Auch wenn sie kommerziell nicht an die Erfolge anderer neueren weiblich gefronteten Gothic Rock/Metal Acts anknüpfen können, gehören TRISTANIA jetzt eigentlich schon so lange zu diesem Genre, dass sie sich um Plagiatsvorwürfe keine Sorgen machen müssen. Von einer ehemals sehr hart agieren Band wuchsen sie zu großen Komponisten mit hymnenhaft bombastischen Arrangements, um jetzt mit "Illumination" die Essenz daraus zu kondensieren. Der Sound ist nach dem - von mir wenig geliebten - "Ashes" wieder klarer geworden, musikalische Details finden sich nun in einem dichten Teppich von ähnlich gewichteten Instrumenten. Die klassischen Arrangements tauchen in sehr homöopathisch dosierter Elektronik zwar wieder auf, spielen aber eine untergeordnete Rolle. Der Gothic Metal auf "Illumination" ist nicht so verpoppt wie man vielleicht hätte befürchten können, aber klingt doch überraschend angepasst. Dieser Eindruck wird wohl vor allem durch das Fehlen von Grunts (nur SAMAELs Vorph darf "The Ravens" etwas aufpeppen), das durchweg langsame Tempo und auch den reduzierten Härtegrad verstärkt (ein Weg, den auch die Halb-TRISTANIA Band SIRENIA beschritten hat). Die Opener "Mercyless" oder das tolle "Sanguine Sky" in springen zwar in die Bresche und rocken recht problemlos und mit soliden Gitarren ins Ohr und gegen Ende des Albums wird mit "Sacrilege" durchaus ihrer epischen Vergangenheit gedacht - bei allen schönen Melodien die "Illumination" innewohnen, fehlt mir aber nach einigen Hördurchgängen die Tiefe. Durch den Weggang ihres männlichen Sängers, steht die Vokalistin Vibeke Stene stark im Vordergrund und gipfelt etwa im Anfang des sehr ruhigen "Destination Departure", das sich dem direkten Vergleich zur von Østen Bergøy gesungenen Balladen "Fate" stellt. Bestenfalls mag man die atmosphärischen Sounds auf "Illumination" und somit das Album, schlimmstenfalls ist einem TRISTANIA jetzt zu langweilig und soft.
Es ist sicherlich richtig, dass die GUANO APES damals der deutschen Rockszene den ein oder anderen Impuls gaben und sicherlich auch einige nette Songs in ihrem Repertoire zu finden sind. Der Veröffentlichungswahn ihrer Plattenfirma GUN steht aber nicht erst mit "Lost (T)apes" in keinem Verhältnis mehr zum Gewicht der Band. Wer nach Best Of, Single Compilation und post-Auflösungs-DVD seinen Schrank weiter füllen möchte, braucht definitiv ein noch dickeres musikalisches Fell. Denn "Lost (T)apes" blickt zurück auf die Anfängen der Göttinger Band. Zurück zu einer Zeit als die großen Studios für sie noch unerschwinglich waren und als Aufnahmemedium eine normale Kassette reichen musste - angesichts dieser Tatsache ist der Sound bisweilen aber erstaunlich gut. Ihre Songs klingen funkiger und auch Bassist Stefan Udes kann seinem Instrument noch deutlich mehr Raum geben als dies auf späteren Veröffentlichungen der Fall ist (man höre sich "Ignaz" oder "Wasserfliege" an). Etliche Tracks wirken verspielter, bisweilen aber auch verfahrener als dies später der Fall war. Es mag sozusagen musikhistorisch für Fans der Band interessant sein, wie sperrig "Open Your Eyes" oder "Maria" ursprünglich klangen, für den normalen Hörer bietet diese CD aber zu wenig Kaufanreize. Auf eine Ende dieser Leichenfledderei.
Bei ELECTRIC OUTLET handelt es sich um eine vierköpfige deutsche Formation, die sich sehr vertrackten, jazzigen Art Rock auf den Leib geschrieben hat. Dabei wird auf Gesang völlig verzichtet, lediglich ein paar verzerrte "Spoken Words"-Samples werden eingespielt. Leicht zu konsumieren ist "On!" keineswegs, sondern erfordert konzentriertes Zuhören und das "Verstehen" der Musik, obwohl lediglich klassische Rockinstrumente, nämlich Gitarre, Bass, Drums und Keyboard, zum Einsatz kommen. Trotzdem richten sich die durchweg schrägen Melodien und Songaufbauten eindeutig an Fans von Jazz und verwandten Genres. Normale Rockfans dürften mit "On!" nicht viel anfangen können, obwohl die vier Musiker ihr Handwerk hervorragend beherrschen und schon mit illustren Größen wie SAGA, KINGDOM COME oder sogar XAVIER NAIDOO und den SÖHNEn MANNHEIMS (Pfuibäh!) aufgetreten sind. Zweifellos eine objektiv sehr gute Scheibe mit hohem musikalischem Anspruch, aber ebenso zweifellos nicht die Baustelle von Ottonormalrocker.
