Ich würde euch ja gern eine coole, vollständige Rezension über "Unusual" schreiben, aber das Exemplar, dass die Ungarn mir hier geschickt haben, war so störrisch wie ein Puszta-Hengst und hat in meinem CD-Player gehörig herum gebuckelt und gesprungen. Noch nicht einmal die üblichen Tricks haben geholfen, ab Album-Mitte bleibt das Ding unabspielbar. Was ich bis dahin hören konnte, groovt ziemlich - der Bassist kann slappen und "normal" spielen, die Breaks sind fein gestreut, folkloristische Flöten stimmen auf einen Crossover-Mischmasch in Slomo- bis Midtempo ein. Der Sänger hat eine höchst markante Stimme, die mich an den One-Hit-Wonder VIRGOS MERLOT aus den USA erinnert - alternativ auch an Sully Erna von GODSMACK, allerdings ein bißchen mehr over the top, ein paar mehr Höhen auf den Stimmbändern, und das nervt mich ab Song zwei dann doch. Aber macht auch den Wiedererkennungswert aus. Dieses Demo ist in Ungarn vor zwei Jahren schon als Platte erschienen, keine Ahnung, warum AEBSENCE erst jetzt an die europäische Öffentlichkeit gehen.
Beim ersten Hördurchgang hat mir das Herz geblutet: Nordirlands Band mit den schönsten Ohrwürmern hat sich vom Hitschreiben verabschiedet. Mit einer derartigen 180 Grad-Wendung, wie man sie nur ganz bewußt vollziehen kann, also nicht nur ein bißchen wie auf "Shameless", nicht mit einem Schritt zurück zu Rock mit ein bißchen Pop-Appeal wie auf "High Anxiety" sondern richtig, laut, krachig und dissonant genug, um Nachbarn zu ärgern und Mitbewohner zu vergraulen. Und auf dem Weg geht es jetzt weiter, geradeaus mit bewundernswerter Präzision und einer Kraft, die nichts mehr aufhalten kann, wie ein alter Pitbull, kalkuliert, kräftig und - wütend. THERAPY? machen im Jahre 2004 puren Noise - und nehmen dann doch wieder einen Gang zurück, so dass Songs wie "Perish The Thought" hörbar werden. Habe ich beim ersten Hördurchgang noch geglaubt, "This Ship Is Sinking" sei eine fatale Self-Fullfilling Prophecy, erkennt man später das geniale Liebesleid-Lied. Selten waren Andy Cairns und Co. so konsequent und persönlich. Der Titel ist Programm, sie wollen niemandem nix erklären, "Never Apologise Never Explain" ist so anti-kommerziell wie höchstens das erste Album "Babyteeth", ist im Songwriting und der Instrumentierung ziemlich retro, eine laute Mischung aus Punk, New Wave und ein bißchen zwischen allen Stühlen. Bis hierher kann man das also nur verknusen, wenn man selbst gerade schonungslose Musik über die Ungerechtigkeit des Lebens braucht. Aber jetzt kommt der Faktor ins Spiel, der mich meine Träne wegdrücken läßt. Denn Andy Cairns schreibt nicht nur geile Song-Zeilen we "I wanna get laid by the C.I.A.", sondern auch griffige Hooks, die das Innenohr auch dann nicht verlassen, wenn THERAPY? sie mit Absicht fies verbreaken, wie in "Rise Up". Und so habe ich heute den ganzen Morgen "Die Like A Motherfucker" vor mich hin gebrüllt, und werde heute abend noch "I start today" von "Long Distance" singen. Und recht hat er, der Andy Cairns.
