"First Hit For Free" ist der interessante Fall eines Albums, das einerseits schon irgendwie ein Debut darstellt, gleichzeitig aber auch wieder nicht. Zur Erklärung dieser nebulösen Worte: an und für sich erschien der größte Teils des Materials auf "First Hit For Free" bereits 2006 unter dem Titel "Feed My Soul" als Debut. Letztes Jahr allerdings kam man nun zu dem Schluss, dass etwas Aufmerksamkeit für das Werk doch schön wäre, verpasste dem Ganzen deshalb einen Remix und mit "Faith" einen zusätzlichen Song, und nun kommt das Baby erneut in die Läden, als Debut-Revisited, sozusagen. Sang- und klanglos unterzugehen hat "First Hit For Free" nun wirklich nicht verdient, denn VOODOO SIX verstehen ihr Handwerk. "First Hit For Free" bewegt sich zwischen Heavy und Hard Rock, und das durchaus sehr solide. Der neu hinzugefügte Opener "Faith" kommt heavy bis schleppend daher und schafft damit eine schwül-dreckige Atmosphäre, die in gelungener Harmonie mit dem "Voodoo" im Bandnamen steht, der Rest des Albums klingt tendenziell eher hard als heavy und bewegt sich zumeist im mittigen Tempobereich. Die große Ausnahme von der Regel bildet "Mistaken", die einzige sich auf dem Album befindende Ballade, die in bester Rockballadentradition sehr ruhig beginnt und sich zum Ende hin zunehmend steigert. Fazit: auch wenn VOODOO SIX das Rad nicht unbedingt neu erfinden- "First Hit For Free" ist bekömmliche Hard Rock-Kost, bei der man relativ gefahrlos zugreifen kann.
DAGOBA haben mit „Face The Colossus“ bereits Album Nummer Drei am Start und sich dafür in die Hände von Tue Madsen begeben. Das passend betitelte Scheibchen hat von ihm einen sehr guten Sound bekommen, der den Hörer förmlich überrollt oder passender von einem wahren Sound-Koloss überfahren lässt. Die Franzosen fahren in den elf Songs ein dermaßen heftiges und dichtes Modern Metal-Brett auf, dass eine schlechte Produktion daraus einen einzigen Soundbreit gemacht hätte, à la TRIGGER THE BLOODSHED. Dank Mr. Madsen passierte das nicht, so dass der Hörer den sehr heftigen Opus in vollen Zügen genießen und sich auf das Wechselspiel zwischen melodischen und brutalen Parts einstellen kann, mit denen die Scheibe an STRAPPING YOUNG LAD und FEAR FACTORY erinnert, das grandiose „Silence“ hätten die Kaliforniert nicht besser machen können. Eine permanent ackernde Double Base, Schredder-Riffs und gekonnt eingesetzte Synthies machen aus „Face The Colossus“ eine echte Soundgewalt, die durch den variablen Gesang mal gekontert, mal verstärkt wird und mit einem Mördergroove daherkommt, den sich niemand entziehen kann. DAGOBA haben in den 50 Minuten keinen Ausfall zu verzeichnen, das Album steigert sich im Gegenteil zum Ende noch einmal und lässt den Hörer am Boden liegend zurück, mit klopfendem Herzen und verschwitztem Körper, umgehauen von der Wucht und dem Groove des Albums. Modern Metal, wie er besser kaum sein kann und der die Franzosen als Kandidaten auf den verwaisten Thron ganz nach vorne bringt. Jetzt, wo SYL und FEAR FACTORY nicht mehr sind, muss ja jemand anderes die Krone tragen. DAGOBA könnten dieser jemand sein.
