Richtig anarchronistisch gingen CAEDES bei den Aufnahmen zu ihrer 2004er Promo vor. Statt ein etabliertes Studio zu entern wurde einfach im Proberaum aufgenommen. Gibt heutzutage nicht mehr viele Bands, die das noch wagen. Man muss beim Sound natürlich Abstriche machen, dafür klingt die Promo ziemlich authentisch und unverfälscht. CAEDES sind ziemlich junge Band, die auf dem momentan boomenden Metalcore-Zug aufgesprungen ist und ohne Zögern Metal und Hardcore mischt. Heraus kommen Songs, die ziemlich grooven, vertracktes (im positiven Sinne) Drumming haben und bei denen vor allem Sänger Paul ordentlich variiert. In den normalen Aggro-Parts ging er mir zwar tierisch auf die Nerven und klang wie eine schlechte WALLS OF JERICHO-Kopie, aber das dürfte ziemlich stark am Sound liegen. Wenn er zu clean-melodischen Parts ansetzt wird er aber richtig gut und lässt sein Potential erahnen. Das gleiche kann man über die drei Songs sagen: aufgrund des höchstens durchschnittlichen Sounds gehen viele Feinheiten (vor allem bei den Gitarren) verloren, aber es lässt sich das Potential erahnen, das in CAEDES schlummert. Die Band ist auf dem richtigen Weg. Das nächste Mal eine ordentliche Produktion und der Hase weiß, wo die Rüben sind.
Nach dem ersten Hören hatte ich FALL OF A SEASON als weitere US-Band eingeordnet. Ihr wisst schon, College-Typen, die brav aussehen, aber auf der Bühne die Sau rauslassen und ordentlichen Metalcore zocken. Bis sie 30 sind und sich ihrer Karriere widmen. Oder so. FALL OF A SEASON sind allerdings Deutsch, was an der Klasse der Mucke nix ändert. Und brav sehen sie auch aus, nicht einer mit langen Haaren. Aber Schwedentod-Riffs klauen! UNEARTH und DESTINY sind die beiden Bands, mit denen man FALL OF A SEASON sehr gut vergleichen kann. Bei Songs wie dem furiosen "A Kiss Bittersweet" rocken die Jungs dermaßen schädelspaltend los, wie es UNEARTH nicht besser können, um dann mit einem fiesen Break in DESTINY nicht unähnliche Moshparts zu verfallen. Die Gitarren sind auf jeden Fall hammergeil und klauen genauso bei schwedischem Melo-Death wie bei alten Metal-Helden, einfach immer eingängig. Sänger Sebastian könnte der Zwillingsbruder vom DESTINY-Shouter sein und hat für mich "die" Metalcore-Schnauze - genauso muss ein Sänger klingen, der es im Metalcore zu was bringen will! Die Songs auf "Decades In A Bleeding World" warten zwar mit keinen Überraschungen auf, sind aber allesamt ziemlich guter Metalcore-Stoff. Somit kein Grund für Metalcorler, die Scheibe im Regal verschimmeln zu lassen.
Metalcore boomt wie Sau, dass brauche ich dieser Tage wohl niemandem mehr großartig erzählen. Da wird’s auch Zeit, dass die mittelmäßigen Alben veröffentlicht werden und der boomende Trend zu Tode geritten wird. THE ACACIA STRAIN haben die üblichem Metalcore-Zutaten, wie sie auch HATEBREED nutzen, aber haben eine völlig langweilige und somit überflüssige Scheibe eingespielt. Um sich vom typischen Metalcore abzusetzen sind die Jungs viel in SloMo unterwegs und versuchen irgendwie heavy oder düster zu sein. Gelingt ihnen aber nicht, sind sie nicht. Sondern langweilig. Da helfen auch die paar cool rockenden Parts nicht ("Drawn And Quartered"), mir ging die Scheibe einfach nur auf’n Sack. Aber zum Einschlafen ist sie super… Ach so: Produktion wurde bei KILLSWITCH ENGAGE-Gitarrist Adam Dutkiewicz gemacht, der so langsam der Peter Tägtgren der Ostküste wird. Nützt nur nix, THE ACACIA STRAIN sind langweilig.