Jugend trainiert für Olympia in der "Nordischen Kombination", in diesem Fall nicht auf Skiern, sondern in Sachen besonders wahrem Black Metal. Also nehmen sich CIRITH GORGOR natürlich einen Name aus Tolkiens Welten, ein möglichst martialisch-unkenntliches Titelbild und verzichten dankenswerter Weise auf Syntesizer und vergleichbare Grausamkeiten. Der richtige Ski-Anzug sitzt, ganz ohne Milka-Werbung. Für die Produktion wurde in diesen Zeiten digitaler Aufnahmetechnik tief in der Müllkiste des Studios gewühlt und noch ein paar alte Mikrophone gefunden, die Crash scheppert und klirrt übersteuert, die Bass-Drum klingt ein bißchen nach Waschmittel-Tonne, und das soll bestimmt so sein - ansonsten ist der Sound gar nicht so dünn. Skier sind gewachst. Die Gitarristen und der Schlagzeuger können spielen, den Bassisten hört man nicht - auf den Bretterln stehen die also Niederländer auch. CIRITH GORGOR haben seit 1993 nur noch so viele Gründungsmitglieder über wie MAYHEM - eigentlich müsste das reichen. Tut es aber nicht. Was sich wie der apokalyptische Feuersturm anhören sollte, ist mit einer feuerfesten Jeans spielend zu überstehen. Die Blastbeats sind schnell, aber jede zweite andere Blackmetal-Band ist genauso schnell oder schneller. Die Midtempo-Parts sind langsamer - aber nicht erhaben, nicht furchteinflößend, nicht prächtig. Die Platte ist nicht schlecht - verbreitet aber mitnichten Angst und Schrecken, schon gar nicht Dominanz oder so etwas. CIRITH GORGOR stehen in der Loipe und haben sogar shcon unter den Fittichen von Osmose Records trainiert, aber für die Olympia-Qualifikation müssen sie noch einen gehörigen Zacken zulegen.
Seit 2001 existiert diese Band aus dem sonnigen Sao Paolo schon, doch erst jetzt erscheint mit "Eyes Of Soul" ihr Debütwerk, für dessen Produktion und Mix Fabio Laguna (ANGRA) und Dennis Ward (PINK CREAM 69) verantwortlich zeichnen. Zumindest den ANGRA - Anteil hört man dem Album deutlich an, denn auch hier stehen symphonische, orchestrale und mitnichten immer kitschfreie Abschnitte dem ansonsten traditionell und leicht progressiv gehaltenen Metal gegenüber. Recht originell wirken die heimischen (Folk -) Melodien, die die Jungs ihrem Sound hinzufügen und die der Band einen ordentlichen Exotenbonus bescheren, wie man zu Beginn des Titeltracks hören kann. Im Ganzen eine solide Angelegenheit, die durchaus ihre Reize hat, würde Sänger Andre Ferrari (Kult!) nicht genauso hoch und nervtötend durch die Gegend quietschen wie sein Namensvetter Andre Matos. Nicht selten wird die Gitarrenfront durch dieses Gejaule unterdrückt und vielleicht hätte man den ähm… stimmgewaltigen Fronter etwas zurückmischen sollen, zumindest aber muss er an seinem Stil noch Einiges feilen. Auch beim Songmaterial gibt es noch genug Spielraum für Verbesserungen, aber mit dem tollen Song "Psychos Of The New Millenium" hat die Band eine schöne Blaupause dessen abgeliefert, zu was sie fähig sein kann. Daher bin ich mir sicher, dass EYES OF SHIVA mit ihrem nächsten Album noch einen Zahn zulegen können und solange belassen wir es bei "Eyes Of Soul" mit dem Prädikat "nett, aber nicht zwingend".
Die Blumen blühen, die Sonne scheint, und man sitzt nackig im Kreise seiner liebsten im Grase und schaut den Kindern dabei zu, wie sie in den Pool püschern. Lacht nicht, dieses bunte, 100% unschuldige Hippie-Flower-Power Gefühl transportiert zum Beispiel der Song "Games Of May". Die finnische Band um Mika Järvinen hat schon mit Nik Turner von HAWKWIND zusammengearbeitet, die gemeinsame Version von "Silver Machine" passt absolut in diese Scheibe, die stilistisch zwischen Psychedelic und erdigem Akustik-Rock pendelt. Wo man von HAWKWIND aber nackte Frauen im Drogenrausch auf der Bühne erwartet, sind FIVE FIFTEEN der fröhlich-frische Familienausflug. Die verschiedenen Sängerinnen, die FIVE FIFTEEN über die Jahre ihre guten bis genialen Stimmen liehen - aktuell Saana Koskinen - heben sich von Mika Järvinen so ab, als ob der quietschgelbe Bibo und Kermit der Frosch ein Duett in der amerikanischen Original-Sesamstraße singen. Für mich dunkle Lady ist diese Zusammenstellung also eigentlich viel zu bunt, zu fröhlich und verspielt, aber in diesem Sommer hat sie mir ein paar Regentage deutlich aufgehellt. Zusammenstellung? Ja, FIVE FIFTEEN haben über die Jahre diverse Line-Ups verschlissen, darunter AMORPHIS-Aushilfsschlagzeuger Atte Sarkima, und "The Man Who Sold Himself" ist das Best of des Backkataloges auf einem neuen Label, um die Band auch über die Grenzen Finnlands hinaus bekannt zu machen.
