Konzert:
Fuck The Commerce 6 - Neiden
Konzert vom Sommer, Sonne, Festivals. Meine persönliche Festivalsaison wird seit nun vier Jahren vom Fuck The Commerce eingeläutet und jedes Jahr macht das FtC Lust auf mehr Festivals.
Leider begann es mit einem dreistündigen Megastau vor Braunschweig, der uns ganze 25 Kilometer in dieser Zeit schaffen ließ. Grandios. Schuld daran waren die ganzen Heinis, die über die A2 nach Berlin wollten, entweder zum Kirchentag oder zum Pokalfinale. Super. Naja, um weit nach Mitternacht endlich in Neiden angekommen, durften wir trotzdem noch verdammt lange am Einlaß warten, bis wir gefilzt wurden. Egal, durchsucht, Zelt aufgebaut, ab in’s Bierzelt. Die drei am Mittwoch rockenden Combos (Absorbed, Hatesphere, Holy Moses) waren schon lange fertig, was mich im Falle Hatesphere mal richtig ärgerte, im Falle Holy Moses kalt ließ...Nach ein paar Bierchen ging’s dann in’s Zelt, Kraft tanken für Vatertag.
Los ging’s dann mit Despondency, einer der deutschen Hoffnungen im Death Metal. Und die Jungs von der Küste zeigten auch ihr ganzes Können und lieferten eine solide Show ab. Leider waren recht wenig Leute anwesend, erst nach und nach füllte sich der Platz vor der Bühne Despondency konnten aber so manchen Anwesenden zum Matteschütteln bringen und machten ihre Sache als Opener des 6. Fuck The Commerce ordentlich.
Jo, gleich danach gab’s die erste Änderung im Billing: Throneaeon spielten aufgrund von Krankheit nicht, dafür sprangen Ingrowing ein. Warum? Die Band bot eine höchsten durchschnittliche Leistung und vertrieb mich ganz schnell wieder vom Gelände. Gibt’s keine junge deutsche Band, die hätte einspringen können?
Egal, zu Gronibard war ich wieder vor der Bühne. It’s French Time! Wie jedes Jahr war wieder eine Baguette-Combo am Start und wie jedes Jahr war sie verdammt geil. Gronibard’s Outfit war schon der Hingucker: Gitarrist nackt, Basser im Dienstmädchenoutfit inklusive Strapse und der Sänger im weißen Kleidchen. So schön hehe. Auf die Ohren gab’s auch was und zwar guten alten Grind. Kein Song länger als eine Minute, dazu in französisch dargeboten. Die Jungs gingen auf der Bühne ab und machen richtig Laune, da ließen enthusiastische Reaktionen seitens der Fans nicht lange auf sich warten. Geiler Gig!
Purulent aus der Kokain- und Mordhochburg Kolumbien boten danach uninspirierten Death Metal Marke alte Cannibal Corpse. Nur schlechter und langweiliger. Eine Song klang wieder Nächste, das war mir zu stumpf. Ein paar Tage nach dem Fuck erreichte mich die Nachricht, daß der Tourbus der Jungs nach dem Gig verunglückte und dabei ihr Gitarrist ums Leben kam. R.I.P., Bruder.
Die nächsten beiden Bands schenkte ich mir, erst Phobia konnten mich wieder vor die Bühne locken. Die Amis hatte ich ein paar Wochen vorher in der Roten Flora in Hamburg gesehen und da waren sie einfach geil. Sie sind halte alte Hasen des Crust/Grind und wissen, wie eine gute Show ablaufen muß. Das zeigten Phobia auch beim Fuck. Dreh- und Angelpunkt war der schwer tätowierte Sänger, der wie ein Flummi über die Bühne rannte und vor Energie zu bersten schien. Seine Mitstreiter ließen sich aber auch nicht lumpen und boten eine engagierte Leistung und bliesen so ganz nebenbei eine geballte Ladung crustigen Grind in die begeisterte Menge. Sauber.
