Jung, dynamisch, britisch, das landet anno 2008 scheinbar komplett bei Rising Records. NATO fallen die Kategorie, „Kill The Fox To Foil The Plan“ ist das Debütalbum der Twens. In den zwölf Songs zeigen sie sich von modernen Klängen Marke KILLSWITCH ENGAGE beeindruckt, ergänzt um Thras Metal und viel fiesem Gesang (der aber immer wieder durch cleane Parts unterbrochen wird) – nicht sonderlich neu, aber gut genug gemacht, um unterhaltsam zu sein. Nummern wie das heftige „Martyr Dying“ oder das melodische „Ballroom Dance With Angels And Demons“ (mit coolem Refrain) sind gelungene Metalcore-Nummern, mit denen NATO in der Zielgruppe punkten können und auch für Totmetaller genug Härte besitzen, um interessant zu werden. Pessimistisch könnte NATO unterstellt werden, dass sie einen Trend zu Tode reiten und dem Genre keine neuen Impulse geben, aber wer will schon immer Schwarzmaler sein? Eben. Also die Scheibe einlegen und genießen.
Torsten ist nominell nicht mehr der Unhold, AGRYPNIE sind aber durchaus noch Black Metal. Nicht im Sinne wüster Prügelkapellen des Genres – sie sind wohl eher Feingeister und schließen damit Teile der Lücke, die NOCTE OBDUCTA hinterlassen hat. Sehr auffällig: Torstens Stimme kommt wesentlich tiefer daher, ist zwar nicht unbedingt außerordentlich – löst sich aber so vom Vorwurf der Dani-Nachäfferei. Obwohl AGRYPNIE das gar nicht nötig hätten, denn außer stimmlichen Vergleichen waren sie schon seinerzeit meilenweit von den Briten entfernt. „Exit“ verfügt über einen fetten Sound und spannt den Bogen zwischen Raserei und sphärischen Stellen. So wird dem Hörer schlichtweg nie langweilig – der rote Faden aber geht ebenfalls nie verloren. Die elf aussagekräftigen Songs, samt und sonders deutscher Zunge, weisen eine enorme Bandbreite auf, wirken jederzeit, wenn nicht hoffnungslos, so doch unsagbar melancholisch. Von akustischen, ruhigen Momenten nimmt AGRYPNIE den Hörer mit auf eine Reise durch die Unsäglichkeiten der zeitgeistlichen Zivilisation, bis der vor Machtlosigkeit ausrastet. Auch die aggressiven Parts haben durch das echte Schlagzeug gewonnen – wie der Käufer mit dieser CD. Das Album ist eine weitere Steigerung gegenüber „F51.4“. Und deswegen ist dies Statement aus "0545" auch keine Lösung: „Nun stehe ich am Rande, Dieser einst so schillernden Stadt, Und schaue runter in die dunkle Tiefe, Mein Schritt nach vorn, Macht mich frei“ – geht lieber ins CD-Geschäft Eures Vertrauens.
Es ist mir ein völliges Rätsel, wie in Zeiten von Marktübersättigung, Rezession bei den Plattenverkäufen und Tränenbächen der Plattenbosse noch solch ein Murks veröffentlicht werden kann… pure Verzweiflung ob ausbleibender junger, viel versprechender Talente? Ein schlechter Tag beim Zuständigen für die Auswahl der zu signenden Bands? Oder waren gar abgelaufene Designerdrogen im Spiel? Keine Ahnung, nur eines weiß ich: „When Shadows Fall“, das neueste Album der griechischen Epic/Power/Bombast Metaller REFLECTION, ist wahrscheinlich das mit Abstand schlechteste Werk, das ich dieses Jahr zu Ohren bekommen habe. Da macht es fast schon keinen Spaß mehr, einen Verriss zu schreiben. Völlig lahme Riffs, null Dynamik, Quietschgitarren und Chöre, die so schief sind, dass die Band allein schon durchs pure Raten der korrekten Töne eher richtig liegen müsste. Hinzu kommt eine Produktion, die jeglichen Bombast, jeden Anflug von Power im Keim erstickt und nicht mal das Niveau mancher Demo-Bands erreicht, die ihre Werke am Heim-PC zurechtklicken. Speziell Griechenland zeichnet sich ja sonst durch seine nicht gerade wegweisenden, aber herrlich kauzigen Bands aus (BATTLEROAR, HOLY MARTYR,…), die alle trotz ihrer Affinität zum Underground wenigstens ein Mindestmaß an