InterviewIhr seid jetzt ja angehende Kandidaten für den Bundesvision Song Contest. Wie kam´s denn dazu- war das eure eigene Idee oder war das ein Fremdvorschlag?NeoScope: Wir haben mit unserem Label gesprochen. Die Plattenfirmen reichen im Grunde die Bands meistens ein und sagen "Hier, das haben wir da" und Stefan Raab guckt sich das dann und sucht das raus, was ihm gefällt. Unser Label hat gefragt, ob wir daran Interesse hätten, wir haben gesagt "Ja klar, können wir machen"- wäre für uns ja auch mal interessant- und dann haben die das da hingeschickt, Stefan Raab hat sich das angeguckt und gesagt "Ja, okay" und dann waren wir dabei.
Schicke Sache.Ja, auf jeden Fall.
Was habt ihr daran für Erwartungen? Eure Konkurrenz ist ja musikalisch schon sehr breit gefächert, das reicht von Subway To Sally über Laith Al Deen bis zu den Sportsfreunden Stiller.Ja, das ist ja irgendwie das schöne. Der Raab ist ja schon so ein bisschen ein Garant für eigentlich gute Musik, auch so ein bisschen als Pendant zu "Deutschland sucht den Superstar". Das finde ich schon cool. Es ist natürlich eine unheimliche Bandbreite da und wir wollen uns halt einfach so präsentieren, wie wir so sind- das ist jetzt zwar nicht so die Masse, die das mag, aber die Masse kann ruhig auch wissen, dass es da noch was anderes gibt.
Naja, beim Grandprix hat damals auch keiner erwartet, dass Lordi gewinnen, und bei Oomph! letztes mal beim Bundesvision Song Contest ja auch nicht. Also so abseitig seid ihr jetzt auch wieder nicht, denke ich.Ich denke wir sind doch schon noch anders. Oomph! fand ich auf überraschend, auf jeden Fall, und Lordi- aber Lordi ist auch schon noch mal was anderes. Ich war da auch sehr überrascht- ich fand´s aber auch super. Der Song war gut, die Show war super und da hab ich mich echt gefreut. Es war ja aber auch so, dass man gemerkt hat, das ringsherum die Stimmung nicht auf Seiten von Oomph! war, also das es immer noch kontrovers ist..
Lordi waren ja auch sehr umstritten.Ja, natürlich. Die passen halt nicht ins gängige Schema und stören halt doch noch so ein bisschen... die Oma, immer noch...Das ist halt so was.... Ja, das find ich halt gut. Ich denke, wir werden auch polarisieren, auf jeden Fall. Da freue ich mich auch schon ein bisschen drauf.
Ihr habt dafür jetzt ja auch eigens einen Song geschrieben, erstmals auf Deutsch. "Sand In Meiner Hand" wirkt zumindest einen Tick düsterer, bedrohlicher als der Rest eurer Songs- war das Absicht oder hat sich das einfach so ergeben? Und falls es Absicht war- warum?Ja, also wir hatten lange überlegt, was wir jetzt machen. Das ist ja ein großes Fernsehformat, eine große Show und da willst du schon irgendwas darbieten, rein optisch, und da hab ich mich erinnert, dass ja im letzten Jahr... Kennst du Marquis de Sade, dieses Showspektakel in Vockerode? Das ist so ein... das macht die Gregor Seyffert Compagnie hier in Dessau und die haben in Vockerode so ein altes Kraftwerk, und da machen die halt so ein Spektakel, da geht es um das Leben und diese inneren Konflikte des Marquis und das ist sehr krass dargestellt, mit der Herrscherklasse... Das ist so ein Spektakel mit Tanz und Show und das Ganze ist sehr, sehr beeindruckend. Wir haben da letztens gespielt bei einer Veranstaltung und da hab ich mir gedacht "Mensch, der kommt jetzt ja direkt von hier" und hab ihn gefragt, wir treten auf, ob er Lust hat, sich da irgendwie einzubringen, da mitzumachen. Ja, und da war er dann dabei und dann haben wir überlegt. Wir haben dann über einem Konzept gesessen, um den Marquis irgendwie zu thematisieren, und das Konzept war so ein bisschen "NeoScope versus Marquis de Sade". Und dazu brauchten wir dann halt auch einen Song. Da die Person des Marquis und auch meine als Frontman insgesamt ja schon so ein bisschen düster ist, ist das insgesamt dann wahrscheinlich schon noch ein bisschen dunkler ausgefallen als sonst. Aber der Text passt jetzt halt einfach prima zu diesem dramaturgischen Aufbau von dem Lied. Das ist jetzt in sich eine runde Sache. Es wird auf jeden Fall interessant. Wir haben jetzt die ersten Proben gemacht, wir haben auch den Wahlwerbespot gedreht, auch in diesem Theater in Dessau, mit den Tänzern zusammen, und das ist schon eine geniale Sache. Das ist die zweitgrößte Bühne in Europe, mit entsprechenden technischen Voraussetzungen und das ist echt Wahnsinn. So um Mitternacht haben wir angefangen mit Drehen-
Aha, Mitternacht.Neoscope (lacht): Ja, muss ja!
Mit Stil.Ja, das hat sich einfach auch so ergeben, weil da abends noch eine Aufführung war und dann hat man danach für uns quasi die komplette Kulisse geräumt und alles so umgebaut, wie wir das haben wollten. Wir waren natürlich total glücklich, dass das Theater da auch so mitzieht, weil.... Das ist ja auch irgendwie immer so dieser alte Konflikt zwischen Theater und Fernsehen. Aber die waren von Anfang an bereit, uns da zu unterstützen und haben das super gemacht, echt. Wirklich toll.
So eine Zusammenarbeit mit einem Theater ist ja doch schon etwas eher ungewöhnliches.Ja, genau das ist es ja auch, was Down Below so ein Stück weit ausmacht. Wir haben immer versucht uns so eine gewisse.... Ästhetik, ein bisschen Stil zu bewahren, und das wollten wir jetzt eben auch und da sollte es dann auch was besonderes sein. Es ist auch für uns eine neue Erfahrung, aber wie gesagt, den Gregor Seyffert, den kennen wir jetzt schon länger. Der ist ja direkt vor der Haustür, also auch aus Dessau, und dann haben wir noch den Künstler, der das Artwork macht, Frank Ziegler heißt der, der auch hier aus Dessau kommt. Das ist quasi so eine Art Künstlerpaket, sag ich jetzt mal, direkt aus Dessau. Auf in die Schlacht!
Also mit die beste Stadtwerbung, die man sich wünschen kann, als Bürgermeister oder ähnliches?Ja, das war eben auch wichtig, dass das ein bisschen authentisch ist. Wir sind jetzt ja der erste Act, der tatsächlich auch aus Sachsen- Anhalt kommt, von dem auch alle hier wohnen und das so richtig verinnerlicht haben. Das ist halt so eine Sache.... Ich glaube auch, dass wir deswegen so viel Unterstützung erhalten haben.
