Oh, hier muss der alte Sack vor dem PC aber ganz schön aus seiner echtmetallischen Komfortzone. APRIL ART sind groovig, modern und haben mit klassischem Heavy Metal nichts zu tun. Warum gefällt mir das Ganze dann trotzdem? Das liegt vor allem am starken und sehr kraftvollen Gesang von Frontfrau Lisa-Marie Waltz. Ihr angerautes Organ lässt manchmal Erinnerungen an eine junge und hungrige Sandra Nasic aufkommen, ist aber variabler und origineller in den Gesangslinien. Man hat sehr viel Wert auf Mitgröhlkompatibilität gelegt, ohne dass die Songs zu platt daherkommen. Egal ob Breakdown, elektronische Spielerei oder akustisches Intermezzo, alles ist stimmig miteinander verwoben und fungiert im Gesamtkontext hervorragend. „Pokerface“ ist eine hochmoderne und sehr zeitgemäße Scheibe, die dennoch losgelöst von gängigen Trends funktioniert. Man könnte das ganze auch einfach als Hard Rock des Jahres 2022 bezeichnen. Das funktioniert im Jugendzentrum genauso wie im Radio oder auf der Rock am Ring Bühne. Dass die Band sich nach dem Lockdown freispielen und eine positive Aufbruchstimmung verbreiten möchte, hört man dem Album zu jeder Zeit an. APRIL ART haben es zudem geschafft eine Vielzahl ihrer Ideen in kurze und knackige Songs zu packen, so dass das Album quasi keine Längen aufweist. APRIL ART haben mit ihrer dritten Veröffentlichung ein wahrlich heißes Eisen im Feuer und großes kommerzielles Potential.
2020 erschien "Amends" von GRAY DAZE, das als eine Art “Best of“ aus den beiden ursprünglichen Alben "Wake Me"(1994) und "...No Sun Today"(1997) galt. Mit "Phoenix" bekommen wir nun die restlichen Songs fein aufbereitet nachgereicht. Zur digitalen Veröffentlichung am 17.06.2022 gab´s von uns bereits erste Infos (hier), die Hardware steht ab 01.07.2022 im Laden.
Aber irgendwie hört sich dieser "Rest" keinen Deut schlechter an, als die erste Charge. Chester schafft es erneut in jedem einzelnen Track den Hörer mit in seine Gefühlswelt zu nehmen, die allerdings dieses Mal einen Tacken zorniger, teils verzweifelter und manchmal auch düsterer daher kommt. Wie zuvor wechseln sich die ruhigen und lauten Momente mit nahezu unnachahmlicher Intensität ab und bilden so gleichsam ein Geflecht aus Licht und Schatten, das seinesgleichen sucht. Die Großartigkeit der einzelnen Songs liegt so dicht beieinander, dass es fast unmöglich ist, sich auf einen Favoriten festzulegen. Jede einzelne Nummer ist auf ihre Weise etwas Besonderes. Das ruhigste Stück auf der Platte: "Believe Me", in dem Chester Bennington und Richard Patrick (FILTER) wunderbar harmonieren, überstrahlt jedoch das übrige Liedgut.
Die mannigfaltigen Facetten dieses Ausnahmesängers werden darüber hinaus von den überlebenden Bandmitgliedern, Schlagzeuger und Songschreiber Sean Dowdell, Bassist Mace Beyers und Gitarristin Cristin Davis,vorzüglich ins recht Licht gerückt.
Ich schrieb das letzte Mal vom Stern, der zweifellos auf "Phoenix" genauso hell leuchtet, wie auf "Amends" und es ist mir wahrlich ein Rätsel, warum es die beiden Originalscheiben nicht geschafft haben, GRAY DAZE der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.
Mr. Dowdell versprach den Fans: “Wenn du Chester magst, wirst du diese Platte lieben“ und er hat Wort gehalten.
