RAFFLESIA haben sich nach einer Schmarotzerpflanze benannt, von denen eine Unterart die größten Blüten des Pflanzenreichs hervorbringt. Assoziationen zum Metalcore der Belgier mag da jeder für sich selbst bilden. Fakt ist, dass „Embrace The Final Day“ keine sonderlich neuen Sachen bietet und sich stark an NEAERA und Konsorten orientiert, aber mit guten Songs punkten kann. Die gehen gut nach vorne los, haben eine schön schwedisch-melodische Gitarrenarbeit („Sinner’s Cross“) und laden zum Körperteilbewegen ein. Die Produktion geht zudem mehr als in Ordnung, Rape Of Harmonies sei Dank, und drückt die Songs kraftvoll aus den Boxen. Einen richtigen Ohrwurm haben RAFFLESIA zwar nicht geschrieben, aber da sich die zehn Songs auf gleichbleibend hohem Niveau bewegen, sollten Metalcorler ruhig ein Ohr riskieren.
LYING APART aus dem schönen Oldenburger Land haben sich wie so viele junge Kapellen dem Metalcore verschrieben. „This Bleeding Misery“ ist ihr Debütalbum, dass sie im renommierten Soundlodge-Studio (OBSCENITY, GOD DETHRONED, DEW-SCENTED) mit einer ansprechenden Produktion haben versehen lassen. Die Band geht in den neun Songs (plus Intro) bei aller Härte sehr melodisch zu Werke, wie das die Landsleute von MAINTAIN auch machen. Dazu passt der immer wieder eingesetzte cleane Gesang, der vorwiegend in leicht pathetischen Parts zum Einsatz kommt, was die Songs auflockert und einen guten Spannungsbogen aufbaut. Und der Herr am Mikro versteht sein Handwerk, sowohl die cleanen als auch die aggressiven Tonlagen klingen sehr gut. Gleiches lässt sich vom Rest der Band sagen: alle Mann musizieren auf hohem Niveau, was „This Bleeding Misery“ zu einem angenehmen Hörerlebnis macht, zumal auch das Songwriting überzeugen kann. Da wird nicht auf stumpfen Metalcore gesetzt, sondern intelligent aufgebaute Songs präsentiert, die in dieser Form auch von etablierten Bands kaum besser kommen könnten. LYING APART präsentieren sich mit dieser Scheibe in sehr guter Form und bringen sich als Newcomer ins Spiel, den Corler im Auge behalten sollten!
MANY THINGS UNTOLD sind wie scheinbar alle Bands aus dem Rising Records-Stall verdammt jung, britisch und mit einer Vorliebe für brutale Musik ausgestattet. Die Kerle von MANY THINGS UNTOLD sind noch nichtmal volljährig, haben aber (laut Promozettel) schon mehr als 200 Konzerte gespielt und mit „Atlantic“ eine solide Debütscheibe eingezimmert. Im Gegensatz zu einigen ihrer Labelkollegen überfahren sie den Hörer mit ihren Songs (wie das TRIGGER THE BLOODSHED so gut können), sondern gehen fokussierter zu Werke. Dabei setzen sie alles ein, was im Metalcore gang und gäbe ist, inklusive cleanem Gesang (der mal richtig gut passt, wie bei „A World Apart“, und mal so ganz überflüssig ist), ohne dass der das Brutalitätslevel nach unten drücken würde. „Atlantic“ ist ein Metalcore-Brett, wie es von den Ami-Kapellen oder auch NEAERA nicht besser kommen könnte, und das dank des guten Songwritings weder langweilig noch abgedroschen klingt. Somit kann die Scheibe Genrefans bedenkenlos ans Herz gelegt werden. Wenn sich MANY THINGS UNTOLD noch weiter steigern, können sie eine große Nummer im Metalcore-Zirkus werden, Respekt dafür!