Durch die Absage von Impaled rutschten Belphegor auf den Plan. Da gilt das gleiche wie bei Ingrowing, auch wenn die Ösis mit dem herrlich arrogant wirkenden, aber eigentlich super-sympathischen, Hellmuth einen cooleren Fronter haben.
Necrophobic waren da von einem ganz anderem Kaliber. Legende sind sie schon lange und eigentlich war jeder auf ihren Auftritt scharf. Und sie enttäuschten nicht, sondern gewannen auf ganzer Linie. Ihr Gemisch aus Death und Black Metal mit eingängigen Melodien und einfach nur genialen Songs knallte ohne Ende! Aggressiv, rasend, roh und trotzdem mit Melodie boten die Schweden ihre Mucke dar und jedermann nahm das Geschenk dankend an und moshte, pogte, freute sich. Die Setlist Necrophobic’s bot dabei einen Überblick über ihre gesamte Schaffensperioden, auch wenn der Schwerpunkt auf dem letzten Longplayer lag.
Als Headliner kamen noch Hate Plow, das Sideproject von Malevolent Creation. Musikalisch waren die Amis tight, wie gewohnt. Die Songs des ziemlich geilen "The Only Law Is Survival"-Albums wurden präzise und brutal durch die Boxen gejagt. Aber, Leute bewegt euch! Die Combo wirkte so arrogant und gelangweilt, das es zum Kotzen war. einzig Sänger Kyle bot eine gute Leistung, der Rest spielte einfach stumpf seinen Set runter. Ätzend.
Dann war der erste Tag auch schon zu Ende. Aber die Party ging weiter. Egal, ob beim Lagerfeuer, im Bierzelt oder auf dem Zeltplatz, gefeiert wurde bis zum Morgengrauen.
Tag zwo des Fuck The Commerce begann mit der Band, die einen ähnlich dämlichen Namen wie "Analterror der Megaschwänze" aufbieten kann.
Richtig, Cuntgrinder. Da hatte ich nur stumpfen Porn-Grind erwartet, aber die Band belehrte mich eines besseren. Sie ballerten und blasteten nicht einfach nur stumpf, sondern boten ein richtig groovendes Death/Grind-Brett. Und dazu noch eine lustige Mützenbühnenshow, da macht das frühe Aufstehen Spaß.
Lehavoth hatten dieses Jahr den Exotenbonus, kommen sie doch aus dem "Heiligen Land". Aber keine Gebetslocken, keine Palitücher, einfach nur Metal. Von der Band hatte ich bisher nur Gutes gehört, aber live haben sie mich enttäuscht. Einfach langweiliger, wenn auch sehr energievoll rübergebrachter, Death Metal mit Grind-Schlagseite. Neeee.
Da war Teil 2 der Ostfriesenattacke schon besser. Tears Of Decay zeigten auch bei ihrem zweiten FtC-Auftritt ihr Klasse und spielten ihren Death/Grind mit einer Spielfreude, die so manche Nase im Publikum antrieb. Ihr aktuelles Album "Saprophyt" ist ein ziemlicher Hammer, den Tears Of Decay auch live 1A rüberzubringen wissen. Guter Auftritt.
Rottenness aus dem schönen Mexiko machten leider da weiter, Purulent aufgehört hatten: mit langweiligem Death Metal. Rottenness groovten zwar einen Tick mehr, aber nicht genug, um ihre Spielzeit abwechslungsreich genug zu gestalten, um mich bei der Stange zu halten.