Kann natürlich sein. Na, dann bring ihnen mal Ehre ein, auf dass die Unterstützung erhalten bleibt!Kann natürlich auch sein, dass- (Er fängt an zu lachen) -die alle noch gar nicht wissen, auf wen sie sich da eingelassen haben und dann "Ohhh".... Aber das denk ich nicht.
Du meinst, dann kommt das böse Erwachen?Kann schon sein. Also wir haben in unserem Wahlwerbespot ja schon so ein bisschen alte... also Personen, die in Sachsen-Anhalt was gerissen haben, verwertet. Zum Beispiel die Zarin Katharina oder Martin Luther... die haben wir wieder ein bisschen aufleben lassen, aber so ein bisschen auf unsere Art und Weise. So wie wir uns vorstellen, wie die hätten aussehen können oder... auch gerade von der düsteren Seite her. Der Zarin sagt man ja zum Beispiel so ein paar... üblere Sachen nach, dass sie sexbesessen war, dass sie sich einen Männeharem gehalten hätte, und da sagt man einigen Leuten nach, dass sie da etwas...eigenartig waren. Und wir haben uns halt so ein bisschen auf diese Eigenheit dieser Personen beschränkt, glaub ich. Und das kann natürlich sein, dass bei dem einen oder anderen Sachsen-Anhaltener auf etwas Unwohlsein stößt, aber das ist dann halt unsere Art von Humor.
Hattet ihr, um jetzt mal aus Sachsen-Anhalt rauszugehen, eigentlich auch schon Gigs im Ausland? Ihr scheint ja zum Beispiel in Spanien über eine gewisse Anhängerschaft zu verfügen, die ihr euch auf dem Wave Gothic Treffen erspielt habt.Genau, ja, das stimmt. Wir werden mal schauen, also wir waren bisher doch weitestgehend immer in Deutschland. Wir haben auch in Österreich ein bisschen was gemacht, aber demnächst kommt jetzt erst mal die Tour mit Unheilig zusammen. Da sind wir dann in der Schweiz, unter anderem, und einmal in Österreich, und der Rest wird in Deutschland sein. Und danach arbeiten wir am neuen Album und dann schauen wir mal, wie´s dann weitergeht. Also Spanien ist nach wie vor für uns so ein Ziel, ist aber logistisch für uns noch nicht so umsetzbar, da sind wir noch dran.
Du sagst, ihr macht euch dann danach gleich an ein neues Album- steht da schon irgendwas, geistig zumindest, oder habt ihr irgendwelche besonderen Vorhaben?Ich hab jetzt im letzten halben Jahr, immer wenn ein bisschen freie Zeit war, diese genutzt und hab jetzt im Grunde schon ein komplettes Album da, auf dem Recher. Also die Lieder sind da, und dann geht´s halt nach der Tour in so eine Vorproduktion. Da fahre ich dann zu unserem Produzenten nach Münster, das ist ja der Keyboarder von Unheilig, und dann setzen wir uns da zusammen für ein oder zwei Wochen und gehen da noch mal drüber, also produzieren das schon mal vor, damit man schon mal ein Bild hat, wie das dann später auf der Platte klingen könnte. Ja, und wenn alle dann damit soweit zufrieden sind- also dann geht´s ja noch mal zur Band, damit die Band da noch mal drüber guckt und sagt "Hier, könnte man nicht das noch machen" oder "Ich hab hier die Idee" und wenn das soweit alles in trockenen Tüchern ist, gehen wir ins Studio und spielen die ein. Aber imPrinzip, die Idee ist da, also soweit ist alles fertig. Also der Titel, der Arbeitstitel steht schon und so weiter. Es wird auf jeden Fall auch auf Englisch sein, erst mal- es gab nämlich auch schon viele Fragen "Wie ist denn das, ihr habt jetzt ja ein neues Lied gemacht, macht ihr jetzt auf Deutsch weiter?", aber das hatten wir eigentlich nicht vor, es ging uns wirklich nur um den Bundesvision Song Contest und darum, für dieses Format halt direkt einen Song zu liefern, der da auch hinpasst und trotzdem mit uns konform geht. Also wie gesagt, mit diesen Künstlern zusammen, mit der Handlung in dem Lied und dem, was die Tänzer dann darbieten, das passt halt alles zusammen. Die haben auch noch einen guten Sender, der das dann unterstützt, und zwar.... Radio Brocken, das ist eher so, sagen wir mal, älteres Klientel, teilweise Schlager und solche Sachen, und die hätten unseren Song glaube ich gar nicht ins Programm genommen. Und deswegen haben wir geguckt, was es da so gibt, und es gibt einen Sender, der heißt "Rockland" und die haben auch bevor wir den Deal hatten schon mal was von uns gespielt, ohne jetzt groß darauf zu pochen, dass man da erst Chart-Entrance braucht oder so. Die haben uns eigentlich von Anfang an immer unterstützt, also können wir da jetzt in dem Zusammenhang eigentlich auch bleiben. Das passt auch super, also Rockland und Down Below, das ist gut.
Wie bist du eigentlich ursprünglich bei der Musik gelandet?Naja, ich glaube, dass die Musik irgendwie so eine Art Grundbedürfnis des Menschen ist, das einfach irgendwo da ist, tief drinnen. Nur dass halt jeder Mensch damit anders umgeht- der eine ist eher der Hörer, der andere vielleicht ein Tänzer, und ich hatte irgendwie immer schon das Bedürfnis, wenn es irgendwo etwas gab, mit dem man Musik machen konnte der Töne machen konnte, dass ich mich damit beschäftigt habe. Ja, und das fing dann eigentlich relativ früh an, aber die erste Band hatte ich glaube ich mit zwölf- das war noch so eine ganz unschuldige Schülerbandgeschichte. Aber einfach nur am Piano, ich hab da irgendwas am Klavier gemacht- also gelernt hab ich aber nie irgendwas, ich habe nie eine Musikschule besucht, sondern ich hab mir das über Freunde, die das konnten, beibringen lassen. Eigentlich bin ich aber Gitarrist, dann später in der Band hab ich nur noch Gitarre gespielt. Dann gab´s Zeiten, da musste ich unseren Schlagzeuger ersetzen, mal für kurze Zeit...
