Als NIRVANA-Kopf und Szene-Ikone Kurt Cobain sich entschloss das Hier und Jetzt zu verlassen lies er unter anderem eine ratlose, desillusionierte Band zurück. Schlagzeuger David Grohl benötigte nach eigener Aussage danach einen Psychologen um mit der Musik weiter zu machen. Dass hier also noch vieles nach NIRVANA klingt darf also nicht verwundern. David Grohl entwickelte noch viele Songs bzw. Parts davon zu NIRVANA-Zeiten und spielte das selbstbetitelte FOO FIGHTERS Debüt auch komplett selbst ein – also an sich eher eine Solo-Werk, welches der ehemaligen NIRVANA-Schlagzeuger mit seinem Freund und Produzenten Barett Jones in Seattle aufnahm. Allerdings eines das Einschlug wie eine Bombe und bei Kritikern wie bei Fans reichlich Anklang fand – so wurde mit dem ehemaligen NIRVANA-Gitarristen Pat Smear (THE GERMS) sowie Bassist Nate Mendel und Schlagzeuger William Goldsmith (beide SUNNY DAY REAL ESTATE) auch recht zügig eine Tourband zusammengestellt. Das mit „Weenie Beenie“ ein regelrechter tobender Ausfall die zweite Albumseite eröffnet ist dann nur noch ein kleiner Schönheitsfehler. „Big Me“ ist eine wunderbare, Pop-affine Ballade (dessen Video damals auf MTV rauf und runter lief), die zweite Single „This Is A Call“ ein weiteres Beispiel für das songwriterische Können von Grohl und dessen Gespür grungigen Alternativrock mit charttauglichem Ohrwurmmelodien zu kreuzen. Um das starke Eröffnungstrio komplett zu machen ist dazwischen mit „I’ll Stick Around“ ein starkes Stück Rock in bester NIRVANA-Manier platziert. Von o.g. „Weenie Beenie“ mal abgesehen hat „Foo Fighters“ so 11 tolle Songs zu bieten, ein durchaus noch rohes Werk ohne Hänger das vom abschließenden abrockenden „Exhausted“ standesgemäß beendet wird.
Als 180gr-Vinyl macht das Album dann optisch und soundmäßig auch echt was her – knapp 45 Minuten sind dafür auch gut geeignet - geiles Cover, Downloadcode und gefütterte Inlays passen. Das es hier aber keinerlei Textinfo, Linernotes & Co. gibt (die Inlays sind Classico-Weiß) schmälert etwas die Freude. Trotzdem gehört das FOO FIGHTERS-Debüt in jeden Alternative-Vinyl-Schrank.
EBONILLUMINI - Was ist das nur für ein Name? Die Erleuchtung der Ebon-Atoll-Bostoninseln?
Weltoffen geben sich EBONILLUMNI. "Arktos" ist der Herren und Damen zweites Album und wie das Debüt "Pacificum" (2013) wieder individuell einer jeden Docking-Station ihrer Weltturnee gewidmet. Diesmal dabei sind: Florida, die Bahamas-Inseln, Puerto Rico, die Bermuda-Inseln, Equador, Finnland, die kanadische Baffininsel, der arktische Kreis (?), Grönland und Island.
So beginnt "Arktos" tatsächlich im warmen Florida und der Titel stellt letztlich das Ziel der Reise da. Wie auch immer. Stilistisch soll hier Experimental Post Black Metal geboten werden. Experimentell sind die Briten zwar, doch Black Metal sucht man hier vergebens und findet man auch nicht. Auffällig ist die klare, charismatische Stimme von "The Maiden", die wohl neben der post-metallisch-wirren-progressiven Spielweise maßgeblich für den Stil von EBONILLUMNI ist.
Dabei versinkt die Band oft in ethnischen-Tönen. Ein bisschen düster (viel mehr allerdings verstörend) klingt lediglich das "Ghost-Ship", wo auch erstmals "Metal" als Stilbezeichnung zutreffen dürfte. "Ursus Bear" und "Aurora" machen letzlich genau dort weiter, bis die band mit dem letzten Song "Oceanic Abyss" in doomig-post-rockiger Langsamkeit versinkt.
