Irgendwer bei People Like You ist offenbar schlecht im Rechnen. Das Dortmunder Label hat nämlich soeben das legendäre Debüt-Album der englischen Punkband THE ADICTS wiederveröffentlicht, und zwar als 25th Anniversary Edition. Allerdings gründete sich die Band bereits in den 70ern, und das Album ist 1981 erschienen. Das vermeintliche Jubiläum wird nichtsdestotrotz ausgiebig gefeiert. So hat die Band zusätzlich zum Re-Release das komplette Album auch noch einmal neu eingespielt. Wer sich zwischen den beiden Versionen nicht entscheiden kann, kann dann auch gleich zur Ultimate Edition greifen, die beide CDs plus eine DVD enthält. Und für die Old School-Fans gibt’s beide Aufnahmen auch noch als limitiertes farbiges Vinyl. Klingt alles ganz schön nach Ausverkauf... aber kommen wir doch mal zur Musik. Die ist nämlich über jeden Zweifel erhaben, und auch nach 27 Jahren zündet der gleichzeitig melodische wie oberdreckige Sound wie sonstwas. Mit dieser Scheibe haben die ADICTS einige ihrer größten Hits veröffentlicht, wie „Viva la Revolution“, den Titelsong „Songs Of Praise“ oder „Mary Whitehouse“. Aber auch der Rest kann locker mithalten, und so hauen die ADICTS 16 Songs lang eine Punkrock-Hymne nach der anderen raus. Durchhänger gibt es keine. Dabei funktionieren die Songs wahrscheinlich auch gerade heute noch so gut, weil die Band das ganze Punk-Ding nie so bierernst genommen hat und auch mal eine Geige oder eine akustische Gitarre eingebaut hat. Auch die Neuaufnahme wird dem Original absolut gerecht. Die Arrangements wurden leicht verändert, ohne dass den Songs etwas verloren geht, sondern es vielmehr neue Facetten zu entdecken gibt. Zum Glück wurde auch nicht überproduziert, sondern alles klingt weiterhin schön rau und dreckig. Egal ob in der alten oder der neuen Version – dieses Album hat es immer noch in sich und rockt wie Hölle. Ach ja: Die ADICTS spielen übrigens bis heute in Originalbsetzung. Ein Grund mehr, diese Scheibe zu feiern, Jubiläum hin oder her. Jetzt bleibt einem nur noch die Qual die Wahl, in welcher Variante man sich die Dröhnung geben will.
Die Zusammenarbeit mit Brant Bjork (KYUSS, FU MANCHU) hat dem Tirtelsong sicherlich gut getan, aber auch jetzt reisst die Treviso-Truppe nciht wirklich mit. Klar, das typische Klientel der halblanghaarigen Kiffer-Kolonne wird die müden Augenlider heben und ein "gar nicht übel" in die Rauchschwaden flüstern, echte Begeisterung sieht aber auch bei der verlässlich zugedröhnten Stonerfraktion anders aus. Da wabert also altmodischer Stoner-Rock, nicht unbedingt das Beste aus den Sechziger- und- Siebziger Jahren aus den Boxen - und wer Brant mag, wer eh immer bekifft oder voller LSD ist oder immer noch bei Jim Morrisson auf dem Père Lachaise sitzt, der hört sich diese Single sicherlich gern mal an - wenn er sich dran erinnern kann, wie seine Stereo-Anlage funktioniert.
Das Beste an dieser Platte: Sie ist umsonst als Download (www.ojm.it) erhältlich, sofern der geneigte Fan sie nicht käuflich als Vinyl erwerben will. Die Italiener vielleicht bereits mit Bands wie Nebula getourt, können das auch gern mitschneiden und aufnehmen und verschenken – das war’s aber auch schon. Der Sound des stonerigen Krautrocks ist sozusagen unter aller Kanone, entspricht vielleicht noch den Ansprüchen der Einflüsse – und das sind die Siebziger. Aber nicht die Wilden. Klar erinnert ein spaciger (oder zumindest abgedrehter) Song wie „Desert“ an THE DOORS, klar klingen die Jungs aus Treviso streckenweise wie QTSA - aber OJM erreichen keine Einzigartigkeit, bleiben beliebig und belanglos, da können schätzungsweise zwölf Gramm chemische Drogen nur leidlich helfen. Und auch nicht die Produktions-Mitarbeit eines MC5-Kollegen und auch nicht das MC5-Cover „Kick Out The Jams“. Immerhin scheint hier ein Auftritt in Frankreich in Gänze aufgenommen zu sein, entweder war niemand zugegen außer der Band – oder das Publikum hat vor lauter frischen Kräutern unter fröhlicher Gesichts- und Körperlähmung gelitten. Dann haben sie sich wenigstens nicht wissentlich gelangweilt.
