Immer mehr Mäzene, oder sagen wir ruhig Geldgeber, haben den harten Rock als Hobby und Spielwiese für sich entdeckt. Da wäre einmal David Lowy von THE DEAD DAISIES, und auch der Bulgare Milen Vrabevski hat mit dem INTELLIGENT MUSIC PROJECT so ein Künstlerkollektiv geschaffen, das sich um ihn als Kern und Projektleiter schart. Mit von der Partie sind u.a. Carl Sentance (NAZARETH), John Payne (ex-ASIA) und auch "Ich singe alles, was nicht schnell genug auf die Bäume kommt" Ronnie Romero. Somit ist am Personal und selbstredend an dessen Performance auch kaum etwas auszusetzen.
"A Sense Of Progress" startet "The Creation" rockig, knapp an der Grenze zum Hard Rock, 38 SPECIAL oder LOVERBOY kommen mir so in den Sinn. Der Opener ist unspektakulär und fast eintönig. Überraschend ist hier Ronnie Romeros Gesang, der nahezu austauschbar und gar ein wenig kraftlos wirkt. Es ist überwiegend Radio-Rock enthalten, der manches Mal durchaus bereichernde Ideen bietet, wie z.B. bei "The Story" mit Klavierpomp und guter Gitarrenarbeit, wobei auch hier die Melodie knapp am Kitsch vorbei schrammt. Die gefühlvoll gesungene Ballade "Listen" überzeugt indes, nur leider mündet sie in ein an ELTON JOHN meets ASIA-Rührstück (“Your Thoughts") , welches zerrissen, aufgebläht und einfach als verzichtbar treffend beschrieben ist. War der Vorgänger noch gebunden und rund, so erscheint "The Creation" unausgeglichen, ziellos und zuweilen erschreckend belanglos. Unter den 12 Nummern sind zwei bis drei gefällige Songs; das oben erwähnte "Listen" und die dynamische, an RAINBOW mahnende (Video-) Single "I Know" gehören dazu. Sorry, das ist eindeutig zu wenig.
Über 30 Jahre beglückt uns die italienische Melodic Metal-Combo mit ihrer Definition von hartmetallischen Klängen. Soundtechnisch finden sich immer wieder progressive Parts, die durch die Hinzunahme eines Keyboards erzeugt werden. Erinnert öfter an Keyboard-Eskapaden à la DREAM THEATER, wobei die Gitarren eher den riffbetonten Part souverän übernehmen. Gesangstechnisch streift man gerne alte HELLOWEEN, wobei der Gesang von Michael Kiske eindeutig stärker zu bewerten ist.
Songs wie „Live Today“ gehen gut nach vorne ab und erinnern an GAMMA RAY und natürlich HELLOWEEN. Besonders der Refrain lässt an „Keeper I“-Zeiten erinnern. Hier liefern LABŸRINTH wirklich sehr ordentlich ab. Besonders gefällig sind die eingestreuten, softeren Parts, welche dem Song noch das Sahnehäubchen verpassen. Mit „One More Chance“ hat sich auch eine Halbballade auf „Welcome To The Absurd Circus“ eingeschlichen. Leider plätschert diese ein wenig belanglos durch die sechs Minuten. Hier fehlt einfach der rote Faden, den eine Halbballade auszeichnen sollte. Gefällige Keyboards und ein gutes Gitarrensolo retten den Song noch ins gehobene Mittelmaß. „Den Of Snakes“ präsentiert sich sehr bieder. Midtempo-Metal, der keine Angriffsfläche bietet, aber harmlos und kraftlos wirkt. Da gehen wir lieber zu Krachern wie „Sleepwalker“ oder „The Unexpected“ über. Hier können leichte STRATOVARIUS-Vergleiche angestellt werden, und hier stimmt auch das Songwriting, welches zwar nichts Neues bietet, aber immer souverän und professionell wirkt. Tja, und dann kommt „Dancing With Tears In My Eyes“. Ok, mit dieser Cover-Version hätten LABŸRINTH vor Jahren noch bei MTV gepunktet, aber braucht man in 2021 noch eine Cover-Version von ULTRAVOX? LABŸRINTH hauchen der Oberschnulze zwar noch ein wenig Leben ein, aber warum das Teil auf „Welcome To The Absurd Circus“ musste, das bleibt ein Geheimnis der Band. Das war jetzt der Part, den man als Metal-Redakteur schreiben muss – der inoffizielle Part ist: Ich liebe den Song und somit auch diese Cover-Version. Ich bitte vielmals um Vergebung, und Ihr habt dies hier nie gelesen!