Genial oder wahnsinnig? Faszinierend oder abstoßend? Mitreißend oder unhörbar? CONVERGE wissen zu polarisieren - und das seit inzwischen 14 Jahren. Die einen vergöttern, die anderen hassen sie. Und das wird sich mit dem neuen Release wohl auch nicht ändern. Abwechselnd treffen Blast-Speed-Geknüppel, schleppende Passagen und chaotisch-verworrene Beats auf psychedelische Dissonanzen und hysterisch-aggressiven Schreigesang. Das ergibt einen zwar sehr eigenständigen und dunkel-atmosphärischen, für Nicht-Fans aber eben auch sehr anstrengenden Sound. Ich selbst zähle auf jeden Fall zur letzteren Kategorie, obwohl diese sehr spezielle Musik auch ihre faszinierenden Seiten hat. Man hat während der gesamten Platte das Gefühl, atemlos in einen Abgrund gezerrt zu werden. Mich persönlich begeistern allerdings die eher "gewöhnlichen" graden, und für Hardcore-Fans vermutlich eher uninteressanten, reinen Metalcore-Stücke, wie z. B. "Eagles Become Vultures", das einfach nur brutal nach vorne geht. Bei extrem noisigen Stücken wie dem Titel-Track muss ich aber passen. Das geht dann schon an die Grenze des Zumutbaren. Sehr schön wiederum ist allerdings das ruhige "In Her Shadow", ein für diese CD wirklich ungewöhnlicher Track, mit einem monotonen Akustik-Gitarren-Riff, psychedelischen Sounds im Hintergrund und mehrstimmigem, melodiösem Gesang (!), der auch auf einer End-60er PINK FLOYD-Platte sein könnte. Ob man sie mag oder nicht - in jedem Fall sind CONVERGE ein sehr intensives Hörerlebnis. Vor allem ist es schön, dass es noch Bands gibt, die eine extrem eigene Musik machen, ohne sich um irgendwelche Trends zu kümmern oder darum, zu "gefallen". Schön auch, dass sich das relativ kommerzielle Label Epitaph mit diesem Release mal wieder an völlig Massen-untaugliche Musik heranwagt. Auch wenn mir selbst CONVERGE ein Stück zu krank sind - wäre schön, wenn mehr derartig abgefahrene Platten veröffentlicht würden.
Letztes Jahr haben LIAR eine coole Split mit SUNRISE veröffentlicht, auf der die polnischen Edger neben der belgischen Legende bestehen konnte. Also mal abwarten, was SUNRISE auf ihrem neuen Longplayer machen würden. Jetzt wo sie mit Lifeforce ein ordentliches Label im Rücken haben, könnten SUNRISE echt durchstarten. "Traces To Nowhere" ist dann auch eine anständige Metalcore-Scheibe geworden, die neben traditionellem HC-Einflüssen auch viel im Heavy Metal verwurzelt ist und durch diese Mixtur weg vom stumpfen DISCHARGE-Geballer. Gerade die Gitarren dürften so manchem Fan alterwürdiger Metalbands richtig gut gefallen, würden sie SUNRISE ein Ohr leihen. Da steckt dann ordentlich Energie in den Songs und dürfte somit Fans von HATEBREED oder UNEARTH ansprechen. Das Einzige, was mir echt auf den Zeiger ging, war das eintönige Gebrülle von Pat, der sich mit erschreckend wenig Abwechslung die ganze Zeit über in einer Tonlage bewegt, was mich echt nervte. Klar, er klingt ordentlich angepisst (muss man als Edger auch, so ganz ohne Drogen hehe), aber immer die gleiche Stimmlage geht im Laufe der Zeit doch echt auf die Nerven. Auf der Split hat er noch einen besseren Job gemacht.
