Einerseits kann ich den sehr hohen Status, den die Norweger in einigen Teilen der Black Metal-Gemeide haben, nicht ganz nachvollziehen, denn KAMPFAR haben bis heute weder das ganz große Überalbum an den Start gebracht, noch setzen sie sich stilistisch allzu sehr vom Gros der Szene ab. Enttäuscht hat ihre Mischung aus schwarzem Metall und dezenten volkstümlichen nordischen Melodien andererseits jedoch selten, was „Djevelmakt“, das sechste Album seit der Bandgründung vor 20 Jahren, erneut unter Beweis stellt. Gegenüber den beiden Vorgängerwerken „Heimgang“ und „Mare“ haben Bandgründer/Sänger Dolk und seine Mannen sogar noch ein Schippen nachgelegt, denn hier paart sich sehr gutes Songwriting mit einem angemessen kraftvollen wie basisch sägenden Sound, den das Quartett zuletzt nicht so geschickt in Szene zu setzen wusste. Mit den flotten Midtempo-Hymnen „Kujon“ und „Blod, Elder Og Galle“, dem majestätischen ”Swarm Norvegicus”, dem facettenreichen „De Dodes Fane“ und dem treibenden, überlangen Abschluss „Our Hounds, Our Legion“ haben KAMPFAR ein paar „Tipp“-würdige Kompositionen auf Lager, die durch den subtilen Einsatz von Flötenspiel noch weiter aufgewertet werden, aber mit dem sperrigen Opener „Mylder“ und den banalen „Fortapelse“ und „Svarte Sjelers Salme“ findet sich auch schwächeres Material auf „Djevelmakt“, das den ansonsten sehr guten Schnitt etwas nach unten zieht. In dieser Form sind KAMPFAR aber in bestechender Form, auch wenn sie nicht in einer Liga mit ENSLAVED, MOONSORROW oder NEGURA BUNGET zocken.
Das kann doch echt nicht wahr sein: da meint man, inzwischen jede Methörner schwingende Vorstadtkapelle, die sich auf Walhalla, Odin und Elfriede einen abjodelt, schon gehört zu haben, aber ständig kommt aus irgend einer Ecke die nächste Humpentruppe, die das Genre der Lächerlichkeit preisgibt; Quorthon soll in seinem Grab schon weit über Leerlaufdrehzahl rotieren. Diese Band aus Sachsen-Anhalt spielt höchst banalen, wenn auch musikalisch akzeptablen 08/15-Black/Viking Metal aus dem Setzbaukasten inklusive monoton-heiserem Gekrächze und betätigt sich in Sachen lyrischer Ergüsse auf Fremdschämfaktor Zehn: „Den allerletzten Weg musst du alleine gehen, an der langen Tafel werden wir uns wieder sehen“ (aus „Der Letzte Weg“), „Heute Sieger, morgen tot, es ist des Kriegers ewiges Los“ (aus „Des Kriegers Los“) oder „Jeder Abschied kann der letzte sein“ (aus „Abschied“). Immerhin findet man auf „Tiwaz“ keine Keyboards mehr, aber die hätten auch nicht mehr viel kaputtmachen können. THRUDVANGAR schaffen es anno 2013 nicht, der schon scheintoten Hörnerträgersuppe neue Würze hinzuzufügen und liefern hier eine Scheibe ab, die wirklich kein Mensch haben muss.
Die Gelsenkirchener gehörten einmal zu den hoffnungsvollsten Vorreitern der heimischen Viking/Pagan Metal-Bewegung und lieferten ein paar sehr hörenswerte bis gute Alben ab, doch was das Sextett anno 2013 fabriziert, ist nur noch Stangenware eines Genres, das in den letzten paar Jahren wie eine Zitrone ausgequetscht wurde. „Heimweh“, das sechste Album von BLACK MESSIAH seit der Bandgründung vor über 20 Jahren, ist in jeder Hinsicht ein kreativer Schwanengesang und fast schon eine Karikatur und Parodie der Hörner-und-Met-Zunft. Bombastische, natürlich auf Eingängigkeit getrimmte Melodien aus dem Setzbaukasten für Schunkelbespaßung paaren sich mit von Geiger Zagan heiser gekrächzten Geschichten über die „Heimat der Riesen am Ende der Welt“ („Jötunheim“) oder den beschwerlichen Weg in die Heimat (der Titelsong – gruselig!). Das pseudo-lustige „Wildsau“ schießt den Vogel komplett ab; die Nummer über einen Choleriker, dessen Ur-Ur-Ur-Großvater schon alles kurz und klein haute, könnte glatt von Mallorca-Partyikone Mickie Krause stammen. Rein spielerisch geben sich BLACK MESSIAH hier erneut keine Blöße, aber sowohl das Bierzelt-Songwriting als auch die häufig unfreiwillig komischen Texte lassen mich direkt mutmaßen, dass die Band genau weiß, dass aus der Thematik die Luft raus ist, sie trotz Allem aber nicht das Handtuch werfen will und sich daher überhaupt keinen Kopf mehr macht. In dieser Form braucht man auch eine grundsätzlich gute Truppe wie BLACK MESSIAH nicht mehr… oder um mich auf den Albumtitel zu beziehen: Jungs, geht nach Hause!
