Dafür, dass düsterromantischer Rock nicht immer aus Finnland kommen muss, ist nun der Beweis erbracht: LOST klingen zwar so, als kämen sie aus dem Land der tausend Seen, stammen aber dennoch aus good old Germany. Diese Information zusammen mit dem Titel des Debut-Albums "Tragedy Of Love" dürfte ausreichen, um dem geneigten Finnenrock-Hörer eine ungefähre Vorstellung vom Klangbild zu geben: im Großen und Ganzen tendenziell eher getragene Melodien, fette Gitarren, Keyboard-Einsatz und über alledem die samtig-dunkle Stimme von Sänger Roberto Vitacca, der mittlerweile zusätzlich zu LOST auch bei LACRIMAS PROFUNDERE den Platz am Mikrofon innehat. "Love Hurts" ist eine bittersüß-schmerzliche Ballade, das mit einer schönen Melode versehene "Drown In Her Cruelty" gibt etwas mehr Gas und auf dem ebenso gelungenen wie eingängigen "Darkissed" werden schließlich etwas dreckigere Töne laut. Das wunderschöne "Kissed Her Goodbye" dürfte überdies die Herzen der meisten HIM-Fans höher schlagen lassen. Wer also Bands wie HIM oder REFLEXION mag, wird an LOST mit großer Wahrscheinlichkeit seine helle (oder vielleicht sollte man besser sagen: dunkle) Freude haben und sollte überdies mal die Augen bzw. Ohren offen halten: die Herrschaften haben nämlich für nächstes Jahr ein neues Album in Planung.
I SET MY FRIENDS ON FIRE ist ein Zwei-Mann-Projekt, in dem sich die beiden Beteiligten offensichtlich eines Überschusses an kreativer Energie entledigen, so munter wie sich durch Hardcore, Screamo, Death Metal und Elektro treiben lassen. Die zwölf Songs sind dadurch eine muntere Achterbahnfahrt, die den Hörer immer im Unklaren lässt, was als Nächstes kommt. Ernst nehmen die beiden Herren dabei weder sich noch andere noch die Musik – und genau das macht „You Can't Spell Slaugther Without Laughter“ so unterhaltsam, wenn halbärschig gerappt wird („Crank That“) oder über Nonnen philosophiert wird, bleibt kein Auge trocken. Die Platte ist sicher nicht jedermanns Geschmack und in manchen Lebenslagen auch extremst nervig, aber mit den richtigen Leuten und in der richtigen Stimmung macht der Silberling kurzweiligen Spaß.
DARKANE haben trotz richtig guter Alben nie die ihnen zustehende Aufmerksamkeit bekommen, woran auch immer das liegen mag. An der Musik defitniv nicht, die war und ist gut, wie die Herren mit „Demonic Art“ erneut eindrucksvoll unter Beweis stellen. Brachialer moderner Thrash Metal, der den Putz von den Wänden bröckeln lässt und STRAPPING YOUNG LAD-Fans mit THE HAUNTED-Maniacs zusammen abgehen lässt. DARKANE haben sich nicht auf stumpfen Geradeaus-Thrash beschränkt, sondern wieder einmal komplexe Songs geschrieben, in denen das Tempo variiert wird, überraschende Breaks gesetzt werden und catchy Refrains den Hörer gefangennehmen. Über die erstklassige Leistung an den Instrumenten und des Produzenten müssen nicht viele Worte verloren werden, DARKANE sind Könner und arbeiten mit Könnern, das Ergebnis spricht für sich. „Demonic Art“ zeigt die Band erneut in Bestform und offen für neue Einflüsse, ohne die eigene Identität in Frage zu stellen, womit die Schweden ihre Stammhörerschaft locker befriedigen und hoffentlich den ein oder anderen Jungspund überzeugen werden, zu wünschen wäre es ihnen angesichts der konstant guten Alben.
