InterviewWarum hast Du Dich dazu entschlossen, ein Solo - Album aufzunehmen, nachdem Du all die Jahre in großartigen Metal - Bands gespielt hast?
Es war für mich an der Zeit, den Leuten zu zeigen, was ich machen wollte und man muss kein Allwissender sein um zu erkennen, dass SAVATAGE in der letzten Zeit sehr beschäftigt gewesen sind. Ich liebe meine Band, aber genauso liebe ich es, meine Gitarre zu spielen und zu Touren, das ist mein Leben. SAVATAGE releasen ihre Alben in einem Abstand von sechs, sieben Jahren und ich wollte meine freie Zeit dazwischen mit etwas Konstruktivem erfüllen. Es hat mich einfach depressiv gemacht, herumzusitzen und nicht zu arbeiten, darum habe ich mich dazu entschlossen, dieses Album aufzunehmen. Was würdest Du an meiner Stelle tun? Es war eine lange Zeit zwischen "Wake Of Magellan" und "Poets And Madmen" und von "Poets…" an bis jetzt… ich brauche die Arbeit einfach!
Was ist das Grundkonzept von "Faces"? Wovon handeln das Album und die Songs im Allgemeinen?
Wie ich bereits angedeutet habe, es handelt von Chris Caffery, der Person, die auf die Jahre von ihrem 13. bis zu ihrem 36. Lebensjahr zurückblickt; sehr schnell, ohne viele Worte. Ich wollte nicht in meinen 40ern sein und dieselben Sachen vor mir bloßliegen haben, ich habe gegen viele Dinge angekämpft. Bei SAVATAGE haben sich viele Mitglieder von der Band wegbewegt, aber ich lebe in der Stadt New York City und höre, wie die Band arbeitet, jeden Akkord, und mein Leben ging immer einher mit der Band. Ich habe wirklich versucht, dort herauszukommen und Vieles hat mich sehr deprimiert. Ich liebe meine Band und ich wäre nicht hier um ein Soloalbum zu promoten, wenn ich gerade etwas für SAVATAGE machen würde. Ich wollte einfach ein wenig positive Energie erzeugen und darum habe ich das Album aufgenommen.
Bist Du denn mit dem Album, so wie es jetzt ist, zufrieden oder hättest Du im Nachhinein lieber ein paar Dinge anders oder besser gemacht?
Nun, ich hatte gerade begonnen zu singen und wenn ich das Album jetzt noch einmal einsingen würde, wäre der Gesang sicher besser. Ich habe dafür 65 Songs geschrieben, Demos gemacht und 30 Songs aufgenommen. Vielleicht wird niemand alle davon zu hören bekommen, aber ich bin sehr glücklich mit dem Album. Es ist für einen Künstler schwierig, alles alleine durchzuziehen und dabei noch etwas zu machen, das ein Bisschen anders ist. Ich bin nun mal niemandem dabei gefolgt. Zur selben Zeit wie "Faces" ist auch "God Damn War" entstanden. Aus den 65 Songs thematisierten viele Politik und Krieg, aber eben auch viele handelten von mir selbst. Auf ein und derselben Platte zusammen würden sie nicht viel Sinn ergeben, trotzdem sollten sie vereinigt sein. Die CD "God Damn War" ist so gesehen eines meiner "Faces", nämlich mein "Heavy Metal Face", das ein großer Teil von mir ist. Es ist ein "Gesicht des Krieges"; ich habe einfach über das geschrieben, was ich im Fernsehen gesehen habe.
Rational betrachtet wäre es profitabler gewesen, die CDs getrennt nacheinander zu veröffentlichen.
Ja, aber weißt du: ich wollte den Fans etwas zurückgeben. Ich habe mich in einer Zeit dazu entschlossen, in der jeder jammert über Downloads aus dem Internet und über Diebstahl von Musik. Natürlich gibt es das Album nicht umsonst, aber ich gebe es eben so her. Ich weiß, dass sich das verrückt anhört, aber ich will es einfach so haben!
Du hast zu "God Damn War" noch einen langen, erläuternden Text verfasst… (der der fertigen CD vermutlich beiliegen oder im Booklet abgedruckt sein wird - Anm. d. Verf.)