Von Mexiko ging’s dann nach Japan. Bathtub Shitter spielten ihre erste Show überhaupt in Europa. Ihre Platten, oder besser gesagt ihre Singles, veröffentlichen sie konsequent auf Kleinstlabels, sie geben keine Interviews für Internetzines, sie machen halt ihr eigenes Ding. Musikalisch eindeutig Grind pur. Ich mag die Japaner und freute mich tierisch auf ihren Auftritt beim Fuck. Sie legten auch los wie die Feuerwehr, wobei der Sänger den menschlichen Flummi gab und uns seinen weißen Bauch präsentierte, während der Rest der Band züchtig bekleidet und unauffällig frisiert dezent im Hintergrund blieb. Das hinderte die Scheißer aber nicht, ein Grind-Inferno erster Güte zu entfesseln, welches das Publikum aber sehr gemischt aufnahm. Die Hälfte feierte die Japaner ab, während sich die andere Hälfte ganz schnell verpieselte. Mir hat der Auftritt gefallen. Hoffentlich kommt der sympathische Haufen bald wieder nach D-Land!
Finnland’s Aushängeschild in Sachen Grind, Rotten Sound, standen bei mir als Nächstes auf dem Zettel. Beim Obscene Extreme letztes Jahr waren sie mal einfach nur geil und auch dieses Jahr enttäuschten sie niemanden. Ein psychopathischer, agiler Sänger, ein herrlich posender Basser und ein Grind-Brett der Extraklasse ließen den Gig zu einem Höhepunkt des Fuck werden! Gnadenlos wurden die Geschosse auf die begeisterten Fans losgelassen, egal ob von "Murderworks" oder einem der älteren Scheiben/Splits. Jeder Song saß, jedes Break stimmte. Die Jungs haben dazugelernt und boten neben der energievollen Show auch was fürs Auge mit ihren blutverschmierten Oberkörpern und Köpfen. Daumen hoch!
Dann gab’s die nächste Planänderung: Benediction spielten nicht, sie sagten wie schon 2002 ab. Schade, da vergoß nicht nur ich Krokodilstränen. Als Ersatz für sie wurden Aborted rangeholt, naja, die waren ja eh’ schon anwesend, unter Leng’Tche firmierend, die am Samstag spielen sollten. Die Belgier boten auch eine sehr geile Show und gaben Gelegenheit, Songs ihres neues Albums "Goremageddon" live zu hören. Die Songs sind cool und halten locker die Klasse des ersten Albums. Dazu noch routiniertes Stageacting und ein sehr sympathischer Sänger, schon gibt’s eine gute Show.
Merciless betraten dann die Bühne. Ihr Sänger ist fett geworden und wirkte ein wenig fehl am Platz. Aber nur optisch, stimmlich war er immer noch der Alte. Auch wenn er mich mit der Aussage überraschte, daß Merciless ein neues Album am Start haben. Grund zur Freude. Die Schweden, alte Helden aus der Zeit, als No Fashion noch ein richtig geiles Label war, boten ein Best-Of-Set und ließen mich mit der Frage zurück, warum dies die erste Show seit fünf Jahren ist und warum sie so lange verschwunden waren. Mitreißender Schwedentod von einer coolen Band optisch und akustisch gut rübergebracht, was will man mehr?
Cephalic Carnage, den Headliner des Tages, verpaßte ich leider. Und könnte mir dafür in den Hintern beißen, die Amis sollen richtig geil gewesen sein. Ärgerlich.
Dritter Tag, wie immer der Anstrengste. Die Sonne brennt, der Alkohol hat Spuren hinterlassen, mein Zelt ist bullenheiß und stinkt nach Leifs Füßen. Also raus, ein Bier trinken und ab vor die Bühne.
Berlin, Heimat des Eternity, bietet auch so mancher talentierten Band Platz. Sinner’s Bleed sind ein Beispiel für die Berliner Szene und liefern beim Fuck einen guten Job ab. Technischer Death Metal, mit einer guten Live-Show rübergebracht. Die Band wird ihren Weg machen und konnte beim Festival sicher den einen oder anderen neuen Fan gewinnen.
Leng’Tche, der Aborted-Ableger, waren dann dran. Auf Platte sind sie ganz geil und ihr Ninja-Sänger ist auch drollig, auch wenn er die ersten Minuten nur wild durch die Gegend rannte. Aber live ist ihre Mucke ein wenig zu eintönig, Standardgrind.
