Junge, Junge, was´n Cover: Nackte Amazone bringt männlichem Kopf den Tod, natürlich alles in immortaliger Gebirgslandschaft! Naja, aber sonst wirkt das Digi gut und schick – und vor allem bei Fans von melodischem Black- und Death Metal für Glück. Ganz platt: DEATH COMES IN WAVES sind eine angenehme Kreuzung aus IMMORTAL, AMON AMARTH und einheimischen Pagan-Bands. Ganz emotional: Mit ihrer Musik berühren die (ehemaligen) Ruhrpott´ler aus Recklinghausen mit simplen, aber effektiven Melodien, tun keinem Hörer weh, aber machen es ihm so richtig schön. Da fliegen die Leadgitarren, hoch droben die schneebedeckten Wipfel und Gipfel, kraftvolle Drums treiben die Songs über nicht allzu verschlungene Gebirgspfade, und ein wütender Wanderführer gibt mit heiseren Kommandos die Richtung vor. Nun muss man DEATH COMES IN WAVES aber nicht als reine Unterhaltungskapelle zum Biertrinken oder Methornheben abtun. Die Band traut sich an ein fast zwölfminütiges Opus „Was bleibt...“ heran. Und verhebt sich nicht. Der schleppende Song verbindet epische BATHORY mit harschem und paganeskem Black Metal, Chöre und Akustikparts unterschreiten nicht die nach unten offene Peinlichkeitsskala - und der Text vom Tod berührt sogar richtig. Gutes Album! Mehr Infos gibt es hier.
Vor zehn Jahren verstarb GARY MOORE, und spätestens ab da merkte man, welchen unersetzbaren Einfluss der irische Künstler auf Hard Rock, Blues Rock und die Gitarren-Kunst im Allgemeinen hatte. Die Familie des Bluesrockers öffnete die Archive und förderte unveröffentlichte Schätze ans Tageslicht, die nun als "How Blue Can You Get" veröffentlicht wurden. Aus welcher Schaffensperiode die acht Nummern kommen, bleibt unerwähnt. Das ist aber auch nicht wirklich relevant, denn Güte und Klasse hatten GARY MOORE-Songs immer, egal wann und egal, ob Blues oder Rock.
"How Blue Can You Get" ist ein Blues-Album, das schnittig beginnt ("I'm Tore Down", "Steppin' Out"), sich aber alsbald im entspannten, gelösten Tempo einpendelt. Das zum Niederknien schöne "In My Dreams" rechtfertigt nahezu allein die Veröffentlichung. Es zeigt Parallelen zu "Still Got The Blues", offenbart aber in der Gesangslinie, im Besonderen beim Refain, mehr Nähe zur Rock-Ballade als zur Blues-Klage. Der Longplayer strahlt eine gewisse Ruppigkeit im Sound aus, die ihm gut zu Gesicht steht. Indes gibt es kleine Brüche in der Homogenität; das brillant lässige "Looking At Your Picture" mit seinem reduzierten und unterkühlten Klang-Charakter fällt auf. Das ist ein Indiz dafür, dass die Songs aus verschiedenen Schaffensperioden stammen könnten. Dem Album schadet dieser erwartbare Umstand aber nicht.
Das Artwork und die Aufmachung des Longplayers gefallen. Es ist eine große Freude, "neues" Material von dem zu früh verstorbenen Künstler GARY MOORE zu hören. Es weckt Hoffnung, dass da noch mehr kommen könnte. In dieser Qualität und liebevollen Gestaltung ist das mehr als willkommen.