Mir ist das Quintett etwas zu bunt und wirr - doch Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Die Musik von EBONILLUMINI würde ich trotzdem eher als Experimental Avantgarde Metal einstufen - falls es soetwas überhaubt gibt. Vor Kauf sollte man hier auf jeden Fall einmal Reinhören!
Vor kurzem ist euer drittes Album „Holon: Agnosie“ erschienen. Könntet ihr eure Musik für diejenigen Leser, die noch nicht so mit euch vertraut sind, in einem Satz zusammenfassen?
Nils: The Hirsch Effekt machen progressiven Rock für Leute, die sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden geben.
Bisher waren alle Alben von euch Konzeptalben. Nun stellt sich mir die Frage, welches das Thema des aktuellen Silberlings ist. Was verbindet die Songs?
Nils: Auf „Holon: Agnosie“ gibt es kein konkrete, durchgehendes Thema. Allerdings kann man sagen, dass es eine Grundstimmung gibt, die sich wie ein roter Faden durch die Lieder zieht. Es geht um eine grundlegende Angepisstheit, Ratlosigkeit oder auch Unzufriedenheit. Auch darum, mit sich zu hadern und zweifeln.
Ilja: Die Songs sind in gewisser Weise einfach seelenverwandte
Wie steht das, doch recht eigenwillige, Cover damit im Zusammenhang?
Nils: Unser Cover ist wieder mal, wie bei den beiden Alben davor, von dem in San Francisco lebenden Künstler Alejandro Chavetta erstellt worden. Wir haben ihn bisher nie getroffen, sondern ausschließlich über E-Mail mit ihm kommuniziert. Für unser Album habe ich eine kurze Zusammenfassung der Titel geschrieben, ins englische übersetzt und ihm geschickt. Daraufhin hat er ein Cover entworfen, das uns allerdings nicht so gut gefallen hat. Daraufhin hat er ein neues zugesandt, das nun unser Albumcover ist. Ich persönlich finde es schön. Ich kann natürlich nicht genau sagen, was es bedeuten soll, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass das Thema drin ist. Ich kann es nicht genau definieren, aber auf irgendeiner Astralebene passt das ziemlich gut.
„Agnosie“ schließt als dritter Teil an die Holon-Reihe an. Holon bezeichnet eine Ganzheit, die wiederum Teil eines Ganzen ist. So stellt sich mir die Frage, wie das Album zu den Vorgängern passt und sich also in das größere Ganze (die Trilogie) eingliedert.
Ilja: Dieses Mal haben wir das Album zuerst aufgenommen und erst im Nachhinein die Erkenntnis gehabt, dass es einen sehr guten Abschluss unserer Holon-Trilogie darstellt. Nicht nur wegen der Songs selbst. Auch weil das Cover sehr gut passt. Außerdem hat Agnosie auch was mit Vergessen und Wiederholung zu tun, passt also auch hier.
Nils: Ich hatte ursprünglich gar nicht vor, das neur Album zu integrieren. Die Idee dafür kam erst mit einem gewissen Abstand, als es bereits fertig war.
Zum Begriff der Agnosie. Der hat mehr als nur eine Bedeutung. Man kennt ihn sowohl aus der Psychologie bzw. Medizin, als sogenannte Wahrnehmungsstörung als auch aus der Philosophie. Dort wird der Begriff mit ‚Unwissen‘ übersetzt, taucht aber auch bei den Agnostikern als skeptische Haltung auf. Wie versteht ihr den Begriff, wenn es um euer Album geht?
N: An Agnostizismus habe ich nicht gedacht. Mir persönlich gefällt der Begriff der Seelenblindheit sehr. Also die Unfähigkeit, sich selbst richtig wahrnehmen zu können. Der Zweifel, der daraus hervorgeht.