„A Reason To Survive“ kommt ziemlich glattgebügelt aus den Boxen. Hier fehlt es an Power, obwohl die Hammond-Orgel wirklich sehr passend den Song einläutet. Eine 08/15-Ballade, die man hört und wieder vergisst. Hier können wir leider nicht mehr von Mittelmaß sprechen. Schade.
Insgesamt haben wir hier eine leidlich gute Scheibe, die viel Licht, aber auch viel Schatten vorweisen kann. Kann man halt kaufen, kann man aber auch lassen. Fans der ersten „Keeper“-Scheiben sollten mal reinhören, wenn sie keine Berührungsängste mit Keyboards und ein wenig Kitsch haben. Schlecht geht anders – richtig gut aber auch.
Entdeckt wurde das Duo Caro Loy (Gesang) und Kurt Bauereiß (Gitarre) vom in Metallerkreisen bekannten Produzenten Charlie Bauerfeind (unter anderem MOTÖRHEAD, BLIND GUARDIAN oder HELLOWEEN), und zur Verstärkung sind Oliver Holzwarth (bekannt etwa durch SIEGES EVEN und sein Live-Engagement bei BLIND GUARDIAN) und Drummer Bastian Emig ins Studio geeilt, um „To Cut A Long Story Short“, das Debütalbum von BRUNHILDE, auf Konserve zu bannen. Wer jedoch bei diesem Bandnamen an „True“-Metal, Drachenbefreiung und Jungfrauenerschlagen denkt, könnte nicht falscher liegen, denn hier gibt es kernigen Alternative-Rock zu hören, der etwas wie eine punkrockigere Variante von GUANO APES anmutet, nicht zuletzt durch die kraftvolle, raue Röhre von Frau Loy, deren großes Vorbild allerdings weniger Sandra Nasić, denn eher Nina Hagen (an die sie durchaus des Öfteren erinnert) zu sein scheint, deren 1993er Hit „So Bad“ hier auch ansprechend gecovert worden ist – sehr originelle Wahl. Unter den insgesamt 14 Songs befinden sich mit „Hell Or High Water“, „Where Are You Going?“, „All Is Lost“, „Come Out Come Out“, „Digging Bitches“ oder „It´s All Lies“ (balladesker Abschluss und mein persönliches Highlight des Albums) einige starke Nummern, die zwar allesamt noch den ganz großen Hit vermissen lassen, aber auch keinerlei grobe Ausfälle verzeichnen. Somit ist „To Cut A Long Story Short“ ein guter abendfüllender Erstling geworden, der aber noch Luft für Steigerungen lässt.
Ich war schon immer ein großer FIELDS OF THE NEPHILIM-Fan, aber auch ein Freund von feinen Death Metal-Klängen. Was passiert, wenn man beide Einflüsse miteinander kreuzt? Ja, dann passiert ein großartiges Album wie „Where The Gloom Becomes Sound“. TRIBULATION bleiben sich treu. Mal sind es progressive Parts, die in klebriger Atmosphäre ihren Ausweg durch das Tal des Todes suchen, und mal sind es einfach gnadenlose Gehirnfucks, die Dich verzweifeln lassen. Der scheidende Gitarrist Jonathan Hultén, der aus persönlichen Gründen TRIBULATION verlässt, hinterlässt ein Manifest der Genialität.