Ja, ich habe eine Geschichte geschrieben, die alles erklären soll. Ich stelle eine Menge Fragen, was jeder tun sollte. Es kommt sehr viel Bullshit aus der amerikanischen Regierung zu den Menschen und ich denke, die Amerikaner haben für diesen Krieg mehr bezahlt als irgendjemand anders und das stelle ich in den Vordergrund. Ich frage als eine Person, die ihr Land liebt und sich wundert, was es mit diesem Krieg auf sich hat. Ich denke nicht, dass den Menschen die Wahrheit darüber erzählt wurde.
Der Text liest sich sehr persönlich, wie von jemandem verfasst, der sehr viel nachdenkt über die Geschehnisse dort draußen.
Ich bin Musiker und es ist mein Geschäft und mein Leben, allem meine Aufmerksamkeit zu widmen. Die Zeit war eben reif und ich habe einfach in mich selbst geschaut und nicht nur meinen Job erledigt. Das TRANS SIBERIAN ORCHESTRA zum Beispiel verkauft in den USA Millionen an Platten und Hunderttausende Konzerttickets und es ist eine fantastische Sache, aber ich brauche eben mehr Arbeit und als SAVATAGE dann noch weniger spielten, wurde es mir einfach zu wenig und ich wollte mehr spielen. Für mich war das Album dann echt die richtige Sache.
Am Ende des Textes sprichst Du von dem "Bösen" und wie man es definiert. Wer oder was ist in Deinen Augen "böse"? Wie definierst Du diesen Begriff?
Ich denke, das absolute Böse ist jemand, der lügt. Das Böse liegt in den Dingen, die Du nicht kennst. Es ist so gesehen die Person, die lächelt und Dir dann das Messer in den Rücken rammt. Darum habe ich es auch mit diesem Krieg in Verbindung gebracht. Der Mann, der am 11. September lächelnd mit seinem Pass eingecheckt hat, nur um später an Bord die Crew zu ermorden und das Flugzeug in das Gebäude zu lenken: das ist das wahre Böse, weil der Mann gelogen hatte. Wenn man eine Schlacht schlagen will, sollte man sein Gesicht zeigen und sagen: "Let’s Fight!", sich nicht verstecken oder Terror ausüben. Das Lügen ist das Böse, denn ich entdecke keine wahre Stärke in einem Feind, der sich nicht zu erkennen gibt. Das ist in meinen Augen nicht stark. Bei Kriegen in der Vergangenheit stand einer auf der einen, der Gegner auf der anderen Seite. Terrorismus und das Töten von Unschuldigen ist nach meiner Definition sehr "böse".
Dann darf ich Dich in dem Zuge sicher fragen: bist Du ein Patriot?
Ja, ich liebe mein Land. Ich bin ein riesiger Patriot. Aber als Bürger schaue ich mir diesen Krieg an und frage mich: "Was wurde dabei getan für Chris Caffery, den amerikanischen Einwohner?". Ich wende mich ab mit der Antwort: "Nichts, gar nichts!". Meine Steuern gehen nach oben, mein Sprit wird teurer, amerikanische Soldaten sterben und am Ende habe ich 100 Milliarden Dollar ausgegeben für ein Land, das mich nicht leiden kann. Die Menschen im Irak mögen keine Amerikaner, so warum soll ich ihnen helfen? Es gibt genügend Leute auf der Welt, die die Hilfe der Amerikaner zu würdigen wissen. Ich bin extrem patriotisch, aber dieser Krieg im Irak war nicht nötig.
Na gut, genug der Politik. Mir ist aufgefallen, dass einige Deiner Gesangsparts stark an den frühen Jon Oliva erinnern. War er Dein gesangliches Vorbild?
Ja, absolut! Ich habe ihn jetzt 17 Jahre lang begleitet und meiner Meinung nach ist er der größte Heavy Metal - Sänger, der je gelebt hat. Er verkörpert die wahre Bedeutung des Begriffes "Heavy Metal" und seine Performance auf dem "Hall Of The Mountain King" - Album ist meine liebste Vocal - Performance überhaupt. Er hat meinen Gesang beeinflusst und ich bin froh darüber, dass die Leute es heraus hören. Ich liebe Jon!
