Mächtig, langsam, walzend kommt "Traitors" aus den Boxen gegroovt. Mir laufen warme Schauer der Entzückung über den Rücken. "Orgasmatron" das doomige MOTÖRHEAD "Masterpiece" wird mir ins Gedächniss gebombt. Die Stimme des Herren Klute erinnert unweigerlich an Lemmy Kilmister. Im weiter Verlauf wird klar - hier wird Stoner Rock par excelance geboten. Nicht ganz so trocken wie das zuweilen die Vertreter der skandinavischen Zunft präsentieren. Songstruktur und Rhythmik haben mal was der ersten DANZIG Scheiben, mal kommen einen, wie schon erwähnt, langsame MOTÖRHEAD in den Sinn und mal könnten es auch KYUSS sein.
Was die vier Marburger Musiker hier mit ihrer Eigenproduktion abliefern ist aller Ehren wert, und sollte auch mit Sicherheit eine Plattenfirma finden. "Powerplant" steht Sound und gestaltungsmäßig auf gleicher Höhe wie "Label Ware".
Einziges Manko: dem Album fehlt hin und wieder ein wenig Abwechslung in Tempo und Songaufbau, was aber auch genretypisch ist - MONSTER MAGNET, RIOTGOD oder auch QUEENS OF THE STONE AGE zeigen wie es auf Albumlänge besser gemacht wird. Vergessen wir aber nicht, eben genannte Bands bilden die Speerspitze des Stoner Rock. Ansonsten kann ich jeden empfehlen, der KYUSS klasse findet, DANZIG zu seinen Lieblingen zählt, und wie schon erwähnt MOTÖRHEADs "Orgasmatron" zu den besten Alben der Engländer zählt, hier zuzugreifen.
Wie beschissen muss ein Musikjahrzehnt eigentlich beginnen, dass sich ein Großteil der Hartwurstfraktion die 70er zurückwünscht?! Das frage ich mich inzwischen wirklich, denn wenn eine Band wie THE DEVIL´S BLOOD trotz nicht wirklich allgemeinkompatibler Message immer größer wird, und selbst moderne Krautbands wie MASTODON zum Kommerz aufgeblasen werden, dann müssen die Fans dermaßen ausgehungert sein, dass man ernsthaft Hoffnung haben könnte, dass die Generation SLIPKORNMANSON doch noch den Weg des guten Geschmacks beschreitet – aber das nur mal so nebenbei. HORISONT aus Schweden rocken uns mit ihrem saucoolen zweiten Streich „Second Assault“ richtig schön die Bude, denn die Mischung aus Stoner Rock und RUSH (Sänger Axel erinnert nicht wenig an Geddy Lee auf den frühen Alben) ist richtig knackig, kauzig, schön. Sogar Freunde von CIRITH UNGOL könnten hier fündig werden, denn neben jenem recht originellen Stil strahlen HORISONT eine ungeheuer positive Energie aus; Blumenwiese meets Breitwandriffs. Hört Euch nur mal den vielschichtigen Hit „Crusaders Of Death“, die Hymne „On The Run“, den melodischen Power-Rocker „Watch Them Die“, den knackig-kurzen Titelsong oder das dynamische „Things I´ve Seen“ an… eine originellere 2012er 70er-Granate muss man in diesem Jahr erstmal finden. Obskur-Hippie-Stoner-Proggies und alle anderen Scheuklappen-Verächter müssen sich „Second Assault“ wirklich geben! Der Rest hört VOLBEAT.
Auch wenn die Engländer seit ihrer Gründung 1978 auf einen Haufen Veröffentlichungen kommen, werden sie von den Fans nach wie vor an ihrem göttlichen, selbst betitelten Debütalbum von 1980 gemessen. Ich wage die Behauptung, dass viele spätere Black Metal-Größen sowie auch die heutige Occult Rock-Bewegung ohne dieses Meisterwerk einen anderen Weg eingeschlagen hätten, aber das ist eine andere Geschichte. Ebenso behaupte ich, dass „As Above, So Below“, das erst vierte vollständige Werk um Gründungsmitglied, Gitarrist und Sänger Kevin Heybourne, das beste ANGEL WITCH-Werk seit dem Debüt darstellt, was sich – um es mal ganz sachlich zu versuchen – folgendermaßen begründen lässt: „As Above, So Below“ findet klanglich die perfekte Balance zwischen Retrosound und Moderne und versprüht auch atmosphärisch den leicht obskuren, melancholischen Charme des Referenzwerks. Und mit erstklassigen, langlebigen, durchdachten Stücken wie „Into The Dark“, der düsteren Halbballade „The Horla“, dem treibenden „Upon This Cord“ oder der coolen „Sweet Danger“-Hommage „Guillotine“ kommt tatsächlich das Gefühl auf, es hier mit dem direkten Nachfolger des Debüts zu tun zu haben. Zudem befinden sich mit dem abschließenden, fast schon progressiven „Brainwashed“ und der alles überragenden Hymne „Witching Hour“ zwei zukünftige Bandklassiker auf „As Above, So Below“, die das Album endgültig zu dem machen, was es einfach ist, nämlich eine der besten traditionellen Old School-Platten der letzten paar Jahre. Besser als hier kann man Vergangenheit und Gegenwart nicht kombinieren. Ein echter Killer, den man von ANGEL WITCH nach so vielen Jahren wohl nicht mehr erwarten durfte – saugeil!