Es scheint ganz als ob sich TRIVIUM nicht ganz entscheiden können oder wollen wohin ihre Reise gehen soll – vielleicht hat sich auch einfach ihr schon beim Debut aufblitzendes Selbstbewusstsein bis heute vermehrt: Denn „Kirisute Gomen“ eröffnet das Album ziemlich sperrig – und das nachdem das letzte Album durch den Verzicht auf nicht-cleanen Gesang ihre Hörerschaft doch etwas gespalten hatte. Sperrig im Sinne vieler Ideen wo vielleicht ein klares Statement hätte stehen können. Schnell wird klar, dass „Shogun“ definitiv wieder härteren Gesang an Bord hat, schnell wird aber auch klar, dass TRIVIUM ihr Album eher auf Abwechslung denn auf gradlinige Kompromisslosigkeit ausgelegt haben. Dass sie dabei trotzdem durchaus auch mal härter in die Seiten greifen als auf dem Vorgänger tut der Musik gut. Die erste Maxi „Down From The Sky“ geht hierbei als echter Ohrwurm durch, in diese Tradition reiht sich auch das melodiöse „The Calamity“ ein. Ein wahres Feuerwerk verschiedener Soli und origineller Breaks findet sich etwas bei „Torn Between Scylla And Charybdis“ oder etwas weniger kompliziert, dafür mit sehr eingängigem Chorus bei „Into The Mouth Of Hell We March“. Und nicht nur die Tracknamen sind meist lang, auch die Songs an sich greifen nach Thrash-unüblichen Spielzeiten jenseits der fünf Minuten. Sehr unterschiedlicher Gesang und wahrlich furiose Gitarren-Achterbahnfahrten erwarten den Hörer beim etwas undurchsichtigen und harten „Of Prometheus And The Crucifix“, dessen cleaner Chorus den wohl stärksten Kontrast zum Rest des vertracktesten Track des Albums bietet. TRIVIUM haben mit „Shogun“ sicherlich ihr abwechslungsreichstes Album abgeliefert, das, wenn auch noch nicht immer ganz überzeugend (wie beim überlangen Titelsong „Shogun“), durch sehr vielseitigen und sicheren Gesang und gewohnt originelle Gitarrenarbeit punkten kann. TRIVIUM waren und bleiben eine Bank im melodiösen Thrashmetal die jetzt zu allem Überfluss auch noch kreatives Songwriting auf ihre Fahne schreiben. Zieht euch warm an!
Vor gut einem Jahr lieferten die Norweger ISKALD ihr brillantes Album „Shades Of Misery“ ab, das auch im Nachhinein noch zu den besten Debüts einer Schwarzheimerband in diesem Jahrzehnt gerechnet werden kann. Umso gespannter durfte man sein, ob der Nachfolger „Revelations Of Reckoning Day“ dieses hohe Niveau würde halten können. Kurz gesagt: er kann! Auf ihrem zweiten Album hauen Simon Larsen und Aage Krekling erneut erstklassige Hymnen in der Familienpackung raus, die wieder herrlich fies und trotz bombastischen Keyboard-Einsatzes stets aufs Nötigste reduziert im Drehzahlkeller vor sich hin wummern. Jüngere SATYRICON oder „musikalischere“ DARKTHRONE haben wieder einmal Pate gestanden, ohne dass man den Originalen allzu offensichtlich nachgeeifert hat. Stumpfen Blastbeat sucht man hier genauso wenig wie eine möglichst schlechte Produktion oder Soundtrack-artige Pomp-Berge. ISKALD sind erstklassige Songwriter, was Oberhämmer wie „A Breath Of Apocalypse“, „Warriors Of The Northern Twilight, Part 2“ (auch hier ein absolutes Highlight!), der kurze Nackenschrauber “Tartarus”, das sehr melodische, mit geilen LSD-Chören unterlegte “Journey To Hel” oder der zwischen Wut und Sänfte pendelnde Rausschmeißer „Dommedag“ ohne Umschweife klarmachen. Diese Band bricht keine Rekorde, sondern versteht es einfach, gnadenlose Aggression, noch gnadenlosere Hymnenhaftigkeit und musikalischen Anspruch auf sehr subtile, dafür aber sehr effektive Weise zu verknüpfen, so dass auch auf diesen Zweitling das Prädikat „Meisterwerk“ zutrifft. Hier kommt etwas ganz, ganz Großes auf Euch zu!
