Metalcore ist momentan am boomen wie bescheuert, wenn auch scheinbar nur aus zwei Regionen Bands kommen: einmal aus good old germoney (HEAVEN SHALL BURN, CALIBAN, DESTINY...) und dem Nordosten der USA, wo mit KILLSWITCH ENGAGE und SHADOWS FALL zwei der erfolgreichsten Bands des jungen Genres sitzen. Und eben UNEARTH, die bereits mit dem Vorgänger zu "The Oncoming Storm" mächtig Staub aufwirbeln konnten. "The Oncoming Storm" sollte die Sensation des Jahres werden, so eine Art "Perseverance" 2004. Hat nicht ganz geklappt, das mal vorweg. UNEARTH kommen nicht an die Wucht heran, die HATEBREED ausstrahlen, sondern haben sich auf dem melodischen Weg gemacht, teilweise klingt man wie IRON MAIDEN ("Zombie Autopilot"). Die ganzen Riffs sind dermaßen melodisch-schwedisch, dass ATG sich im Grabe umdrehen würden. Wucht und Power haben UNEARTH trotzdem eine Menge, das Energielevel wird konstant hoch gehalten (außer beim balladesken Aussetzer "Aries") und Shouter Trevor klingt trotz aller cleanen Anwandlungen und Passagen dermaßen angepisst, dass ich ihm nicht auf nächtlicher Straße begegnen möchte. "The Oncoming Storm" ist mitreißendes Album, das von der ersten bis zur letzten Sekunde hervorragenden Metalcore-Kost bietet, schlicht und ergreifend Wahnsinn, auch wenn sie das Genre nicht neu definiert haben. Aber für einen Platz ganz weit vorn in der Metalcore-Liga reicht es allemal - dieser Sturm kann kommen und wird euch umhauen!
SHADOWS FALL haben mit ihren letzten beiden Alben mächtig Staub aufgewirbelt und sich als der hoffnungsvollsten Bands der Ostküsten-Offensive (zusammen mit KILLSWITCH ENGAGE und UNEARTH) einen Namen gemacht. Mehr als 100.000 verkaufte "The Art Of Balance"-Scheiben sprechen Bände - SHADOWS FALL waren die erste Band von Century Media, die das geschafft hat. Die Videos zu "Destroyer Of Senses" und "Thoughts Without Words" liefen in den einschlägigen Sendungen hoch und runter und sind mittlerweile in meinen absoluten Top Ten gelandet.
Da sind die Erwartungen, Wünsche, Ansprüche an den Nachfolger verdammt hoch…
"The War Within" hat einige Durchläufe gebraucht und nicht sofort (wie sein Vorgänger das tat) gezündet, aber mittlerweile bin ich von der Klasse der Scheibe mehr als überzeugt. Die Amis um Mega-Dreddie Brian Fair (gleichzeitig auch einer der wenigen Männer mit Arschgeweih) sind ein Stück melodischer geworden und berufen sich öfter auf ihre Wurzeln im klassischen Heavy Metal, wenn die Jungs bei "Stillness" vor sich hinrocken, klingen sie original nach IRON MAIDEN. Die mittlerweile typischen Parts sind aber keineswegs verschwunden, sondern wurden in den facettenreicheren Gesamtsound der neuen Scheibe perfekt integriert. Super-eingängig sind die neuen Songs durch die Bank, was man bei "The Power Of I And I" und dem Knaller-Song der Scheibe, "Inspiration On Demand" am deutlichsten spürt - zweimal hören und man kann mindestens den genialen Chorus mitsingen. Dieser Chorus beinhaltet auch die Backing Shouts der beiden Gitarrenhexer, die insgesamt viel öfter mal ans Mikro dürfen und so neben ihren melodisch-brutalen Riffs noch einen großen Teil zum unverwechselbaren SHADOWS FALL-Sound beisteuern. Brian Fair experimentiert mit seiner Stimme und traut sich öfter mal aus dem Aggro-Bereich raus und in cleane, fast schon zerbrechliche Bereiche rein. "The War Within" ist eine dieser Scheiben, die man nach und nach aufsaugt und die sich dann im Hirn festbeißen. Eingängig, brutal, melodisch, emotional - einfach nur geil, geil, geil! Ein mehr als würdiger Nachfolger einer Ausnahmescheibe und definitiv eine der Platten des Jahres! Danke!