POETS OF THE FALL haben die Coronazeit kreativ genutzt: erst veröffentlichte die Band zunächst auf YouTube und später dann auch als Album eine Reihe von Akustikversionen bereits bekannter Songs, um ihre Fans trotz sämtlicher Widrigkeiten des Weltgeschehens bei Laune zu halten, dann begannen sie, an neuem Material zu arbeiten. Letzteres liegt jetzt vor: „Ghostlight“ heißt das neue Album und schon bei den ersten Klängen des Openers „Firedancer“ dürfte den Freunden der Finnen das Herz aufgehen, denn auch die jüngste Veröffentlichung ist geprägt vom charakteristischen, warmen und runden Gesamtklang, denn die Band von jeher ihr Eigen nannte. „Firedancer“ kommt im Up-Tempo und mit den für flottere Poets-Songs typischen, vorwärtstreibenden und doch gleichzeitig verhaltenen Gitarren daher, das nachfolgende „Requiem For My Harlequinn“, das bereits als Vorab-Single veröffentlicht wurde, und „Revevlations“ ziehen ebenfalls das Tempo an. Insgesamt aber ist „Ghostlight“ ein auch für Poets-Verhältnisse ruhiges Album. „Sounds Of Yesterday”, „Heroes And Villains“ und „Lust For Life“ sind reine Balladen, „Weaver Of Dreams” wechselt zwischen Midtempo und balladesken Momenten. Alle Songs sind melodiös, schön instrumentiert und gesungen und schmeicheln dem Ohr, ganz große Ohrwürmer der Marke „Lift“, „Carnival Of Rust“ oder „Late Goodbye“ fehlen diesmal allerdings. Das jedoch ist Jammern auf wirklich hohem Niveau, denn auch so ist das Album Balsam für die Seele – zwar mögen sich die Lieder nicht unbedingt sofort im Ohr festsetzen, aber sie strahlen eine wohltuende Ruhe aus, die es schafft, den Rest der Welt für eine Weile hinter sich zu lassen. Und das kann man in diesen Zeiten nun wahrlich gut gebrauchen.
R.E.M. wurden 1980 in Athens im US-Bundesstaat Georgia gegründet und gelten mit insgesamt 15 Studioalben und fast 90 Millionen verkauften Scheiben als eine der erfolgreichsten Bands des Alternative Rock. Nun gibt es zum 25-jährigen Jubiläum Album Nummer 10 der Band in den unterschiedlichsten Formaten (Vinyl, Blu-Ray, usw.) und mit den unterschiedlichsten Boni (vom 56-seitigen Booklet, Postkarten, Poster bis hin zu Filmen), sowie soundtechnisch aufgewertet. „New Adventures In Hi-Fi” ist das letzte Studioalbum mit Gründungsmitglied und Schlagzeuger Bill Berry und man darf es noch immer als eines der unterschätzten Alben von R.E.M. bezeichnen. Die Band experimentierte hier mit anderen Sounds, Klängen und Samples. Und auch rockig-dissonanter als die doch eher dem Alternative-Pop zuzuordnenden Megaseller „Out Of Time“ und „Automatic For The People“ klang das abwechslungsreiche, durchaus mit vielen kanten versehene Album.
„Departure“, und vor allem das tolle „The Wake-Up Bomb“ stehen dabei für die wieder mehr Rock-orientierte Seite der Band. Das unwiderstehliche „New Test Leper“ und „Electrolite“ bilden den dunkel-melancholische Gegenpart dazu. Die Singles „E-Bow The Letter“ (mit Patti Smith), „Electrolite“ (fragile Perle am Ende des Albums) und das folkige „Bittersweet Me“ hat der eine oder andere sicher noch im Ohr. Wirken tut „New Adventures In Hi-Fi” aber vor allem als Ganzes – und ggf. nach mehreren Durchläufen.
Die zweite CD enthält 13 „B-Sides And Rarities“ die R.E.M. nochmals deutlich als innovative und experimentierfreudige Band zeigen; die Liveaufnahmen spiegeln gut wieder was uns seit ihrer Auflösung vor 10 Jahren bühnentechnisch entgeht. Ach ja – und die Anmerkung von Sänger Michael Stipe, dass die Version von „Leave“ ohne Sirene die bessere wäre; der kann ich nur zustimmen. Echt gut gemacht!
Disc 1 – New Adventures in Hi-Fi (remastered audio)
Die Hamburger Band REKKORDER war mir bisher noch kein Begriff, obwohl wir es hier schon mit dem Zweitwerk der Musikanten zu tun haben. Musikanten, dies trifft auf REKKORDER besser zu, da die Band nur aus Frontfrau Nina und Gitarrist Bernd besteht, welche auch alle Songs im Alleingang komponiert haben. Diverse Gastmusiker dürften die Aufnahmen von „One“ begleitet haben, aber der Beipackzettel verrät leider keine genaueren Details.