Und da kam dann eins zum anderen?Ja, ich muss aber auch sagen, die erste Band, die auch wirklich so ein bisschen erfolgreicher war, also für unsere Verhältnisse, in der ich gespielt habe- mit 18 hab ich da angefangen-... Wir konnten alle eigentlich nichts spielen, also keiner so richtig, wir haben aber trotzdem jeden Tag so vier, fünf Stunden im Proberaum gestanden und irgendwas gemacht und dabei auch immer mal wieder die Instrumente gewechselt, jeder hat das mal so ausprobiert. Und irgendwie ist das dann was ganz eigenes geworden. Ja, wir hatten sogar mal... In Magdeburg gab´s damals so einen Musikwettbewerb... da sind Tokio Hotel noch aufgetreten, da waren die noch ganz, ganz klein...Da war der Sänger- naja, ich hab damals noch gedacht, dass das ein Mädchen ist, das war damals noch nicht so ganz klar-
Das hab ich schon von mehreren Leuten gehört.Das war echt krass. Aber ich war echt überrascht. Wir hatten da gewonnen und die hatten verloren, und für mich war die Band damit eigentlich auch vom Tisch, ich dachte die sind noch ganz klein und überhaupt, und da guck an, zwei, drei Jahre später waren die auf einmal ganz weit vorne, da hab ich gedacht "Nanu...?". Also das war echt so ein... war schon interessant. Und ich finde auch, dass dieses Konzept um die Band... man kann das zwar belächeln hier und da, aber ich denke für die Kiddies ist das gar nicht so schlecht. Die Texte und die Musik sind allemal anspruchsvoller als irgend so ein Boygroup- Kram. Die sind auch einfach authentischer als der ganze andere Kram. So komisch das klingt, es ist halt irgendwo ein authentischer Plastik-Act. Eigentlich in sich nicht möglich, aber es funktioniert halt doch irgendwie. Es geht.
Der Plastik-Aspekt dürfte ja zum Teil auch daher rühren, dass die so massiv gepusht werden. Man kann ja kaum noch irgendwo hingehen, ohne dass einen Tokio Hotel- Schuhe, eine Tasche oder was auch immer anlachen.Ich denke, das rührt auch daher, dass einfach das Konzept für so eine Band schon stand, irgendwie und die Songs... Das ist ja geschrieben, das ist ja gemacht. Das machen ja ganz viele Bands, das ist gar nichts anrüchiges mehr, mittlerweile, sondern ganz normal, von dem, was ich so mitbekommen habe, dass Leute ihre Songs nicht selber schreiben. Ich bin darüber froh, dass wir´s selber machen, einfach weil dann im Endeffekt, auch mehr für den Künstler übrig bleibt. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Wer Lieder schreiben lässt, verdient da letztendlich auch dann nicht so viel daran, und du lebst ja davon und damit und dann ist das schon günstiger. Und vor allen Dingen, auf der Bühne... Es gibt da schon eine Mentalität von Plattenfirmen, die dann dazu neigen, dir einen Song unterzuschieben und zu sagen "Mach einfach den Song zu deinem Song" und das mag gehen, wenn man einfach ein Sänger ist im klassischen Sinne, wahrscheinlich, und immer Stücke gesungen hat, die von anderen waren. Aber in meinem Fall würde das überhaupt nicht funktionieren. Also das kann ich mir schwer vorstellen, wenn ich da nicht zumindest mit dran gearbeitet habe, sondern das komplett aus fremder Feder ist... das würde mir glaube ich sehr schwer fallen.
Wenn das nicht wirklich was ist, mit dem du dich hundertprozentig identifizieren kannst, sind das ja in dem Moment auch nicht deine eigenen Emotionen, sondern etwas, das du von außen übergestülpt kriegst.Ja, eben, du bist dann in dem Moment irgendwie ein Schauspieler. Ich hab für mich halt auch den Anspruch als Musiker... Für mich ist die Musik auch so eine Art... ja, wie sagt man... Ventil, einfach, und dafür brauch ich die Musik und dafür opfere ich auch einiges und... ja, das ist mir halt wichtig. Und wenn du dann einfach so ein Ding aufgedrückt kriegst, ich weiß nicht...
Hast du auch manchmal so Momente, in denen du auf der Bühne stehst und denkst "Oh verdammt, das ist jetzt arg privat! "- es ist zwar abstrahiert, aber geht dir das manchmal so, dass es dich quasi übermannt? Da sich das ja schon aus deinem eigenen Erfahrungsschatz schöpft... je nach dem, wie positiv oder negativ die Erfahrung dann war, überrollt dich dann manchmal die Erinnerung? Oder geht das?Ich denke, wenn man auf die Bühne geht, muss man sich bewusst sein, dass... Wenn man sich als Künstler oder Musiker sieht, muss man einfach auch wissen, dass man da oben in einer Situation ist, wo man die Emotionen, die man in die Lieder reingesteckt hat, teilweise viel krasser noch mal erlebt, weil du es dann IN dem Lied durchlebst, das ist ja der Moment, in dem du rausgehst vor die Leute und das anbringst, was da in dir wohnt, also nach außen kehrst. Da war´s für mich halt gut, privat halt für mich bleiben zu können und innerhalb der Band mein Pseudonym, meinen Künstlernamen zu tragen. Ist eine gewisse Schizophrenie, irgendwo, aber damit kann ich halt gut umgehen. So hat man halt als Bürger seinen bürgerlichen Namen und als Künstler dann einen Künstlernamen. Es gab aber auch schon einen Titel, "Farewell", das ist der letzte auf "Sinfony 23", wo es mir wirklich... Also fiel es mir manchmal echt schwer, mich da selber unter Kontrolle zu behalten. Der ging mir nämlich echt supernah und den haben wir, nachdem wir das zwei- dreimal gespielt haben, dann auch erst mal aus dem Programm rausgenommen, weil ich dachte da müssen wir erst mal abwarten, da muss erst mal noch ein bisschen Zeit drüber gehen. Und das ist dann halt so der Moment, in dem du denkst "Hui, ist halt doch nicht nur ein Lied"- wenn man das überhaupt so sagen kann, "nur ein Lied"- ,sondern es geht dann halt doch an die eigene Substanz. Also ich dachte halt... Ich hab mir im Studio "Farewell" auch zurecht gebastelt, als allerletzte Nummer, um das als Abschluss zu haben, und ich war eigentlich für mich der Meinung, wenn ich das dann eingesungen habe, wäre das auch abgeschlossen als Thema. Ich hatte mir das eigentlich so vorgenommen. Aber das geht dann halt doch nicht so mechanisch, dass man sich dann sagen kann man schließt jetzt mit einer Sache irgendwie symbolisch ab und dann ist das erledigt. Das dauert manchmal eben doch länger und das hat mich dann ziemlich erschlagen, weshalb ich dann dachte "Den nimmst du jetzt besser noch mal raus aus dem Programm". Der ist aber auch von der Atmosphäre her auch noch mal anders, weil der Rest der Band da erst mal nach hinten tritt und ich dann vorne mit einer Gitarre erst mal alleine stehe. Das erzeugt sowieso schon eine Atmosphäre, die schon ein bisschen intimer ist, und wenn du dann nicht so ein bisschen abgeklärter bist oder ein bisschen Gras gewachsen ist über die Geschichte des Liedes an sich, dann geht´s halt doch manchmal ein bisschen ans Eingemachte. Mal gucken, ich denke, auf der nächsten Tour werden wir das auch noch nicht bringen, aber vielleicht später mal. Wir haben ja auch schon viele Reaktionen auf das Lied direkt von Leuten bekommen, die da was mit verbinden oder da Gedanken zu haben und das freut mich dann immer total.
