CANCER BATS sind auch schon bei Album Nummer drei angekommen, auf dem sie sich gewohnt rotzig und kompromisslos präsentieren, Anbiederung an den Mainstream und damit das kommerziell Erfolgreiche war und ist ihre Sache nicht. Ihr Sound ist noch etwas erdiger, Stonerrock und mittelalte ENTOMBED als Einflüsse stärker geworden, wie „Trust No One“ oder „Scared To Death“ (bei dem auch PANTERA gegrüßt werden) beweisen. Daneben gibt es weiterhin an punkigen Hardcore erinnernde Stücke, wie „Make Amends“, wobei auch das mit sehr metallischer Gitarrenarbeit aufwartet. Anno 2010 sind die Kanadier im Songwriting ausgeglichener geworden, so dass „Bears, Mayors, Scraps & Bones“ noch homogener als der Vorgänger klingt und so eine gute Dreiviertelstunde zum Abgehen einlädt. Klar ist die selbst gewählte Limitierung auf einige wenige Riffs an manchen Stellen unpassend und zu kurz gegriffen, aber unter dem Strich stellen CANCER BATS mit den rockenden Songs nicht nur ihre Fans zufrieden, sondern dürften sich auch neue Hörer erspielen, sofern die auf ehrlichen, gradlinigen Kram stehen. Allerdings sollte die dank des eintönigen Gesangs misslungene Coverversion des BEASTIE BOYS-Knallers „Sabotage“ potentiellen neuen Hörer nicht als Erstes vorgespielt wieder. Da schon besser „We Are The Undead“ oder „Black Metal Bycicle“, dann klappt das.
WORN IN RED überraschen auf „In The Offing“ mit komplexen, recht langen Songs, mit denen sie einige Durchläufe brauchen, um beim Hörer zu zünden. Und selbst dann gibt es keine einfachen Songs, keine Easy-Listening-Hits, dafür sind Sachen wie das heftige „Vital Joys“ oder das im Gesang sehr an HOT WATER MUSIC erinnernde Mise „As Best We Can“ zu sperrig, zu düster und fehlen die Lichtblicke in Form positiv klingender Abschnitte. Die Welt ist schmutzig, da kann „In The Offing“ nur ebenso dreckig ausfallen. Das mag auf den ersten Blick im Widerspruch zu den herrlichen Melodien stehen, die sich die Gitarristen immer wieder aus den Rippen schneiden, aber wenn diese mit dissonanten Riffs des Gegenüber gekontert werden, relativiert sich das Ganze. WORN IN RED bedienen sich gleichermaßen beim Punk wie beim 90er-Hardcore, dem sie noch einige Postcore-Elemente beigefügt haben, was ihnen alles locker von der Hand geht und in einer wunderbar finsteren wie abwechslungsreichen Platte kulminiert. „When People Have Something To Say“ könnte so auch von POLAR BEAR CLUB kommen, während „Mise En Abyme“ an guten alten Hardcore erinnert. Hier waren Kenner und Könner am Werk, die sich hörbar Zeit für das Songwriting genommen haben, was 35 Minuten schnell vorbeigehen lässt, so dass schnell wieder auf Play gedrückt wird, um ein weiteres Mal diese gelungene Verbindung von Tradition und Moderne, von grauem Beton und kleinen Rasenstücken zu genießen.
Bei allem Respekt aber bei DRIVE SHE SAID wäre man schon versucht zu sagen, den leicht abgewandelten Ausspruch von der Gnade der späten Geburt als einen Segen für den Zuhörer zu bewerten. Denn bezogen auf ihr 1989 veröffentlichtes Debüt, war es für die Amis wohl schlicht etwas Pech, denn so hat man schlicht die besten Zeiten der AOR bzw. Melodicrockwelle aus den 80er verpaßt, denn deren Glanzzeiten gingen da schon deutlich den Bach runter. Das Phänomen Grunge war ebenfalls schon in den Startlöchern und so hat nach dieser Formation von damals bis heute und insgesamt fünf Alben kaum ein Hahn bzw. selbst Fan dieser Richtung gekräht. Bei der allenfalls mäßigen Qualität kein großer Verlust.
Schaut man sich dieses aktuelle Album „Dreams Will Come“ und mit … the Best Of More etwas genauer an, wird deutlicht die 16 Tracks (17 stehen zwar auf der Hülle ich habe aber nur 16 auf der CD) inkl. zwei ganz neuen Songs sind eine Art musikalischer Rückblick, der aber doch ziemlich dürftig ausgefallen ist. Da hat man nichts wirklich wichtiges verpaßt bereits x-mal durchgenudelter und bereits deutlich inspirierter vorgebrachter AOR mit ganz seicht-cheesigen Melodicrockkomponenten - mehr bieten uns die beiden Hauptprotagonisten Herren Al Frisch und Mark Mangold hier nicht an.