Qualität und oftmals deutlich mehr abliefern. Aber REFLECTION hauen so derbe an wirklich allen möglichen guten Ansätzen vorbei und schaffen es nicht, einen einzigen auch nur ansatzweise hörenswerten Song einzutrümmern. Doch alles Wehklagen hilft nix: vor einiger Zeit ging durch die Presse, dass amerikanische Soldaten mutmaßliche Terroristen in Kubas erstem Haus am Platze mittels alter METALLICA-Songs lautstark gefoltert haben sollen. Wenn die Jungs das „Black Album“ ab morgen gegen „When Shadows Fall“ tauschen, haben die armen Taliban echt nix mehr zu lachen…
Kaum zu glauben, dass die aus Australien stammenden SYNNOVE ein Ableger der Gothic-Doom-Deather VIRGIN BLACK sind, die ziemlich originell und intensiv zu Werke gehen. Doch was die beiden ehemaligen Schwarzjungfern Brad und Stephanie Bessell hier zusammen mit ihren Mitstreitern abliefern, ist allerhöchstens intensiv nervig. SYNNOVE praktizieren progressiven Black Metal, bei dem sich höllische Raserei, fieses Gekeife, pompöse Chöre und weibliche Arien die Klinke in die Hand geben. Eigentlich macht die Band dabei nix falsch und erinnert in ihren besten Momenten durchaus etwa an ältere CRADLE OF FILTH, aber die für meinen Geschmack arg höhenlastige, sehr monotone, undynamische Produktion ist für diese Art von Mucke nicht nur unpassend gewählt, sondern lässt besonders die klirrenden Gitarren und das derbe Gekreische zusammen genommen wie eine elektrische Kreissäge klingen, mit der in bester „Saw“-Manier gerade die Rübe malträtiert wird. Hinzu kommt, dass sowohl Gesang als auch Gitarren von vornherein grenzwertig schrill tönen, was von der Produktion noch verstärkt wird. Rein stilistisch könnte man „The Whore And The Bride“ also allen Freunden anspruchsvollen Black Metals zumindest mal zum Reinhören empfehlen, aber unterm Strich gibt es in diesem Genre momentan genug andere, besser umgesetzte Veröffentlichungen, was dieses Werk hier leider nur in der zweiten Reihe einordnet. Eigentlich schade, da SYNNOVE ganz sicher mehr könnten…
Normalerweise beschleicht mich stets eine gewisse Abneigung gegen französische Metalbands, weil im Land des Baguette-Konsums und der vorzeitig dahinoxidierenden Fahrzeugkarosserien die Ausschussquote im harten Sektor höher liegt als in vielen anderen Regionen. Ab und an schafft es aber mal eine Band, den Qualitätsstandard dieses Landes eine ganze Ecke nach oben zu katapultieren, wie etwa die genialen GOJIRA oder eben die 1999 in Lyon gegründeten THE OATH beweisen, die mit „4“ ihre – wer hätte das gedacht?! – vierte Veröffentlichung (vorher gab es zwei Demos und ein Album) loslassen, die es ohne Umschweife in sich hat! Die fünfköpfige Formation spielt symphonischen, recht progressiven Black Metal, der an spätere EMPEROR genauso erinnert wie an LIMBONIC ART, bisweilen auch melodische Death Metal-Einflüsse erkennen lässt und in Sachen Gesang sogar mitunter leicht Hardcore-lastig daherkommt. Das klingt jetzt nach nix Halbem und nix Ganzem, und meist verzetteln sich Bands, die in derart vielen Gefilden wildern, in ihren Songstrukturen und nerven nur noch, doch THE OATH schaffen es, aus diesem Mix mitreißende Songs zu kreieren, die in ihrer Dynamik oftmals DISSECTION- AT THE GATES- oder NAGLFAR-Niveau erreichen. Und genau das superbe Zusammenspiel aus hymnischer Aggression und melodischen Elementen macht Stücke wie „This Day“, „Unholy Blood“, „Dead Inside“ oder das geile, hitlastige und mit einem clean gesungenen Refrain versehene „A Question Of Faith“ (manche Metalcore-Humpentruppe wäre froh, wenn sie mal einen Songs schreiben würde, der nur halb so gut ist…) zu echten Perlen, die Fans aller oben genannten Bands unbedingt mal anchecken sollten. „4“ ist ein echter Geheimtipp!