Mmh, irgendwie kenne ich das, irgendwo habe ich das schon mal gehört, wo nur...? Genau das geht mir eigentlich die ganze Zeit durch den Kopf, während ich das neue und dritte Album des Vierers NOTHINGTON aus San Francisco höre. Irgendwann komme ich drauf: Der Sound klingt wie eine Mischung aus HOT WATER MUSIC und THE GASLIGHT ANTHEM. Dabei sind sie eingängiger als die ersteren und rauer als die letzteren, ohne dass man den Gedanken an diese beiden Bands beim Hören jedoch loswird. (Und an THE GASLIGHT ANTHEM will ich schon gar nicht denken. Die sind mir nämlich komplett verhasst, seit Sänger Brian Fallon in einem Interview seinen Kreationisten-Müll vom Stapel gelassen hat – wofür NOTHINGTON zugegebenermaßen nichts können.) So wird mit rauen Kehlen und gestreckten Fäusten eine Hymne nach der anderen intoniert, und schon bald wird es langweilig. „Borrowed Time“ ist nicht nur ein uninteressantes Album, sondern der scheinbar unbedingte Wille nach sehnsuchtsvollen Mitgröl-Melodien wird irgendwann wirklich anstrengend und schlichtweg nervig.
Ganz schön fett, was das Trio ILL aus Atlanta auf seinem zweiten Album auf die Hörer loslässt. Direkt der Opener „One Time“ brät schwer rockend durch die Gehörgänge. Lustig ist, dass Sänger/Gitarrist auch bei Sade spielt (ja, die von „Smooth Operator“), aber das hört man „Gotten Gains“ überhaupt nicht an. Vielmehr gibt es hier fast durch die Bank böse groovenden Stoner Rock zu hören, der sich zwischen den Polen KYUSS, SOUNDGARDEN, BLACK SABBATH und Jimi Hendrix bewegt. Dabei überzeugt auch die raue Produktion, die sich durch tiefergelegte, sägende Gitarren, einen dreckigen Bass und rohe Drums auszeichnet. Das ist alles nichts Neues, macht aber doch immer wieder Spaß, vor allem, wenn es so schnörkellos und auf den Punkt gespielt ist wie hier. Für das ruhige, durch dezente Piano-Klänge unterstützte „Christine“ nimmt sich die Band dann auch mal fast acht Minuten Zeit, bricht gegen Ende in ein bluesig schweres Finale aus und lässt den Song ganz am Ende sanft ausklingen. Überhaupt werden immer mal wieder Piano- und Keyboard-Sounds eingesetzt. Das geht im oben beschriebenen Song gut, weniger aber etwa beim meditativen Zweieinhalbminüter „Gold And Opal“, der nur aus Piano und Falsett-Gesang besteht und etwas belanglos wirkt, oder auch im Chorus von „Inches“, der eine Spur zu poppig daherkommt. Auch das „Hallelujah“-Gesinge im pathetischen Schlussstück „Pearls“ stößt bei mir sauer auf. Man sollte sich bei ILL also besser an die harten und düsteren Songs halten, dann hat man viel Spaß mit ihnen.
ANGUISH bringen Leeds auf die HC-Landkarte und das direkt mit einem fiesen Album. „The Path Of Mystery“ schert sich nicht um gerade angesagte Ideen, sondern geht einfach gnaden- und schnörkellos brutal vor. ANGUISH schaffen es dabei mühelos, Brutalität nicht mit Eindimensionalität zu verwechseln und geben jedem Song genügend Zeit zum Aufbau, ehe die die ungezügelte Rohheit über den Hörer hereinbricht. IRON AGE gehen ähnlich vor, wenn bei denen auch die Metal-Kante stärker ist. ANGUISH nehmen sich da etwas zurück, ohne an Durchschlagskraft zu verlieren; genauso wenig wie sie den ganzen Beatdown-Quatsch brauchen, um brutal zu klingen. „The Path Of Mystery“ ist ein HC-Album für Leute, die es ehrlich und direkt mögen und auf prollige Attitüde gepflegt verzichten können.