Ist ja schon schön, wenn man dann merkt, dass Leute sich damit identifizieren können.Na klar, es sind manchmal auch so Kleinigkeiten. Wir haben ja auch so eine Fanseite- wenn man da ins Forum guckt, wo die Leute so einen kleinen Avatar haben und noch so ein Signum, das angezeigt wird, wenn die Leute einen Forumbeitrag schreiben, und in dem Signum sind dann oftmals auch Zeilen aus Texten, die ich irgendwann mal geschrieben habe und da bin ich dann auch immer so glücklich... Das sind so Sachen wo du dann denkst "Mensch, hey, das gibt denen was und die können damit was anfangen" und dann freut mich das total.
Du liest also eure Website?Ja, ich bin da sehr interessiert. Man bleibt da ja auch mit den Leuten in Kontakt. Im Forum melde ich mich auch immer mal wieder zu Wort, also das mach ich schon, dass ich da immer mal wieder was schreibe.
Das ist ja keineswegs selbstverständlich.Ja., das kann sein... für mich aber schon. Und im Moment ist das zeitlich ja auch noch machbar, das man da ein paar Worte schickt. Ich such mir da manchmal ein paar Zitate raus, die mir selber mal irgendwann wichtig waren, setze die dann da rein und meistens kommen da dann noch ganz viele Beiträge dazu, von Leuten, die das auch kennen oder eigene Zitate gefunden haben dazu. Das ist so ein bisschen eine Art philosophischer Treat geworden, das ist ganz cool. Also ich mag das.
Um noch mal auf deinen Künstlernamen zurückzukommen- wie bist du denn überhaupt auf den Namen gekommen?"NeoScope" setzt sich einfach aus meiner Lebenssichtweise zusammen. Das "Neo" steht für "neu"- soweit ist das ja noch offensichtlich-, das "Scope" ist so... "Scope" ist ja so eine Endung, die man bei Sachen dranhängt, die etwas visualisieren, also zum Beispiel Teleskop, Kaleidoskop, Mikroskop oder so was irgendwie. Und ich hab dann halt "NeoScope", das ist so ein Ansatz, der besagt, man soll seinen Werten und Überzeugungen einfach treu bleiben, aber dennoch immer offen bleiben für Neues. Das ist so eine Gratwanderung, die ist ziemlich schwierig, aber war so ein bisschen meine Lebensmaxime, irgendwann. Weil ich mal gemerkt hatte, dass ich mal so eine Zeit hatte, wo ich schon ziemlich festgefahren war auf gewisse Sachen, und dann bleibt man halt einfach stehen, und.... Der Name erinnert mich halt immer ein bisschen an mich und an das, was ich eigentlich sein will. Deswegen NeoScope. Dass man halt auch so ein bisschen auf dem Teppich bleibt, irgendwie.
Okay, bleiben wir bei dir und der Musik. Was war denn deine erste CD? Vorausgesetzt, du kannst dich noch daran erinnern.Also... Die erste Platte, die ich gekriegt habe, hatte ich mir total gewünscht und zwar... von Sandra (Er fängt an zu lachen), "Mirrors" hieß das Album. Da war ich aber noch sehr klein und ich fand damals dieses "Maria Magdalena" total toll. Die hatte so ein paar schöne Lieder, das fand ich super. Als es dann so langsam in die Teenagerzeit ging, so mit 10, 11, 12, da kamen dann gerade Nirvana auf und da war ich total weggeflasht von. Dann hab ich zum Geburtstag... da war das mit den CDs glaub ich noch gar nicht so doll im Kommen, da habe ich noch eine Single-Schallplatte bekommen, die "Smells Like Teenspirit"- aber als Platte halt. Aber so eine große, es war aber eine Single. Da war ich total glücklich drüber. Und die erste gekaufte war dann, als ich so eine Punkrock-Phase hatte, ganz extrem, so ein "Nazis-Raus"-Sampler, da war dann ganz viel Punkrock-Zeug drauf, unter anderem auch Goldene Zitronen und so was. Jaaa., und dann.... was hatte ich denn noch... Also von The Cure hatte ich alle Alben... und erst mal ganz viele Kassetten von Freunden, man hat ja viel überspielt und so und ausgetauscht, aber man hatte schon so eine gewisse Vorstellung, was da drauf ist. Ja, The Cure, dann kam irgendwann mal Metal, dann hatte ich meine erste Napalm Death- Scheibe von irgendjemand bekommen, die hab ich dann aber gleich wieder weggefeuert, weil ich gedacht hab "Huch, was ist denn das für ein Gerülpse?!" (Er muß lachen". Das konnte ich überhaupt nicht- also das hat echt noch eine Weile gedauert, bis ich mit der Musik warmgeworden bin. Metal, die erste, die war dann von Metallica, die "Master Of Puppets" und DAS fand ich total genial, da konnte ich so richtig zu abgehen, das fand ich super. Das war für mich auch was ganz neues, auch wenn die Band selbst zu der Zeit glaube ich schon eine Weile da war. Ja, und über Freunde kam ich irgendwann dann doch noch mal bei Napalm Death an und hab gedacht "Achso, das fandest du früher mal so schlimm, mittlerweile geht´s ganz gut" und mittlerweile mag ich eigentlich ganz viele Sachen. Auch so TripHop-Zeugs, oder A Perfect Circle, da bin ich ein großer Fan, und Tool, zum Beispiel... Craig Armstrong, der macht so Pianosachen- der ist wirklich genial. Das erste Album hab ich mir dann erst mal gebrannt, um es mir dann aber noch zu kaufen, muss man dann wohl noch nachträglich ergänzen. Ich hab´s mir dann gekauft, weil es einfach total genial ist.
CDs sind ja doch schon immer irgendwie auch ein Gesamtkunstwerk.Ja, immer, find ich nach wie vor auch. Also wenn mir eine Sache wirklich gut gefällt, dann renn ich in den Laden und kauf mir die CD, weil da ja auch immer noch ein Artwork bei ist, das den Künstler irgendwo ausdrückt. Wir haben uns jetzt überlegt- unsere Erstauflage von der "Sinphony 23" war ja vergriffen, die war ja weg, und da haben wir gedacht, wir bringen das Ding jetzt noch mal raus, weil die Nachfrage so groß war, und das ist dann auch ein Digipack. Das war uns schon ein Anliegen, wenn wir das schon noch mal machen, dann schon ein bisschen schicker und noch ein bisschen mehr drauf. Da werden dann noch ein paar Titel mit drauf sein, die hatten wir letztes Jahr zwar mitaufgenommen, aber nicht veröffentlicht, und die schmeißen wir dann da noch mit drauf. So ein paar B-Seiten. Wir hatten damit auch gar nicht gerechnet- wir hatten nachgeordert und plötzlich sagte die Firma "Ach du je, wir haben gar nichts mehr, was machen wir denn jetzt?" und dann standen wir da auf einem Festival und hatten keine CDs mehr da. Wir haben die Leute dann vertröstet, ihre eMails aufschreiben lassen und dann schicken wir eine Nachricht rum, wenn die wieder da ist.