„In Remembrance“ beginnt als Opener in jedem Fall erschlagend. Beginnt der Song wie ein Orgel-Intro, werden wir sogleich eines Besseren belehrt. Die Gitarren schlagen eine breite Bresche und machen Widerstand sinnlos. Der Song drückt an allen Ecken und Enden, und die FIELDS-Vocals geben mir komplett den Rest. Was ein wahnsinniger Auftakt! Das muss ich unbedingt live sehen – besser geht das nicht! Auch bei den weiteren Songs setzt Sänger Johannes Andersson ein dickes Ausrufezeichen. Weitere Songs aus dieser Genialität herauszureißen macht keinen Sinn. „Where The Gloom Becomes Sound“ macht nur im Gesamtkontext Sinn. Der rote Faden spannt sich über die knapp 50 Minuten, und jeder Song hat seine eigene Geschichte und seine ganz speziellen Höhepunkte. Von absolut tödlichen Songs bis hin zu atmosphärischen Stampfern – das Album hat in jedem Bereich seine Momente, und diese werden gnadenlos ausgespielt.
„Where The Gloom Becomes Sound“ ist schon jetzt ein Highlight des Jahres und in der Diskographie von TRIBULATION eh ganz weit vorne anzusiedeln. Noch nie klang die Band so verdammt konsequent und tödlich wie in 2021. Hier sei wirklich jedem Freund der härteren Klänge dieses Meisterwerk ans Herz gelegt. Ob Doom, Dark Rock, Death oder Was-Weiß-Ich: TRIBULATION nehmen aus jeder Spielart einfach das Beste und setzten noch eine Sahnehaube obendrauf. Spannend wird, wie der Ausstieg von Jonathan verarbeitet wird. Bleiben TRIBULATION konsequent ihrem Stil treu, oder werden sie eventuell kommerzieller? Letzteres könnte ich mir fast vorstellen. Keine Ahnung, ob mich das enttäuschen oder dann ein Jahrhundertalbum folgen würde. Bei TRIBULATION lasse ich mich sehr gerne überraschen. Kann eh nur gut werden. Fazit: Mehr als ein Tipp! Kaufen!
Seit 2016 treiben VERA LUX ihr Unwesen auf den Bühnen von Mittelaltermärkten und einschlägigen Festivals, nun erscheint ihr selbstproduziertes Debütalbum „Aus dem Nichts“. Die Nürnberger präsentieren darauf eingängigen Mittelalter-Rock mit metallischem Einschlag. Der Opener und Titeltrack beginnt vielversprechend druckvoll und macht von vornherein klar, dass hier Wert auf eine gewisse Härte gelegt wird. Die leicht raue Stimme von Frontfrau Inara passt zu dem rockigen Gesamtklang, ergänzt wird das Ganze stellenweise durch männliche Gesangsparts von Arved in Form von Shouts, auf die man allerdings in Zukunft auch durchaus verzichten könnte, wirken sie doch eher etwas blass. Die einzelnen Lieder gehen mehrheitlich gut nach vorne, angetrieben von den mal metallischeren, mal Dudelsack-lastigeren Arrangements – da klingt durch, dass hier eine Band mit bereits mehrjähriger Live-Aktivität am Werk ist, die weiß, wie man das Publikum dazu bringt, sich zu bewegen. Insgesamt setzen VERA LUX auf flotteres Tempo, das bei Konzerten sicherlich Laune macht. Der mit Abstand eingängigste Song des Albums ist das melodiöse „Aus der Asche“, das sich schnell im Ohr festsetzt und sowohl vom Titel als auch vom Aufbau her gewisse Erinnerungen an die frühen SALTATIO MORTIS wachruft. Eine kleine Schwäche stellt die fehlende Abwechslung bezogen auf die volle Spielzeit der einzelnen Songs dar – im letzten Drittel bestehen einige Tracks nur noch aus immer weiter in die Länge gezogenen Wiederholungen, auch der Text hätte an der einen oder anderen Stelle etwas üppiger ausfallen können. Mehr Ideen oder auch schlicht eine Kürzung der einzelnen Songs hätten hier unnötige Redundanz verhindern können und den jeweiligen Liedern sicher gutgetan. Aber das ist ja das Gute an Debütalben: es erwartet niemand, dass sie perfekt sind, etwas Luft nach oben ist da völlig normal. VERA LUX beweisen mit „Aus dem Nichts“ auf jeden Fall, dass sie das Potential haben, in der Szene weiter von sich hören zu lassen, und man darf gespannt sein, wie die Band sich in Zukunft entwickelt.