Bei dem Song Bezoar dachte ich selbst z.B. daran, dass ihr implizit eine skeptische Grundhaltung vertretet, indem ihr kritisiert, dass sich Menschen aufgrund von Überzeugungen („zum Beispiel auf die Frage warum wir hier sind und wo wir herkommen“) gegenseitig die Köpfe einhauen, obwohl endgültige Antworten niemals gefunden werden können.
Ilja: Ursprünglich war das, was du sagst, nicht damit gemeint. Trotzdem darf man es als Leser gern hinein interpretieren. So soll es auch sein. Auch wenn man beim Schreiben eines Textes zwar einen bestimmten Sinn im Hinterkopf hat, muss der nicht zwangsläufig der einzig richtige sein. Die Bedeutung ist nicht fest vordefiniert.
Was war, während der Aufnahmen von „Holon: Agnosie“ euer wichtigster Einfluss? Nicht nur musikalisch gesehen. Vielleicht hat euch auch eine bestimmte Serie, ein Film oder ein Buch inspiriert.
Nils: Puuhh. Also ich für meinen Teil lese fast gar nicht in meiner Freizeit.
Moritz: Ich kann gar nicht lesen (lacht).
Nils: Es gibt wohl keinen gemeinsamen Einfluss in dieser Richtung. Wir lassen uns viel vom Alltag inspirieren und verarbeiten, was er uns so bietet.
Habt ihr denn eine bisherige Platte des Jahres?
Nils: Einflüsse gibt es bestimmt. Aber eine CD des Jahres hab ich nicht. Dafür schwimm ich auch zu sehr im eigenen Saft. Die Band allein ist schon ein Fulltime-Job. Da schaut man abends nicht mehr wirklich nach neuen Erscheinungen.
Ilja: Zu diesem Jahr kann ich auch nichts sagen. Wenn ich mir neue Alben anhöre, merke ich teilweise erst später, dass die schon vor ein oder zwei Jahren rausgekommen sind. Und manchmal hänge ich eher noch bei Alben aus den Siebzigern fest.
Nils: Ilja hat sich vorgenommen, jedes Album zu hören, das jemals rauskam. Er ist jetzt in den Siebzigern angekommen (lacht).
Moritz: So wirklich viel kam danach ja auch nicht mehr (lacht).
Vor kurzem habt ihr bekannt gegeben, dass ihr Platz 63 der deutschen Albumcharts erreicht habt. Habt ihr damit gerechnet?
Nils: Drüber nachgedacht hat man vielleicht schon einmal, aber trotzdem wurde den Charts keine Beachtung geschenkt.
Ilja: Ich habe nie Wert drauf gelegt. Das hat meiner Meinung auch nicht viel zu sagen. Freunde kann man sich dadurch auch nicht kaufen.
Nils: Allerdings hilft es einem schon weiter. Bspw. Hat das Label dann das Gefühl, gute Arbeit zu leisten und auch mehr Motivation, uns zu unterstützen und weiterhin gute Arbeit zu verrichten. Und auch so hat es einen Einfluss. Ich hatte vor kurzem erst Geburtstag. Da hab ich weniger Anrufe bekommen als an dem Tag, an dem unsere chart-platzierung bekannt gegeben wurde (lacht).
Darf man denn seine Glückwünsche aussprechen? Oder seid ihr lieber abseits der Charts?
Nils: Ich hab mich natürlich schon gefreut. Es ist doch schön zu wissen, dass die eigene Musik Bedeutung hat
Holon: Agnosie“ steht mit Songtiteln wie Tombeau, Bezoar etc. genau in der Namens-Tradition von THE. Wieso die kryptischen Namen und wie kommt ihr drauf? Langes Studium oder spontane Assoziation?
Nils: Die Begriffe werden schon recherchiert und rausgesucht, haben also etwas konstruiertes. Die Titel sind daher als kleine Gimmiks zu verstehen. Man soll nicht sofort wissen, worum es geht. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass es mir gefällt, kleine Recherchen zu Liedern anzustellen, die ich höre. Sodass ich am Ende darüber nachdenken kann, wie der Songtitel mit dem Lied und Text im Zusammenhang steht und was er bedeutet.