Erschreckend sind neben dem abgedroschenen sowie kraftlosen Schmalspur-Songwriting auch die heftigen Produktionsunterschiede der einzelnen Beiträge manchmal völlig ohne Dynamik oder gar Drive, viel zu lasches Schlagzeug dann wieder überproduziert mit Loops zugeknallt, das Keyboard meist viel zu stark im Vordergrund (o.k. haben andere Szene Bands auch so gemacht nur klang es da viel besser!) das macht echt keinen Spaß egal auf welcher Anlage. Um so verwunderlicher ist dieser zusammengestückelte Sound umso mehr, als dass für "Dreams Will Come / Best Of And More" alle Stücke komplett neu von Al Fritsch eingespielt wurden. Selbst nur so zum Nebenbeihören kann man diese (Kaufhaus)Musik normalerweise immer gebrauchen aber auch dass fällt hier ziemlich aus. Da sollten sich die Herren mal die neuen Scheibe von GRAND ILLUSION anhören, die machen ganz ähnliche Mucke nur locker zwei Klassen besser. Schon der Opener „Fool’s Game“ hört sich an wie FOREIGNER für Arme ähnlich gemacht von den Keyboards, den Chören und allen Arrangements nur halt ziemlich zahnlos aufgenommen, der song war von Mangold ursprünglich mal für MICHAEL BOLTON geschrieben worden, das weiß man schon bescheid – solider Hausfrauenrock der mainstreamigeren Sorte. Auch den CHER Hit „I Found Someone“ wirklich im Grunde ein klasse Song wurde von ihm geschrieben. Nur von der Mutter aller Faceliftings ist der Song viel besser, die Version hier ist etwas zu langsam, fast einschläfernd ohne jeden Schmiss und der Refrain ist auch ne ganze Schippe schwächer, sorry geht so garnicht. Den ganz neuen Titelsong kann man auch ziemlich abhaken, dann der Kulturschock mit „Ty2LetGo (FukUUp)“ klingt ziemlich „hart“ und recht fett du gegen den flachen Rest fast schon überproduziert aber immerhin. Ja die typischen nach spätestens 30 Sekunden kommenden Hooklines aus den 80ern sind hier sehr präsent aber die Qualität ist halt sehr dürftig und überhaupt nicht originell, alles klingt sehr angestaubt, zu bedächtig auf Sicherheit getrimmt, damit lockt man heute niemanden mehr. Manche Songs sind durchaus net schlecht wie die schnelleren „Hard Way Home“ oder auch „Drivin Wheel“ (völlig atypisch mit aggressiven Vocals und richtig energetisch) aber dies sind leider die Ausnahmen. Natürlich gibt es auch reihenweise kitschige Balladen wie u.a. „Real Life“ die es selbst zu besten Zeiten schwer gehabt hätten auf den Metal-Ballads Sampler zu kommen – hier werden wirklich alle negativen Klischees gänzlich bedient. Peinlicher Höhepunkt ist ein soulschwülstiger Song mit omnipräsenten Tastengedudel Namens „Love has no Pride“ oh je bitte nur nicht! Die Originale egal ob FOREIGNER, TOTO oder die popigeren ASIA aus den 90ern die ganz offensichtlich Pate für diese Musik standen, waren damals schon um Längen besser als dieser oft billige Nachbau von DRIVE SHE SAID, sorry.
Das dritte Album der Schweden DOLLHOUSE ist ursprünglich schon 2009 erschienen. Doch offenbar war die Band mit dem Sound nicht zufrieden, so dass sämtliche Songs neu abgemischt wurden, übrigens von niemand geringerem als dem HELLACOPTERS-Kopf und DOLLHOUSE-Fan Nicke Andersson. Jetzt ist die um einen Bonus-Track erweiterte Scheibe noch einmal auf dem bandeigenen Label Electro Church erschienen. Der Albumtitel ist hier programmatisch: Der Vierer hat sich Retro-Rock verschrieben, und zwar mit Haut und Haaren. „Rock N Roll Revial“ klingt dermaßen authentisch nach Ende 60s bzw. Anfang 70s, dass es auch eine Scheibe aus dieser Zeit sein könnte. Die Musik versetzt einen zurück in die Frühzeit des Rock, als dieser sich vom 50s Rock ´n´ Roll und Beat gelöst hatte, der Punk aber noch nicht entdeckt war, die Gitarren schon dreckig klangen, die Songs aber auch noch jede Menge Soul enthielten. Hendrix ist herauszuhören, genauso auch die frühen LED ZEPPELIN und sehr viel MC5. Es gibt immer wieder Bands, die sich an einem solchen Sound versuchen, und in den meisten Fällen kommt das Ergebnis ziemlich dröge oder bemüht retro-szenig daher. Die vier Schweden von DOLLHOUSE setzen ihre Musik aber so unbekümmert und mit so viel Energie um, dass man von der ersten bis zur letzten Sekunde nicht ruhig sitzen bleiben kann. Deutlich ist auch zu hören, dass hier grandiose Musiker am Werke sind. Alleine die Gitarren-Soli blasen einen weg, und gleichermaßen mitreißend ist die druckvolle Rhythmusarbeit von Drums, Bass und zweiter Gitarre. Bei der Produktion hat Nicke Andersson einen tollen Job abgeliefert, indem er sich zum Glück nicht bemüht hat, die Scheibe allzu sehr auf alt zu trimmen, so dass der Sound zwar analog und leicht hallig klingt, aber gleichzeitig ordentlich wummst und überraschend transparent daherkommt. Die Gitarren klingen prägnant, aber dreckig, der Bass wummert warm und die Drums kicken. Klar, wie bei allen Retro-Bands stellt sich auch hier wieder einmal die Frage, ob man die Musik vergangener Zeiten wieder aufwärmen und sie dabei einfach 1 zu 1 reproduzieren sollte. Darüber sollen sich aber andere den Kopf zerbrechen. DOLLHOUSE sind einfach so gut bei dem, was sie tun und vermitteln eine derartige Energie und Spielfreude, dass dies alleine schon genug Berechtigung für ihren Sound ist. Diese Scheibe macht einfach nur Spaß – hier kann man das Wort „Gute-Laune-Musik“ endlich mal im positiven Sinne verwenden.