AUGUST BURNS RED haben ihr aktuelles Album noch immer nicht bei einem deutschen Vertrieb untergebracht, lassen für ihre Herbsttour aber noch mal die Promofirma ackern. „Messenger“ gibt es somit weiterhin nur als Import beim gutsortierten Plattenhändler oder eben bei Shows der Jungs. Ohne Frage gehört die Band zum Besten, was sich zur Zeit im Metalcore-Bereich tummelt, was in den elf Songs abgezogen wird, hat Hand und Fuß. Komplexer Songaufbau ist Standard, 08/15-Metalcore gibt es so gut wie gar nicht zu hören, und was der Herr am Schlagzeug abzieht, kann sich hören lassen. Dem steht der Gesang in nichts nach, der die christlichen Texte (für die AUGUST BURNS RED immer wieder kritisiert werden) mit Inbrunst ins Mikro brüllt und dabei in allen Tonlagen eine gute Figur macht. Der Wechsel zwischen aggressiven Stimmlagen und klarem Gesang wirkt nie aufgesetzt oder gezwungen, was dem guten Songwriting zu verdanken ist, das auch die Gitarren immer wieder schön in Szene setzt. „Messengers“ ist insgesamt eine anspruchsvolle Metalcore-Platte geworden, die bei aller Komplexität nie sperrig wird und durchweg brutal bleibt. Metalcolerherz, was willst du mehr?
Kurz für Unwissende: In den goldenen Siebzigern des Rock gab es selbst in Deutschland Bands die den Anspruch hatten höherwertige, oft experimentelle Rockmusik unters Volk zu bringen. Dieser sogenannte Krautrock hatte dabei auch das Bedürfnis etwas Neues zu schaffen, unabhängig von den britisch-amerikanischen Prog- und Rockbands zu agieren. Dies funktionierte auf Vinyl häufig recht gut. Eine Band die das auch Live gut konnte waren BIRTHCONTROL aus Berlin, welche 1972 mit dem Album „Hoodoo Man“ einen internationalen Durchbruch feierten und dessen Meilenstein der Hit „Gamma Ray“ war (den GAMMA RAY auch auf „Insanity And Genius“ coverten). Das kurz „Live“ betitelte Album aus 1974 gehört zu den Besten was der Krautrock in Form des progressive und blueslastigen Hard Rock zu bieten hatte. Das damalige Original Live-Album auf Vinyl enthielt jeweils nur ein Track pro Seite bzw. 2 Songs auf der letzten Vinylseite – das waren noch Zeiten (und das ohne die Vor-Taste). Fünf Songs – 70 Minuten Spielzeit und wie damals üblich wurde dabei auf Teufel komm raus improvisiert ohne langweilig zu werden – neben dem eigenen komplexen Rocksound kamen Jazz-Anleihen und vor allem Bluesfeeling zu ehren. Das der druckvolle Sound dabei Hammond geprägt und leicht dumpf und vom Bass dominiert war, tut ein übriges um eine coole Zeitreise zwischen den Ohren zu starten; Spielfreude und Atmosphäre kommen gut rüber (die deutsche Produktionslegende Dieter Dierks zeichnete dafür verantwortlich). Im einzelnen: der Opener „The Work Is Done“ (samt Saxophone), „Back From Hell“ (mit ausführlichem und sehr abwechslungsreichen Drum-Solo), natürlich das auf über 20 Minuten aufgebohrte „Gamma Ray“ (klassisches Gitarresolo in Bester Blackmore-Manier und einen Hammondschluss der Extraklasse), dem kurzen, rockenden „She’s Got Nothing On You“ und zum Schluss eine Ladung Rock’n’Roll in Form des Little Richards Covers „Long Tall Sally“ (hier mit Mundharmonika-Solo). Das Line-Up der erfolgreichen Krautrockformation wechselte häufig, auf „Live“ sind bei BIRTHCONTROL Bernd Noske (Vocals, Drums), Bruno Frenzel (Guitar, 1983 verstorben), Peter Föller (Bass, Vocals) und Bernd Held (Wurlitzer-Piano, Saxofon, Harmonika) zu hören. Schöne Sache, wenn man sich mal an die Steinzeit progressiver Hard Rocks und an erfolgreichen Krautrock rantasten möchte.