Man mag von dem Albumtitel halten was man möchte, aber frisch klingen BACKWOOD SPIRIT auf ihrem Zweitwerk „Fresh From The Can“ bestimmt nicht. Retro ist angesagt, und das zieht Sänger Göran Edman (u.a. YNGWIE MALMSTEEN) gnadenlos durch. Obwohl die Band in 2014 gegründet wurde, nimmt man den Jungs den 70er-Stil aber ab, da man altersbedingt auch einen Bezug zur Ära des Classic Rocks hat. Songs wie „Witchwood“ oder „Catch Your Fire“ scheinen aus einer anderen Zeit zu sein, und man erwischt sich immer wieder, Vergleiche zu BAD COMPANY, GLENN HUGHES oder alten WHITESNAKE zu ziehen. Die Gitarrenfraktion agiert entspannt, und Soli werden nicht nach der Menge der Töne, sondern nach dem gewünschten Feeling eingestreut. Auf „Fresh From The Can“ wird man keine metallischen Töne entdecken, aber dafür eine entspannte Blues-Marke, die ins Ohr geht und die Beine im Takt mitwippen lässt. Die Musik eignet sich besonders für die ruhigen Momente im Leben und überzeugt mit einer enormen Detailverliebtheit. Jede Note sitzt, und jede Strophe macht defititiv Sinn – das ergibt große Melodien einer (noch) kleinen Band. BACKWOOD SPIRIT sind nicht auf den langweiligen Zug der 08/15-Retro-Bands aufgesprungen, sondern sie leben und lieben diese Musik. Das merkt man in jeder Sekunde und bei jedem Riff. „Fresh From The Can“ wird nicht jeden Leser abholen, aber Fans von echtem und erdigem Classic Rock müssen hier ein Ohr riskieren.
CAMBION zeigen sich auf ihrem Debütalbum technisch versiert und haben es eilig – sehr eilig! Die Band macht in den knapp 36 Minuten keine Gefangenen und lässt kaum Zeit für eine Verschnaufpause. Man fühlt sich wie in einem musikalischen Düsenjäger beim Absturz in eine Felswand! Dies ist besonders den teuflischen Drums von Schlagzeuger Westmoreland geschuldet, der humorlos sein Instrument zur Schlachtbank führt. Die Saitenfraktion gleicht sich diesem enormen Tempo an und überzeugt mit wilden Riff-Attacken und kontrolliert-chaotischen Gitarrensoli. Sänger und Bassist Osmond will hier nicht ins Hintertreffen geraten und überzeugt mit MORBID ANGEL-Vocals im Stil von Steve Tucker. Will man die Band musikalisch einfangen, dann liegt man bei KRISIUN, SUFFOCATION oder ANGELCORPSE bestimmt nicht ganz falsch. Als Hörer muss man sich bei „Conflagrate The Celestial Refugium“ auf ein extrem anstrengendes und forderndes Machwerk einstellen. Hier sollte man tatsächlich den Kopfhörer nutzen, um alle Details überhaupt erfassen zu können. Das Album ist eine Kriegserklärung an alle melodischen Death Metal-Einflüsse und überrollt diese gnadenlos. Ich kann dieses Debüt allen Krachfetischisten empfehlen, die beim Geschwindigkeitsrausch auch noch ein Faible für ausgereifte Technik haben. Alle anderen Hörerschichten sind hiermit gewarnt – das Teil ist purer Death Metal und legt dabei noch eine Schippe drauf. Nur für die ganz extremen Genießer, aber diese werden im Schrank einen Ehrenplatz freiräumen müssen.
Schwermütige auditive Trostlosigkeit, die Spaß macht.
„Origins" ist eine Zusammenstellung von frühem WHITE WARD-Material mit herrlich epischen Blackgaze-Klageliedern.
WHITE WARD ist eine von diesen Bands, die verschwindend wenig mit dem Black Metal aus der ersten und zweiten Welle zu tun hat. Auf einem Bandfoto sieht man die junge Gruppe in einer U-Bahn. Dabei sehen sie so aus, als würden sie nach der Uni noch zum Poetry-Slam fahren. Das ist meilenweit entfernt von Corpsepaint und von skandinavischen Satans-Black Metal-Zirkeln mit Morden und Kirchenverbrennungen. Musikalisch haben wir im Prinzip die gleichen Zutaten, wie wir sie bei BURZUM, WATAIN und EMPEROR hören und schätzen. Aber was daraus geköchelt wird, ist etwas ganz anderes: ohne Punk und ohne rohe Räudigkeit. Und ich habe lange versucht, dieses Subgenre nicht zu mögen, weil es zu glattgebügelt ist. Wo kommen wir denn dahin: Hipster-Black Metal? Man stelle sich folgende Situation vor: Mr. „Satan“-Gaahl hätte im Jahr 2000 WHITE WARDs Interpretation von Black Metal gehört. Er hätte die Jungs mit einem abgetrennten Schafskopf windelweich geprügelt und sie angeschrien: „Zum Teufel, leg das Saxophon weg, und wo ist eigentlich Dein Pentagramm?“. Heutzutage würde Gaahl wahrscheinlich mit seinem Gläschen Rotwein schwenkend im Takt mitwippen, mit verträumtem Blick den Pinsel kreisen lassen und ukrainisch urbane Siedlungen malen. Viele Post Black Metal-Bands erzeugen einfach eine fantastische melancholische Atmosphäre und verbinden Härte mit Melodie, dass es eine wahre Pracht ist. Und so ist es auch bei WHITE WARD.
