DAS ist Metalcore. Hochspringen, schreien, bis die Halsschlagader anschwillt und der Kopf ganz rot wird. Und dann sich selig in die Adrenalin-geweiteten Augen gucken und sich über die Kraft des Moments freuen. Metalcore hat echt ein paar Dinge plötzlich möglich gemacht, die ich in dieser Breite noch in diesem Frühjahr nicht erwartet hätte. Clayton Kidd gröhlt da zeitweise heiser wie Schmirgelpapier durch die Gegend und schafft den Dreh zum lupenreinen Death-Gegurgel. Die beiden Gitarristen im Hintergrund pumpen und pumpen - und schaffen es gleicher Maßen, technische Florida-Frickeleien und tighte Schwedenhappen einzustreuen. Bisher mein absoluter Liebling in dieser Kampfklasse, vielleicht dezent hinter UNEARTH. Und sie kommen weder aus Massachusetts noch aus dem Ruhrpott oder Thüringen, sondern aus dem sonnigen Alabama. THE JUDAS CRADLE mussten aber schon eine unfreiwillige Ehrenrunde einlegen und einen dummen Umweg gehen, "Too Bad They’re All Dead" wurde nämlich schon im November 2003 veröffentlicht, und jetzt diesen Sommer noch mal bei Alveran Records im Ruhrpott-Underground. Soll uns nicht kratzen, diese Band geht so geil erfrischend ans Komponieren, dass jeder, der auch nur noch ein kleines bisschen Appetit auf derartige Mischmaschbands mit positiver direkt-in-die-Fresse-Energie hat, die Scheibe mal anchecken muss. Und garantiert eine der anderen Monats-Favoriten dafür stehen lässt, wetten?!
A TRAITOR LIKE JUDAS gehören - zumindest meiner Meinung nach - zu dem Besten, was Deutschland in Sachen Metalcore zu bieten hat. Nach der sehr coolen "To Desperate To Breathe In"-Scheibe im letzten Jahr ist die Split mit den nicht minder genialen UNDER SIEGE der neueste Release der Braunschweiger Moshcrew.
Die ersten fünf Tracks gehören aber UNDER SIEGE, die mit fettem Metalcore auf ganzer Linie überzeugen können. Genauso wie auf dieser Scheibe muss Metalcore klingen: brutale Gitarren, die zwischen klassischem Hardcore und alter Schwedentodschule hin- und herwechseln können, ein schön angepisster Shouter, der diese Bezeichnung zu Recht trägt, und Drums, die ordentlich Druck machen. Gleichzeitig hammerbrutal und super-eingängig, wissen die vier Songs (ein semi-akustisches Zwischenspiel hat sich dazwischen gemogelt) sowohl mit ordentlich Moshparts als auch schön schnellen, druckvollen Passagen zu überzeugen. Die vier Songs sind erste Sahne, ganz einfach!
A TRAITOR LIKE JUDAS machen nach einem gelungenen Intro mit schwedisch angehauchtem Metalcore weiter. Im Gegensatz zu UNDER SIEGE setzen die Braunschweiger fast ausschließlich auf hohes Tempo und klingen stark nach AT THE GATES, was sowohl an der Gitarrenarbeit als auch an Shouter Björn liegt, der die Rotzigkeit genau wie Tompa mit Löffeln gefressen hat. Harte, schnelle Parts wechseln sich mit melodischen Einschüben durch, die aber immer noch ordentlich Druck machen. A TRAITOR LIKE JUDAS sind ein Grund, warum manche Leute Metalcore als Thrash Metal oder Schwedentod etikettieren wollen. Kann man wohl so sehen, aber dann übersieht man die Hardcore-Moshparts und vor allem das ganze Drumherum. A TRAITOR LIKE JUDAS machen Metalcore, nicht mehr und nicht weniger - und das verdammt gut, so dass man der Split ohne Bedenken sein Gehör und Geld schenken kann!
Ich würde euch ja gern eine coole, vollständige Rezension über "Unusual" schreiben, aber das Exemplar, dass die Ungarn mir hier geschickt haben, war so störrisch wie ein Puszta-Hengst und hat in meinem CD-Player gehörig herum gebuckelt und gesprungen. Noch nicht einmal die üblichen Tricks haben geholfen, ab Album-Mitte bleibt das Ding unabspielbar. Was ich bis dahin hören konnte, groovt ziemlich - der Bassist kann slappen und "normal" spielen, die Breaks sind fein gestreut, folkloristische Flöten stimmen auf einen Crossover-Mischmasch in Slomo- bis Midtempo ein. Der Sänger hat eine höchst markante Stimme, die mich an den One-Hit-Wonder VIRGOS MERLOT aus den USA erinnert - alternativ auch an Sully Erna von GODSMACK, allerdings ein bißchen mehr over the top, ein paar mehr Höhen auf den Stimmbändern, und das nervt mich ab Song zwei dann doch. Aber macht auch den Wiedererkennungswert aus. Dieses Demo ist in Ungarn vor zwei Jahren schon als Platte erschienen, keine Ahnung, warum AEBSENCE erst jetzt an die europäische Öffentlichkeit gehen.