MASON HILL kommen aus dem schönen Schottland und legen mit "Against The Wall" ihr Debütalbum vor. Der Longplayer kann sich hören lassen. Der Rock, den die Glasgower anbieten, ist versiert umgesetzt und ausgewogen dosiert. Stil und auch zuweilen die Gesangslinien von Sänger Scott Taylor erinnern an Chad Kroeger und somit an NICKELBACK, dazu addieren wir 3 DOORS DOWN und STONE SOUR - damit sind der Härtegrad und das Genre ganz gut wiedergegeben. Eine gewisse Frische und jugendlichen Ansporn haben sie darüber hinaus im Angebot. Aber wirklich neu und innovativ ist der Rock des Quintetts, der sich an der Post-Grunge-Ära orientiert, nicht. Das liegt mitunter auch daran, dass MASON HILL, partiell, schon um die 12 Jahre existieren und erst einige Schwierigkeiten überwinden mussten, bis sie 2021 endlich ihre Songs auf einem Tonträger veröffentlichen konnten. Dennoch, wer auf die oben benannten Bands steht und generell gerne gefälligen Alternative Rock mit viel Melodie und ein wenig Drama hört, darf durchaus mal ein Ohr riskieren.
Mit LAKE OF TEARS ist tatsächlich noch immer zu rechnen. Zehn Jahre nach der letzten Scheibe will die Band es nochmal wissen. Band? Nein, LAKE OF TEARS sind in der vergangenen Zeit auf das Level einer One-Man-Army geschrumpft. Daniel Brennare hat das Zepter an sich gerissen und versucht, mit „Ominous“ den alten Spirit aufleben zu lassen, bzw. sich neu zu erfinden.
Das Cover-Artwork lässt tatsächlich auf alte Zeiten hoffen. Zwei Raben lassen Cover-seitig eine düstere Stimmung entstehen, und man bekommt Hoffnung auf Meisterwerke wie „Ravenland“ von dem Klassiker „Headstones“. Leider wird einem dieser Zahn sehr schnell gezogen. Den Stil von LAKE OF TEARS würde ich heute im Bereich Gothic- oder Dark Rock ansiedeln. Besonders der Opener „At The Destination“ bekräftigt dies und kann desweiteren ein tolles Textkonzept vorweisen - durch das All zu reisen, und am Ende der langen Reise findet man einfach gar nichts vor, kann nur ein semi-gutes Erlebnis sein… Auf jedem Fall findet man von den guten, alten LAKE OF TEARS in diesem Song musikalisch keine Vergleichspunkte mehr vor. Man tendiert eher in Richtung SISTERS OF MERCY oder ANATHEMA, die mit PINK FLOYD in einer Bar bechern. Natürlich darf auch eine gesunde Prise Doom nicht fehlen. „One Without Dreams“ ist Trauer pur und wird instrumental eindrucksvoll vertont. Alles ist in einem spacig-rockenden Soundgewand eingefangen, und man nimmt Daniel seine Verzweiflung zu jeder Zeit ab. Da Daniel in der Vergangenheit mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, ist dieser unschöne Lebensabschnitt bestimmt auch in die Musik von „Ominous“ eingeflossen. Aus diesem Blickwinkel sollte man das Album auch betrachten. Es gleicht eher einer Selbsttherapie als einem kommerziellen Output. Einheitskost von der Stange darf man hier nicht erwarten und wird man auch nicht finden. Keiner der Songs ist leicht verdaulich, aber lässt man sich auf die Schwere von „Ominous“ ein, dann wird man reichlich beschenkt.
