"Meine Fresse, die Scheibe klingt ja, als ob DIRE STRAITS ´ne Death Metal-Platte aufgenommen hätten!" - so die (irgendwie sehr passenden) Worte meines ebenfalls extrem Metal-affinen Mitbewohners zum neuen Meisterwerk der bereits seit mehreren Jahren und zwei Alben im Underground höchst respektierten Kölner Formation. Und wurden die beiden starken Vorgänger "Summoning Black Gods" (2012) und "The Mysterious Ways Of Repetitive Art" bereits mit sehr viel Lob bedacht, so hat sich das einst aus INFERNÄL DEATH hervorgegangene Quartett nunmehr selbst übertroffen. Jeder der sechs Songs auf "...And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye" ist ein bis ins kleinste Detail ausgetüfteltes Kleinod schwarzer Todesblei-Kunst, sei es der mit einem ultramelodischen Schluss auskommende Opener "Void Of Words", das bisweilen doomige "Oblivious - Obnoxious - Defiant", der ultraeingängige "Hit" "Song Of The Gods", der überlange, sich zu einer musikalischen Orgie steigernde Abschluss "The Sound Of Shallow Grey" oder meine Lieblingsnummer, der ebenfalls knapp zehnminütige Stampfer "Null" (was für ein Mittelteil!). Man entdeckt bei jedem Hördurchlauf neue, noch abgefahrenere Details, wobei CHAPEL OF DISEASE nie des Selbstzweckes wegen dauerfrickeln, sondern sämtliche instrumentalen Eskapaden dem brillant konstruierten Songwriting unterordnen. Selten sind im Death Metal die Grenzen zwischen Technik und Nachvollziehbarkeit so gekonnt verzahnt worden wie hier. Im nationalen Umfeld schaffen es in diesem Genre zurzeit höchstens die Kollegen von NECROS CHRISTOS, VENENUM und SULPHUR AEON, ein ähnlich hohes Niveau an spielerischer Klasse und schlüssiger Komplexität aufzufahren, international wird es sogar für langjährige Vorreiter wie MORBID ANGEL oder IMMOLATION extrem schwierig, diesem Album einen draufzusetzen. Ein Wahnsinnsteil!
...And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye
Mit Depressive Black Metal ist das so eine Sache: die Einen ergeben sich dem zumeist minimalistisch vorgetragenen Weltschmerz, die Anderen schmerzt es ebenso, nämlich aufgrund der leider Genre-typischen Sound-Eruptionen, verglichen mit denen fiese Windgeräusche um die A-Säule anmuten wie eine alte Martin-Birch-Produktion. Und was bei BURZUM seinerzeit noch in geordneten Bahnen erfolgte und wohldosiert geriet, wurde von Hupenkapellen wie NOCTURNAL DEPRESSION oder XASTHUR in Fließbandarbeit bis zur völligen Unhörbarkeit malträtiert. In den selben Sack könnte man auch ISTINA (Истина, Russisch für "Wahrheit") aus - und jetzt kommt´s - Krasnojarsk stecken, deren Zweitwerk "Откровение Неизвестности (Revelation Of Unknown)" klanglich in dieselbe Kerbe haut. Und wer jetzt nachguckt, wo diese Ortschaft liegt, hört diese Scheibe gleich mit ganz anderen Ohren: das Duo M. und N. stammt aus der mit knapp einer Million Einwohnern drittgrößten Stadt Sibiriens, was die frostige Stimmung der Scheibe ein gutes Stück relativiert. Und wer sich einmal auf den abgründigen Klang (von einer "Produktion" kann hier wirklich keine Rede mehr sein...) eingelassen hat, wird von der bedrohlich-hypnotischen Atmosphäre des überlangen Werks ein gutes Stückweit mitgenommen, denn trotz (oder gerade wegen) einiger Längen und extremer Monotonie wirkt "Откровение Неизвестности (Revelation Of Unknown)" stets nachvollziehbar und auf seltsame, kranke Weise durchdacht, auch wenn das Album für Normalkonsumenten unerträglich ist. Fans erleben hier allerdings ein richtig exotisches wie extremes und sehr gelungen aufgemachtes (schickes Digipak mit ansehnlich bebildertem Booklet und russischen Texten) Kleinod voller vertonter Hoffnungslosigkeit und eine Genre-Perle aus Mütterchen Russland!