Eine reine Instrumentalscheibe haben die quasi-Bostoner CASPIAN mit „The Four Trees“ aufgenommen, die sie via Make My Day Records auf die Europäer loslassen. Bei einer Stunde Spielzeit gibt es schon mal nix zu meckern was „value for money“ angeht – in Zeiten von 25-Minuten-„Alben“ ist „The Four Trees“ Gold wert. Wäre aber nur halb so toll, wenn die Musik in den elf Songs nicht überzeugen könnte. Und genau da hakt es: im Grunde machen CASPIAN feinen Postrock, der das Wechselspiel zwischen brettharten Passagen und sphärischen Abschnitten gut beherrscht und auch ohne Gesang funktioniert. Aber auf Dauer gleichen sich die Songs zu sehr, nur selten taucht ein Part auf, der so noch nicht zu hören war, während es die meiste Zeit sehr ähnlich gestaltete Gitarrenwände, Riffs und Waberparts zu hören gibt. Dadurch plätschert „The Four Trees“ irgendwann nur noch vor sich hin und zieht ohne Highlights dem Ende entgegen. Vielleicht wäre weniger hier tatsächlich mehr gewesen…
Die Italiener von THY MAJESTIE waren, zumindest für mich, bisher ein eher unbeschriebenes Blatt. Nach etwas Recherche sowie einigen recht widersprüchlichen Reviewstudien zu den bisherigen vier Alben der Italiener "scheint" dies aber kein so großes Versäumnis gewesen sein. Die Band gibt es schon seit 1998, nach diversen Umbesetzungen haben sich die Herren laut eigenem Bekunden dem Symphonic Epic Power Metal verschrieben, in vielen älteren Berichten über die Band, werden stilistisch sehr starke Ähnlichkeiten zur Mutter aller Bombastmetalkapellen jenseits der Alpen, nämlich RHAPSODY OF FIRE festgestellt, aber wir wollen den Teufel nicht gleich auf die Tasten malen. Daher genug der wilden Spekulationen, hin zum aktuellen „Dawn“ von THY MAJESTIE sowie den ersten Hörendrücken dieses wohl erneut als Konzeptwerk ausgearbeiteten Werkes. Die beiden Vorgängerscheiben „Hastings 1066“ und „Jeanne D´Arc“ waren ebenfalls schon Konzeptalben, die Hintergründe zu „Dawn“ werden leider nicht näher erläutert, Texte gab es auch nicht, aber die Songs sind in drei Kapitel mit wiederum einigen Unterteilen aufgebaut. Die Befürchtungen sowie Vergleiche aus den Fremdquellen bestätigen sich dann zum Glück eher nicht. Bereits der mehr als solide Opener zeigt - dieses Sextett setzt nicht auf die meist etwas überladene Fantasy-Kitsch-Schose der vermeintlichen Vorbilder sondern kann doch viel mehr als aufgemotzten Hollywood Metal spielen. Es geht hier durchaus etwas anspruchsvoller zu, es wird eher eine, sagen wir mal leicht progmetallischere Ausrichtung mit starkem Hang zu neoklassischen Ausschmückungen geboten. Die ansonsten üppig erwarteten Chor- und Orchesterpassagen sind nicht so omnipräsent sondern werden eher sparsam, nicht zu aufdringlich eingesetzt. Zwar hat sich die Band in knapp 51 Minuten mit vielen „Chapters“ sowie Instrumentalteilen ausgetobt, aber diese kurzen Zwischenspiele passen einfach, klingen frisch und nicht nach konstruiertem Mittel zum Zweck. Bei den schnelleren Sachen lassen sich sehr positiv durchaus so manche Parallelen zu HELLOWEEN oder auch HAMMERFALL wie u.a. „As You Fall“ oder dem bärenstarken „Two Minutes Of Hate“ ziehen. Da geht es mit viel Tempo und Speedpowermtal richtig knackig zur Sache mit sehr griffigen Refrains, und einfacheren Songstrukturen, die Band lässt es dann einfach auch mal laufen. Die