Moritz: Über manche dieser Begriffe stolpert man aber auch im Alltag. Dann werden sie einfach übernommen.
Nils: Ja. Z.B. Bezoar. Dieses Wort ist mir schon hängen geblieben, weil ich die Vorstellung so skurril finde, dass unverdauten Haarresten entgiftende und heilende Kräfte zugeschrieben werden und in einigen Kulturen sogar das Geschirr damit eingerieben worden ist.
So viel zum aktuellen Album. Wie sehen jetzt eure weiteren Pläne aus? Gibt es schon Ideen für das nächste Album?
Nils: Auf der Fahrt nach Hamburg haben wir zum ersten Mal darüber geredet. Wegen des Tourlebens ist es relativ schwer, Zeit für solche Dinge zu finden. Vor allem was das Komponieren angeht. Aber eine paar kleine Ideen gibt es schon. Wir planen wieder ein Konzeptalbum zu schreiben. Dabei handelt es sich um eine fiktive Geschichte, die aber nichts mit der Holon-Reihe zu tun hat.
Moritz: Tabaluga (lacht.)
Nils: Haha, genau. Tabaluga meets Jim Knopf (lacht).
Gibt’s es denn irgendwelche besonderen Interessen, Hobbies oder Beschäftigungen, denen ihr in eurer, wenn auch kurzen, Freizeit nachgeht?
Nils: Ich gebe bspw. Gitarrenunterricht. Moritz studiert Biologie und Ilja…Ilja kämmt sich gern seine Haare (lacht).
Habt ihr gemeinsame musikalische Vorbilder bzw. Bands, die euch allen drei gefallen?
Ilja: Der einzige gemeinsame Nenner ist wohl The Mars Volta.
Nils: Und The Dillinger Escape Plan.
Ilja: Stimmt.
Was hört ihr denn nebenbei noch für Musik? Oder anders ausgedrückt: mit welcher Musik beschäftigt ihr euch noch?
Nils: Da ich klassische Gitarre studiert habe, habe ich natürlich viel klassisches in meinem Studium gehabt. Heute aber beschäftige ich mich nicht mehr so intensiv damit. Ilja hört nebenbei auch viel Ambient und Dubstep. Letzteren versucht er auch zu machen (lacht). Nein, im Ernst. Das klingt auch sehr gut, was er so an Dubstep produziert.
Alles klar, das wär es soweit von mir. Ich bedanke mich vielmals.
Ein etwas anderes Genre bei uns ist ganz klar das Hörspiel und ich als kleiner Hörspielfan nehme mich dem natürlich sehr gern an. Heute habe ich die Freude, ein ganz besonderes Hörspiel zu besprechen, nämlich die 100. Folge von GRUSELKABINETT's "Träume im Hexenhaus von H. P. Lovecraft".
In der Geschichte geht es um den Studenten Walter Gilman, der ein großes Interesse an Übernatürlichen aus wissenschaftlicher Sicht hegt. Aus diesem Grund zieht er in ein sagenumwobenes Haus, in dem einst eine Frau namens Keziah Manson, die der Hexerei bezichtigt wurde, gelebt hat. Und genau an diesem Ort geschehen immer wieder eigenartige Dinge...
Spannend bis zum Schluss, man ahnt zwar, wie die Geschichte etwa enden wird, doch hat man keinen Drang das Hörspiel zu unterbrechen, da man unbedingt wissen möchte, wie es ausgeht. Der Wiederhörwert ist dabei ziemlich hoch und wird es dann doch mal langweilig, hat man noch 99 weitere Folgen zur Auswahl, und in Zukunft sicher auch noch viele mehr.
Neben dem Hörspiel ist in der Hülle eine Bonus-DVD mit dem Titel "Titania Medien - Ein atmosphärisches Portrait" enthalten, die die Geschichte von Titania Medien und die Produktion eines Hörspiels in einer über 50-minütigen Dokumentation zeigt. Dabei wird man von Anfang bis Ende von David Nathan, den Synchronsprecher von Johnny Depp/Christian Bale begleitet und bekommt viele bekannt Stimmen vorgestellt, wo man meist nur diese kennt, nicht aber das Gesicht dazu. Wirklich sehr interessant nicht nur für Fans, sondern auch alle Genreinteressierte und Einsteiger.