Durch den Bundesvision Song Contest kommt jetzt ja mit Sicherheit noch mehr Publicity dazu.Ja... Wir sind ja auch so ein bisschen die Newcomer da und haben da jetzt auch noch gar kein Video zu dem Song gemacht. Wir wissen auch noch gar nicht, ob wir eins machen sollen, ob das überhaupt notwenig ist. Dass da jetzt bei jeder Sendung kommt "Down Below aus Sachsen-Anhalt" ist gar nicht so wichtig, wir rechnen da schon ein bisschen mit dem Überraschungseffekt. Dass man uns einfach noch nicht so kennt und wir dann da sitzen und was abliefern, dass dann aber auch nicht aussieht wie aus dem Keller, sondern schon nach "Oh, die machen ja doch schon was ordentliches!". Da wollen wir mal gucken. Also verlieren können wir nicht, gewonnen haben wir eh schon, weil wir einfach dabei sind. Wir sind einfach dabei, uns werden viele Leute sehen und wir werden einfach was machen, das uns wichtig ist, und wenn das dann die Leute mitbekommen, das ist dann einfach schon das Ding überhaupt.
Über die Qualität der Darbietung würde ein Sieg letzten Endes ja eh nichts aussagen, einfach weil die musikalische Bandbreite der Kandidaten so breit gestreut ist, da ist ja überhaupt keine Vergleichbarkeit da.Eben, eben. Klar, Sportsfreunde Stiller und ich.... das geht einfach nicht zusammen... Also wir werden ja eine Sendung am 12. Februar zusammen sein mit Culcha Candela zum Beispiel, und das sind eigentlich auch schon zwei krasse Kontroversen. Aber das ist sehr schön eigentlich, ich denke, das wird die Sendung dann auch bekannt machen.
Na, dann rauft euch mal zusammen.Och, wer weiss, vielleicht gibt's ja auch irgendwann mal ein Projekt mit uns zusammen... (Er fängt an zu lachen) Nee, Quatsch, auf keinen Fall. Also das kann ich mir jetzt überhaupt nicht vorstellen, im Moment. Obwohl die wahrscheinlich auf ihrem Gebiet auch gut sind, bei dem was sie machen. Das zeigt ja der Verkauf, den die da haben zur Zeit. Obwohl, andererseits gibt es auch Sachen, die in den Charts sind und richtig bekannt sind, bei denen ich das nicht nachvollziehen kann.
Trotzdem erreichst du mit so was wie dem Bundesvision Song Contest auf jeden Fall auch ein Publikum, das dich vorher wahrscheinlich nicht gekannt hat.Ja. Ich meine, die Musik ist ja... Es ist ja auch gerade so eine Diskussion in der Szene, momentan gerade extrem, ob das nun gut wäre, dass Bands sich da mitpräsentieren und das klingt dann so, als gehöre man da dann zu einer kleinen Gruppe, die sich wegschiebt, und das finde ich ist totaler Blödsinn. Ich hab da eher manchmal das Gefühl, bei den deutschen Beiträgen ist das manchmal so was wie Angst vorm Nachwuchs. Wenn da dann neue Kiddies kommen und sagen "Mensch, das ist ja interessant" und dann anfangen, sich dafür zu interessieren und dann eventuell auch mal in die Szene reinschnuppern, dann kommt da einfach ein bisschen ein frischer Wind rein. Und dann merken die Älteren, die schon lange dabei sind, vielleicht "Oh, ich bin ja jetzt doch schon 40..." oder so, keine Ahnung. Und dann ist das denen unangenehm. Ich hab da manchmal schon so das Gefühl, dass das so eine Art Generationskonflikt innerhalb dieser Szene ist, die eigentlich eine Jugendkultur ist, und das ist schon irgendwie eigenartig.
Hat die wachsende Bekanntheit für euch persönlich eigentlich schon Veränderungen mit sich gebracht, werdet ihr zum Beispiel erkannt und angequatscht, wenn ihr in den Supermarkt geht oder merkt ihr, dass ihr deutlich mehr Arbeit habt?Unser Schlagzeuger sagt mir das oft, dass sie ihn ansprechen auf der Straße und so, also für ihn ist das schon irgendwie etwas anders. Bei mir ist es so, ich sehe dann privat dann glaub ich doch noch mal ganz anders aus. Ich glaube, man erkennt mich nicht wirklich. Für mich ist das gut so, ich hab auch wirklich lieber meine Ruhe. Was man schon merkt, ist, dass das Internet-Interesse ein ganz anderes geworden ist, auch das Presse-Interesse ist reger geworden. Also man verbringt viel Zeit damit, Fragen zu beantworten- was ich für mich aber überhaupt nicht schlimm finde, ich mach das total gerne. Ich freu mich ja, wenn sich jemand dafür interessiert. Das ist so eine Art Entlohnung für das, was man irgendwann mal gemacht oder durchlebt hat. Das find ich schon gut. Das merkt man halt. Und du kannst jetzt halt das machen, was du machen willst, und da sind wir schon sehr froh drüber, auf jeden Fall.
Na, so lange sich die negativen Nebenwirkungen in Grenzen halten...NeoScope. Ja, das ist kein Problem. Also bei mir ist das nicht so... Also wenn ich hier in Dessau rumlaufe, wo ja ein Großteil unserer Fanbase sitzt, dann ist das auch wirklich ruhig. Aber ich bin auch selten in der Stadt, ich bin viel zu Hause oder fahre mit dem Auto und mach dann nur kurze Wege, deswegen kriege ich wahrscheinlich auch gar nicht so viel mit. Unser Schlagzeuger arbeitet noch nebenbei in so einem Nobelrestaurant, da macht er den Küchenchef, und da hat er halt immer Durchgangsverkehr und ist dann zum Teil auch mal draußen bei den Leuten. Da wird er halt mehr angesprochen, ist ja klar. Wobei er das auch so ein bisschen genießt. Find ich auch völlig in Ordnung, mir gefällt das ja auch wenn jemand bei mir ankommt und sagt "Mensch, du bist doch hier der und der, kannst du mir ein Autogramm geben?"- find ich schon super. Aber wenn dann Leute anfangen mit einem zu diskutieren, über Songs- es gibt ja manchmal so Leute, die dann ankommen "Also ich hätte ja das Lied so und so geschrieben und das könnte man ja so und so machen...", da denke ich mir dann schon "Hey, Moment- alles kein Problem, dann gründe doch mal ´ne Band und mach das so wie du das willst!". Ich meine, wenn jemand seine eigene Idee hat, dann kann er die doch selbst umsetzen, da hat ja keiner was dagegen. Aber das sind dann so Diskussionen, die mag ich jetzt nicht so. Naja, man ist dann halt doch immer freundlich, trotzdem... Man kann sich dann ja immer seinen Teil denken.