Ganz im Stile ihrer Landsmänner KRISIUN knüppeln sich MENTAL HORROR durch ihre mittlerweile dritte Scheibe und machen dabei keine Kompromisse. Dauergeblaste, sägende Gitarren, die sich nur ganz selten mal zu einem Ausflug in Soli-Gefilde hinreißen lassen, und ein grunzender Sänger, der in guter alter Death Metal-Manier herrlich tief grunzt. Teilweise hört sich "Abyss Of Hypocrisy" (wäre auch ein passender Titel für eine Peter Tägtgren-Huldigung) wie ein überlanger MORTICIAN-Song an, freilich ohne langweilige Horror-Samples. Einzige Problem ist die Abwechslung, die MENTAL HORROR aber kurz und bündig über Bord geworfen haben. Die Zuckerhütler haben gar nicht den Anspruch, eingängig, abwechslungsreich oder wimpy zu sein. Einfacher, schnörkelloser Death Metal im ICE-Tempo - wer das will und mag, ist bei MENTAL HORROR gut aufgehoben. Einzig die etwas dumpfe Produktion stört, weil dadurch einmal die Base Drum schlicht scheiße klingt und zum anderen die sehr cool sägenden Gitarren ein wenig zu brummig und leise sind. Aber das hält sich gerade noch im Rahmen und sollte für MORTICIAN-Jünger eh nichts Neues sein hehe.
DEGENERATE präsentieren sich mit der diesjährigen MCD in neuem Gewand, mussten doch einige Änderungen im Line-Up verkraftet werden. Davon blieb der Metal des Finnen-Haufens aber zum Glück unberührt, wie sich nach dem ersten Durchlauf von "Lost In Glass And Stone" rausstellt. Immer noch rocken DEGENERATE ordentlich nach vorne los, können ihre Vorliebe für melodischen Death Metal Marke ATG nicht verhehlen und haben mit Sänger Jacob einen erstklassigen Shouter hinterm Mikro. Im Gegensatz zur 2003er Promo gehen DEGENERATE einen Tick verspielter zu Werke und lassen dem Zwillingsgitarren noch mehr Platz für ihre kleinen Zaubereien ("Tool Of Failure"), was manchmal aber schon etwas zu ausufernd wirkt. Durch die Hinzunahme cleaner Vocals bekommt die Scheibe deutlich mehr Tiefe und Eigenständigkeit, wäre klasse, wenn die Band diesen Weg weiter verfolgen würde. Jacob kann aber auch anders und wie eine räudige Variante von Tompa Lindberg klingen, was sicher keine schlechte Referenz für einen Shouter in diesem Bereich ist hehe. "Lost In Glass And Stone" zeigt DEGENERATE gereifter und ist erneut eine richtig geile Silberscheibe melodisch-brutalens In-Your-Face-Metal!
Der Beweis, dass Mucker durchaus farbenblinde Einäugige sein können, liefern DEAD TO FALL mit dem Cover ihres neuen Albums "Villainy & Virtue" ab - das ist einfach nur häßlichbunt. Aber Mucker bezahlen wir nicht fürs schöne Cover, sondern für Krach und den bieten DEAD TO FALL auf der Scheibe ohne Ende. Vor zwei Jahren haben die Jungs aus Chicago mit ihrem Debüt schon ordentlich Staub aufgewirbelt und sich als hoffnungsvolle Metalcore-Band ins Gedächtnis gerufen, was sie auf der neuen Scheibe wieder aufgreifen. Hier trifft Death/Thrash, der ordentlich an alte DISMEMBER und ENTOMBED erinnert ("Bastard Set Of Dreams"), auf typische HATEBREED-Breaks und Moshparts en masse. DEAD TO FALL fühlen sich dabei in scheinbar allen Genres des extremen Metals zu Hause und haben auch vor nem ordentlichen Blast keine Angst, genauso wie traditionelle Gitarrenspielereien zaubern können, ohne dass eins von beiden aufgesetzt wirkt. So ist "Villainy & Virtue" ein brutales Metal-Album, dass gleichzeitig vor Brutalität nur so strotzt wie es melodisch ist, und das DEAD TO FALL mit einem selbstzufriedenen Lächeln zurücklassen wird.