Aus der Asche der Schweizer Band NUUK ist THE BEAUTY OF GEMINA auferstanden. Und auch wenn sich mit Sänger und Songwriter Michael Sele sowie seinen beiden Musikern Marc Vinzens und Martin Luziodas das gesamte Line-Up aus der NUUK-Vergangenheit rekrutiert, lege Sele nach eigenen Angaben wert darauf, dass THE BEAUTY OF GEMINA eine eigene und eigenständige Band sind. Trotz der Asche ist es aber kaum ein Phönix, der hier aufsteigt. Den Schweizern THE BEAUTY OF GEMINA fehlt nämlich die Farbenvielfalt des Fabelwesens. Denn bei aller Abwechslung ist der Farbton ihrer Kompositionen grau - durch und durch. Was der Titel "Diary Of A Lost" schon andeutet: Sie singen sie von Verlorenem und Einsamen - sowohl textlich als auch musikalisch dreht sich alles um diese Thematik. Es sind weitläufige, trostlose Soundscapes, der monotone und fast durchweg recht warme Gesangs aus Seles Kehle dominiert die meisten Tracks. Musikalisch durchbrechen bisweilen Gitarren ("Hunter") den Nebel aus elektronischen Klängen und lassen bei aller Elektronik einige Gothrock-Tracks auf dem Album erklingen. Das mit minimalistischem Electrobeat ausgestattete "One Step To Heaven" oder das ansatzweise in moderne EBM/Electro-artigen Gefilde tendierende "Victims Of Love" dürften in der ein oder anderen wavelastigen Tanzhölle toleriert werden. Das todtraurige "Forgiveness" könnte in cineastischem Kontext den Abspann eines Dramas untermalen, das härter aufspielende "Trapped" zeigt die Industrial-trächtige Seite der Schweizer. Diese Songauswahl deutet die Vielfalt der Band an, songwriterisch spielen die Schweizer auf hohem Niveau. Und wären unter den fast 70 Minuten dunkler Musik nicht auch Füller wie das abschließende und langweilige Instrumental "La Rève De L´Infidèle", hätte mich "Diary Of A Lost" wirklich überzeugt. Es brodelt ein kreativer Cocktail in dieser Band, lediglich einige Zutaten fehlen noch zum richtig guten Düsterdrink.
Die 1996 gegründeten FRANKENSTEIN DRAG QUEENS gibt es schon seit 2002 nicht mehr. Gründer und Bandkopf Wednesday 13 ist seitdem für die MURDERDOLLS, das Neben-Projekt des SLIPKNOT-Drummers, als Frontmann tätig und hat auch unter eigenem Namen bereits zwei Alben aufgenommen. Für die Fans der Ur-Formation hat das Dortmunder People Like You-Label jetzt das Debüt-Album, das 1996 nur in kleiner Auflage erschien und nicht mehr erhältlich ist, wieder aufgelegt. Zu hören gibt es natürlich den Sound, den man erwartet: Dreckigen Horror-Punk/Rock/Rock ´n Roll vom Feinsten, über dem Wednesday 13 wie ein überdrehter Alice Cooper morbide ins Mikro kreischt. Das macht im wahrsten Sinne des Wortes höllisch Spaß und dürfte besonders die Fans erfreuen, denen der Sound des 2004 erschienenen "6 Years, 6 Feet Under The Influence", für das altes FDQ-Material neu eingespielt wurde, zu differenziert war. Der Erstling wurde für diese Veröffentlichung zwar geremastert, hat seinen herrlich trashigen Sound aber nicht verloren. Außerdem gibt´s auch noch neues Cover-Artwork sowie sämtliche Texte mitgeliefert. Da es das schöne Stück dazu noch zum Midprice gibt, sollten Fans, die die Scheibe noch nicht besitzen, hier unbedingt zuschlagen.
Laut neuesten Berichten ist wohl die komplette Band von TRAIL OF TEARS während der laufenden Tour stiften gegangen, so dass Sänger Ronny Thorsen nun allein zusehen muss, wie es weitergeht. Auf ihrem neuesten Werk ?Existentia? sind aber noch alle sieben Bandmitglieder zu hören, was den Split doppelt schade macht, denn das Album ist echt sehr hochklassig ausgefallen. Zwar bewegt sich der ?Dark Gothic Metal? der Norweger immer ganz dicht an der Klippe zu überladenem Kitsch, was aber erstens ein generelles Problem des Genres ist, und zweitens bei TRAIL OF TEARS nur selten wirklich stört. Gerade Stilmittel wie der gezielte Einsatz von Breitwand-Synthies, die gemischt gegrowlten und gesungenen Vocals von Ronny Thorsen und Ex-GREEN CARNATION-Mitglied Kjetil Nordhus, sowie die vereinzelten Beiträge von der französischen Sängerin Emmanuelle Zoldan (beim gewöhnungsbedürftigen, teils elektronischen ?Empty Room?-hier gehen die Geschmäcker sicher auseinander, mein Fall ist die Operndiva naturgemäß nicht unbedingt) sorgen für Abwechselung und machen viele der Songs auf ?Existentia? zu kraftvollen, bombastischen Hymnen, die etwa an eine Mischung aus MOONSPELL und einer metallischen Version der SISTERS OF MERCY denken lassen, denn auch die fetten Doppelgitarren kommen bei TRAIL OF TEARS nicht zu kurz. Selbst ausgeprägte Gothic-Muffel könnten hieran Gefallen finden, denn die Band gehört mit flott ins Ohr gehenden Stücken wie ?Deceptive Mirrors?, ?My Comfort?, ?Decadence Becomes Me?, ?As It Penetrates? oder dem lupenreinen Hit ?Venom Inside My Veins? zu den stärksten Vertretern ihrer Zunft, was ?Existentia? zu einem Anchecktipp für die Zielgruppe macht. Hoffentlich kann Ronny und Co. mit einer neuen Mannschaft an diese sehr gute Arbeit anknüpfen.