Beim ersten Hördurchgang hat mir das Herz geblutet: Nordirlands Band mit den schönsten Ohrwürmern hat sich vom Hitschreiben verabschiedet. Mit einer derartigen 180 Grad-Wendung, wie man sie nur ganz bewußt vollziehen kann, also nicht nur ein bißchen wie auf "Shameless", nicht mit einem Schritt zurück zu Rock mit ein bißchen Pop-Appeal wie auf "High Anxiety" sondern richtig, laut, krachig und dissonant genug, um Nachbarn zu ärgern und Mitbewohner zu vergraulen. Und auf dem Weg geht es jetzt weiter, geradeaus mit bewundernswerter Präzision und einer Kraft, die nichts mehr aufhalten kann, wie ein alter Pitbull, kalkuliert, kräftig und - wütend. THERAPY? machen im Jahre 2004 puren Noise - und nehmen dann doch wieder einen Gang zurück, so dass Songs wie "Perish The Thought" hörbar werden. Habe ich beim ersten Hördurchgang noch geglaubt, "This Ship Is Sinking" sei eine fatale Self-Fullfilling Prophecy, erkennt man später das geniale Liebesleid-Lied. Selten waren Andy Cairns und Co. so konsequent und persönlich. Der Titel ist Programm, sie wollen niemandem nix erklären, "Never Apologise Never Explain" ist so anti-kommerziell wie höchstens das erste Album "Babyteeth", ist im Songwriting und der Instrumentierung ziemlich retro, eine laute Mischung aus Punk, New Wave und ein bißchen zwischen allen Stühlen. Bis hierher kann man das also nur verknusen, wenn man selbst gerade schonungslose Musik über die Ungerechtigkeit des Lebens braucht. Aber jetzt kommt der Faktor ins Spiel, der mich meine Träne wegdrücken läßt. Denn Andy Cairns schreibt nicht nur geile Song-Zeilen we "I wanna get laid by the C.I.A.", sondern auch griffige Hooks, die das Innenohr auch dann nicht verlassen, wenn THERAPY? sie mit Absicht fies verbreaken, wie in "Rise Up". Und so habe ich heute den ganzen Morgen "Die Like A Motherfucker" vor mich hin gebrüllt, und werde heute abend noch "I start today" von "Long Distance" singen. Und recht hat er, der Andy Cairns.
Jugend trainiert für Olympia in der "Nordischen Kombination", in diesem Fall nicht auf Skiern, sondern in Sachen besonders wahrem Black Metal. Also nehmen sich CIRITH GORGOR natürlich einen Name aus Tolkiens Welten, ein möglichst martialisch-unkenntliches Titelbild und verzichten dankenswerter Weise auf Syntesizer und vergleichbare Grausamkeiten. Der richtige Ski-Anzug sitzt, ganz ohne Milka-Werbung. Für die Produktion wurde in diesen Zeiten digitaler Aufnahmetechnik tief in der Müllkiste des Studios gewühlt und noch ein paar alte Mikrophone gefunden, die Crash scheppert und klirrt übersteuert, die Bass-Drum klingt ein bißchen nach Waschmittel-Tonne, und das soll bestimmt so sein - ansonsten ist der Sound gar nicht so dünn. Skier sind gewachst. Die Gitarristen und der Schlagzeuger können spielen, den Bassisten hört man nicht - auf den Bretterln stehen die also Niederländer auch. CIRITH GORGOR haben seit 1993 nur noch so viele Gründungsmitglieder über wie MAYHEM - eigentlich müsste das reichen. Tut es aber nicht. Was sich wie der apokalyptische Feuersturm anhören sollte, ist mit einer feuerfesten Jeans spielend zu überstehen. Die Blastbeats sind schnell, aber jede zweite andere Blackmetal-Band ist genauso schnell oder schneller. Die Midtempo-Parts sind langsamer - aber nicht erhaben, nicht furchteinflößend, nicht prächtig. Die Platte ist nicht schlecht - verbreitet aber mitnichten Angst und Schrecken, schon gar nicht Dominanz oder so etwas. CIRITH GORGOR stehen in der Loipe und haben sogar shcon unter den Fittichen von Osmose Records trainiert, aber für die Olympia-Qualifikation müssen sie noch einen gehörigen Zacken zulegen.