Stahl aus Solingen hat nun schon seit Jahrhunderten einen verdammt guten Ruf – musikalisch gilt dies nun auch schon einige Jahrzehnten. Denn mit Udo Dirkschneider kommt einer der unverkennbarsten Shouter des Heavy Metals aus der Ruhrpottgemeinde. Seine überlange Jubiläumsrückschau auf ACCEPT und 20 Jahre U.D.O.-Solo wurde auf der „Mastercutor“ Tour mitgeschnitten – das Ergebnis als Doppel-CD „Mastercutor Alive“ nun auf die Metalgemeinde losgelassen. Dabei klingt Mr. Dirkschneider Live immer noch frisch und recht druckvoll als wären die Jahre ohne größere Not an ihm und seinem Reibeisenorgan vorbeigegangen (Schrei und Kreisch inklusive) – das gerade ein Teil der älteren Songs stimmlich auf das heutige Volumen angepasst worden sind ist einfach Fakt und nicht zu vermeiden. Musikalisch/instrumental ist sowieso alles im grünen Bereich. Wahrlich die einzig würdige Nachfolge des teutonischen ACCEPT Erbes. Natürlich fängt es mit „Mastercutor“, „24/7“ schon richtig deftig an – aber auch danach gibt es keine Schwächephase – das möge man getrost der nachstehenden Setlist entnehmen. Neueres wie „Vendetta“ besteht dabei mühelos neben älteren U.D.O. Kompositionen wie „Holy“ und „Man And Machine“ und Vor-U.D.O.-Metal-Klassiker wie „Metal Heart“ und „Living For Tonite“. Das Pipi Langstrumpf Gedächtnissolo direkt nach dem ACCEPT Klassiker „Breaker“ ist nur eines des vielen kleinen Highlights – das es dann darauf auch noch fast 10 Minuten „Princess Of The Dark“ gibt darf man nur als ausgesprochen geil bezeichnen. Zum Schluss wird mit „Fast As A Shark“, „Burning“ und „I’m A Rebel“ der Kultstatus mancher Songs regelrecht zelebriert – gut so. So ergibt sich eine ausgewogene Mischung aus U.D.O. und ACCEPT Klassikern und klasse Songs des letzten U.D.O. Albums – hier findet jeder Fan was (und sicher auch etwas was fehlt). Über die beiden Solos kann man eventuell streiten – aber Live sollte man auch mal seiner Stimme eine Pause gönnen. Denn mehr als 140 Minuten Live ist auch U.D.O. nicht zuzumuten. Fazit: U.D.O.-Fans und ACCEPT-Jünger können hier bedenkenlos zugreifen.
CD 1
01. Mastercutor
02. 24/7
03. They Want War
04. The Bullet And The Bomb
05. Midnight Mover
06. Vendetta
07. Mission No. X
08. Midnight Highway
09. The Wrong Side Of Midnight
10. Breaker
11. Guitar Solo
12. Princess Of The Dawn
13. One Lone Voice
14. Winter Dreams
CD 2
01. Living For Tonite
02. Thunderball
03. Drum Solo
04. Man And Machine
05. Animal House
06. Metal Heart
07. Holy
08. Balls To The Wall
09. Fast As A Shark
10. Burning
11. Outro
12. I´m A Rebel
Wer einen ganz auf Vollbedienung macht greift dann am Besten zum opulenten Doppeldecker mit DVD. Neben genannter CD gibt es noch 2 DVDs dazu: das ganze Tuttlinger Konzert (nahezu identische Songauswahl) und eine kurzes Making-Of auf DVD 1 – ein Livemitschnitt mit 3 Songs aus Minsk („Bullet And The Bomb“, Midnight Mover“, „Vendetta“), Roadmovies aus Russland und Südamerika sowie (wenn’s klappt) die Videoclips zu „The Wrong Side Of Midnight“ und „Mean Streets“ auf DVD 2. Mehr U.D.O. Originale geht nicht – außer Alive.
Musikalisch hatten ZZ TOP viele ihrer Highlights wohl vor „Eliminator“ – kommerziell bedeutete das Album aber den internationalen Durchbruch des Texas-Trios, trotz vorheriger Hits wie „La Grange“ und dem Klassiker „Tush“ sowie Alben wie „Fandango“ und „Degüello“. Bis dahin eher als eine vom Blues dominierte Rockband und Kultband einer Insiderfanschar bekannt, setzten ZZ TOP mit „Eliminator“ konsequent auf radiotauglichen Rock mit eingängigen Melodien, oft gerade über die 3 Minuten schrammend und mit dem gewissen massentauglichen Pop-Appeal und Tanzbarkeit ausgestattet. ELIMINATOR machten die Herren Gibbons, Hill und Beard (die beiden Erstgenannten durch ihr bärtiges Markenzeichen unverkennlich) zu Stars und führten zu weltweit ausverkauften Konzerten und Top-Ten Platzierungen. „Eliminator“ ist definitiv ein Meilenstein der Rockgeschichte, der viele Kids in die richtige Richtung wies; ZZ TOP schafften es mit ihrem rotem Oldtimer und ihren Videos fast schon zu einer Art Dauergast des sich gerade der Jugend bemächtigten TV-Senders MTV zu werden. Also was liegt näher als das Teil in fetter Überarbeitung als 25th Anniversary Collector's Edition neu zu veröffentlichen und mit Bonusmaterial zu versehen. Neben den bekannten flotten Hits wie „Gimme All Your Lovin“, „Got Me Under Pressure“, „Sharp Dressed Man“ und „Legs“ enthielt das Album mit dem entspannt cool groovenden „I Need You Tonight“, dem unterbewerteten „TV Dinner“ und dem „Eliminator“-Geheimtipp „If I Could Only Flag Her Down“ noch weitere Bandklassiker und darüber hinaus keine Ausfälle. Als Bonus gibt es die kürzere Single- und die fast 8-minütige Dance-Version von „Legs“ und einige bisher unveröffentlichte Liveaufnahmen der „Eliminator“-Songs, die allerdings soundmäßig nicht aller erste Wahl sind. Umfangreiches Booklet mit Songtexten, Linernotes und ein paar typischen ZZ TOP Shots sind da selbstverständlich.