Die Musik geht gut ins Ohr und als ganz groben Vergleich würde ich die GUANO APES nennen wollen. Dies liegt nicht nur an der Musik, welche sich sehr stark auf Frontröhre Nina ausrichtet – nein, die musikalische Ausrichtung ist auch sehr gut vergleichbar. Die Songs von „One“ fokussieren sich auf einprägsame Riffs, die teilweise punkig, mal metallisch und meistens im Crossover-Bereich liegen. Genrefremde Instrumente bereichern die Scheibe ungemein und somit kommt man in den Genuss von Geigen-, Cello- oder Trompeteneinsätzen, die perfekt in die Songs integriert werden, aber nicht die Kraft der Gitarrenarbeit schmälern. Besonders die Single-Auskopplung „End It All“ hätte vor Jahren noch die Tanzflächen in den Rockdiskos gefüllt und für schwitzende Leiber gesorgt. „End It All“ ist aber auch der einzige Song, der echte Ohrwurmqualitäten vorweisen kann. Die restlichen Songs können zwar dieses Qualitätslevel nicht ganz halten, aber eignen sich trotzdem hervorragend, um eine Weile wirklich guter Musik zu lauschen. Es fehlt leider die letzte Konsequenz den Refrain so aufzubauen, dass der Hörer komplett der Musik verfällt. Das ist aber Kritik auf einem sehr hohen Niveau und wenn REKKORDER den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen und an der Eingängigkeit der Songs arbeiten, so wird der dritte Output bestimmt ein Freudenfest. Mit dem zweiten Output haben REKKORDER eine mehr als solide Basis geschaffen und besonders mit „End It All“ werden sie viele Freunde gewinnen können. Fazit: (Fast) alles richtig gemacht und man sollte die Band (Musikanten) im Auge behalten. Gebt „One“ eine Chance und hört einfach mal rein – es lohnt sich bestimmt!
Auf eine Zeitreise mitnehmen wollen A LIFE DIVIDED den Hörer, denn die Band packte offensichtlich eine ausgeprägte Sehnsucht nach den 80er-Jahren – die Zeit, in der sie nach eigenen Angaben erstmals so richtig bewusst mit Musik in Berührung kamen und die entsprechend zutiefst prägend war. So kam die Idee auf, den bandeigenen, in Richtung Dark Alternative Rock tendierenden Sound mit klassischen 80er-Elementen anzureichern – herausgekommen ist dabei „Echoes“. Um es vorwegzunehmen: das Ziel, das Ganze nach der gewünschten musikalischen Epoche klingen zu lassen ist auf jeden Fall gelungen, es wimmelt nur so vor opulenten Synthies. Etwas auf der Strecke geblieben ist dagegen der melancholische Dark Rock-Einschlag, der zwar schon noch ab und an durchscheint, insgesamt aber eher gering ausgefallen ist. Das pop-rockige „Addicted“ weist erhöhte Radiotauglichkeit auf, „Enemy“ ist ein astreiner Dark Wave-Song und erinnert stellenweise fast ein wenig an DEPECHE MODE, wird im Refrain aber deutlich rockiger. Auch bei „Confronted“ räumen die athmosphärischen Synthies im Refrain etwas das Feld zugunsten fetter Gitarren, „Anybody Out There“ schielt phasenweise sogar in Richtung Metal. „Push“ kommt dreckiger daher und tritt ordentlich auf´s Gaspedal. FAZIT: Wenn man sich ein Dark Alternative Rock-Album erwartet, dann ist „Echoes“ schon etwas gewöhnungsbedürftig, denn wirklich nach Dark Rock klingt da nicht besonders viel. Wer allerdings ein Faible für atmosphärisch-rockige Synthie-Klänge hat oder gar gleich 80er-Jahre-Fan ist, dem dürfte bei dem neuen Werk von A LIFE DIVIDED das Herz aufgehen.
Mit „Dusk City“ legen ULTIMA RADIO aus Graz nach einer EP, dem Debüt-Album und zwei Split-Singles ihren zweiten Longplayer vor. Darauf präsentieren sie einen eigenwilligen Mix aus Stoner, Alternative und Psychedelic Rock sowie stellenweise auch Einflüssen aus Crossover und Nu Metal. Treibende Riffs und cool, mal auch verquer groovende Beats werden dabei mit melodischen Hooks verbunden sowie sphärischen, teils auch experimentellen Sounds.
„Your Skin“ mit seinem Mörder-Basslauf geht dabei noch am weitesten in Richtung 90er-Jahre Crossover, bei Songs wie „7 of 8“ oder „Monotyper“ denkt man an die QUEENS OF THE STONE AGE, wohingegen ruhigere Stücke wie das schwebende „Again And Again“ oder das bluesige, an BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB erinnernde, „Golden Lands“ atmosphärische Gegenpole bilden. Und dann ist da noch der Indie-Rocker „Icarus“, der mit seinem Ohrwurm-Chorus echte Suchtgefahr liefert.
Die Produktion ist druckvoll und lässt an den richtigen Stellen den nötigen Dreck sowie auch noisige Elemente zu. Dazu beeindruckt Sänger Zdravko Konrad immer wieder mit seiner Ausnahmestimme, mit der er spielend zwischen sanft und heftig, Sprechgesang und Melodiebögen wechselt, ohne jemals an Druck zu verlieren.