Die Portugiesen haben in etwa das gleiche Problem wie ihre Schweizer Kollegen SAMAEL: einst gestartet als außergewöhnliche, kreative Düsterband mit eindeutigen Schwarzmetall-Wurzeln, später originelle Klangpioniere, noch später Stagnation, heute Stangenware. Wobei ich gestehen muss, dass mir „Alpha Noir“, das inzwischen zehnte Album von Fernando Ribeiro, Ricardo Amorim (immer noch ein erstklassiger Mann am Griffbrett) und Co. deutlich besser gefällt als die meisten anderen Werke der durchgehend schwächelnden Post-„Irreligious“-Phase. In etwa gleich stark wie das wahrlich nicht üble „Memorial“, auf dem die Band wieder ein Stück alter Kraft zurück gewonnen hatte, schlägt „Alpha Noir“ mit sehr eingängigen Songs der Marke „Axis Mundi“, „Versus“ (geil!), „Opera Carne“, „Love Is Blasphemy“ oder „Grandstand“ ein, die durchweg in (teilweise ordentlich stampfendem) Midtempo angesiedelt sind, nicht mit gut dosiertem Bombast sparen und mit jedem Durchlauf gewinnen. Mit „Lickanthrope“ oder „Em Nome Do Medo“ befinden sich aber auch ein paar wenige Füller auf dem Album, die zeigen, dass ein erneutes, durchgehendes Hitalbum von MOONSPELL immer unwahrscheinlicher wird. Und auch wenn ich der Band und „Alpha Noir“ die zweifellos vorhandenen Qualitäten nicht absprechen möchte, muss der Umstand aufrecht erhalten bleiben, dass MOONSPELL von echter Düsternis inzwischen meilenweit entfernt sind und ihren Platz endgültig im Mainstream-Gothic gefunden haben, wo sie aber stärker sind als ein Großteil der Mitbewerber. Insgesamt gut!
Nicht vorliegen habe ich leider das Bonus-Album, das „Alpha Noir“ beiliegt, sich „Omega White“ nennt und laut Info eine Hommage an MOONSPELL-Wurzeln wie SISTERS OF MERCY oder TYPE O NEGATIVE sein soll. Natürlich soll das ganze Ding, ebenfalls laut Info, sehr nah an „Irreligious“ angelehnt sein. Ja, nee, is´ klar!
Gäbe es einen Rekord, welcher Musiker bisher in den meisten Bands gespielt hat, wäre Rogga Johansson ganz sicher dabei. BONE GNAWER, PAGANIZER, DEMIURG und REVOLTING sind dabei nur ein kleiner Auszug. Zusammen mit seinem ebenfalls arbeitswütigen Kollegen Kam Lee (BONE GNAWER, MASSACRE, DENIAL FIEND, etc.) betreibt er nebenbei auch noch THE GROTESQUERY, die zur großen Überraschung aller Eingeweihten Old School-Death Metal zocken. Musikalisch sind hier also die frühen 90er präsent, textlich geht es noch deutlich weiter zurück – in die Gefilde vorzugsweise der Herren Lovecraft und Poe (Tsathoggua ist ein fieser Möpp aus dem „Cthulhu“-Universum). Diese Mischung liest sich aber weitaus interessanter, als uns „The Facts And Terrifying Testament Of Mason Hamilton: Tsathoggua Tales“ zu bieten vermag. Das Quartett bietet sehr solides, leicht experimentelles, aber auch recht sperriges, schwer greifbares Todesmetall, das sich vorzugsweise in diversen Midtempo-Ausbaustufen breit macht und auch nach mehrmaligem Hören leider nur wenig Spuren hinterlässt. Rein objektiv machen die Herren nicht viel falsch, und als Enttäuschung kann man das Album ebenfalls keineswegs durchgehen lassen, aber es scheint, als reiche auch die Kreativität zweier Szene-Urgesteine nicht aus, so viele Bands durchgehend mit gutem oder gar herausragendem Material zu speisen. Das Konzept von THE GROTESQUERY ist grundsätzlich stimmig, aber sowohl PAGANIZER als auch BONE GNAWER haben beispielsweise schon deutlich durchschlagendere Munition verschossen. Interessante Idee, handwerklich gute Umsetzung, aber keine Offenbarung.