„Violent New Breed“, der Einstand des Ex-W.A.S.P.-Mitgliedes, war ein saucooles, wenn auch nicht ganz perfektes Old School-Traditionsalbum, das speziell alten Fans von Blackie Lawless und Co, die zu dieser Zeit derbe schwächelten, runtergelaufen sein muss wie frisch gezapftes Bier oder 5W-30. Nun hat Herr Gesetzlos in der Zwischenzeit aber ein richtig geiles „Comeback“ namens „Dominator“ hingelegt, so dass man mit genug bösem Willen behaupten könnte, dass Mr. Piper nun überflüssig sei… und exakt diese Feststellung muss der ehemalige W.A.S.P.-Recke auch gemacht haben und hat seinen Stil so weit verändert, dass der alte Arbeitgeber zwar immer noch durchschimmert, der Band aber eine deutlich eigenständigere Note verpasst wurde. Das Tier klingt in Sachen Gitarren jetzt eher wie PRIMAL FEAR oder SINNER und kracht noch monströser durchs Gebälk, während einige Melodien gar ein ähnliches Feeling versprühen wie die leider nicht mehr existenten ANGEL DUST – Power ahoi also! Und Hymnen! Nach dem ersten Durchlauf wollen sich Ohrwürmer wie der positive Dampfrocker „Don´t Wanna Die“, das treibende Stakkato-Geschoss „Crying Eagle“, die lupenreine Mitgrölnummer „Unnatural High“ oder die flotte Abschlussnummer „L.U.S.T.“ noch nicht so recht als Hämmer outen, doch nach ein paar Rotationen offenbart sich das volle Potential von „Virus“, das zudem eine erstklassige Coverversion des CRANBERRIES-Hits „Zombie“ enthält, die zum Glück ohne Pornofilmsynchronisationsstöhnen auskommt, dafür aber mit der kräftigen Röhre von Rich Lewis gesegnet ist, der auch den Rest des Albums gesanglich stilvoll veredelt. Lediglich das schleppende, nicht so recht auf den Punkt kommende „Who´s Next?“ kann das hohe Niveau des restlichen Albums nicht ganz halten, was mich aber dieses Mal nicht davon abhält, den „Tipp“ zu vergeben, denn Traditionalisten, die ungekünstelten, puren Heavy Metal lieben und zudem auf alle oben genannten Bands stehen (abgesehen von den CRANBERRIES natürlich!), machen mit diesem richtig starken Gerät rein gar nichts falsch!
Die österreichischen ARTAS sind der Band STAUB & SCHATTEN entsprungen, mit dem (laut eigener Biografie auf ihrer „Myspace“-Seite) Ziel, die Welt zu erobern. Da Österreicher scheinbar immer irgendwie von diesem Verlangen gepackt werden, halten wir uns mal gepflegt zurück und lauschen erstmal den Klängen, mit denen die internationalen Bastionen fallen sollen: sehr moderner, rifflastiger, harter, grooviger Metal, der in seinen besten Momenten sogar an PANTERA und MACHINE HEAD erinnert, obwohl ARTAS etwas hektischer und abgehackter zu Werke gehen. Die Band kombiniert dabei deutsche mit englischen Texten, was spätestens seit Falco österreichische Tradition hat. Und obwohl „The Healing“ noch ein ganzes Stück von einem Meisterwerk entfernt ist, befinden sich einige wirklich gelungene Stücke auf dem Album, wie etwa der ohrwurmartige Opener „Barbossa“, das brutale „Fick Das Fett“ oder das mit geilem Sprechgesang versehene „Kontrol“. Als echtes Bonbon präsentiert das Quintett eine sehr gut umgesetzte Coverversion des Coolio-Hits „Gangsta´s Paradise“, die beim ersten Hören noch kurios klingt, dann aber richtig Spaß macht. Lediglich der oftmals überzogen gegrölte, kratzige Gesang wirkt auf Dauer sehr monoton, was über die gesamte Spielzeit des Albums doch ein wenig nervt. Außerdem ist ein roter Faden nicht immer erkennbar, denn die Band mischt sehr viele Ideen manchmal noch recht unbeholfen zusammen (der Anfang von „Through Dark Gates“ klingt sogar nach NIRVANA!). Aber abgesehen von diesen kleinen Schönheitsfehlern geht „The Healing“ als wirklich guter Einstand durch, der Appetit auf mehr Aggro-Groove von ARTAS macht.