Fans der alten LAKE OF TEARS sollten in jedem Fall erst vorsichtig in das Album reinhorchen, da es viele neue und sehr düstere Seiten aufzeigt. Lässt man sich auf den neuen Sound ein, wird man mit einem schwergängigen und intelligenten Album konfrontiert. LAKE OF TEARS sind nie den leichten Weg gegangen, sonst hätte man nach „Greater Art“ und „Headstones“ einfach den Kurs beibehalten. Ich hätte dies befürwortet, da ich diese Alben heiß und innig verehre, aber mit dieser Zeit hat Daniel abgeschlossen und ist zu neuen Ufern gesegelt. Wie ich gelesen habe, ist „Greater Art“ von Daniel sogar in die Schublade „peinlich“ eingeordnet worden. Dem möchte ich vehement widersprechen. Klasse Album, aber auch „Ominous“ kann überzeugen, wenn man Lust auf eine andere Dimension der Traurigkeit hat.
Zu gut, um nicht geklaut zu werden: SHRAPNEL STORM beschreiben sich so: “Heavier than a sledgehammer, groovier than James Brown.“ Und dennoch kommen die Finnen kein Stück funky daher, im Gegenteil. Die vier Herren aus Jyväskälä (das, wo unter anderem Matti Nykänen, der selbstzerstörerische Skispringer, herkam) machen nämlich Old School Death Metal, tief verwurzelt in der 90er-Szene aus dem zu warmen Florida und mit vielen regnerischen Einflüssen aus England. Klar, dass einem OBITUARY und BOLT THROWER in den Sinn kommen. Superschwere Riffs, charmant-catchige Chorus-Zeilen und eben großer Groove, das sind die Zutaten der neuen Granatkartätsche. Die Artillerie aus Keski-Suomi feuert bereits seit 2006 aus allen Rohren, die Wirkung ist aber bis dato eher kläglich, weil es eben „nur“ zu vier Demos reichte, drei Singles und einer CD („Mother War“ von 2015). Jetzt also die selbstbetitelte zweite Full-Length. Und was für eine. Mittleres Tempo ist oft angesagt, weniger ist mehr. Aber diese rasierenden Riffs mit atmosphärischen Leads und wohltemperierten und gut gesetzten Blast-Ballereien sind sowas von lässig eingezimmert, dass es eine wahre Pracht ist. Boah, ey! „Perkele“, muss man schreien! Denn „bumm-bumm“ macht’s tüchtig im mittleren Finnland: Die Rhythmus-Abteilung verrichtet den Wehrdienst so zuverlässig, wie ein Panzer fleißig Kraftstoff verbraucht. Schon der Opener „The Burning“ walzt Dich nieder wie eine Tank-Kolonne deinen Kleinwagen an der Panzerringstraße auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne. An sich legen die Soldaten mit dem hellblauen Kreuz auf der Stirn auch keine Pause mehr sein, so simpel und gerade sie das alles tun, so effektiv sind sie dabei. Dazu trägt der fette Sound mit niemals zu klinischer Produktion seinen Teil bei. Muss ja, denn ohne geputztes Rohr zieht kein Krieger in die Schlacht. Diese gewinnen SHRAPNEL STORM, denn es wird nicht viele neue Armeen geben, die sich diesem Death Metal-Angriff in den Weg stellen können. Neue gibt es eh nicht, die alten müssen oft die Ketten erst noch mal ölen. Und die am besten geschmierte Kriegsmaschine steht ja wahrscheinlich für immer in der Garage. Vielleicht können die Jungs mit ihrem selbstbetitelten, starken Album und Hammer-Songs wie „First Blood“ den Schmerz wenigstens ein bisschen lindern. Ob sie nun grooven wie Herr Brown oder (ganz fast) wie BOLT THROWER.