Dazu es auch noch eine DVD mit Bonusmaterial. Zum größten Hit des Albums „Legs“ (ich sage nur Plüschgitarren) und zu den beiden anderen Top-Singles „Gimme All Your Lovin“ (wieder mit den bekannten Girls und locker über die Straße hoppelnden Wüstenhasen) und „Sharp Dressed Man“ (gibt es ebenso die kultigen Originalvideos wie zum leider etwas untergegangenen „TV Dinners“. Alle Videos haben den unvergleichlichen Charme der Achtziger (!), und das meint einen richtig starken Trash-Touch. Der aus 1983 stammende Livemitschnitt („Live On The Tube) beinhaltet neben den üblichen Verdächtigen „Got Me Under Pressure“, „Gimme All Your Lovin“ und „Sharp Dressed Man“ noch den älteren ZZ Top Song „Tube Snake Boogie“ (von der auch nicht zu verachtenden „El Loco“ Scheibe). Das Ganze in intimer TV-Studioatmosphäre und soundmäßig in Ordnung. Alles in allem eine wertige Sache für Fans und solche, welche sich mal mit einem der kommerziell erfolgreichsten Rock-Ikonen der 1980er nähern wollen.
SEVENTH WONDER haben ihr drittes Werk „Mercy Falls“ als episches Konzeptalbum über eine Familientragödie in einer typischen Kleinstadt angelegt (der instrumental gehaltene Opener lässt die Thematik erahnen). Musikalisch bewegen sich die Schweden irgendwo zwischen melodischen Metal, was durch eine leichte Zugänglichkeit vieler Passagen belegt wird und gekonnt gesetzten Frickel- und breaklastigen Parts. Darüber hinaus zeichnen sich SEVENTH WONDER dadurch aus, das sie nicht nur auf Vollgas setzen, sondern gleichberechtigt im unteren und mittleren Tempobereich agieren und neben den üblichen DREAM THEATER Gitarrenparts die Keyboards eher im AYREON-Synthie-Stil nutzen. Ganz groß dabei noch Sänger Tommy Karevik der mit seinem angenehm hohem Organ in voluminöser Weise den Songs in den Gesangspassagen seinen Stempel aufdrückt. Typisch dafür das kompakte und trotzdem sehr abwechslungsreiche „A Day Away“ das fast alles Trademarks von „Mercy Falls“ auf sich vereint. Der Titeltrack „Welcome To Mercy Falls“ weis mit seiner melodischer Ausrichtung und einem waschechten Hard Rock Refrain zu überzeugen, ebenso das über 7-minütig „Unbreakable“ das sicher eines der Highlights darstellt. Das ebenfalls überlange, an der 10 Minuten-Marke liegende „Break The Silence“ bringt dann mehr die instrumental frickelnde Seite des Quartetts zum Vorschein. Daneben gibt es noch einige andere Songs ähnlichen Kalibers („Destiny Calls“), aber auch ein paar Füller und etwas unausgegorene Konzeptelemente (Radio) welche es verbieten hier gleich von einem 100% Treffer zu sprechen. Und auch das darf gesagt sein – wirklich neu ist das auch nicht. Anyway, SEVENTH WONDER sollten mit „Mercy Falls“ auf Grund der genannten Tracks und des musikalisch wie gesangstechnisch hohen Potentials durchaus weitere Fans in den einschlägigen Kreisen finden.