Schlussendlich ist die Jubiläumsfolge super geworden, und wer mehr von der Geschichte wissen möchte, dem lege ich Folge 100 ans Herz, wo ihr, wie erwähnt, die tolle DVD dazu bekommt, die noch viel mehr verrät.
THERAPY? müssen sich wohl ewig mit ihren beiden Überalben aus den 90ern – „Troublegum“ und „Infernal Love“ (beide UK Top-10) - messen lassen. Das bleibt nicht aus. Mit den zahlreichen Nachfolgealben hielten sie ihre Fanschar meist bei Stange, der große Erfolg blieb allerdings aus, so daß sie heute irgendwie zwischen Underground und Kult einzuordnen sind. Und auch die letzten, etwas sperrigen und experimentelleren Alben fanden wenig Anklang. Mit „Disquiet“ kommt jetzt eine kaum noch für möglich gehaltene Kehrtwende, welche viele Fans der Nordiren freuen und versöhnen dürfte. Und die Brücke zu früher wird nicht nur musikalisch, sondern auch thematisch geschlagen. Ohne eine Kopie von „Troublegum“ zu sein, ist „Disquiet“ laut Bandcheffe Andy Caims (Vocals, Guitar) eine Art Sequel, welches auslotet, was aus der damalige Hauptperson geworden sein könnte. „Disquit“ ist dabei natürlich ein anderes, eigenständiges und von einem anderen Line-Up eingespieltes Album. Trotzdem läßt einen der rifforinetierte, metallisch-flotte Opener „Still Hurts“ direkt an selige „Knives“-Zeiten denken – klasse Einstieg. Im weiteren Verlauf lebt das Album von seinem Abwechslungsreichtum – und dem gelungenen Songwriting. Die melodischen Ohrwürmer „Tides“ und „Good News Is No News“ mit einer THERAPY?-typischen laut-leis-Dynamik hätten es Anno 1995 in Radio geschafft und „Vulgar Display Of Powder“ ist eine waschechte PANTERA-Hommage mir ultrafetten Riffs. So haben THERAPY? in 2015 endlich mal wieder vieles richtig gemacht und den Weg für die Zukunft geebnet – einzig die Produktion trübt etwas dumpf das Hörvergnügen. „Disquiet“ ist also eine tolle Scheibe; Daumen hoch.
Zu behaupten, THE HIRSCH EFFEKT könne man stilistisch nicht einordnen, ist wohl falsch. Richtig wiederum wäre die Aussage, dass man ein paar mehr Schubladen benötigt, um ihre Musik zu beschreiben. Die drei Hannoveraner, die ihre Musik selbst als Artcore bezeichnen, bewegen sich irgendwo zwischen Indie, Alternative, Progressive, Hardcore-Punk und verschiedenen Metal-Spielarten. Diese Vielfalt schlägt sich auch in ihrer Songstruktur nieder. Brachiale Ausbrüche geben sich die Hand mit atmosphärischen Instrumentalparts, ruhiger Melancholie und durchgedrehtem Gitarrengefrickel. Dadurch, dass diese Wechsel auch innerhalb eines Liedes oft zum Einsatz kommen und sich zu den ohnehin anspruchsvollen Kompositionen gesellen, wirkt „Holon: Agnosie“ zunächst etwas sperrig und wenig zugänglich. Doch – wie so oft – wirkt die neue Platte, hat man sich erstmal mit ihr beschäftigt, nachhaltig auf den Hörer ein. Immer wieder entdeckt man neue Nuancen und die Stücke langweilen auch nach mehrmaligen Hören nicht. Bei all der Vertraktheit machen die Jungs allerdings nicht den Fehler, sich zu sehr in Spielereien zu verlieren, sodass es den Titeln an Emotionalität fehlen könnte. Die Lieder strotzen nur so vor Leidenschaft, Wut und Unzufriedenheit. Das wird auch in den – teilweise recht kryptischen – Texten gespiegelt. „Holon: Agnosie“ bildet ein kohärentes Ganzes, dass durch Spielfreude und Innovativität zu begeistern weiß. Sicherlich ist es gewöhnungsbedürftig und manch einer wird sich auch nach ausgiebigen Hören nicht mit diesem Album anfreunden können. THE HIRSCH EFFEKT komponieren definitiv nicht für jedermanns Ohren. Jedem, der aber etwas mit härterer und ausgefallener Musik anfangen kann, sei zumindest Annäherungsversuche wärmstens empfohlen, handelt es sich bei dieser Band doch um eine der interessanteren und kreativsten(deutschsprachigen) Bands unserer Zeit.