Es ist nicht einfach, die Musik von ULTIMA RADIO direkt zu erfassen, so facettenreich stellt sie sich dar. Trotzdem ergibt sich über Albumlänge ein erstaunlich einheitlicher Gesamteindruck. Und mit der Zeit macht gerade diese Vielfalt immer mehr Spaß und packt einen immer mehr die Intensität der einzelnen Stücke.
Mit "Egonaut" veröffentlichen die Offenbacher bereits ihre zweite EP nach dem 2017er Werk "Urban Desert" und liefern erneut eine Mischung aus Alternative,- Progressive,- Stoner,- und Indie-Rock ab, wobei das Quintett neben üblichen Verdächtigen wie ALICE IN CHAINS, PEARL JAM, SOUNDGARDEN, FAITH NO MORE oder TOOL unter Anderem auch IRON MAIDEN, BLIND GUARDIAN, METALLICA und KING CRIMSON als Einflüsse nennt. Mit Metal hat die Band aber zumindest hörbar rein gar nichts am Hut; am Heimischsten fühlt sie sich stilistisch in den alternativen, grungigen 90ern mit ihrem Generation-Y-Weltschmerz, den Garagen-Schrammelriffs und dem emotional aufgeladenen (ich vermeide hier bewusst den Begriff "weinerlich") Gesang. Und rein handwerklich macht die Truppe einen guten Job, auch wenn mir persönlich Stücke wie der Opener "Dead Giveaway", das flotte, hymnische "Egonaut´s Wake" oder das sehr melodische "Lonesome Road" (für mich trotz seiner balladesken Ausrichtung der stärkste Song der Scheibe) etwas zu zahm und zu "porentief rein" daherkommen und ruhig etwas dreckiger aufrocken dürften. Wie bereits angedeutet, ist "Egonaut" definitiv nichts für Leute, die zwischen POSSESSED, SLAYER und NUNSLAUGHTER noch ´ne Runde DARKTHRONE drehen, aber wer speziell die oben zuerst genannten Größen sehr schätzt, könnte mit dieser EP vielleicht eine kleine Underground-Perle auftun.
Ein buntes Potpourri haben SATAN TAKES A HOLIDAY da für ihr fünftes Studioalbum zusammengemischt. Nach ausgedehnter Tour-Tätigkeit verbarrikadierte sich die Band im Frühjahr und Sommer vergangenen Jahres im Proberaum und Studio, um an ihrem neuesten Werk zu arbeiten, herausgekommen ist dabei nun „A New Sensation“. Der das Album eröffnende Titeltrack erinnert sowohl gesanglich als auch musikalisch etwas an Muse, „Sessions And Cash“ und „Set Me On Fire“ präsentieren sich groovig-rockig, „Hell Is Here“ dagegen kommt punkig-schrammelig daher und tritt ordentlich aufs Gaspedal. Auf „Kingslayer“ wiederum werden etwas getragenere, fast schon unterschwellig melancholische Töne angeschlagen, bevor der Rausschmeißer „Blow“ einmal mehr schrammeligsten Garagen-Punkrock zelebriert und das Album nach etwas mehr als einer halben Stunde Spielzeit schließt. Kurz: „A New Sensation“ ist eine buntgemischte Wundertüte für Freunde rotzigen Garagenrocks.
Fast anderthalb Jahrzehnte waren sie von der Bildfläche verschwunden, jetzt melden sie sich zurück: FARMER BOYS aus Stuttgart sind wieder da. „Born Again“ heißt das neue Werk, und es macht die lange Abwesenheit schnell vergessen. Die Herren sind durchaus mit der Zeit gegangen. Druckvoll, rockig bis heavy und durchgängig melodiös schallt es da aus den Boxen, und zwar durchgängig vom ersten bis zum letzten Song. Ob man im Albumtitel nur die Wiedergeburt der Band anklingen hören möchte oder doch eher einen Verweis auf die das Album zu großen Teilen durchziehende, latent millenaristische Grundstimmung bleibt dabei dem Hörer überlassen. Mit „Faint Lines“ haben die Süddeutschen gleich mal ein ordentliches Brett als Opener am Start, das aber gleichzeitig von einer wunderbar melodiösen Melancholie durchweht wird. Diese schöne Bittersüße, gepaart mit Hoffnung und untermalt von druckvollen Gitarren, kennzeichnet große Teile des Albums und ist seine große Stärke, die beispielsweise auch bei „Tears Of Joy“, „Stars“ und der Ballade „Isle Of The Dead“ zu Tage tritt. Wer es weniger schwermütig bevorzugt, der wird geradliniger vorwärtstreibenden Songs wie „Fiery Skies“ oder „Revolt“ glücklich. Fazit: gelungenes Comeback!