In diesem Zusammenhang: warum gab es eigentlich nie einen Nachfolger zum grandiosen "Dr. Butcher" - Album? Zumindest hier in Deutschland wird dieses Werk von vielen Fans geliebt.
Nach der Veröffentlichung war ich sehr beschäftigt und hatte einfach nicht die Zeit dafür.
Aber mit einem neuen SAVATAGE - Werk können wir noch in diesem Jahr rechnen?!
Ja, aber ich bin mir noch nicht ganz sicher. 2005 wird das SAVATAGE - Anniversary - Album erscheinen. Die Band feiert dann ihren 25. Geburtstag. Es wird jedoch keine "Best - Of" werden, sondern ein reguläres, neues Album. Ich weiß aber noch nicht, was darauf zu hören sein wird oder wie das Resultat am Ende klingen soll.
InterviewHallo Barney, warum macht ihr ausgerechnet als Einstand auf einem neuen Label ein Cover-Album?
Eigentlich war das anders geplant: Diese Cover-Versionen könnten schon seit fast einem Jahr in den Regalen stehen. Letztes Jahr haben wir "Leaders Not Followers: Part 2" aufgenommen. Als wir angefangen haben mit Century Media zusammen zu arbeiten war es für uns sehr wichtig, dieses Ding endlich zu veröffentlichen, wir wollten es nicht länger im Schrank verstauben lassen. Und endlich kommt es jetzt raus.
Gut, dass das geklärt wäre, denn so wirkt das schon extrem komisch - andere Bands machen Cover-Alben, um aus ungeliebten Langzeitverträgen rauszukommen.
Ja, aber wir hatten noch nicht einmal ein Label, als wir diese Songs aufgenommen haben. Höhöhöhö. (Was für ein heftiger Akzent übrigens... - laetti) "Leaders..." ist kein normales Cover-Album, vielleicht ist es wichtig, das zu betonen. Es war nicht so, dass uns langweilig war, es ging uns nicht darum, aus irgendeinem Vertrag rauszukommen, und wir wollen kein Geld scheffeln. Nichts davon. Wir sind diese Aufnahmen wie ein gut geplantes Projekt angegangen, und in meinen Augen ist dieses Projekt es wirklich wert. Wir wollen damit einigen Klassikern aus unserer Vergangenheit ihren verdienten Tribut zollen. Wir haben jedem einzelnen Cover eine Menge Aufmerksamkeit geschenkt, ich denke, die Leute werden das hören können. Wir haben versucht, die Versionen so zu erhalten, dass gleichzeitig wir zu hören sind und die Cover trotzdem den Geist der Originale atmen. Für uns war es ein inneres Bedürfnis, diese Songs zu spielen und aufzunehmen.
Einige Songs die ihr hier spielt, sind wirklich verdammt alt. Ich bin auch nicht mehr die jüngste, aber einige Bandnamen habe ich das erste Mal auf eurer CD-Hülle gelesen.
Einige Namen kann man auch nur kennen, wenn man von Anfang an in der Tape-Trader-Szene aktiv war. Oder wenn man den Hardcore der frühen Achtziger Jahre mag. Ansonsten kann man die Namen gar nicht gehört oder gelesen haben, in den herkömmlichen Musikmagazinen kamen diese Bands nicht vor.
Also versucht ihr auch, den Kids, die damals nicht dabei waren, die dazugehörigen Bands schmackhaft zu machen?
Na klar! Natürlich haben wir dieses Album aus einer Zahl von Gründen gemacht. Zum einen war es für uns ein großer Spaß, Songs runterzuzocken, die wir in unserer Jugend, in einer entscheidenden Phase unseres Lebens sehr gemocht haben. Das ist einfach sehr befriedigend. Zum anderen wollten wir diese Songs gern besonders herausstellen. Denk dran, dass die meisten dieser Songs unter Umständen aufgenommen wurden, die man heute nicht mehr "aufnehmen" nennen würde. Einige von ihnen wurden quasi ohne Budget in irgendeinem Hinterzimmer auf Tape gerotzt. Das ist der Beweis, dass man einen echten Klassiker auch aufnehmen kann, wenn man keinen dicken Plattenfirmen-Vorschuss verballern kann. Diese Dinge zählten für uns. Und natürlich hoffen wir jetzt, dass die Generation von heute sich das anhört. Und wenn es ihnen gefällt und sie die Möglichkeit dazu haben, werden sie vielleicht die Originale hinter unseren Covern suchen. Einige von ihnen sind bestimmt extrem schwer zu finden, aber andere kann man sicher noch bekommen.