Irland bot dann Abbadon Incarnate auf, die ich als ziemlich arroganten Haufen kennengelernt habe, die aber mit "Nadir" ein ziemlich cooles Nasum-mäßiges Scheibchen eingezimmert haben. Tja, nur Live haben die Herren voll versagt. Stageacting war ok, nur der Sound war scheiße und die Mucke kam überhaupt nicht zur Geltung. Dazu noch das arrogante Gehabe des Sängers, da war es kein Wunder, das keine Sau vor der Bühne Reaktion zeigte.
Internal Suffering spielten danach. Was soll man zu ihnen sagen? Ebenfalls aus Kolumbien, gleiche Mucke wie Purulent. Gleiche Kritik. Warum sich die FtC-Jungs diese Band geholt haben und teuer haben einfliegen lassen, anstatt einer einheimischen Band eine Chance zu geben, weiß der Geier.
Danach sollten Ghoul spielen, die mußten aber wegen irgendwelcher Visa-Geschichten passen. Als Ersatz dafür gab’s Master. Super. Meister Speckmann spielt immer den gleichen Song. Nix für mich.
Da waren Misery Index schon mehr mein Fall. Die Band um Jason Netherton, dem ehemaligen Dying Fetus-Basser, zockte erstklassigen Ami-Death mit Grind-Seite in technischer Perfektion runter. Leider konzentrierten sie sich zu sehr auf schnelle Sachen, was sie nach einiger Zeit ein wenig eintönig klingen ließ, aber das tat ihrer Klasse keinen Abbruch. Wer Dying Fetus mag, wird Misery Index lieben. Kein Wunder, daß sich Nuclear Blast die Band an Land gezogen haben.
Spaniens Sickos von Haemorrhage waren danach an der Reihe. Sänger Luisma fiel erstmal von der Bühne, ließ sich davon aber nicht beirrend und bot eine geile Show. Im üblichen Pathologen-Humor und –Optik waren die Spanier ganz klar das showmäßige Highlight des diesjährigen FtC. Und haben mit der kleinen schnuckeligen Gitarristin eine echte Blickfängerin in ihren Reihen, die dazu noch cool as fuck ihre Riffs zockte. Musikalisch gab’s Grind pur, witzig dargeboten. Daumen hoch!
Als Abschluss kamen sie, die Helden so vieler Kindertage. DISMEMBER! Was soll man zu der Band noch schreiben? Mit neuem Saitenquäler, was man aber nur bei der Zugabe merkte, als er nicht mehr auf der Bühne stand, da er die Sachen einfach noch nicht kann. Die Band war komplett dicht, vor allem Fred Estby thronte grinsend hinter seinem Kit, spielte entspannt seine Parts und freute sich ein zweites Loch in den Hintern. Matti, der ein wenig dünner wirkte, war stimmlich eins und ist mittlerweile der Frontmann vor dem Herren. Die Saitenfront poste, grinste, poste, grinste.... und spielte sich die Finger blutig. Geiler Gig, mir fehlen einfach die Worte. Von "Skin Her Alive" bis zu "Misanthropic" ging’s, einzig "Hate Campaign" wurde weniger bedacht. Egal, alle Songs waren geil. Matti ging zwischendurch mal kurz von der Bühne und ließ seine Jungs weiterdaddeln, während er sich in aller Ruhe ein Bierchen holte. Zwei Zugaben mußten sie spielen, angefeuert von begeisterten Fans, Musikern, Schreiberlingen. Brechend voll war’s vor als auf der Bühne, wo am Rand verschämt so mancher Mucker seine alten Helden anschaute.
Dismember waren einfach ein würdiger Abschluß eines gelungenen Festivals. Nächstes Jahr wieder!
Deine Meinung zum Fuck The Commerce 2003?
InterviewWie würdest Du das neue Album beschreiben?