Vegan Straight Edge Metalcore - Geballer mit Botschaft. SENTENCE sind die erste mir bekannte Metalcore-Band aus Italien, aber das muss nicht viel heißen. Außerdem spielt das keine wirkliche Rolle, da der Haufen so konsequent nach Ami-Metalcore Marke HATEBREED klingt, dass ich auf der Website dreimal die Adresse gelesen habe. SENTENCE haben mit "War" eine nette, schön brutale Metalcore-Scheibe eingespielt, die zu Beginn etwas unter den langweiligen Songs krankt - die ersten drei Songs sind allerhöchstens Genre-Durchschnitt und entlocken mir nur ein Gähnen, aber im Laufe der Scheibe wird’s besser. Und wenn dann "Another Strife" zeigt, dass auch Edger schnell spielen können und "The Shy Kiss Of Destruction" mit wunderschönem cleanen Backing Vocals aufwartet, macht der Krieg langsam Laune. Da schleichen sich dann auch die ersehnten schwedischen Metalriffs in die Mucke ein und SENTENCE klingen mehr und mehr nach HEAVEN SHALL BURN als nach HATEBREED. Sänger Ale glänzt mit einer sehr coolen Metalcore-Röhre und kann im Vergleich mit Genre-Kollegen ohne Probleme punkten. Das gilt auch für den Drummer, während die Saitenwichser streckenweise zu einfallslos spielen, um sich wirklich in Szene setzen zu können. Hin und wieder blitzt halt mal Potential auf, aber leider zu selten. So bleibt "War" ein Werk mit Höhen und Tiefen, das aber immerhin Italien auf der Metalcore-Karte in Position bringt.
HOPESFALL sind bei Trustkill unter Vertrag, da ist ja schon mal klar, dass da nur Metalcore aus der Anlage dröhnen kann. Die Kanadier haben aber rechtzeitig (in den USA ist die Scheibe bereits seit einem Jahr erhältlich) erkannt, dass man als x-te HATEBREED-Kopie nicht mehr sonderlich aufregend ist und ihren Sound sehr eigenständig gemacht. Der Sänger ist zwar oft der typische Screamo-Kerl, kann aber auch verdammt gut clean singen, was er in den vielen ruhigen, melancholischen Parts vortrefflich beweist. HOPESFALL beherrschen das Zusammen- und Wechselspiel von ungezügelter Aggression und fast schon entspannter Melancholie. Das zieht sich durch die gesamte Scheibe, wodurch auf der einen Seite zwar viel Wucht genommen wird, das aber durch die gewonnene Vielschichtigkeit mehr als wettgemacht wird. HOPESFALL setzen sich dadurch wohltuend von der ganzen HC-Szene ab und haben ein eigenes Profil entwickelt, das sich hören lassen kann!
Bands mit zwei Shoutern haben bei mir generell mal einen Stein im Brett, ganz pauschal gesprochen. Auch DUMP YOUR LOAD gehören zu dieser (mehr oder weniger hehe) privilegierten Spezies und bieten auf ihrem 2004er Demo zwei Verbalakrobaten auf. Während der eine sich anscheinend auf den Screamo-Part konzentriert, ist der andere für den cleanen Gesang zuständig. Beide lösen ihr Aufgabe mehr als ordentlich und verleihen der Mucke ihrer Band eine sehr eigenständige Note. DUMP YOUR LOAD vermischen Metal und Hardcore, was anno 2004 nicht mehr soo die Sensation ist, aber das sollte keinen stören, der modernen Metal mit ordentlich Wumms sucht. DUMP YOUR LOAD geben selten einmal Gas, bei ihnen kommt die Power aus der Wucht, die sie aufbauen und wofür sie sich im Midtempo bewegen. Einziges Manko dabei ist der etwas bassarme Sound, der eigentlich ganz ok ist, den Drums nur etwas wenig Spielraum zugebilligt aus. Mit einer richtig fetten Produktion wäre da sicher noch viel mehr möglich. Die Songs sind voller Ideen und variieren geschickt das Tempo, klauen hemmungslos im Nu Metal (der Anfang des ersten Songs erinnerte mich am LIMP BIZKIT, aber ich bin in der Ecke totaler Laie), klassischem Metal und dem Hardcore, was zusammen einfach schöne Aggro-Mucke ergibt. Kann man sich anhören, macht live garantiert Laune und schlussendlich Appetit auf mehr.