... und für andere wird man extrem viel Geld auf Ebay bezahlen müssen...
Hehehehe. Möglich, aber die meisten davon wird man nur bekommen, wenn man es schafft, die alten Tape-Trading-Kanäle anzuzapfen.
Anfang bis Mitte der Neunziger habe ich mich für Tape Trading interessiert...
Ach ja: Natürlich habe ich selbst die meisten davon noch, wenn Leute also freundlich...
...aber schon damals war es nahezu unmöglich, an Kassetten zum Beispiel aus dem Jahr 1986 dranzukommen.
Alles klar. Das stimmt natürlich. Aber, wie ich eben sagte, ich habe noch die meisten von meinen Achtziger-Kassetten. Das heißt, die meisten von ihnen werden nicht mehr sonderlich gut klingen, zu lange stecken die schon in staubigen Kisten. Aber es ist immer noch der Krach und dieses Gefühl...
Na, die wirst du doch wohl kaum verkaufen?
Nein, natürlich nicht. Aber wenn jemand ein Tape davon will, werde ich es ihm überspielen.
Das ist natürlich genau der Geist der Tape-Trader-Pioniere.
Klaro. Ich habe früher viel Kassetten getauscht. Shane war sogar einer der aktivsten Tape-Trader in der Szene. Er hat ganz früh angefangen und gehörte zu den allerersten, man könnte ihn einen Veteranen nennen.
In etwas größerem Rahmen gesehen ist es schon lustig, dass ausgerechnet "Veteranen" wie ihr oder ENTOMBED - die der extremen Metal-Szene genauso ihren Stempel aufgedrückt haben - ganze Cover-Alben veröffentlicht. Mir wäre jedenfalls nicht bekannt, dass eine eurer Nachahmer-Bands je ein Cover-Album herausgebracht hätte.
Es gehört wohl doch eine gewisse Art von Selbstbewusstsein und ein entsprechendes Standing dazu. Ja, ENTOMBED haben auch ihre Cover-Alben herausgebracht, aber die sind da ganz anders heran gegangen. Songs von KISS, Rock und Soul - deren Auswahl war nicht sonderlich... - hm, hart. Die Cover-Versionen von ENTOMBED kamen nicht unbedingt aus dem Hardcore oder dem extremen Metal, die Schweden sind eher in anderen Gefilden wildern gegangen. Das war nicht unser Leitgedanke. Unsere Einflüsse kommen aus den Achtzigern, und so sind wir bis heute, wir haben Hardcore gehört, und darauf baut bis heute unsere Musik auf. Natürlich haben auch wir Einflüsse außerhalb der harten Musik, wir haben Independent gehört, zum Beispiel die SWANS - aber unser Schwerpunkt lag ganz klar immer in der harten Musik.
Nehmen wir eine der Bands, die in eurer Auswahl vertreten ist: Ich habe HIRAX diesen Sommer auf einem kleinen Festival in Deutschland gesehen. Ich habe da den Eindruck bekommen, die säßen eher in der Schublade "Power Metal" - euer Cover von denen ist aber nur 28 Sekunden lang. Wie lang ist das Stück denn im Original.
Genauso kurz.
Bitte was?
Nein, im Ernst. Der Track "Hate, Fear And Power" ist auch im Original hyperschnell und hat Blastbeats. Wenn du dagegen nur "Raging Violence" kennst - die Scheibe passt eher unter "Powermetal", aber für seine Zeit hatte das was von Crossover, das fand ich damals ganz gut und neu. Natürlich klingt auf "Hate, Fear And Power" nicht alles nach dem Titeltrack, aber genau der war genau verrückt genug für uns.
Alles klar, jetzt verstehe ich.
Und wann macht ihr euch an ein Cover von den SWANS?