"Ich hatte eine tolle Zeit, es aufzunehmen, also kann ich nicht unleidenschaftlich sein, ich kann es nicht objektiv sehen. Als ich es fertig hatte, habe ich so viele Dinge darin gesehen. Ich bin wirklich zufrieden. Ich habe es genossen, wieder in einem Team zu arbeiten, und viele der Songs sind in einem Stück geschrieben worden. Während der Arbeiten daran habe ich wenig anderen Leuten vorgespielt, sondern habe meine Kreativität fließen lassen und lieber am Ende das ganze Produkt präsentiert."
"Das neue Album ist ein Teil von dem ganzen, das ich mache. Wer dieses Album nicht mag, fein, dann vielleicht ein anderes. Ich kümmere mich nicht darum, was die Leute davon halten, oder was sie von mir erwarten. Ich versuche nur immer, die Meinung der Leute zu ändern, was sie von mir erwarten sollten, denn jedes Album ist anders."
"Und was meine textliche Inspiration angeht - ich entschied mich, als übergreifendes Thema für dieses Album Namen von Plätzen und Straßen zu wählen, die auf irgendeine Art eine Bedeutung für mich hatten. Strutton Ground, z.B. das war eine Straße in Victoria, London, in der die Jobvermittlung saß, die mir meinen ersten Job nach der Schule vermittelte. Es ist die Romantik von Plätzen, die sich durch das Album zieht. Und all diese Dinge setzen sich zusammen wie ein Puzzle zu einem Song, zu einem Album."
Wieviel Zeit Deines Tages ist von Musik bestimmt?
"Ich versuche, jeden Tag etwas zu schreiben. Gar nicht unbedingt mit einem Instrument, momentan habe ich z.B. keine Gitarre dabei, aber einen Notizblock. Ich versuche, immer kreativ zu sein. Es gibt Wochen, in denen ich jeden Tag etwas aufnehme, aber oft lasse ich die Ideen auch einfach wieder gehen. Oder ich nehme sie mir, wie gesagt, später noch einmal vor."
"Es ist dieser Kontrast von Dissonanzen gegen Harmonie und Auflösung, die am meisten Power hat. Dissonanz alleine finde ich unbefriedigend, ich brauche immer ein bisschen Frieden in meinem Krieg."
Du sagst, Deine Musik muss nicht mehr vergleichbar, nicht mehr wettbewerbsfähig sein - liest Du Kritiken?
"Habe ich, ja, aber Kritiken kümmern mich nicht mehr. Ich war so lange in dem Geschäft, ich habe mich damit abgefunden. Wenn sich Leute zumindest die Zeit nehmen, überhaupt etwas zu schreiben, zeigt das doch, dass sie zumindest interessiert sind. Glücklicherweise bin ich bislang von den tiefen Schlingen der Kritik verschont geblieben. Es ist eine Weile her, seit das letzte Mal jemand geschrieben hat, dass er mich wirklich nicht mag. In den späten 70ern, frühen 80ern habe ich die härteste Kritik erfahren. Ich glaube, was die Leute versucht haben zu sagen, war, dass es nicht konstruktiv genug war, nicht anarchisch genug. Ich glaube, es wurde oft als zu kompliziert empfunden, zu unzugänglich. Und ich kann diese Gedanken von damals durchaus verstehen. Es war die Zeit des Punk, lauten Gitarren und direktem Rock, der auf die Bühne gebracht wurde, das war die Zeit damals."
In letzter Zeit bist Du verstärkt zu Deinen Genesis-Wurzeln zurück gekehrt - Du hast nicht immer Genesis Songs live gespielt, oder?