Sie wurden 2012 gegründet und spielten zu Beginn eher Depressive Black Metal. Nach einigen Kurzveröffentlichungen hatten die Ukrainer 2017 mit „Futility Report“ ihr erstes Album am Start. Inzwischen hatte sich ihr Stil weiterentwickelt und lässt sich als Post Black Metal oder Blackgaze kategorisieren. Sie entwickelten eine eigene moderne Fusion mit Ambient-Sound, Shoegaze und Darkjazz. Seitdem ist die Band unter Vertrag bei Debemur Morti Productions, einem französischen Label, das sich auf Black Metal und verwandte Genres spezialisiert hat. Tempowechsel, mehrstimmige Gitarrenwände und elektronische Effektgeräte sind auch im 2019er Nachfolger „Love Exchange Failure“ an der Tagesordnung.
Bei „Origins“ handelt es um die Demos, EPs und Splits, die vor ihrem ersten Album erschienen; wir erleben also die Anfänge von den Avantgarde-Black Metallern, noch ohne Saxofon, das den beiden Alben einen sehr charakteristischen Anstrich verlieh. 2016 wurde die Compilation bereits in digitaler Form veröffentlicht, und nun ist sie auf CD, Vinyl und Tape erhältlich. Das Line-Up wechselte, und vom Beginn der Truppe ist nur noch Songschreiber und Gitarrist Yuriy Kazaryan aus der kriegsgebeutelten ukrainischen Metropole Odessa übrig.
Die Compilation startet mit „Walls MMXV“, die Single-Veröffentlichung von 2015, wobei das Stück „Walls“ sowohl in der ursprünglichen Version, als auch in dieser moderneren Version vertreten ist. Eine interessante Idee, da so der stilistische Wandel verdeutlicht wird. „When Gift Becomes Damnation“ beginnt locker entspannt, dann überrumpelt uns ein explosiver Raserei-Anfall. Der Titel und das folgende „Inhale My Despair“ stammen von der Split mit SAUROCTONOS und SILENCE OF THE OLD MAN von 2012. „Inhale My Despair“ beinhaltet eingängige Bass-Grooves und Percussions, zuerst dachte ich an INCUBUS und Strand-Feeling. Die Drums sind knackig und sauber. „Drowned In Cold“ von 2014 beginnt jazzig relaxt; es wird aber abwechslungsreich mit schroffen Black Metal-Parts, elektronischen Klängen, ruhiger Gitarrenmusik und schließlich hymnenhafter tremolo-gezupfter Gitarrenarbeit. Die drei Songs von der EP „Riptide“ („Drowned In Cold”, “Nautical Child”, „Depths Of Arcane“) sind wütend und verzweifelt. Depressivität und verregnete städtische Isolation und Einsamkeit scheinen aus den Lautsprechern zu kriechen. Hin und wieder blitzen dabei ALCEST-typische Gitarrensounds auf, und in „Depths Of Arcane“ gibt’s elektronische Trance-Passagen. Mit „Walls“, „Guilty If“ und „World Of The Closed Graves“ wird es eine Spur roher; die letzten Songs von „Origins“ stammen von der EP „Illusions“ aus 2012. In „Guilty If“ begeistern schöne Basslinien und Soli der Leadgitarre, und effektveränderte Moll-Akkorde kitzeln im Ohr. Stimmlich klingen die letzten Songs anders als spätere Veröffentlichungen, die Vocals sind hier gepresst-knurrend. „World Of The Closed Graves“ hat doomig-traurige Zwischenparts.