SWANS??? Haha, vielleicht auf dem nächsten Album. Für unsere nächste ordentliche Platte haben wir womöglich eh Songs, die zu so was passen würden. Während der ganzen Jahre haben wir einige Songs geschrieben, die nicht in unser übliches Schema passen. Einige davon sind wirklich abgedreht und sehr langsam. Total deprimierende Musik. Wenn man langsam im Sinne von Doom Metal versteht, dann vielleicht noch deprimierender.
Warum habt ihr so lange gebraucht um "Leaders..." auf die Veröffentlichungs-Schiene zu schieben?
Das hat nur so lange gedauert, weil wir während der Aufnahmen keine Plattenfirma im Rücken hatten. Wir hatten zu dem Zeitpunkt nicht genug Kohle, um das Studio direkt und selbst bezahlen zu können. Also haben wir so weit gearbeitet, wie wir kamen und dann gehofft, dass wir die Business-Angelegenheiten danach so weit klären können, dass wir voll bezahlen können. Darum hat es fast ein Jahr lang in Lauerstellung gelegen.
Aber jetzt seid ihr mit eurem neuen Dortmunder Label zufrieden?
Ja! Sogar sehr. Über all die Jahre haben wir verschiedenste Plattenfirmen ausprobiert. Eine Weile lang funktionierte die Zusammenarbeit prima, und dann gab es jeweils einen Punkt, an dem die Firmen von uns gelangweilt und nicht mehr für einen zu arbeiten schienen. Aber Century Media haben einen Masterplan in Sachen Promotion für uns - sehr gut, denn den haben wir nicht mal selbst, und bisher hatte den niemand für uns. In der Vergangenheit habe ich von Vorfällen gehört, bei denen zum Beispiel Fanzines über das Label versucht haben, mich für ein Interview zu erreichen und das Label geantwortet hat: "NAPALM DEATH? Zu denen haben wir momentan keinen Kontakt." Oder: "Die wollen mit niemandem reden." Kompletter Bullshit.
Hört sich eher an, als ob da jemand keine Lust hatte, mal eben eine Telefonnummer rauszusuchen und seinen Job zu tun.
Ganz genau. Und wir mussten die ganze Zeit über hart arbeiten. Wir sind keine abgehobenen, ätherischen Künstlertypen. Wir sind bodenständige, vernünftige Menschen. Und wir sind nicht gierig, uns ging es beim Labelwechsel nicht um den großen Reichtum. Alles, was wir von einem Label verlangen, ist, dass die uns dann mit ihren Möglichkeiten helfen und unterstützen - und uns keine Knüppel zwischen die Beine schmeißen. Das ist tatsächlich alles, was wir verlangen.
Century Media sind einer der größeren Indies und arbeiten professionell. Ihr habt bisher in eurer Karriere eine Menge selbst gemacht. Ändert sich für euch jetzt etwas?
Nein. Wir arbeiten immer noch wie die Pferde. Wir haben jetzt dieses Album draußen, und wir werden demnächst an einem regulären Album arbeiten, geplant ist, dass es im Februar rauskommt. Und wir werden auch da dran richtig hart arbeiten. Außerdem ist unser Manager noch im Genesungsurlaub, er hatte vor einiger Zeit einen Herzinfarkt. So lange er noch nicht wieder einsatzfähig ist, "manage" ich die Band, soweit ich es schaffe. Das ist verdammt viel Arbeit, und sie treibt mich manchmal in den Wahnsinn. Aber wenn ich es nicht mache, bleibt es liegen. Mit der Band soll es jetzt vorwärts gehen, also muss es jemand machen, und es ist keine einfache Arbeit. Dazu habe ich noch meinen regulären Job, ich komme vor lauter Arbeit momentan nicht zum schlafen. Ich glaube, ich brauche ein zweites Gehirn zum auswechseln.
Na dann zurück zur Arbeit: Erzähl mal etwas über den Aufnahmeprozess. Simon Efemey hat euch zum fünften Mal produziert, richtig?