„Kyrr“ – übersetzt „still“ oder „ruhig“ – ist der Name der aktuellen Neuerscheinung der Isländer KONTINUUM. Interessant ist, dass dieser, bezieht man ihn auf das Album als Ganzes, gleichermaßen passend wie unpassend ist. Passend, da man als Hörer das Gefühl bekommt, dieser Silberling sei was für die ruhigen, zurückgezogenen Stunden. Relativ schnell erkennt man aber auch, dass es sich hierbei um keine Scheibe handelt, die man mal eben in einer illustren Runde einlegt. Unpassend erscheint der Titel, weil die Songs eher noch eine innere Unruhe auslösen bzw. Ausdruck derselben sind. Melancholie ist hier das vorherrschende Gefühl, dem musikalisch Ausdruck gegeben wird. „Kyrr“ bewegt sich im Gegensatz zum Vorgänger nicht mehr im Bereich Post Black Metal, sondern schifft stattdessen in den seichteren Gewässern des atmosphärischen Rocks, wobei auch ab und zu in Richtung Post Rock geschielt wird. Ähnlichkeiten entdeckt man beispielsweise mit The Cure, aber auch mit Acts wie Katatonia oder Beastmilk findet man den einen oder anderen Überschneidungspunkt. Folglich ist auch die Musik sehr düster gehalten und zieht den Hörer schnell in den Bann. Die Lieder sind hypnotisch, nachdenklich, aber stets eingängig. Ohne dabei die Grenze zum Kitsch zu überschreiten bewegt sich das Quintett immer im Bereich des nachvollziehbaren - die Musik wirkt schlicht authentisch. „Undir Punnu Skinni“ oder das abschließende „Red Stream“ bilden Paradebeispiele für diesen Sound sowie dessen Wirkung. Stücke, die es schaffen, der verträumten Musik eine dunkle Aura zu verleihen und gleichzeitig zu fesseln. So handelt es sich auch bei „Breath“ oder dem Titelsong um alles andere als um Eintagsfliegen. Definitiv ein Album, dass man wieder und wieder hören kann, ohne wirkliche Abnutzungserscheinungen zu spüren. Alles in allem sei „Kyrr“ jedem Fan atmosphärischer (und auch schwermütiger) Musik ans Herz gelegt. KONTINUUM ist spätestens jetzt ein Name, den man sich merken sollte, denn hier wird ein qualitativ hochwertiges Album abgeliefert
SOUP aus Trondheim lassen es gerne ruhig angehen. Die meistens Stücke ihres neuen Albums „The Beauty Of Our Youth“ beginnen sehr leise und zurückhaltend, und lange bleiben sie auch so. Dann aber wird fast schon behutsam Schicht für Schicht aufgebaut, bis sich alles in ein breit angelegtes, meist bombastisches, Finale steigert. Eine Mischung aus Kammer-Pop und Post-Rock könnte man das nennen, mit großen, schwermütigen Melodien und einer Instrumentierung, die von reiner Klavierbegleitung bis zu dichtem Band-Sound plus Streicher und mehrstimmigen Chören reicht. Damit erinnern SOUP ein bisschen an die Isländer SIGUR RÓS, im treibenden „Our Common Ground“ – dem einzigen schnellen Stück des Albums – auch mal an die Pop-Phase der Trondheim-Kumpels MOTORSPYCHO.
