Enslave the Weak (Kset, Zagreb, Kroatien)
Afterburner, Cross The Styx (Up From The Ground, Gemünden)
Extrem-Metal heißt Extrem-Metal, weil der Metal, der zu hören ist, extrem ist oder zumindest sein sollte. Wenn man diesen Begriff immer wieder in Zusammenhang mit "gewöhnlichem" Death Metal (tiefer gestimmte Gitarren und Growls alleine machen noch keine extreme Musik!) hört, verliert er irgendwann seine Bedeutung. Wenn man dann aber ein Album wie das Drittwerk (der erste, 1999 eingespielte Longplayer wird nicht mitgezählt, da er nie offiziell aufgelegt wurde) der Noise-Doomer RWAKE aus Arkansas hört, dann wird einem wieder bewusst, was extreme Musik bedeutet. Dieser irre Haufen spielt vertrackten, schwer verdaulichen Doom Metal mit stark verzerrtem Kotzgeschrei, das absolut krank (im wahrsten Sinne des Wortes) klingt und dem Hörer Einiges abverlangt. Aber auch akustische Passagen ("Leviticus"), jazzige Abschnitte ("Inverted Overtures") oder psychedelische, ruhige Intermezzi ("Bridge") sind der Band nicht fremd, wobei das musikalische Grundgerüst durchaus traditionell klingt; lediglich der Gitarrensound ist sehr modern gehalten, aber mitnichten sonderlich tief gestimmt. Und wenn man RWAKE auf ihre Bestandteile reduziert, klingen sie am Ende nicht viel anders als eine extreme Version der alten BLACK SABBATH, was besonders beim abschließenden "The Lure Of Light" deutlich wird. Wo allerdings die laut Band vorhandenen, weiblichen "Gesänge" versteckt sein sollen, kann man allerhöchstens grob erahnen… "Voices Of Omens" ist ein gleichermaßen beeindruckendes, wie auch originelles und wirklich gelungenes Statement einer sehr interessanten Band, aber auch nur einem kleinen Kreis an Fans zu empfehlen, der eben extremen (Doom-) Metal mag. Die Kunden-Basis des "Relapse"-Labels darf sich grundsätzlich schon mal angesprochen fühlen!
Für diese Compilation hat sich Deutschlands feinstes Punkrock-Label People Like You mit der wohl coolsten und auf jeden Fall bekanntesten amerikanischen Rock ´n Roll-Klamotten-Marke Lucky 13 zusammen getan. Mit sinnigerweise 13 Tracks wird ein schöner Querschnitt aus dem vielfältigen und mit Highlights gespickten Label-Katalog präsentiert. Für den Einstieg hätte ich mir von den BONES zwar statt des RAMONES-Covers "I Wanna Be Sedated" einen eigenen Song gewünscht, aber der Großteil des folgenden Materials macht diesen kleinen Makel locker wieder weg. So gibt es neben untypisch ruhigen, aber genialen Songs der GENERATORS und der U.S. BOMBS u. a. Old School Punkrock von BORN TO LOSE und 2ND DISTRICT zu hören, Streetpunk von den DISASTERS, dreckigen Country von CHARLEY HORSE und Psychobilly von DEMENTED ARE GO und dem METEORS-Frontmann P. Paul Fenech. Einziger Minuspunkt ist, dass alle Songs bereits auf Alben oder EPs erschienen sind. Ein paar exklusive, bisher unveröffentlichte Tracks wären durchaus nett gewesen und hätten einen zusätzlicher Kaufanreiz geboten. Aber da die Scheibe zum kleinen Preis verkauft wird, lohnt sich die Anschaffung allemal, denn hier gibt es noch durchaus das ein oder andere Juwel zu entdecken.