Ja, Simon Efemey und Ross Russel haben zusammen an "Leaders Not Followers: Part 2" gearbeitet. Beim nächsten werden wir nur Ross engagieren, wir lernen in solchen Fragen immer noch dazu. Man lernt in all den Jahren, und man kann immer noch dazulernen. Einige Kosten müssen wir uns in Zukunft sparen, zwei Produzenten sind einfach zu teuer. Oder präzise: Ein Produzenten und einen Aufnahmetechniker. Das ist wirklich ein kostspieliger Luxus. Wir sind NAPALM DEATH, wir haben nicht die dicke Kohle und können uns solche Kinkerlitzchen in Zukunft nicht leisten, wir müssen unser Business-Umfeld so überschaubar wie möglich halten. Natürlich müssen wir dabei drauf achten, dass wir den Sound bekommen, den wir brauchen. Ross ist Produzent und Tontechniker, und er hat am vergangenen Album ebenfalls mitgearbeitet.
Wie sehen eure Pläne live aus, wollt ihr zum Beispiel mal in Wacken spielen?
Klaro, warum nicht nächstes Jahr. Wir haben 2004 in Deutschland auf keinem Festival gespielt, weil wir bei euch schon längs und quer getourt sind. Wir dachten, es wäre vielleicht klug, es dabei eine Weile zu belassen, ich möchte nicht, dass wir den Leuten zum Halse raushängen. Es gibt eben Bands, die spielen so lange an jeder Milchkanne, bis sie niemand mehr sehen kann, und dann spielen sie noch auf allen Festivals, und hier noch ein paar Clubshows, und dort noch auf dem Rummel... Wir wollten in diesem Sommer pausieren und dann nächstes Jahr frisch aufspielen. Das war ganz gut, und Ende dieses Jahres spielen wir dann doch noch ein paar Shows in Deutschland, auf der X-Mass Festival-Tour.
Diese X-Mass-Tour ist natürlich berüchtigt dafür, dass zehn Bands in zwei Bussen durch die Gegend schuckeln und man als Fan bei der letzten Band seine Lieblingssongs nicht mehr auseinander halten kann, weil die Kondition nicht reicht.
Trotzdem ist es ein gutes Konzept. Es ist eine Fülle unterschiedlicher Bands auf den X-Mass-Touren. Natürlich sticht NAPALM DEATH ein bisschen heraus, das Billing ist schon unterschiedlich. Und für uns wird es schon interessant zu sehen, vielleicht sind unter den X-Mass-Gängern dann Zuschauer, die NAPALM DEATH wegen der Musik oder unserer Weltanschauung nicht mögen, wir sind gespannt. Vom schlechten Ruf der Weihnachtsfestivals habe ich natürlich gehört, aber wir wollten vor dem Ende des Jahres noch auf die Bretter, das Angebot an uns war ok, also haben wir eingeschlagen. Und wir sind NAPALM DEATH, wir haben auch einen Ruf zu verteidigen, und wir werden es tun. Also werden wir alles geben und die bestmögliche Show spielen, ganz wie immer.
Na gut. Also müssen eure Fans sich entweder bei der Band vorher oder auf dem Nachhauseweg erholen.
Du hast eben über eure Weltanschauung geredet, und manchmal vermischt sich das mit Fußball: Ausgerechnet während der Fußball-Europameisterschaften war viel die Rede davon, dass die Zeiten von "Cool Britannia" und New Labour vorbei seien und man jetzt auch auf der Insel wieder in die Hände spucken müsse.
Cool Britannia war schon beschissener Nonsens. Das war ein riesiger Hype. Und bei New Labour hat die Clique um Tony Blair versucht, das Image vom unbegrenzten Wachstum groß zu ziehen. Das Problem ist nur, dass die Arbeiterpartei schon unter diesem Label weit nach rechts gedriftet ist. Eine Menge Leute sind damit nicht glücklich, sind auch nicht glücklich mit dem Irak-Krieg. Und Tony Blair ist ein Typ, der im englischen Politik-System in Wirklichkeit sehr, sehr weit rechts steht. Ich war immer Labour-Mitglied, und ich habe jetzt meine Mitgliedskarte zerrissen. Ich bin immer noch empört über diese Krieg und den Weg dahin, und ich denke, das geht vielen Leuten in Europa und der Welt so. "Cool Britannia" war ein cooles Konzept - für Leute, die privilegiert sind und sich nicht darum kümmern müssen, wie sie die nächste Miete bezahlen. Da das nicht alle Leute sind, war es nur eine große, glitzernde Kampagne ohne Gegenwert in der Realität.
Vielleicht sollte Cool Britannia euch auch drauf vorbereiten, dass man sich ganz kaltherzig nicht mehr um alle Probleme kümmern will?