Yeah, 22 Songs und kein Grindcore! Das ist mal selten, aber immerhin gibt’s von DEVILINSIDE Metalcore, also wenigstens etwas Core. Gebildet von Mitgliedern der mighty DISEMBODIED, wird weiterhin brutaler Metalcore geballert, der nur zur aktuellen Spitze des Genres nicht ganz aufschließen kann. Man merkt den Muckern die Erfahrung an und Songs wie "Burden’s Gift" oder das MACHINE HEAD-lastige "Conflicted, Conditioned" sind echte Live-Feger, da bin ich mir sicher. Die Produktion ist fett und wummernd, die Saitenabteilung brät gut und Sänger Jaime hat diesen typischen HATEBREED-Gesang wunderbar drauf, aber irgendwie ist "Volume One" zu gesichtslos, um wirklich aufzufallen. Und im Vergleich mit den aktuellen Krachern von UNEARTH, HEAVEN SHALL BURN und anderen ist diese Scheibe einfach zu berechenbar (trotz der vielen kleinen Zwischenintros, wie ich das mal nennen) und ein wenig zu berechnend. DEVILINSIDE werden durch ausgiebiges Touren sicher eine Menge Leute erreichen (ist ja eine Ami-Band, die touren sowieso acht Monate im Jahr), aber vor der heimischen Anlage schleicht sich ein wenig Langeweile ein.
Es ist mal wieder Zeit für den dicken Knüppel. Mit ex-NIGHT IN GALES und ex-SIX REASONS TO KILL Mannen im Line Up geht es entsprechend wenig zimperlich zu. Und doch beginnt "The Venom Divine" mit dem einzig unerwarteten Moment der CD, das elektronisch noisige Intro wird im Laufe der CD jedoch nicht weiter thematisiert. Ganz im Gegenteil. In erster Linie und bei aller Härte, groovt "The Venom Divine". Die schwedische Produktion hat vor allem den neo-thrashigen Gitarren genug nackenbrechenden Wumms gegeben. Das hat aber auch zur Folge, dass bei ebendiesen recht wenig variiert wird, doch hier springt ihr Drummer ein. Seine Leistung ist herausragend und er trommelt originell, hält die Truppe zusammen und setzt die richtigen Akzente. Vor allem ihr Sänger kokettiert mit Hardcore, brüllt die Jungs nach vorne serviert glaubhaft massig Power. Leider gibt es bei "The Venom Divine" aber zu wenig Details, die aus dem Rahmen fallen und zu oft das bekannte Schema F im Songwriting. DEADSOIL hatten wohl eher das kompromisslose Ganze im Auge, es scheint als hätten sie streckenweise Eintönigkeit in Kauf genommen. Wäre derzeit die Leistungsdichte im Metalcore nicht so unglaublich dicht, würden DEADSOIL sicherlich noch mehr auffallen.
Licht und Schatten, Höhen und Tiefen, Fillers And Killers, Altbekanntes und Neues. Machen wir uns Nichts vor, dass sind nur euphemistische Umschreibungen für eine mittelmäßige, durchschnittliche Platte (um was anderes geht es hier ja nicht). MISERY SIGNALS haben mit "Of Malice And The Magnum Heart" eine ebensolche Scheibe erschaffen. Metalcore, wie man ihn mittlerweile kennt. Mal gefühlvoll ("The Year Summer Ended In June"), mal moshend-brutal ("In Summary Of What I Am" oder "On Account Of An Absence"), aber mit viel zu vielen langweiligen Parts und Songs. Außerdem scheint die Combo die komplette Spielzeit über mit angezogener Handbremse zu agieren, wodurch schlicht viel Power verloren geht. Da hilft auch das Namedropping in Form von Devin Townsend (hat die Scheibe produziert) nicht mehr viel. MISERY SIGNALS sind fitte Mucker, knallen live sicher, aber "Of Malice And The Magnum Heart" zu kaufen, ist so sinnvoll wie eine dritte Ohrmuschel am Kopf haben zu wollen.