Hurra dem französischen Sprachfaschismus! BLACK BOMB A haben eine definitiv englischen Namen, aber eine rein französische Website. Na, wenn das für neue Fans nicht aufschlussreich ist, was dann? Gut, nicht weiter über Frankreich und Franzosen an sich aufregen, hier geht’s um die Mucke. "Speech Of Freedom" (warum denn kein französischer Titel, hä? Kommerz haha) ist ein echtes Brett und lässt immer wieder die Routine und Erfahrung der Franzosen aufblitzen, BLACK BOMB A haben schon einige Releases gemacht. Die Songs kommen schnell auf den Punkt, glänzen oft durch cool gesetzte Breaks und sehr eingängige Gitarren, die KILLSWITCH ENGAGE nicht besser machen können. Da wird auch mal ein dezenter HipHop-Beat genutzt ("Mary"), sehr cool. Das größte Plus sind aber sicher die zwei Sänger: einer klingt wie der GOREFEST-Shouter in seinen besten Tagen, während der andere Schreier eher wie eine fies keifende Frau klingt, so ähnlich wie die TOURETTE SYNDROM-Dame und kann in den cleanen Passagen richtig überzeugen. Nur geht mir der grunzende Gesang mit der Zeit ziemlich auf den Senkel und ist einfach zu eintönig. BLACK BOMB A haben einer Menge cooler Ideen, die sie aber ziemlich schnell verbraten haben und einige Songs dazu noch unnötig in die Länge gezogen, so dass sich zum Ende ein wenig das Gähnen einschleicht. Es gibt Scheiben, die definitiv zu kurz sind. "Speech Of Freedom" ist zwei, drei Songs zu lang, sonst wär’s ein Tip. So ist es "nur" eine gute Scheibe mit ein paar Füllern. Ist doch aber auch schon mal was. Und ihre Freunde im Metalcore-Lager wird sie schon finden.
DAS ist Metalcore. Hochspringen, schreien, bis die Halsschlagader anschwillt und der Kopf ganz rot wird. Und dann sich selig in die Adrenalin-geweiteten Augen gucken und sich über die Kraft des Moments freuen. Metalcore hat echt ein paar Dinge plötzlich möglich gemacht, die ich in dieser Breite noch in diesem Frühjahr nicht erwartet hätte. Clayton Kidd gröhlt da zeitweise heiser wie Schmirgelpapier durch die Gegend und schafft den Dreh zum lupenreinen Death-Gegurgel. Die beiden Gitarristen im Hintergrund pumpen und pumpen - und schaffen es gleicher Maßen, technische Florida-Frickeleien und tighte Schwedenhappen einzustreuen. Bisher mein absoluter Liebling in dieser Kampfklasse, vielleicht dezent hinter UNEARTH. Und sie kommen weder aus Massachusetts noch aus dem Ruhrpott oder Thüringen, sondern aus dem sonnigen Alabama. THE JUDAS CRADLE mussten aber schon eine unfreiwillige Ehrenrunde einlegen und einen dummen Umweg gehen, "Too Bad They’re All Dead" wurde nämlich schon im November 2003 veröffentlicht, und jetzt diesen Sommer noch mal bei Alveran Records im Ruhrpott-Underground. Soll uns nicht kratzen, diese Band geht so geil erfrischend ans Komponieren, dass jeder, der auch nur noch ein kleines bisschen Appetit auf derartige Mischmaschbands mit positiver direkt-in-die-Fresse-Energie hat, die Scheibe mal anchecken muss. Und garantiert eine der anderen Monats-Favoriten dafür stehen lässt, wetten?!
A TRAITOR LIKE JUDAS gehören - zumindest meiner Meinung nach - zu dem Besten, was Deutschland in Sachen Metalcore zu bieten hat. Nach der sehr coolen "To Desperate To Breathe In"-Scheibe im letzten Jahr ist die Split mit den nicht minder genialen UNDER SIEGE der neueste Release der Braunschweiger Moshcrew.
Die ersten fünf Tracks gehören aber UNDER SIEGE, die mit fettem Metalcore auf ganzer Linie überzeugen können. Genauso wie auf dieser Scheibe muss Metalcore klingen: brutale Gitarren, die zwischen klassischem Hardcore und alter Schwedentodschule hin- und herwechseln können, ein schön angepisster Shouter, der diese Bezeichnung zu Recht trägt, und Drums, die ordentlich Druck machen. Gleichzeitig hammerbrutal und super-eingängig, wissen die vier Songs (ein semi-akustisches Zwischenspiel hat sich dazwischen gemogelt) sowohl mit ordentlich Moshparts als auch schön schnellen, druckvollen Passagen zu überzeugen. Die vier Songs sind erste Sahne, ganz einfach!