WHITE WARDs Entwicklung und Veränderung des eigenen Stils in den ersten Jahren ist anhand der Compilation gut nachzuvollziehen. Es lassen sich Parallelen zu Bands wie DEAFHEAVEN, LANTLÔS, ANOMALIE, VIOLET COLD, NUMENOREAN und A LIGHT IN THE DARK ziehen. Ob Euch der Großstadt-Blues packt und derbe hinunterzieht oder doch kathartische Erlösung verschafft, müsst Ihr selbst entscheiden. Eine variationsreiche Ergänzung zu den beiden Longplayern von WHITE WARD ist „Origins" allemal!
Der umtriebige britische Keyboarder CLIVE NOLAN (u.a. ARENA, PENDRAGON) veröffentlicht mit "Song Of The Wildlands" ein durchaus als ambitioniert bezeichenbares Album. Der Longplayer basiert auf einem der wichtigsten Epen altenglischer Literatur – dem angelsächsischen Werk "Beowulf", welches sicher vielen auch durch seine mehrmaligen Verfilmungen bekannt ist. Der 60-jährige Tastenkünstler erzählt diese Geschichte nicht nur musikalisch, nein sondern auch mit Spoken-Words-Passagen zwischen jeder Nummer. Das trägt zur Verfolgung der Story bei, behindert aber den Hörfluss. So erinnert das Werk, zu Beginn, an MANOWARs unsterbliches "Defender", nur eben ohne MANOWAR und deren Heavyness.
"Song Of The Wildlands" positioniert sich zwischen Film-Score und Hörspiel. Es wird neben dem Keyboard überwiegend symphonisch und folkisch musiziert, mal spärlich instrumentiert mit einzelnem Gesang (sowohl weiblich als auch männlich), mal opulent mit mächtigen Chören. Die Melodien sind gefällig, pathetisch, und alles wirkt recht theatralisch. Das Albumkonzept ist durchaus originell und mutig, es hat aber musikalisch nichts mit Metal zu tun. Aber gerade Rock- und Metal-Fans sind oft überraschend breit und vielschichtig interessiert, und rein thematisch ist diese epische frühmittelalterliche Heldengeschichte genau das richtige für Gothic-, Folk- und Metalfans.
So genretypisch der vollgedröhnte, steinige Doom, so variantenreich seine Formate: Der HORSEHUNTER-Live-Vierer ist als Digisleeve-CD, in braunem oder schwarzem Vinyl erhältlich, vor allem aber als Teil eines 4-CD-Hardcover-Art-Books, in dem sich auch die Label-Kollegen ELEPHANT TREE, DOMKRAFT und SUMMONER präsentieren. Die Live-Konserve stammt – natürlich – von den „Days Of Doom“, einem Label-Showcase in der trefflich passenden „Saint Vitus Bar“ zu Brooklyn, New York. HORSEHUNTER machen keinen Halt vor 08/15-Stoner-Doom, sondern reichern die Chose mit Sludge-Klatsch und -Mohn an. „Witchery“, gute zehn Minuten lang, erstaunt beispielsweise mit erstaunlich harmonischem Einstieg, den auch der kehlig-hysterische Gesang nicht zunichtemacht. Und macht fast ein bisschen gute Laune mit seinen schweren Riffs, die gemeinsam mit mächtigem Wumms für eine erstaunlich lockere Atmosphäre sorgen. Man muss also nicht nur Angst haben, sondern kann auch mal das Tanzbeinchen schwingen. Oder beide. Und einen besseren Titel für einen HORSEHUNTER-Song als „Stoned To Death“ kann es sowieso nicht geben. Außerdem bedienen die Australier auch Fans von NEUROSIS und Co.. Wenngleich der angedrohnte Beginn sicherlich noch recht verträglich rumpummelt. Aber: der Gesang klingt plötzlich wie von einem irren Pfarrer und Professor Hastig in einer Person, und die Tempoverschärfung macht den Song nach gut sechs Minuten zu einem echten Hit. Also, wenn das Prädikat für einen 16-Minüter erlaubt ist. Der allgegenwärtige Groove lässt einen automatisch die Augen schließen, und wer Lust hat auf einen Kräuter-Pimango, der dürfte dieses Verlangen nach diesen vier mächtigen Langmachern und gut 40 Minuten nicht verloren haben. Gute Songs, gute Platte: Langeweile ist woanders – spürbare, echte Live-Atmosphäre allerdings auch. Hier findet Ihr mehr Infos.