Ihr wart ja mittlerweile schon mit Leuten wie Schandmaul und Type O Negative unterwegs, und Type O Negative gibt es ja schon ewig, die sind eine echte, etablierte Größe. Wie war das denn für euch, mit solchen Leuten zu spielen? Was hattet ihr da für Erwartungen und sind die eher erfüllt oder enttäuscht worden?Wir sind erst mal relativ unbefangen da rangegangen. Klar sind die eine feste Größe und ich fand die früher auch ganz prima, und als es hieß, dass wir da mitfahren, war ich erst mal ganz überrascht, weil das schon ein eigenartiges Gefühl ist, wenn du die eine Zeit lang wie eine Ikone gefeiert hast und dann stehst du plötzlich mit denen da zusammen. Das war schon interessant. Wir hatten sie aber auch bei Rock am Ring schon gesehen, da mussten sie ihre Show vorzeitig abbrechen- warum auch immer. Da dachte ich mir schon "Ohhh...." und dann kam die erste Show in Hamburg und da waren wir schon ein bisschen aufgeregt- die sind ja auch nicht unbedingt klein, alle (Er fängt an zu lachen), soll heißen ziemlich groß, aber die haben einen guten Humor, also man kann mit denen gut lachen und das war schön. Was ich schade fand, ist, dass Pete Steel zu der Zeit in gar keiner guten Verfassung war. Wo ich mir gesagt hätte, vielleicht- also es obliegt mir nicht, darüber zu urteilen, ich hätt´s mir aber gesagt als Bandmitglied: "Naja, das kannst du eigentlich nicht machen.". Irgendwann war das dann so, dass er wirklich alle 20 Minuten abgebrochen und die Kritiken über die Konzerte waren auch dementsprechend. Also für mich war es eine gute Lehrzeit um zu sehen, dass es, wenn du lange Musik machst- und die machen das ja definitiv schon lange- wahrscheinlich einfach so ein paar Regeln gibt, die du einhalten musst, weil es ansonsten total an die Substanz geht. Das hab ich da gesehen, weil... Wenn man die Bilder von Pete Steel von früher mit denen von heute vergleicht- das man älter wird, ist klar, aber ich hatte das Gefühl, dass da hier und da doch auch noch was anderes im Spiel war, das dazu führte, dass er in dieser Verfassung war. Und da hab ich dann schon gedacht "Hm, da muss man wohl schon auch auf sich selber Obacht geben"- ich hab das auch gemerkt, nach einer 10-Tage-Tour schon, auf der wir auch relativ viel getrunken haben, und nach den 10 Tagen war ich einfach am Ende. Da muss man wahrscheinlich auch auf Tour so eine.... ja, Anforderung an die eigene Disziplin stellen, denn du hast da ja wirklich alles. Du kannst da ja wählen. Du hast da das Obst und das Gemüse und generell das gesunde Zeug, daneben hast du den ganzen Rest, du hast das gleiche mit den Getränken: du hast deinen Saft und dein Wasser und daneben hast du Schnaps und Bier, je nach dem, was du halt willst. Ja, und du greifst dann letztendlich halt zu dem, was du für dich wählst. Da wird auch nie jemand sagen, was du tun sollst, du bist ja erwachsen. Und das ist so eine Sache, da waren diese Shows für mich eine ganz gute Lehrzeit. Also da muss man glaub ich aufpassen. Ich glaube auch nicht, dass es da Bands gibt, die lange durchhalten und die ganze Zeit dieses wirkliche Rockstar-Image leben, ich glaube, das gibt´s gar nicht.
Zum Teil rutscht man ja aber wahrscheinlich auch relativ leicht rein, wenn du die ganze Zeit auf Tour bist und unter Dauerstress und Dauerbelastung stehst und dann irgendwann einfach nicht mehr kannst, oder?Ja, klar. Ich denke, es gibt sicherlich die Möglichkeit, wenn du jeden Abend säufst, und dir dann, wenn du auf die Bühne musst, eine Bahn Koks ziehst, dass es dann wieder geht, aber auf Dauer macht man das nicht. Also das ist nicht unser Weg und war es auch nie. Ich hab das jetzt ausprobiert und hab gesehen "Okay, bis dahin kannst du gehen, da ist die Grenze", hab für mich die Erfahrung gemacht, dass ich dann abends doch lieber mal ins Hotel gehe, der Rummel kann ruhig mal an mir vorbei gehen. Ich kann mir vorstellen, viel davon liegt daran, dass man sich auf Tour manchmal auch einsam fühlt. Das ist wahrscheinlich ein häufiger Grund. Du kommst da von der Bühne, genießt dann den Rummel, der um deine Person herrscht, weil man ja schon so ein bisschen eine Art Junkie nach Anerkennung ist, die man dabei dann in geballter Form kriegt, und dann muss eigentlich noch was passieren. Wenn du dann aber einfach nüchtern in dein Hotelzimmer gehst und begreifst, dass das jetzt wirklich nur für diese kurze Zeit war, und dass die jetzt auch wieder vorbei ist, dass du jetzt alleine in deinem Hotelzimmer sitzt und auch nicht zuhause bist, sondern irgendwo alleine in der Pampa, dann kann das schon komisch werden. Ich denke, daher kommt das auch, dass man sich dann noch mal wegdröhnt und dann eigentlich erst am nächsten Tag wieder da ist. Aber da muss jeder für sich selbst mit klarkommen und seinen Weg finden. Ich hab meinen gefunden, ich nehme mir einfach gute Bücher mit und dann geht das.
Was liest du denn gerne?Ich habe zur Zeit viel Dan Brown gelesen, das war für mich gewissermaßen Pflichtlektüre, weil ich mag, wie er schreibt, wie der die Fakten verbindet zu einem Thema- das macht er schon gut.
Macht ja auch Spaß, da mitzurätseln.Auf jeden Fall! Das ist nicht so platt, dass man sofort sagt "Ach, na klar, das ist so und so!". Und jetzt lese ich gerade Frank Schätzing, da gibt´s so ein.... Der hatte doch diesen Roman geschrieben über die Unterwasserwelt, "Der Schwarm". Und dazu gibt´s noch ein Logbuch, "Nachrichten aus einem unbekannten Univesum", das liest sich fast spannender als "Der Schwarm" selbst. Da hast du zwar nur Fakten, aber selbst die lesen sich wie ein Roman, wie ein Krimi. Manchmal wird einem auch so ein bisschen Angst und Bange, aber er beschreibt halt auch die Evolution und so weiter, auf so eine leicht humoristische Art und Weise, dass man das eigentlich gar nicht sooo ernstnehmen braucht. Das mag ich. Ja, so was lese ich dann halt. Übers Internet bleibe ich dann noch mit Freunden in Kontakt, das geht schon.