Wann welche Scheibe von THE CHUCK NORRIS EXPERIMENT wo veröffentlicht wird, ist etwas verwirrend, aber nach „Volume! Voltage!“ ist „The Return Of Rock’n’Roll“ der zweite Longplayer, der im Briefkasten landete. In den elf Songs setzen die Göteborger Chucktators ihre Mission fort, die Welt mit rotzigem Punkrock auf eine Machtübernahme des einzig Wahren vorzubereiten. Oder so. Im Vergleich zum „Volume! Voltage!“-Langeisen fällt der Gesang auf dieser Scheibe etwas ab, klingt er doch zu gepresst-bemüht und kann an die eigene Leistung nicht anknüpfen. Ganz fies ist es bei „Less Than A Man“, da kommen selbst die Screams mekrwürdig kraftlos. Definitiv ein Schwachpunkt des Albums, gerade im Vergleich mit der Genre-Konkurrenz, es sei hier nur Biff Malibu genannt. Derweil kann die Gitarrenarbeit überzeugen und einige coole Riffs vorweisen, die aus vielen Songs echte Rotzrocknummern machen („Move Like A Machine“) und mit Könnern Marke NASHVILLE PUSSY mithalten kann. Den Vergleich hält der Drummer ebenfalls Stand, nur beim Songwriting haben die Schweden noch Schwächen, einige Songs auf dem 11-Tracker sind den berühmten Tick zu lang und werden dadurch etwas zäh. Doch da die meisten Songs gut rockende Nummern sind und sich mit dem Gesang leben lässt, ist „The Return Of Rock’n’Roll“ eine anständige Scheibe. Nicht grandios, aber gut.
Die Leute hinter LA VIEJA GUARDIA sind nicht mehr die Jüngsten, können dafür aber auf ordentlich Erfahrung bauen, die sie u.a. bei SLAPSHOT erworben haben. Die EP ist das erste Lebenszeichen der in Miami beheimateten Band und hat fünf gut nach vorne gehende Songs zu bieten, die duch die spanischen Vocals ungewöhnlich klingen, was bei beim old schooligen Hardcore der Truppe relativ egal ist. Auf die Fresse geben alle Songs und das ist die Hauptsache. Dabei immer schön prollig sein, mit markanten Gangshouts und Pitbullstimme. Ganz wie es sich für eine gepflegte Hardcore-Scheibe gehört, auf der sich keinen Deut um Trends gekümmert wurde, stattdessen wurde die kreative Energie ins Songwriting gesteckt, was sich ausgezahlt hat – die Songs machen Laune, sind ehrlich und direkt und atmen den Geist der guten alten Zeit. Schönes Ding.
In unserer niederländischen Nachbarschaft wird die SEAN WALSH BAND bereits als heißer Act in der Alternative Szene gefeiert. Dabei macht das Trio nichts anderes, als auf „timetravellersexmachine“ die End-Sechziger wieder aufleben zu lassen. Das allerdings mit soviel Schmackes und Herzblut, das man davor den Hut ziehen sollte. Bereits beim ersten Song „Mr. Crankypants II“ klingt es verflucht deutlich nach LED ZEPPELIN, das nachfolgende „Hey Babe“ ist noch eindeutiger Mr. JIMI HENDRIX anzudienen (wie auch das später kommende „Spoonful“). Würde man nicht wissen, dass das komplette Album als Reminiszenz an die entsprechenden Vorbilder gedacht ist, man könnte von bösem abkupfern sprechen. Aber Namensgeber Sean Walsh (Vocals, Gitarre, Harp), Mitstreiter Kai Liebrand (Bass, Kirchenorgel, Hammond, Akkordeon) und Edwin van der Burgt (Schlagzeug und Percussions) bedienen sich gewollt. Trotzdem legen sie vor allem bei den gerade entspannteren bluesorientierten Stücken (zum Beispiel das über 11-minütige „Sirkus“ und, nach einem LED ZEPPELIN Anfang „Cinderella Princess“) und den Songs mit Countryschlagseite („Last Man Standing“) Eigenes an den Tag. Das sie dabei eine gedankliche Zeitreise mit Erinnerungen und Aha-Effekten hervorrufen, samt leicht analog dumpf klingenden Sound und Psychedelicfeeling kommt gar nicht übel. Bemerkenswert noch das abschließende „One More For The Happy Few“, welches nach Countrystart als lockerer New Orleans Blues samt Bläser daherkommt. Wer vor allem auf Eigenständigkeit Wert legt, ist mit den Originalen besser bedient, keine Frage. Wer aber einfach mal nur guten Bluesrock aus dem Altertum hören will, darf bei der SEAN WALSH BAND ruhig mal reinschnuppern. Und Live müsste das ja sowieso gut abgehen – vielleicht hat ja jemand sogar was zum rauchen dabei.