Keyboards sind zwar schon etwas im Focus aber trotz allem nicht zu nervig, auch die Streicherparts sind sehr songdienlich in Szene gesetzt. Dario Cascio der neue Sänger seit 2007 hat ein klares aber auch kräftiges Organ zugleich, glücklicherweise nicht die übliche "Marke Eierschneider" und braucht sich mit seinem eindringlichen Timbre auch vor einem JORN LANDE nicht zu verstecken, da kommt er stellenweise schon ran. THY MAJESTIE bewegen sich in den drei Hauptteilen des Albums durchaus unterschiedlich in der stilistischen Ausprägung. Zunächst eher etwas straighter, mit vornehmlich schnelleren Melodic Metal Sachen, dann im Mittelteil geht es eher etwas bombastisch, mit fetten fast schon pastoralen Chören („Of Pain and Disgrace“) zu, ist wohl auch eine Art Rückbesinnung an den früheren Bandstil. Im abschließenden dritten Teil und den letzten beiden Tracks wird es nochmals etwas abwechslungsreicher zu mit vielen verspielten Progparts, doppelläufigen Gitarrenleads, einigen überraschenden Breaks, Tempovariationen und sogar modernen Stimmverfremdungen beim Refrain. Neben dem virtuosen Tastenmann, der für viele symphonische Momente verantwortlich zeigt es aber nie damit übertriebt, versteht es auch die Gitarrenfraktion mit packenden Riffs und zahllosen klassisch geprägten Achterbahnfahrten sowie klasse Solis absolut zu überzeugen. So muss dies einfach klingen, die Songs haben noch genügend Power und werden nicht mit zuviel Beiwerk zugekleistert. Mit dem Tempokracher „Out The Edge“ ist sogar ein kleiner Hit für die heimische Metaldisco um die Ecke vorhanden.
Man muss diesen Herren aus Palermo daher abschließend zu einem rundum gelungenen Album gratulieren. Es steckt hier sehr viel Herzblut mit feinen Ideen sowie stimmigen Arrangements dahinter, das hört man mit jeder der zahlreichen Noten. Auch an Tiefe mangelt es gelegentlich nicht, wenn auch hier, meiner Meinung nach, noch die größten Steigerungspotentiale für die Zukunft liegen. Mit etwas mehr Atmosphäre sowie Seele an der ein oder anderen Stelle hätte es sogar zu einem Tipp gereicht. Der Labelwechsel sowie der Ausstieg eines der Gründungsmitglieder und die dadurch veränderte musikalische Ausrichtung haben sich anscheinend bezahlt gemacht. So gesehen kann ich THY MAJESTIE leider „nur“ den hochverdienten Einstieg in die Oberste Liga für Power Metal mit symphonisch-epischer Ausprägung bescheinigen. Und das ist doch schon mal was.
SKITSYSTEM und DISFEAR sind die Eckpunkte, an deren Sound sich ACHILLES LAST STAND orientieren, wobei die schwedischen Newcomer etwas mehr in die Hardcore-Ecke gehen. Ihren Biss, ihre Rotzigkeit und ihre Wut behalten sie jederzeit bei, bis auf den letzten Song wird das akustisch klargemacht. Dabei gelingt ACHILLES LAST STAND das Kunstück, die Songs so unterschiedlich zu halten, dass „The Dead Soil“ zu keiner Sekunde langweilig. No Fillers. Heraustechendes Merkmal ist der rotzige Gesang von Michael, der an den jungen Tompa erinnert. Seine Sidekicks peitschen die Songs unterdessen nach vorne und statten sie mit einem Groove aus, der das Bein wie von allein zucken lässt. Das ist Musik, die ins Blut geht, das ist Musik, die in einem schwitzigen kleinen Club gespielt werden muss. Sehr coole Scheibe, mit der die Schweden ein Ausrufezeichen auf die verbrannte Erde rotzen, die sie hinterlassen!