Hast du eigentlich irgendwelche Rituale beim Songschreiben oder ergibt sich das einfach so? Setzt du dich zum Beispiel mit dem obligatorischen Glas Rotwein hin, das dir hilft, dich zu konzentrieren, oder Kaffee, die Badewanne, was auch immer?Nee, also ich glaube Alkohol würde mich eher... nee, gar nicht. Ich bin sehr, sehr nüchtern. Ich arbeite nachts, immer. Das ist glaube ich meine Art. Ich kann das wirklich nur nachts machen, weil man nachts ganz andere Sinne hat, schärfere Sinne, gerade für Gefühle, finde ich. Und ich habe auch das Gefühl, dass das, die Emotionen, die ich da nachts in einen Song reinpresse, dann am nächsten Tag bei Tageslicht noch da sind. Wohingegen ich die Erfahrung gemacht habe, wenn du tagsüber irgendwas zusammenbaust, guckst du es dir abends an und hast keinen Bezug mehr dazu. Das kann Einbildung sein, aber für mich ist das der Weg. Also ich mach das nachts, wenn ich für mich alleine bin, wenn ich sehe, dass ringsum die Lichter aus sind. Ich fühle mich dann natürlich so ein bisschen wie so ein Mainzelmännchen, das nachts immer was macht und am nächsten Tag ist ein neues Lied da...
Hast du da schon einmal Ärger mit deinen Nachbarn gekriegt, wenn du da nachts auf der Gitarre rumschrammelst?Nee, nee, ich arbeite ja über Kopfhörer und meinem PC. Und die Gitarren, die ich einspiele, E-Gitarren sind ja nicht so laut, wenn sie da eingestöpselt sind. Also das ist bei mir alles relativ ruhig, ich glaube, das weiß noch gar keiner im Haus so richtig, das ich Musiker bin.
Interview“Live The Storm“, euer neues Album, ist in meinen Ohren deutlich brutaler als „Misanthropic Generation“ – wo seht ihr sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten?
Tomas: Danke für die netten Worte! Ich finde, dass die beiden Alben viele Gemeinsamkeiten haben, auch wenn „Live The Storm“ viel mehr Details hat und, in meinen Ohren, wütender ist. Ein Großteil dieses Wütens ist aber ein positiver Ausdruck, wie ein Schrei nach Revolution sozusagen. Das neue Album ist außerdem strukturierter, wo „Misanthropic Generation“ weniger poliert war.
Björn: Tomas hat ihr bereits alles gesagt. Beide Alben sind unterschiedlich und nicht unterschiedlich zugleich, aber immer verbunden. Ich bin verdammt sicher, dass jeder, der „Misanthropic Generation“ mochte, auch dieses mögen wird. Die Produktion ist anders, aber ich finde, dass sie bei jedem Album passt.
Könntet ihr „Live The Storm“ auch vor fünf oder zehn Jahren geschrieben haben oder braucht es eine bestimmte Menge an Lebenserfahrung, Bitterkeit und Wut, um solch gnadenlose Songs schreiben zu können?
Tomas: Naja, für mich hat „Misanthropic Generation“ mehr Bitterkeit und Dunkelheit, das neue bietet einige Lösungen und Optionen gegen die Dunkelheit an, jedenfalls sehe ich das so. Ich mag den Gedanken, dass Leute durch und mit dem Album und seinem Konzept die Möglichkeit zum Wandel sehen. Jedes Album ist ein Produkt der Zeit, in der es entstanden ist – wir sind erwachsener, sowohl als Band als auch als Personen, was das Album vielleicht fokussierter und mehr auf den Punkt macht und das Endergebnis, die „Lieferung“, schärfer in jeder Beziehung.
Björn: Ich denke, dass das neue Album anders geklungen hätte, wenn Uffe nicht dabeigewesen wäre. Er ist ein großartiger Songwriter und obwohl er nicht alle Songs geschrieben hat, hat er mit seiner Erfahrung und seinem sehr gutem Spiel viel zu allen beigetragen. Vor fünf oder zehn Jahren hatten wir ihn noch nicht. *lacht*
Wie wichtig sind dir die Texte, Tomas?
Tomas: Die Texte bedeuten mir persönlich sehr viel und es ist sehr wichtig für mich, dass sie mt dem übergeordnetem Konzept des Albums passend sind. Es hat, wie schon gessagt, einen revolutionären Ansatz in den Texten, die in meiner Idee Leute inspirieren sollen und nicht nur einen trostlosen, düsteren Ausblick. Ich will, dass der Hörer rot sieht, in jeder Hinsicht.
Wie lange habt ihr an den Songs gearbeitet? Wurden während der Aufnahmen noch Songs umgestaltet oder gar rausgeschmissen?
Tomas: Wir haben dieses Mal sehr viel Pre-Produktion gemacht, etwas was wir vorher noch nie getan hatten. Das hat sicherlich dabei geholfen hat, das Album fokussierter und mehr auf den Punkt klingen zu lassen, außerdem waren wir besser vorbereitet als wir endlich ins Studio gingen. Wir wussten genau, was auf dem Album landen würde bevor wir ins Studio gingen und wir mussten diesmal nicht irgendwelche extra-Songs aufnehmen, die wir später kappten.
Björn: Einige Songs wie „Phantom“ sind bereits älter und wurden schon lange Live gespielt, manche sogar ab Ende 2004, wenn ich mich richtig erinnere. Wir haben versucht, so viele der Songs vorher Live zu spielen vor den Aufnahmen, damit wir ein Gefühl für sie bekommen. Das war, jedenfalls für uns, sehr wichtig um herauszufinden, wie sie wirken. Ich weiß nicht, wie wir das beim nächsten Mal machen werden, aber wenn wir erneut mit Kurt aufnehmen, und das ist das Gefühl momentan, müssen wir es einfach noch einmal so machen. Die USA mit einem halbfertigen Album zu verlassen steht außer Frage, dank der ganzen Kosten und Probleme die es verursachen würde.
Das bringt uns zu den Aufnahmen: ihr habt mit Kurt Ballou (CONVERGE) gearbeitet. Wie hat er euch dabei beeinfusst? Ihr würdet anscheinend ja wieder mit ihm arbeiten…
Tomas: Er ist ein außergewöhnlicher Produzent und hat in jedem Mitglied von DISFEAR das Beste zum Vorschein gebracht, außerdem ist er ein großartiger Freund und es war sehr angenehm mit ihm zu arbeiten. Ein fließender und gleichzeitig inspirierender Prozess! Er hatte viel Einfluss auf den Sound des Albums, das ist sicher!
Björn: Es war einfach großartig mit Kurt aufzunehmen. Wir haben darüber seit unserem Besuch seines Studios gesprochen, das war am Ende unserer US-Tour im Mai/ Juni 2006. Wir fühlten, dass es der richtige Ort und Kurt der richtige Typ ist und wir sind glücklich, dass wir es dorthin zurück machen konnten.