Aber ich bin eine warmherzige Person und ich werde es bleiben. Ich kümmere mich um die Leute und ihre Probleme. Ich brauche kein kühles Großbritannien. Das ist jetzt meine ganz persönliche Sicht, aber Großbritannien, der Union Jack - ich bin ganz und gar nicht patriotisch. Mir geht es um die Leute. Ich kümmere mich um Leute, und es ist mir egal, woher sie kommen. Ich beurteile Leute danach, was sie tun und was sie lassen, nur das bedeutet mir etwas. Ich glaube, eines der Probleme dieser Welt ist, dass Leute in Kategorien wie Grenzen, Länder und Hautfarben denken. Ich will daraus jetzt nicht noch ein Weltsystem stricken, aber ich glaube es ist sehr wichtig, dass wir Menschen in erster Linie als Personen aus Fleisch und Blut sehen und weniger auf ihre Nationalität achten.
Das ist natürlich idealistisch.
Oh, es gibt sogar Leute, die mich für naiv halten. Aber es funktioniert in meinem Leben, und ich behandle andere Menschen einfach nur als Menschen. Wenn jemand anders versucht, mich übers Ohr zu hauen, reagiere ich darauf natürlich auch entsprechend, man ist dann enttäuscht und sucht sich eine angemessene Reaktion aus. Aber ich versuche bei meinem ersten Urteil über einen Menschen niemanden nur wegen zweitrangiger Merkmale wie etwa Nationalität auszusortieren. Einfach jeden Menschen wie einen Menschen zu behandeln ist sogar ein sehr einfaches Lebenskonzept, und wenn sich mehr Leute danach richten würden, wäre die Welt vielleicht ein bisschen besser.
Themenwechsel: In Skandinavien schießen die Nebenprojekte momentan wie die Pilze aus dem Boden. Leute schließen sich zusammen und spielen Death Metal, wie er vor 15 Jahren en vogue war, selbst die Mitglieder von ENTOMBED haben entsprechende Projekte. Hast du davon gehört?
Die Death-Metal-Projektbands... Ja, ich habe davon gehört. Das heißt, ich habe darüber gelesen, wenn ich ehrlich bin, habe ich noch nicht richtig reingehört. Aber um bei ENTOMBED zu bleiben: In Skandinavien haben sie die Szene mitbegründet, haben sich über die Jahre weiterentwickelt und wenn sie jetzt noch mal den Kram von früher zocken wollen - prima, kann sie keiner dran hindern und es ist gut so. Besonders wenn sie es gut machen. Sollen sie tun, was sie wollen.
Die Finnen sprechen ganz frank und frei von ihren Midlife-Crisis-Projekten.
Midlife-Crisis... Ich habe mich nie von meinen musikalischen Wurzeln entfernt, ich brauche so ein Projekt nicht. Meine Musik war immer da und das Gefühl dafür ist nie verschwunden.
Letzte Worte?
Ich sage es bestimmt in jedem fucking Interview, und ich sage es hier wieder, auch wenn es einigen Leuten jetzt schon als Klischee aufstößt: Ich möchte mich bei euch allen für eure Unterstützung bedanken, bei allen Leuten die zu unseren Konzerten kommen, für die Karten bezahlen und sich unsere Alben kaufen. Es mag zu viele Bands geben, die das als Selbstverständlichkeit betrachten, aber wir nicht. Wir wissen, wie wichtig es ist, dass die Fans zu den Shows kommen. Wir haben auch Mitte der Neunziger weiter Konzerte gegeben, als Death Metal und Grindcore einen schweren Stand hatten und der Markt komplett übersättigt war. Damals kamen plötzlich nur noch 15 Leute im Schnitt zu einem Konzert. Wir haben uns über jeden einzelnen gefreut, und wir wissen immer noch jeden einzelnen Fan zu schätzen, der zu unserem Gig kommt und zu unserer Musik abgeht. Der Enthusiasmus springt dann aus dem Publikum auf die Bühne auf uns zurück. Dieses Wissen gehört zu den Gründen, warum wir all die Jahre als Band überlebt haben und noch immer zusammen spielen.
Na dann: Viel Spaß und viel Glück im Dezember!
Danke.