Nach zwei EPs präsentiert der Sechser KENAI mit „Hail The Escapist“ sein erstes Album. Die Band stammt zwar aus Essex, ihre Musik klingt aber überhaupt nicht englisch, sondern vielmehr nach typisch amerikanischer Machart. Emo und Pop-Punk lassen grüssen, zusätzlich werden auch immer wieder kurze Screamo-Parts eingebaut. Dabei liegt über allem ein starker Pop-Appeal, was nicht nur an den getragenen Refrains und den gelegentlichen Keyboard-Klängen im Hintergrund, sondern auch an dem glatten, ziemlich weichgespülten und in der Vordergrund gemischten Gesang liegt. Es gibt Menschen, die mögen diesen Sound, aber selbst diese werden mit „Hail The Escapist“ ein Problem haben: Dafür, dass der Gesamtsound eben recht poppig ist, bietet das Album nämlich ganz einfach zu wenige gute Melodien. Hier bleibt nichts wirklich hängen, die Scheibe dudelt ohne nennenswerte Höhepunkte vor sich hin. Genauso wie ich werden also auch Anhänger der oben genannten Stile KENAIs Erstling nicht viel abgewinnen können.
Die Musiker, die hinter NOISE CAPITAL aus Innsbruck stecken, sind wahrlich keine Neulinge mehr im Geschäft. Alle drei haben schon in unterschiedlichsten Bands und Projekten gespielt, bis sie 2006 zusammengespannt haben, um ihren musikalischen Erfahrungsschatz zu vereinen. Mit „Majestic“ liegt ihre zweite EP vor, und darauf präsentiert die Band ihre große Bandbreite. Am Anfang und am Ende der Scheibe stehen jeweils groovende Rocker, die gut kicken, gleichzeitig aber auch tolle Harmonien bieten. Dazwischen zeigt die Band, wie vielfältig ihr Sound eigentlich ist. So finden sich in den unkonventionell aufgebauten Songs diverse Jam-Parts, bei denen es mal eher psychedelisch, mal auch hymnisch zugeht, und es sind immer wieder diverse Einflüsse anderer Bands herauszuhören, die von PINK FLOYD, über RADIOHEAD und MOTORPSYCHO bis hin zu RAGE AGAINST THE MACHINE reichen. Langweilig wird es einem hier also nie, und genauso hört man an jeder Stelle heraus, dass hier hervorragende Musiker am Werke sind, die wissen was sie tun. Stellenweise ist es allerdings etwas zu viel des Guten. Man hat das Gefühl, die Band wollte in diesen sechs Songs wirklich alles einmal ausprobieren. Das ist ja auch völlig in Ordnung, aber dafür fehlt eben ein roter Faden. Vielleicht haben sich die Jungs diesen ja für ihr erstes Album aufgehoben. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt darauf.
Nach einer Weile der Pause, auch bedingt durch die Schwangerschaft von Sängerin Francesca Chiara, melden sich mit THE LOVECRAVE nach ihrem allseits gelobten Debütalbum mit dem Nachfolger „Soul Saliva“ zurück. Francescas leicht raue Stimme hat nichts von ihrer eigenwilligen Prägnanz verloren, ihre Rockröhre gepaart mit eingängigen, teils wie bei „And Scream“ schon fast verträumten Refrains ergibt eine hübsch angedunkelte Melange. Das melodische „Fade“ geht sofort ins Ohr, bei „Get Outta Here“ wird etwas härter gerockt. THE LOVECRAVE zeigen sich variabel, binden mal mehr orchestrale Elemente, mal ordentlich fette Gitarren ein. Mit „Thriller“ findet sich überraschend ein Michael Jackson- Cover, das gelungen an den bandeigenen Sound angepasst wurde, ohne das Lied dabei zu vergewaltigen. Das ruhig beginnende „Your Fire“ mausert sich zu einem nach vorne preschenden, eingängigen Rocksong, wohingegen „Leon´s Lullaby“ dann tatsächlich die balladesken Fähigkeiten des Quartetts unter Beweis stellt. Alles in allem schaffen es THE LOVECRAVE mit „Soul Saliva“, die Balance zwischen Melancholie, Verträumtheit und Rock zu halten, ohne dabei in Extreme oder übertriebenen Bombast abzurutschen. Hörenswert.