"Don’t Cut Your Fabric To This Year’s Fashion” ist schon ein fieser, kaum zu merkender Albumtitel. Nicht weniger fies aber dafür deutlich prägnanter ist das in grellen neonfarben gehaltene Booklet. Und wenn dann als erster Ton der CD gleich ein richtig fieser Synthiesound um die Ohren heult, schmelze ich vor lauter plüschiger 80er Sympathie dahin. "Drug Like" zeigt ACTION ACTION dermaßen tief im Sumpf quäkender Keyboards, jammernden Gesangs und herzerweichend schöner Melodien, dass alle Nostalgiker sich in die Band verlieben werden. Der Gesang ist klasse, oftmals genau den halben Ton neben der Spur, der die Tracks rocken lässt. Einige Songs im Mittelteil des Albums aber sind für meine Ohren zu kantenlos und plündern sich durch den Popreigen oft gehörter Ideen. Doch es sind die vielen liebevollen Details, bisweilen ulkige Gitarren und nicht zuletzt der zweigeteilte Titelsong aus "This Year´s Fashion" und "Don´t Cut Your Fabric" die soviel Spaß machen ACTION ACTION zu hören, dass die Gastauftritte der TAKING BACKSUNDAY oder KILL YOUR IDOLS nur das i-Tüpfelchen auf einem bereits ziemlich bunten Album sind. Ein Album, auf dem gewissermaßen eine eigene Art Retrorock gemacht wird, bei dem Pop noch echter Pop ist und das zwischen Tiefgang und vordergründig guter Laune wechselt als wäre es das normalste der Welt.
1998 noch unter den Namen "Contradiction" gegründet legt die Madrider Band CIRCUS jetzt über das spanische Label Locomotive nun ihr Debüt vor. Die Ausrichtung kann als melodischer Hardrock ohne größeren Hang zum Metal beschrieben werden. Die Songs bewegen sich meist im Midtempobereich und die spanischen Lyrics tun ein übriges, um eine melancholische Grundstimmung zu verbreiten. Dazu ein Sänger der es Gott sei dank lässt die Höhen seiner Stimme auszuloten, sondern die Songs ausnahmslos in angenehm mittlerer Tonlage präsentiert und eine Instrumentierung in welcher Gitarren dominieren. Manche Momente erinnern mich an Héroes Del Silencio, zum Teil natürlich wegen der spanischen Lyrics, aber nicht nur - auch musikalisch bewegen sich CIRCUS in einem ähnlichem Rahmen. Gerade im Vergleich zum (ehemaligen) Aushängeschild der spanischen Rockmusik kommen CIRCUS aber erdiger und vor allem etwas düsterer daher. Wie es sich für melodischen Hardrock gehört, sind die Songs eingängig und gehen recht schnell ins Ohr - den absoluten Ohrwurm konnte ich aber auch nicht ausmachen. Hervorzuheben sind das (leider) nicht mal dreiminütige, rhythmische "El Espejo", der Opener "Otra Voz" und das nachfolgende "Claudia" welche deutliche Gothic-Anleihen durchschimmern lassen sowie die powervolle Ballade "Reflejos". Dazu kommt noch eine unspektakuläre Coverversion des David Bowie-Klassikers "Héroes", welcher aber auf Grund der Übertragung ins Spanische einen gewissen Charme nicht abgesprochen werden kann. Ordentliches Debüt, welches aber auch niemanden wehtut. Freunde melodischen Hardrocks welche auch mal einen Faible für nicht englische Texte haben sollten mal reinhören.