Diese Band ist schlichtweg unglaublich: In Frankreich sind GOJIRA absolute Superstars, doch das hindert sie nicht, mit dem vierten Album noch extremer zu werden. Hier ist progressiv noch der Bedeutung entsprechend - nur klappt das hier eben auch ohne synchron soufflierenden Mathe-Lehrer mit dem Verständnis. GOJIRA sind Death Metal, Progressive, Avantgarde, moderner Thrash - sie sind alles: Anspruchsvoll, aber nicht selbstbeweihräuchernd, nachdenklich, haben immer eine Lösung parat, wirken dennoch nicht nie besserwisserisch. Auch Ambient-Parts aus dem Inneren eines Wals sorgen wie beim Titelstück für atmosphärische Abwechslung, die Musik bleibt insgesamt hintergründig und geheimnisvoll – gleichzeitig aber fast Hitparaden-verdächtig („Vacuity“). Sänger (und Gitarrist) Joe Duplantier, zuletzt auch bei Cavaleras Verschwörung tätig, tut es wa(h)lweise brutal genervt, nachdenklich melancholisch oder sphärisch entrückt, immer aber höchsten Ansprüchen genügend. GOJIRA sind wesentlich ernster als ZIMMERS HOLE, längst nicht aus chemisch wie MASTODON, nicht so mathematisch wie MESHUGGAH, nicht aus ausgeflippt wie SYL – und vielleicht deswegen noch besser als all die genannten Kapellen. Endlich mal eine Platte, die man zigmal hören WILL, weil man sie in ihre ganzheitliche Größe erleben WILL– und nicht nur deswegen hören MUSS, um sie überhaupt zu verstehen. Großartig, eben unglaublich.
RAT CITY RIOT haben auf ihrer 2007er Tour drei neue Mitglieder bekommen, was aber nicht zu einer Kadervergrößerung auf sieben oder acht Mann führte, sondern zu einem stetigen Austausch der Musiker. Wie groß der Einfluss der Neuen auf das Songwriting zu „Load Up“ ist, bleibt unklar, aber im Grunde konnte da nicht viel verändert werden. Wie gehabt gibt es rotzigen Punkrock, mit leichtem Hardcore- und Oi!-Einschlag, immer schön auf die Zwölf. Gesanglich nah bei NASHVILLE PUSSY, zeigen sich RAT CITY RIOT in der Lage, anständige Punkrocknummern zu schreiben, die Genre-Fans gefallen werden und alles aufweisen, was ehrliche Musik braucht: Blut, Schweiß und Bier. Mitgröhlparts gibt es zuhauf, die Gitarren braten ordentlich und der Sänger ist erwähnter kratzig-Whiskey-geschwängerte Rotzer. Soweit alles gut und da sich die Füller im Rahmen halten, kann „Load Up“ Interessierten ans Herz gelegt werden.
Jonas Renkse and Fred Norrman haben vor mehr als zehn Jahren OCTOBER TIDE ins Leben gerufen, um eine KATATONIA-Pause kreativ zu überbrücken, wobei damals nicht sicher war, ob die Pause endgültig oder nur vorübergehend sein würde. „Rain Without End“ ist überraschend nah am Sound der Hauptband, der Re-Release wurde zudem von Mr. Dan swnö himself aufpoliert. Da kann das Schlagzeug zwar noch etwas mehr Druck vertragen, aber die Gitarren und der Gesang wurden hervorragend ins Bild gesetzt und erzeugen eine melancholisch-düstere Atmosphäre, die an Perlen wie UNANIMATED, DECAMERON und natürlich KATATONIA erinnert. Der Gesang düster totmetallisch, die Gitarren traurige Melodien hervorbringen und das Drumming akzentuiert und angenehm zurückhaltend, bauen die Herren mit Leichtigkeit eine depressive Atmosphäre auf, die zur dunklen Jahreszeit passt. Zudem verstanden sie es, die Songs so unterschiedlich zu halten (im selbstgesteckten Rahmen, versteht sich), dass alle sieben eigenständig und faszinierend sind und gleichzeitig gemeinsam ein homogenes Klangbild aufbauen. Oder in kurz: „Rain Without End“ ist eine verdammt gelungene Scheibe, die die Düsterfraktion mehr als zufriedenstellen wird!
THE CASSIDY SCENARIO geben mit dieser EP ein erstes Lebenszeichen von sich und wollen Lust auf ihr Anfang 2009 erscheinendes Album machen. Mit nur zwei Songs ist der Appetizer ziemlich kurz ausgefallen, was angesichts des gebotenen Materials schade ist. Zwar bringt die Band keine übermäßig neuen Einflüss ein den Hardcore rein, aber die Mischung aus mal bollerigem, mal melodischem Hardcore, ergänzt um etwas Screamo, geht direkt ins Ohr und kann gerade bei der Gitarren- und Gesangsarbeit einen guten Eindruck hinterlassen. Hier sind Leute am Werk gewesen, die ihre Vision umsetzen konnten und in allen Belangen kompetent waren, bis hin zum Songwriting. Da auch der Produzent Ahnung hatte und der EP einen druckvollen Sound verpasst hat, geht die Chose voll in Ordnung und erreicht ihr Ziel: auf das Album wird gespannt gewartet.