A TRAITOR LIKE JUDAS machen nach einem gelungenen Intro mit schwedisch angehauchtem Metalcore weiter. Im Gegensatz zu UNDER SIEGE setzen die Braunschweiger fast ausschließlich auf hohes Tempo und klingen stark nach AT THE GATES, was sowohl an der Gitarrenarbeit als auch an Shouter Björn liegt, der die Rotzigkeit genau wie Tompa mit Löffeln gefressen hat. Harte, schnelle Parts wechseln sich mit melodischen Einschüben durch, die aber immer noch ordentlich Druck machen. A TRAITOR LIKE JUDAS sind ein Grund, warum manche Leute Metalcore als Thrash Metal oder Schwedentod etikettieren wollen. Kann man wohl so sehen, aber dann übersieht man die Hardcore-Moshparts und vor allem das ganze Drumherum. A TRAITOR LIKE JUDAS machen Metalcore, nicht mehr und nicht weniger - und das verdammt gut, so dass man der Split ohne Bedenken sein Gehör und Geld schenken kann!
Der Beweis, dass Mucker durchaus farbenblinde Einäugige sein können, liefern DEAD TO FALL mit dem Cover ihres neuen Albums "Villainy & Virtue" ab - das ist einfach nur häßlichbunt. Aber Mucker bezahlen wir nicht fürs schöne Cover, sondern für Krach und den bieten DEAD TO FALL auf der Scheibe ohne Ende. Vor zwei Jahren haben die Jungs aus Chicago mit ihrem Debüt schon ordentlich Staub aufgewirbelt und sich als hoffnungsvolle Metalcore-Band ins Gedächtnis gerufen, was sie auf der neuen Scheibe wieder aufgreifen. Hier trifft Death/Thrash, der ordentlich an alte DISMEMBER und ENTOMBED erinnert ("Bastard Set Of Dreams"), auf typische HATEBREED-Breaks und Moshparts en masse. DEAD TO FALL fühlen sich dabei in scheinbar allen Genres des extremen Metals zu Hause und haben auch vor nem ordentlichen Blast keine Angst, genauso wie traditionelle Gitarrenspielereien zaubern können, ohne dass eins von beiden aufgesetzt wirkt. So ist "Villainy & Virtue" ein brutales Metal-Album, dass gleichzeitig vor Brutalität nur so strotzt wie es melodisch ist, und das DEAD TO FALL mit einem selbstzufriedenen Lächeln zurücklassen wird.
Mit Roadrunner ein Label im Rücken, welches maßgeblich den modernen Metal geprägt hat. Mit Anders Friden (IN FLAMES) einen Mann an der Hand, der mit seiner eigenen Band einen phänomenal erfolgreichen Weg beschritten hat. Und vielleicht am wichtigsten: CALIBAN können mit der Überzeugung agieren, schon vor dem Boom im Metal- und Hardcore eine ziemliche hippe Band in diesem Land gewesen zu sein. Einzig das Timing der Band um Kajalstiftshouter Dörner scheint nicht ganz optimal, denn der Weg zum Hammeralbum der Amerikaner KILLSWITCH ENGAGE ist nicht sehr weit. Auch CALIBAN sind 2004 melodischer als sie es jemals waren. Nie waren ihre Gitarren gleichzeitig so brachial und doch so suchterzeugend schön. Die Abwechslung und der Wiedererkennungswert der ihnen live etwas abgeht, ist auf diesem Album massiv vertreten. "I´ve Sold Myself" steht stellvertretend für viele ihrer Songs: Schwedischer Death Metal, moderne Riffmonster und im Mittelteil detailreiche Gitarrensounds die sich ins Ohr fressen. Gleich um Klassen gebessert hat sich der Gesang. Obwohl ihm auch heiseres Schreien liegt, ist der Hübsche bei den cleanen Parts ausgesprochen treffsicher und ausdrucksstark, "Certainly... Corpses Bleed Cold" schlägt hierin ein neues Kapitel der Bandgeschichte auf. Natürlich ballern auch einige Songs ohne große Spielereien. Technisch gesehen bietet das Album Besserungen auf ganzer Linie, doch auch am Songwriting hat man gefeilt und kratzt mit "Diary Of An Addict" erstmals an der hohen Schule eines komplexen Songs. "The Opposite From Within" besteht selbst neben den vielen anderen Veröffentlichung dieses Genres eindrucksvoll.