Was man SOUP allerdings ankreiden muss, ist eine gewisse Gleichförmigkeit in ihren Stücken. Irgendwann wird es einfach etwas viel mit der Schwermut, den Streichern, der Laut-Leise-Dynamik und dem immer schönen Gesang, der sogar an den lauten Stellen irgendwie sanft klingt. Sieht man darüber hinweg, bieten SOUP hier aber ein Album mit höchst atmosphärischer, toll komponierter Musik, die vor allem in der kalten Jahreszeit ihre volle Wirkung entfalten wird.
Es ist schon praktisch, wenn man als Band einen Labelchef in seinen Reihen hat. Im Fale von DEFEAT THE LOW ist es der Rise Records-Chef, der gleichzeitig die Sechssaitige bedient. Da überrascht es wenig, dass er seine Band auf sein Label gebracht hat, auch wenn DEFEAT THE LOW mit dem Roster wenig gemeinsam haben. Wie weit die Band ihren Plattenvertrag Vitamin B verdankt und wie weit vorhandenem Talent ist die naheliegende Frage. "A Nervous Smile" überzeugt in den ersten Durchläufen mit eingängigen, dezent poppigen Songs, die irgendwo zwischen Poppunk, Victory Records in den frühen 2000ern und dezentem Postcore angesiedelt sind. Keine schlechte Mischung und in gut geschriebene Songs verpackt. Tatsächlich macht die halbe Stunde Laune, denn kaum ein Song fällt qualitativ ab. Eingängige Refrains, immer wieder schöne Gitarrenspielereien und ein starker Gesang sind die wichtigen Eckpunkte, um die DEFEAT THE LOW ihr Album zimmern. Die Band hat die Aufmerksamkeit, die ihr durch den Deal mit Rise Records zuteil wird, redlich verdient. Eine schöne Platte für Freunde gepflegt rockender Alternative-Töne.
“Face Everything And Rise” ist das Motto, das sich hinter dem Albumtitel “F.E.A.R.” versteckt hat und an dem Jacoby Shaddix sich in der jüngeren Vergangenheit zu orientieren suchte: nachdem der Sänger eigenen Aussagen zufolge die letzten Touren der Band zumeist in passablem Zustand begonnen, nach geraumer Zeit on the road jedoch in eher desaströser Verfassung beendet habe, lag der Fokus abseits der Bühne während der letzten Tour auf einem gesünderen Lebenswandel und das Songwriting wurde aus diesem Grund komplett ins Studio verlegt. Herausgekommen ist dabei „F.E.A.R.“, das unter Beweis stellt, dass es auch ohne hingebungsvolle Selbstzerstörung geht. Schon der als Opener fungierende Titeltrack drückt ordentlich auf die Tube und auch die nachfolgenden „Skeletons“ und „Broken As Me“ gehen ziemlich die Vollen. Ein wenig ruhiger geht es bei „Love Me Til It Hurts“ und „Never Have To Say Goodbye“ zu. Stärker an die alten Nu Metal-Zeiten erinnert „Gravity“, dessen Strophe ausschließlich gerappt daherkommt, was im Vergleich mit dem ruhigen, schön melodiösen Refrain leider einen etwas arg harten Kontrast ergibt – besonders der etwas befremdlich klingende Zwischenteil wirkt hier recht deplaziert. Das schnell im Gedächtnis haftende „Devils“ beginnt ruhiger, rockt jedoch im Refrain was das Zeug hält und für den Rausschmeißer „Fear Hate Love“ wird noch mal eine Schippe Aggression draufgelegt, was in diesem Fall leider auf Kosten der Eingängigkeit geht. Alles in allem haben PAPA ROACH jedoch ein rundes Album abgeliefert, das man mit Spaß anhört, auch wenn der eine oder andere Song vielleicht erst beim zweiten Mal so richtig im Ohr hängen bleibt.