The Facts And Terrifying Testament Of Mason Hamilton: Tsathoggua Tales
Wenn zwei Ausnahmemusiker wie Mike Åkerfeldt und Steven Wilson zusammen ein Album schreiben, darf man Außergewöhnliches erwarten. Mit dem selbstbetitelten Debüt ihres gemeinsamen Projekts STORM CORROSION dürfte sich aber ein Großteil der OPETH- wie auch der PORCUPINE TREE-Fans schwer tun. Metal haben ja beide auf ihren letzten Alben schon verbannt, was sie hier abliefern, ist aber noch einmal eine ganze Ecke ruhiger. Sie selbst empfinden das Album wie den dritten Teil einer Trilogie, deren ersten beide Parts OPETHs „Heritage“ und Steven Wilsons „Grace For Drowning“ darstellen. So ganz kann ich das nicht nachvollziehen, denn mit STORM CORROSION liefern sie einen völlig eigenständigen Sound ab, den man so wohl noch nie gehört hat. Wie gesagt, es geht hier ausnahmslos ruhig zu, dafür äußerst atmosphärisch. Es gibt vor allem akustische Instrumente und dezente Orchesterklänge zu hören, dazu verhaltene und verhallte Gesänge. Am ehesten fühlt man sich dabei noch an Filmmusik erinnert. Dass so etwas überaus spannend sein kann, hat zuletzt Mike Patton bewiesen, der mit „The Solitude of Prime Numbers“ ein reines Instrumentalalbum mit Filmmusik vorlegte, das einen schon nach kurzer Eingewöhnungsphase unweigerlich in den Bann zieht. Bei STORM CORROSION ist der Effekt ähnlich, auch wenn die beiden Herren nicht ganz so weit gegangen sind und bis auf ein reines Instrumental nicht auf Gesang verzichtet haben. Aber auch dieses Album lebt vor allem von seiner intensiven Atmosphäre, die immer wieder zwischen bedrückend und friedvoll wechselt, wobei man sich musikalisch zwischen den Polen Progressive, Folk und Psychedelic bewegt. Zum Teil fühlt man sich an das letzte MOTORPSYCHO-Album „The Death Defying Unicorn“ erinnert, ein wahres Meisterwerk, auf dem die Norweger ebenfalls neue Wege gingen, indem sie Psychedelic Rock, Progressive, Jazz und zeitgenössische klassische Musik verbunden haben. Wie gesagt – die Hauptbands der beiden Protagonisten sind bei STORM CORROSION kaum herauszuhören, dafür ist etwas völlig Neues entstanden. Darauf muss man sich einlassen, aber irgendwann lässt es einen nicht mehr los. Ein faszinierendes Album, das einen in überirdische Sphären entführt.
Wow, was für ein Opener! Der Titelsong steht mit seinen 12:40 Minuten gleich am Anfang des Debüts der niederländischen A LIQUID LANDSCAPE. Atmosphärisch geht es los, in ruhigem Tempo und zunächst unaufgeregt, dafür wunderbar alternative-/post-rockig und melancholisch. Lediglich der Gesang ist für meinen Geschmack etwas zu clean und steht etwas zu sehr im Vordergrund, ansonsten ist das alles zum Reinlegen. Über die gesamte Länge des Songs verzettelt sich die Band dann aber auch schon mal. Irgendwann geht der rote Faden verloren und verschiedene – noch dazu nicht allzu spannende – Parts werden nur noch aneinandergereiht. Der Rest der Songs ist deutlich kürzer, zwischen etwa vier und sechs Minuten – die interludemäßigen „Wanderer's Logs“ außen vor gelassen, aber auch hier kommen A LIQUID LANDSCAPE oft nicht richtig auf den Punkt. Tolle Passagen gibt es an jeder Ecke und vereinzelt auch kurze Ausbrüche, und harmonie-/melodietechnisch ist das stellenweise ganz großes Kino, aber immer wieder geht auch die Spannung verloren, und dann schaltet man auch mal ab. Ab und zu wird es auch einfach ein bisschen zu schön und tendiert in Richtung Kitsch – eine Falle, an der z. B. DREDG, denen A LIQUID LANDSCAPE sehr ähneln, auch manchmal nur haarscharf vorbei schlingern. Einen Augenblick lang geisterte der Begriff „Soft Progressive“ in meinem Kopf herum, aber das klingt dann doch zu gemein. Schöne Musik ist das allemal, auf Dauer aber eben auch etwas viel des Wohlklangs.