SOUL ASYLUM gehören zu jenen Bands die hierzulande gerne auf einen Song – hier nennt sich jener „Runaway Train“ – reduziert werden. Das die Band aus Minneapolis durchaus mehr zu bieten hatte zeigt dieser an sich bereits in 2004 in den Staaten erschienene Mitschnitt „Live From The Grand Forks Prom“. Neben den bis dahin veröffentlichten bekannten Songs von SOUL ASYLUM gab es auch noch sieben Fremdkompositionen zu hören. Das die aus der Punkformation Loud Fast Rules hervorgegangenen Band dabei Live echt was auf den Kasten hat – Spielfreude und den extrem kratzende Gesang von Frontmann Dave Pirner ist das deutlich anzuhören - lässt dieser eher familiäre Konzert mit den Bandhighlights wie „Misery“, „Somebody To Shove“, „Just Like Anyone“, natürlich dem besagten „Runaway Train“ und „Black Star“ deutlich rüberkommen. Somit ist die vom 28. Juni 1997 stammende Aufnahme „Live From The Grand Forks Prom“ ein schön entspanntes „Best Of” unterbrochen von alten Bekannten wie dem Opener „Schools Out“ (Alice Cooper), „Sexual Healing“ (Marvin Gaye, kommt auch als Rocksong cool rüber), „I Can See Clearly Now“ (Johnny Nash) und dem überraschenden Abschluss „Rhinestone Cowboy“ (Glen Campbell) und unbekannteren Covern, welche an kalten Abend vor dem Kamin (so fern vorhanden) durchaus den Rockfan erwärmen kann.
Bereits 2006 in Australien veröffentlicht, erscheint mit "Youism" das Debut der australischen Kombo LONG WALK HOME nun auch hierzulande, sogar mit einem zusätzlichen Bonustrack für Deutschland ("Interior") versehen. Etwas anderes wollten die vier Herren vom anderen Ende der Welt machen, und das ist ihnen auch gelungen, denn alternativ-progressiv ist "Youism" allemal. Schon allein die Tatsache, dass LONG WALK HOME einen Violinisten in ihren Reihen zählen ist ja nun nicht gerade etwas, das man für eine Rock- oder Popband unbedingt als normal ansehen würde, und entsprechend gestaltet sich mitunter auch die in den Songs verbreitete Stimmung. "Gone" beispielsweise ist so psychedelisch, dass es schon geradezu hypnotisch ist, "Silence" völlig ruhig und klingt, wie es auch der Text suggeriert, sehr einsam. Eintönigkeit oder Festgefahrenheit kann man der Band also nicht vorwerfen. Allerdings muss man sagen, dass das Anhören von "Youism" sich für diejenigen unter uns, die in ihren Hörgewohnheiten weniger alternativ oder progressiv angehaucht sind, mitunter ausgesprochen anstrengend gestalten kann: Insbesondere das häufige Instrumentalgefidel und Geklimper kann einem schon mal ziemlich auf die Nerven gehen. Aus diesem Grund: für Genreliebhaber sicherlich einen Versuch wert, der Rest dagegen lässt wohl besser die Finger weg.
Mit „Tales Of The Crown“ kommt AXEL RUDI PELL mal wieder in gewohnt guter Manier um die Ecke. Das dreizehnte Studioalbum in 19 Jahren bietet wenig Überraschungen, peilt aber zielgenau die Erwartungen seiner Fans an. Das die Band aus Bochum dabei weiterhin im gleichen Line-Up unterwegs ist (Gioeli, Doernberg, Krawczak und Terrana), spricht für gleichbleibendes Niveau und Routine. Was aber auch bedeutet, das Mr. Pell sich und seinem Stil treu bleibt. Vor allem dem der letzen Alben, was meint, dass es weiterhin in erster Linie gewohnt ausladend epische Nummern sind, welche auf „Tales Of The Crown“ herausstechen und das die noch vor Jahren auch öfters vorkommenden, gut komponierten Doublebass-Songs mit höherem Tempo fast gänzlich verschwunden sind. Was nicht heißt, das AXEL RUDI PELL keine Hard Rock Band mehr ist – denn beim fetzigen „Buried Alive“ darf sich Mr. Mike Terrana mal wieder so richtig austoben und auch „Angel Eyes“ geht als gut melodisch hartes Futter durch. Aber die Highlights der Fans dürften mit dem starken Opener „Higher“ (mit fast schon doomigen Start), dem etwas moderner klingenden, aber trotzdem irgendwie typisch eingängigem „Ain’t Gonna Win“ und dem abwechslungsreichen über 8-minütigen Titeltrack „Tales Of The Crown“ wohl wieder die PELL-Hymnen mit ihren Solis und Mid-Tempo sein. Und mit dem cool groovenden, semiakustischen „Emotional Echoes“ hat Gitarrist PELL mal wieder ein richtig klasse Instrumental an Bord. Wer also mit den letzten Scheiben wie „Kings And Queens“ und „Mystica“ gut bedient war, der kann auch hier wieder getrost zuschlagen, denn trotz eingekehrter Routine ist AXEL RUDI PELL einem Grossteil der Konkurrenz noch gut voraus.