Durch das auf 80er-Disco gestylte Cover sollte man sich nicht irritieren lassen. Das italienische Trio THE JERSEY LINE spielt echte Instrumente. Der Gitarrensound ist auch schön verwaschen bis schrebbelig, was gekonnt mit poppig-melancholischen Harmonien verbunden wird. Die Songs selbst sind gut komponiert und arrangiert, so dass für den geneigten Alternative-Pop-Fan keine Wünsche offen bleiben. Songs wie der Opener "The Control" oder "A Letter Never Sent" sind vom Start weg Ohrwürmer, in die man sich reinlegen kann. Auf Dauer wird aber zu viel schöner Brei serviert, der zwar nett klingt, aber irgendwann doch eintönig und klebrig wird. So zu hören bei der Single "Sabotage", die wirklich sehr schlimm ist. Die schwermütigen Harmonien sind zwar schön anzuhören, doch es fehlt ein echtes Ausbrechen und ein treibender Kick, der das In-Selbstmitleid-Schwelgen ausgleicht. Erhofft man sich das von einem Song wie "My Failure", der anfangs ganz gut rockt, wird sich dann wieder viel zu schnell in Wohlklang ergangen. Und ein Song wie "Rise And Fall" ist zwar perfekt gemacht und gespielt, erinnert aber zu sehr an eine rockige Variante von COLDPLAY. Für Fans von harmonieverliebtem Indie-Pop ist "Misery Club" sicherlich ein tolles Album. Mir persönlich fehlen hier aber Druck, Dreck, Vielfalt und Authentizität.
Puh, das ist ja noch mal gut gegangen! Nach der sehr zweifelhaften EP "Yesterday", die das neue Label der Totengräber, Locomotive Records, auf den Markt geworfen hat, erscheint nun der wahre Einstand bei den Spaniern. GRAVE DIGGER haben mit "Liberty Or Death" wieder mal alles ausgepackt, für das die Band seit jeher steht: sägende Bratgitarren in bester ACCEPT-Manier, fette Mitgrölhymnen, die man auch mit 6,66 Promille noch nachlallen kann und dazu Chris Boltendahls nie versiegende Power-Röhre (inklusive seiner nicht besser gewordenen englischen Aussprache: "I Am Se Law" oder "Until Se Last King Died?"). Ein besonderes Kompliment geht diesmal in Richtung Gitarrensound, der nicht metallischer hätte ausfallen können und richtig kernig und mit dicken Eiern daherkommt; ein Zeichen dafür, dass sich Manni Schmidt vollständig in die Band integriert hat. Die Verpackung stimmt also, lediglich im Songwriting-Bereich wird nicht ganz so mitreißend geklotzt wie etwa auf "Tunes Of War", "Knights Of The Cross" oder "Rheingold", sondern das Material erscheint für meine Begriffe etwas sperrig, vergleichbar mit dem "The Grave Digger"-Album von 2001. Das soll nicht heißen, dass wirklich hochklassige Stücke wie der bombastische, überlange Titelsong, das flotte "Oceans Of Blood", das stetig nach vorne peitschende "The Terrible One", das Highlight "Until The Last King Died", das treibende "Silent Revolution", der Stampfer "Forecourt To Hell" oder das mit orientalischen Melodien flirtende "Massada" schwach oder gar schlecht sind, ganz im Gegenteil! Es scheint nur, dass der gegenüber früheren Platten erhöhte technische Anspruch ein wenig auf Kosten eingängiger Hymnen der Marke "Circle Of Witches", "Rebellion", "The Battle Of Bannockburn" oder "Maidens Of War" geht, was ich ein wenig schade finde, denn gerade da sind GRAVE DIGGER absolute Weltklasse! Das ist aber letzten Endes nur mein sehr subjektiver Blickwinkel, der nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass eine der stärksten und beständigsten traditionellen Bands Deutschlands mit "Liberty Or Death" eine echte Wuchtbrumme abliefert, die man als Genre-Fan einfach gehört haben muss!