Die Heimat von Fish and Chips macht sich nun auch auf der Metalcore-Landschaft bemerkbar - wäre auch verwunderlich, wenn aus der Heimat von IRON MAIDEN keine neuen Metalbands nachwachsen, die modernen Sound spielen. BURNING SKIES ballern in bester Schwedentodmanier beim Titeltrack los, wobei Drummer Stu ein wenig hektisch wirkt. Shouter Merv hat aber mit Göteborg nicht viel am Hut und sich stattdessen ordentlich HATEBREED reingezogen. Jamie hat nun auch einen Bruder im Vereinigten Königreich hehe. Bei Songs wie dem stampfenden "Narcoleptic Suicide Attempt" wird die Verwandtschaft noch deutlicher, auch wenn Merv dabei mit Grind-ähnlichen Gurglern experimentiert und wie eine abgestochene Sau klingt. Das sind nicht die einzigen Ausflüge ins Ballergenre, an vielen Stellen haben die Briten einen schönen Blastpart eingebaut, was der Mucke richtig gut tut und verdammt ballert. Die Drums kriegen im Laufe der Zeit auch noch die Kurve und klingen von Song zu Song kontrollierter und facettenreicher. Die beiden Saitenhexer haben einige schöne schwedische Riffs im Repertoire, können sich aber trotzdem nicht großartig vom Standard-Metalcore-Schema lösen. BURNING SKIES haben dadurch neben ihren Höhen ("Forever Endeavour") auch einige Tiefen und so bleibt "Murder By Means Of Existence" ein ambitioniertes Metalcore-Scheibchen, dass sich mit den Werken der großen Bands wie BLACK DAHLIA MURDER oder DARKEST HOUR noch nicht messen kann, aber viel versprechende Ansätze hat.
Dreads bis zum Fußboden und einen wirklichen coolen Nachnamen. Da muss man eigentlich Rockstar werden. Auch wenn die zeitliche Abfolge und Kausalitäten vielleicht anders liegen mögen, "Like Sheep Led To Slaughter" ist das erste Album nach Jahren der Abstinenz, das ist Fakt. Frau Crisis hat neue Mitstreiter gefunden, CRISIS ist weg vom Goliath Metalblade, hin zum David End Records. Größere Änderungen am Konzept gibt es dennoch nicht. CRISIS machen noch immer unbequeme Musik. Wirres, komplexes Drumming, schräge Sounds und Vocals die ihre Weiblichkeit nur in wenigen cleanen Parts offenbaren. Deutlich weniger eingängig als es KITTIE versuchten, aber nicht gänzlich weltfremd wie die musikalisch oft gar nicht so weit entfernten NEUROSIS. Ihre Musik ist voller Abgründe, die ohne Effekthascherei und Oberflächlichkeit böse brodelt. Die Abwechslung liegt meist im Detail und unter einem Wust an undurchsichtigen Strukturen verborgen. Orientalische Harmonien bei "Nomad" oder unheilvoll schleppendes Tempo in "Corpus Apocalpyse" sind eher die Ausnahmen an leichter erkennbaren Ideen. Ein stressiges Erlebnis, dass keine Zeit zum Verschnaufen lässt. "Like Sheep Led To Slaughter" hat nichts von den vielen unbekümmerten Metalcore Veröffentlichungen dieser Tage, der Schwerpunkt liegt nicht bei zeitgemäßem Groove und fetten Gitarren. CRISIS ziehen ihr Ding durch, allzu viele Freunde werden sie sich damit aber wohl nicht machen.