Vor ca. zwei Jahren debütierten TIMELESS HAUNT mit ihrer EP „Haunted Symphony“, welche ich zwar nicht als schlecht, aber auch als etwas zerfahren empfand. Nun kommt also das erste Full-Length-Album um den „Unknown Vocalist“ über den großen Teich, und es ist eine massive Steigerung zum Debüt. Das Werk ist viel kompakter, und man konzentriert sich auf seine Stärken, die da im klassischen US Metal liegen. Dieser wird allerdings recht modern und sehr düster interpretiert. Die geisterhafte Stimmung zieht sich durch das ganze Album und verleiht „Dark For Life“ ein ähnliches Flair wie den Mid-90er-Scheiben von KING DIAMOND. Annäherungsweise fielen mir auch düstere WINTER’S BANE oder RADAKKA ein. Alles in Allem klingen TIMELESS HAUNT jedoch sehr eigenständig und haben einen musikalischen Gruselfilm geschaffen, der über Kopfhörer seine wahre Pracht entfaltet. Neben kraftvollem Midtempo-Metal schrecken TIMELESS HAUNT aber auch nicht vor kurzen thrashigen Ausbrüchen oder progressiven Abfahrten zurück.
Neben dem spooky Opener „Embrace The Haunt“ hat es mir vor allem das abwechslungsreiche „Sinful Girl“ angetan. Dort zeigt Mr. Unknown auch seine beeindruckende Range.
Überraschend und dennoch nicht als Fremdkörper erweist sich das am Ende platzierte CHRIS ISAAK-Cover „Wicked Game“
Mit „Dark For Life“ ist TIMELESS HAUNT eine düstere und doch klischeefreie US Metal-Scheibe gelungen, die sich erfrischend individuell anhört.
Vor drei Jahren wurde im Headquarter von Frontiers Records eine logische Idee geboren. Kein Metal-Fan kommt an QUEENSRYCHE und somit an den Glanztaten mit GEOFF TATE vorbei – und wenn sich die Fronten nicht glätten lassen und eine Reunion scheinbar unmöglich erscheint, dann macht man auf einem anderen Weg das Unmögliche wahr. Somit war SWEET OBLIVION FEAT. GEOFF TATE geboren und sollte für alle Freunde der ersten vier QUEENSRYCHE-Göttergaben eine Offenbarung versprechen. Dümpelte Tate vorher eher in belanglosen Soloprojekten und Kooperationen, dreht er auf dem zweiten Longplayer von SWEET OBLIVION FEAT. GEOFF TATE hörbar auf.
Im Gegensatz zum Debüt war Tate bei „Relentless“ in das Songwriting involviert und konnte die Musik mehr auf seine Stimmlage ausrichten. Das Album besitzt eine gewisse Grundlagenspannung, die man von „Operation Mindcrime“ kennt und liebt. „Relentless“ ist aber keine reine Kopie der erfolgreichen QUEENSRYCHE-Ära, sondern kann für sich, als eigenes Statement, stehen und bestehen. Der Opener „Once Again One Sin“ erinnert zwar sofort an die „Empire“-Phase, kommt aber etwas härter und direkter aus den Boxen. Trademarks wie gesprochene Lyrics und Keyboards, dürfen natürlich nicht fehlen und sorgen für die typische Tate-Gänsehaut. „Strong Pressure“ nimmt den Ball auf und überzeugt mit Tates gewaltiger Stimme und mit einem einprägsamen Refrain. So will man QUEENSR … ääähhh… SWEET OBLIVION hören! Weiter geht es mit Songs, die alle auf „Operation Mindcrime“ oder „Empire“ stehen hätten können. Leider geht die Band aber nicht ganz so verspielt vor wie auf den Vorbilder-Alben, aber darum geht es auch nicht. Die Songs sind eigenständig und perfekt arrangiert, und der Vergleich mit den alten QUEENSRYCHE ist nicht zu verhindern. Dies ist Tates Stimme geschuldet, der auf „Relentless“ eine geniale Melodie nach der anderen raushaut und wesentlich ambitionierter als in der jüngeren Vergangenheit erscheint. Stirnrunzeln kommt nur bei dem italienisch gesungenen „Aria“ auf. Die Stimme vermag irgendwie nicht mit der gewagten Sprachwahl zu verschmelzen, und es verbleiben Fragezeichen. Komisch, aber Englisch scheint irgendwie doch die Sprache der Rockmusik zu sein. „I´ll Be The One“ ist eine typische Ballade, die ohne die Stimme von Tate wahrscheinlich in Vergessenheit geraten würde. Musikalisch eher belanglos, aber stimmseitig natürlich wieder großes Kino. Der Rausschmeißer „Fly Angel Fly“ überzeugt wieder vollkommen. Schon die Anfangsmelodie kann nur an eine Band erinnern – QUEENSRYCHE, so wie wir sie in Erinnerung haben. Hier darf ruhig mal eine Freudenträne verdrückt werden!