Man mag es kaum glauben: satte 30 Jahre sind FIDDLER´S GREEN mittlerweile schon im Geschäft, haben sich dabei über die Grenzen Deutschlands hinaus einen Ruf erspielt und waren vom Wacken über das Pinkpop und das Sweden Rock bis hin zum Montreux Jazz-Festival auf einer langen Reihe höchst namhafter Festivals zu Gast. Nach einer so langen Karriere kann man durchaus mal zu den eigenen Wurzeln blicken, und genau das tun FIDDLER´S GREEN mit „3 Cheers For 30 Years“: zwar hat die Band mit ihrem Speedfolk ihren ureigenen Sound kreiert, ihre Wurzeln aber liegen im Irish Folk, dem sie auf dem jüngsten Silberling mit einer Sammlung von Traditionals huldigt, allesamt bewährte Live-Klassiker. Von flotten, punk-lastigen Klängen á la „Whiskey In The Jar“, Beschwingtem wie „Molly Malone“ oder „The Galway Girl“ (kein echtes Traditional, passt aber trotzdem) bis zu melancholisch-melodiösem Material wie dem wunderbaren „Wild Mountain Thyme“ und „Greensleeves“ ist alles dabei. „The Drunken Sailor“ ist ein regelrechtes Allstar-Projekt, bestehend aus Weggefährten der letzten drei Jahrzehnte – alle beteiligten Gastmusiker aufzuzählen würde den Rahmen der Rezension sprengen, deswegen mögen hier Micha Rhein (IN EXTREMO), Alea der Bescheidene (SALTATIO MORTIS), Eric Fish (SUBWAY TO SALLY), Thomas Lindner (SCHANDMAUL) und Holly Loose (LETZTE INSTANZ) als Beispiele genügen, auch wenn damit noch nicht einmal die Hälfte der Mitwirkenden genannt ist. Auch wenn die Corona-Pandemie den ursprünglich für das Frühjahr 2021 anberaumten Akustik-Tour-Plänen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat: die gute Laune, die FIDDLER´S GREEN bei ihren Live-Auftritten versprühen, springt auch beim Hören von „3 Cheers For 30 Years“ über und hilft so ein wenig, die anhaltende Konzert-Dürreperiode zu überbrücken. Cheers!
Was sagt Gitarrist Christofer Johnsson so schön zu seinem neuen Album „Leviathan"? „Wir haben beschlossen, den Fans das zu geben, nach dem sie schon so lange fragten. "Leviathan" ist das erste Album, das wir ganz bewusst mit THERION-Hits vollgepackt haben."
Mich hat keiner gefragt, denn ich hätte mir Hits aus der Frühphase von THERION gewünscht. Kennt noch einer „Symphony Of The Dead“ vom Überalbum „Beyond Sanctorum“? Das waren meine THERION, und ich habe es geliebt. Tja, THERION haben sich weiterentwickelt – für mich in die ganz falsche Richtung – eine unehrliche Richtung! Soll dieses künstliche Etwas etwa Metal sein? Sollen das Operneinflüsse sein? Jeder damalige Künstler, der sich an Opern versucht hat, würde sich bei diesem aufgeblähten Unsinn im Grab herumdrehen. Der im Allgemeinen gelobte Gesang von Thomas Vikström klingt wie eine überfahrene Zitrone, und die Gitarristen scheinen verlernt zu haben, dass eine Gitarre auch Krach und Melodien erzeugen kann. Sorry, aber ich kann diesem elitären Pathos nichts, aber auch gar nichts abgewinnen. Soundlöcher werden konsequent mit wild zusammengeschusterten Chören zugemüllt, und der weibliche Sologesang bringt einen an den Rand des Wahnsinns.
Eventuell kann man einem Einsteiger dies noch als Metal verkaufen, und dieser wird versuchen, diesen Mist noch gewinnbringend an Oma und Opa zu verkaufen. Nein, nicht mit mir. Für mich hatte sich das Thema THERION schon nach „Theli“ erledigt, aber ein Funken Hoffnung bleibt ja immer noch. Ich kann und will den eingeschlagenen Weg von THERION leider nicht verstehen - es ist eindeutig genug! Scheinbar gibt es ja ein paar Wahnsinnige, die sich diesen spannungsfreien Mist kaufen, sonst hätte Nuclear Blast bestimmt längst den Riegel vorgeschoben. Ich gehöre nicht zu dieser Gruppe und ehrlich gesagt: Ich bin verdammt stolz darauf!