"Nein, jahrelang nicht. Mal einen Song, "Horizon", ein Song den ich geschrieben hatte, als ich noch bei Genesis war, also war es ein bisschen ein Genesis Song, aber eben eigentlich ein Song von mir. Aber mit den Jahren hat sich das geändert. Ich erinnere mich an einen Gig in den frühen 90ern, als ich gerade einen neuen Song spielen wollte, und aus dem Publikum rief einer nach "Supper´s ready". Und ich weiß, dass ich dachte, dass ich wünschte, die Leute würden nicht danach fragen, weil ich ja mein neues Material präsentieren wollte. Aber dann erkannte ich, dass das, wonach sie fragten, eine andere Seite von mir war. Also warum sollte man das so strikt trennen? Also fing ich immer mehr an, diese Sachen für mich wieder zu entdecken. Einfach, weil es vieles dieser Musik nicht gegeben hätte, wenn ich nicht dabei gewesen wäre."
Stücke wie "Circus of Becoming" oder "The Silk Road", meiner Ansicht nach durchaus Stücke mit Genesis-Reminiszenzen, sind doch auch ein Schritt auf die alten Fans zu, oder?
"Findest Du? Da würde ich eher "Mechanical Bride" nennen".
Das ist eher King Crimsonesque...
"Und Stan Canton und John Coltrane und viele Leute vor King Crimson genauso wie Genesis und "Selling England by the Pound", denke ich."
Das ist die dissonante Seite?
"Ja, und Big Band Jazz."
Wenn wir schon von Genesis sprechen - es gab seit der Archive-Box einiges an Diskussionen über die Möglichkeit, wieder etwas zusammen zu machen, klar mehr von den Fans gewünscht, als von der Band geschürt... - aber eine Sache, die man vernehmen konnte war eine Zusammenarbeit der alten Besetzung - hättest Du daran Interesse?
"Ich hatte eine Unterhaltung mit Tony vor ein paar Wochen, und ich fragte ihn, ob er meinte, dass eine Reunion passieren könnte. Er sagte, wenn Phil das gefragt wird, sagt der immer ´ja, das ist möglich´, aber Tony sagte, er glaube nicht, dass er das wirklich meint. Im Endeffekt sagte ich ihm hinterher, dass es an mir nicht liegen sollte."
Nach Genesis hattest Du ja auch noch GTR - gibt es eine Chance für derartige Projekte, oder gibt es jetzt nur noch den Solokünstler Steve Hackett?
"Eine solche Zusammenarbeit ist oft nicht mehr als ein Name. Ich meine, viele der Sachen sind im Endeffekt doch nur umbenannte Solo-Prokjekte. Ich hätte dem neuen Album leicht einen Bandnamen geben können, weil es eine Band war, die es aufgenommen hat. Aber manchmal denke ich auch, es wäre nett, eine Band zu haben neben meiner Solotätigkeit, nur im Endeffekt ist es beides gleich arbeitsintensiv. Also was wäre der Wert davon? Ich meine, ja, vielleicht wäre es auch ganz interessant, die Diktatur mal gegen ein bisschen Demokratie einzutauschen."
Hörst Du Dir Deine eigenen Platten an?
"Ja, am meisten, wenn ich sie gerade fertig gestellt habe. Und dann lege ich sie eine Weile weg, und höre sie mir später wieder an, um zu sehen, was man hätte ändern können. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich mich lange genug mit dem Album beschäftigt habe, um später mal nicht viel daran ändern zu wollen, weil ich sehr genau darauf geachtet habe, welche Details wo und wie stehen. Alles was man ändern könnte, wären die Songs, aber wie gesagt, das ist der Grund, warum ich permanent im Studio arbeite. Ich bin immer darauf vorbereitet, ein neues Album fertig zu haben, wenn eins gewünscht wird. Stell Dir vor, dieses Album wird ein Riesenhit, dann habe ich ein weiteres, das ich nachschieben kann. ´Just in case´, dass dieses das "Sergant Peppers" oder Dark Side of the Moon" der heutigen Zeit wird. Ja, das wäre doch was. Ich könnte mit 50.000 Tonnen Equipment auf die Bühne gehen, mit Tänzerinnen an der Seite (lacht). Ja, das könnte interessant werden." (Ralf Koch, Kontakt über die Redaktion)
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