Seit 2001 existiert diese Band aus dem sonnigen Sao Paolo schon, doch erst jetzt erscheint mit "Eyes Of Soul" ihr Debütwerk, für dessen Produktion und Mix Fabio Laguna (ANGRA) und Dennis Ward (PINK CREAM 69) verantwortlich zeichnen. Zumindest den ANGRA - Anteil hört man dem Album deutlich an, denn auch hier stehen symphonische, orchestrale und mitnichten immer kitschfreie Abschnitte dem ansonsten traditionell und leicht progressiv gehaltenen Metal gegenüber. Recht originell wirken die heimischen (Folk -) Melodien, die die Jungs ihrem Sound hinzufügen und die der Band einen ordentlichen Exotenbonus bescheren, wie man zu Beginn des Titeltracks hören kann. Im Ganzen eine solide Angelegenheit, die durchaus ihre Reize hat, würde Sänger Andre Ferrari (Kult!) nicht genauso hoch und nervtötend durch die Gegend quietschen wie sein Namensvetter Andre Matos. Nicht selten wird die Gitarrenfront durch dieses Gejaule unterdrückt und vielleicht hätte man den ähm… stimmgewaltigen Fronter etwas zurückmischen sollen, zumindest aber muss er an seinem Stil noch Einiges feilen. Auch beim Songmaterial gibt es noch genug Spielraum für Verbesserungen, aber mit dem tollen Song "Psychos Of The New Millenium" hat die Band eine schöne Blaupause dessen abgeliefert, zu was sie fähig sein kann. Daher bin ich mir sicher, dass EYES OF SHIVA mit ihrem nächsten Album noch einen Zahn zulegen können und solange belassen wir es bei "Eyes Of Soul" mit dem Prädikat "nett, aber nicht zwingend".
Die Blumen blühen, die Sonne scheint, und man sitzt nackig im Kreise seiner liebsten im Grase und schaut den Kindern dabei zu, wie sie in den Pool püschern. Lacht nicht, dieses bunte, 100% unschuldige Hippie-Flower-Power Gefühl transportiert zum Beispiel der Song "Games Of May". Die finnische Band um Mika Järvinen hat schon mit Nik Turner von HAWKWIND zusammengearbeitet, die gemeinsame Version von "Silver Machine" passt absolut in diese Scheibe, die stilistisch zwischen Psychedelic und erdigem Akustik-Rock pendelt. Wo man von HAWKWIND aber nackte Frauen im Drogenrausch auf der Bühne erwartet, sind FIVE FIFTEEN der fröhlich-frische Familienausflug. Die verschiedenen Sängerinnen, die FIVE FIFTEEN über die Jahre ihre guten bis genialen Stimmen liehen - aktuell Saana Koskinen - heben sich von Mika Järvinen so ab, als ob der quietschgelbe Bibo und Kermit der Frosch ein Duett in der amerikanischen Original-Sesamstraße singen. Für mich dunkle Lady ist diese Zusammenstellung also eigentlich viel zu bunt, zu fröhlich und verspielt, aber in diesem Sommer hat sie mir ein paar Regentage deutlich aufgehellt. Zusammenstellung? Ja, FIVE FIFTEEN haben über die Jahre diverse Line-Ups verschlissen, darunter AMORPHIS-Aushilfsschlagzeuger Atte Sarkima, und "The Man Who Sold Himself" ist das Best of des Backkataloges auf einem neuen Label, um die Band auch über die Grenzen Finnlands hinaus bekannt zu machen.
Öfter mal was neues. Selbst die ewig spaßpunkenden DONOTS greifen bei ihrer aktuellen Single mal wieder auf die gute alte Wandergitarre zurück und haben dabei mit "Good-Bye Routine" eine ganz flotte Akustiknummer zusammengebastelt. Insgesamt nicht schlecht gemacht, geht der Song aus dem aktuellen Werk "Got The Noise" trotz (oder vielleicht gerade deswegen) etwas anderer Art und Weise ganz gut ins Ohr. Besonders auch für die kräftezehrenden Liveauftritte der Jungs dürfte der Song zukünftig eine angenehme Verschnaufpause für die Fans bedeuten - denn Balladen gibt es ja bei den DONOTS (bisher noch) nicht. Für diesen Part ist dann ab jetzt das etwas melancholische "Good-Bye Routine" zuständig. Die Single erscheint auch als sogenannte limitierte Version, wobei hier neben den Albumtracks "Your Way Home" & "Hey Kids" noch die zwei neuen, unveröffentlichten Songs "Simple" sowie "Broken Hal"o mit drauf gepackt wurden. Mehr hierzu berichten kann ich leider nichts, da mir nur eine 1-Track-Promo CD (!) mit dem Titellied vorgelegen hat.