Es gibt in dieser Band einige Leute mit starkem Willen und wir brauchten jemanden den wir tatsächlich kennen, der dieses Album wirklich machen wollte, eine eigene Meinung hat, genauso wie Ideen und uns führen konnte, damit wir das Beste aus uns herausholen konnten. Es fühlte sich von Beginn an richtig an und wir haben früh entdeckt, als wir die Demo Tapes zu ihm schickten, dass wir es nach Salem, MA machen müssten, um den Songs Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Hättet ihr so jemanden nicht auch in Schweden finden können? Immerhin hättet ihr dann abends nach Hause fahren können…
Tomas: Nach Mieszkos [Talarczyk - NASUM; der „Misanthropic Generation produziert hat – Anm. d. Verf.] Tod hatten wir keinen Plan B. Er hat eine große Lücke hinterlassen. Wir haben lange nach einem Studio oder einem Produzenten in Schweden gesucht, aber keiner konnten jemanden finden, der dieses bißchen extra an Hingabe mitbrachte, die wir von einem Produzenten erwarten. Kurt hat sich freiwillig für den Job gemeldet und bekam ihn sofort, da wir vollstes Vertrauen in sein Talent und seine Fähigkeiten haben.
Björn: 110%ige Hingabe ist das, was wir wollten. Jemand, der mehr als den vollen Einsatz für das Album zeigt, so jemanden konnten wir in Schweden nicht finden. Es ist interessant, dass du den Punkt des Nachhausefahrens ansprichst: beim letzten Mal war ich derjenige, der die ganze Zeit über im Studio saß, während der Rest nur seinen Teil erledigte und dann wieder fuhr. Ich habe dieses Mal von vornherein gesagt, dass das so nicht laufen wird und durch den Trp in die USA wurde das sowieso unmöglich, außerdem spielten wir am Ende noch einige Shows dort. Mit fünf Leuten in einem Hotelzimmer für drei Wochen zu sein, festigt eine Gruppe und jeder konnte während des gesamten Aufnahmeprozesses Ideen einbringen. Ich denke, das war für das Endresultat sehr wichtig.
Habt ihr für 2008 schon Tourpläne?
Tomas: Bislang haben wir einen Trip nach Finnland, ungefähr fünf Shows in Schweden und zwei Touren in Amerika. Europa werden wir sobald es geht treffen, auch wenn es noch keine konkreten Plänen im Moment gibt.
Björn: Wir werden in Finnland starten, dann mit zwei US-Besuchen weitermachen, gefolgt von ein paar Shows in Skandinavien und dann hoffentlich einige Sommerfestivals. Wenn wir die Zeit haben, werden wir einen dritten Besuch in den USA anschließen und hoffentlich auch eine Europa-Tour. Australien und Japan werden wir hoffentlich auch noch besuchen, auch wenn das 2008 unwahrscheinlich ist.
Was wäre das perfekte Tourpackage für euch?
Tomas: Es gibt viele Bands da draußen, inklusive CONVERGE, TRAGEDY, TRAP THEM, CURSED, die ich persönlich alle gerne dabei hätte.
Björn: Teil eines Tour-Packages zu sein ist cool, aber ich mag es genausosehr, als Headliner allein unterwegs zu sein. So haben wir die Chance, mit viel mehr unterschiedlichen Bands zu spielen und neue zu entdecken, die wir mögen. Wir haben mit DOOMRIDERS einige tolle Shows gespielt, ebenso mit ROTTEN SOUND und wir würden nicht zögern, mit ihnen wieder zu touren. Es gibt so viel mehr Bands, die meisten von denen mit denen wir gespielt haben, die sehr gut sind. AC/DC und DISCHARGE wären toll. *lacht*
Habt ihr Pläne über 2008 hinaus?
Tomas: DISFEAR ist kein Projekt, es ist ein Lifestyle. Wir werden weitermachen und nicht etwas stoppen, was wir im Leben am Meisten mögen!
Björn: Wir werden solange aktiv sein, wie es Spaß macht, darum geht es für uns. Der Tag, an dem wir fühlen, dass es kein Spaß mehr ist und es schwer wird, das abzuliefern, was wir abliefern wollen, an dem Tag werden wir alles beenden. Gerade jetzt ist alles bestens und wir könnten ewig weitermachen. Die Reaktionen auf das neue Album sind toll und wir haben einige tolle Shows und Touren in der Pipeline. Was können wir mehr wollen?
Im letzten Interview wurde gesagt, dass Tomas Lehrer werden will, ist das noch aktuell? Der Gedanke, dass er Kinder unterrichtet ist irgendwie strange, oder?
Tomas: Naja, es ist eine merkwürdige Welt, in der wir merkwürdige/ strange Lehrer brauchen, die den Kids die „Wahrheit“ erzählen, nicht wahr?
Tomas, wird deine Reunion mit AT THE GATES Einfluss auf die Arbeit mit DISFEAR haben?
Tomas: Mein Plan ist, dass es DISFEAR so wenig wie möglich beeinflussen wird. Ich habe viel Verständnis von den Bandmitgliedern erfahren und wir sind in Sachen Planung sehr gut. Keine Angst, die Zukunft heißt DISFEAR, die ATG-Reunion ist nur für den Sommer, nicht für immer…
Würdet ihr mit einem Ersatzmann arbeiten, wenn sich Tourpläne überlappen?
Björn: Das wird definitiv nicht passieren. DISFEAR ist Marcus, Frykman, Ulf, Björn und Tomas und das ist das Line-Up für die Shows. Jeder ist ein großer Teil der Band und ich kann mir nicht vorstellen, eine Show ohne eines der Mitglieder zu machen. Natürlich können unerwartete Dinge passieren, aber das ist es für jetzt.
Einen Schritt weg von Tomas: würdet ihr ein Mitglied von DISFEAR ersetzen oder gäbe es einen Punkt, an dem ein Line-Up-Wechsel das Ende von DISFEAR bedeuten würde?
Tomas: Dieses Line-Up ist das bei Weitem interessanteste, mit dem ich jemals arbeiten durfte, egal in welcher Band, und ich wäre überrascht, wenn ihm etwas passieren würde. Aber man weiß ja nie, aber im Moment fühlt es sich an wie wir fünf gegen den Rest der Welt und das ist ein schönes Gefühl des Zusammenhalts.
Björn: Es ist schwer für mich, das gerade jetzt zu beantworten. Wenn der Tag kommt, werden wir eine Entscheidung treffen. Niemand ist unersetzlich, aber dies ist das stärkste Line-Up, das ich mir vorstellen kann und ich würde nichts und niemanden tauschen wollen.
Was gibt es von den Nebenprojekten Neues?
Tomas: THE GREAT DECEIVER haben ein neues Album draußen, PRINCIPLES OF EXISTENCE ist noch immer stark, genauso wie DESTROY ALL PLANETS und KRIGSHOT – checkt deren letzte Scheibe, es ist ein Killer!
Letzte Worte?
Tomas: Hope to see you soon on tour everyone and thanks for your support over the years! Early Van Halen is killer!
Björn: Thank you Lars for an interesting interview. Please check out the new album!! See you on the road!!