Natürlich kann „Relentless“ nicht die Qualität von „Operation Mindcrime“ oder „Empire“ erreichen (Einflüsse aus den ersten QUEENSRYCHE-Releases kann ich nicht entdecken), aber man setzt ein eindrucksvolles Zeichen und GEOFF TATE zeigt, dass mit ihm noch immer zu rechnen ist. Natürlich gibt es von mir eine klare Kaufempfehlung, und somit ist das Album eine sehr gute Überbrückung zur zeitnahen QUEENSRYCHE-Reunion! Man darf ja beim Schreiben eines Reviews noch träumen dürfen…
WOLVENNEST stricken mit ihrem dritten Album ein intensives psychedelisches Werk, das zugleich seltsam und beeindruckend ist. Ihre Musik lässt sich kaum in Worte fassen und erst recht nicht einem Genre zuordnen. Die Belgier mischen Doom Metal mit Einflüssen von experimentellem Psychedelic Rock, Ambient, Post Rock, 70er-Jahre-Krautrock und Black Metal. Die Musik hat stets einen mantraartigen, rituellen Charakter, hypnotische Gitarrenwände und Synthesizer-Sounds machen "Temple" zu einem einzigartigen coolen Trip.
WOLVENNEST wurden 2013 in Brüssel gegründet, und am Debüt aus 2016 beteiligten sich Mitglieder von DER BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND, deren Stil die Band auch weiterhin prägt. Weitere Einflüsse könnten sein: THE DEVIL'S BLOOD, FLUISTERAARS, THE RUINS OF BEVERAST, DARK BUDDHA RISING, URFAUST, AMENRA und NEPTUNIAN MAXIMALISM.
"Temple" erschien über das Label Ván Records, und die Spieldauer beträgt satte 77:31 Minuten. Auf dem Album finden sich bandtypische Spoken-Word-Samples wie beispielsweise im Opener "Mantra" und im letzten Song "Souffle De Mort". Die Riffs wiederholen sich immer wieder und wieder, der Rhythmus hält sich stur, und das Tempo ist meist schleppend. Die drei Gitarristen erzeugen mit Tremolo-Riffing und Gitarrenloops hohe Soundgebirge. Das erzeugt die typische atmosphärisch-tranceartige Stimmung.
Sharon "Shazzula" Schievers Stimme gefällt mir persönlich nur mittelprächtig gut. Sie wird von Gastvokalisten unterstützt: DéHà von MALADIE ist in "Disappear" zu hören, und der amerikanische Neofolker TJ Cowgill alias KING DUDE beim Highlight "Succubus". Die beiden tiefen Männerstimmen passen sich hervorragend ein, und beide Songs gefallen mir ausgesprochen gut. Der letzte Titel der Platte ("Souffle De Mort") wird von Shazzula in Französisch performt und sorgt für einen düsteren apokalyptischen Abschluss. Er klingt, als würden wir einem fiesen Ritual in einem Tempel beiwohnen. Die Produktion von "Temple" ist druckvoll und ausgewogen.
Die Scheibe ist ein ungleichmäßiger, aber trotzdem ineinanderfließender belgischer Schokoladenfluss, eine Platte wie ein Drogenrausch. Man genießt das Eintauchen in WOLVENNESTs Soundwelt, und die psychedelisch einlullende surreale Anziehungskraft hat mich gepackt!