Man darf mit Fug und Recht behaupten, dass die Bayern EQUILIBRIUM zu den hierzulande erfolgreichsten und beliebtesten Wikingertruppen gehören, immerhin ließen sie bereits 2005 mit „Turis Fratyr“ ein richtig starkes Debütalbum los. Aber auch wenn die Band ihren Stil längst gefunden hat, dümpelt sie schon seit einigen Jahren in der kreativen und kompositorischen Belanglosigkeit, was „Waldschrein“, das erste Lebenszeichen seit „Rekreatur“ aus dem Jahr 2010, mehr als deutlich macht. Der Titelsong dieser EP ist eine bombastische, fett produzierte Uptempo-Hymne mit schön mitsingkompatiblem Refrain, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Dazu gesellen sich mit „Der Sturm“ eine neu aufgenommene Nummer von erwähntem Debüt, mit „Zwergenhammer“ ein banaler, bislang unveröffentlichter Happy-Hörner-Vollgas-Song und mit „Himmelsrand“ eine wenig essentielle Vertonung der Titelmelodie des Videospiels „Skyrim“. Am Ende steht noch eine völlig unnötige Akustik-Version des Titelstücks, was diese EP alles in Allem ausschließlich für EQUILIBRIUM-Fans qualifiziert. Nach drei Jahren hätte man mehr erwarten können, falls man denn überhaupt noch Erwartungen gehabt hätte…
Mit knapp 20 Jahren auf dem Buckel gehören die Schweden MANEGARM schon zum alten Eisen der Viking/Pagan Metal-Zunft, haben es jedoch bis heute nicht geschafft, daraus großes Kapital zu schlagen und sind eher Geheimtipp denn kommerziell erfolgreich. „Legions Of The North“, ihr mittlerweile siebtes Album, wird an dieser Tatsache höchstwahrscheinlich kaum rütteln, obwohl die Jungs hier ihr bislang mit Abstand stärkstes Werk vorgelegt haben. Schon die letzten Alben „Vargstenen“ (2007) und „Nattväsen“ (2009) waren nicht von schlechten Hörnerträgern, aber mit eingängigen, druckvollen (Midtempo-) Hymnen wie dem überragenden Opener und Titelsong (Ohrwurm mit Killerrefrain!), „Eternity Awaits“, „Hordes Of Hel“, „Sons Of War“ (absolute Mitgrölnummer und live sicher ein Highlight!), „Echoes From The Past“, „Fallen“ oder „Forged In Fire“ zeigt sich das Quartett in Sachen Songwriting von seiner versiertesten Seite. Mit dem abschließenden „Raadh“ hat sich sogar eine sehr gute, schmalzfreie Akustikballade eingeschlichen. Die große Hitdichte und Zugänglichkeit von AMON AMARTH oder SUIDAKRA erreichen MANEGARM hier zwar nicht ganz, dafür haben sie mehr denn je ein Gespür für den gezielten Einsatz von Klargesang, Chören und erneut weiblichem Stimmvolumen. Alles in Allem ist „Legions Of The North“ daher unterm Strich den „Tipp“ wert. Das darf auch in Zukunft ruhig so bleiben.
Auf ihrer eigenen Hackfressenbuchseite geben die Schweden an, „Epic Scandinavian Metal in the vein of BATHORY“ zu spielen, was man „Fire Meets Ice“, dem inzwischen vierten Album der seit zehn Jahren existierenden Band, absolut überhaupt rein gar niemals nicht anhört. Darauf käme man im Leben nicht, wenn es nicht bei Hackfressenbuch stünde… aber nun mal hinfort mit Ironie und gar munter Lästerei. EREB ALTOR gehören tatsächlich zu den fähigeren Huldigern Quorthons und liefern ein gelungenes Album ab, das sich in zumeist schleppenden, epischen, teilweise überlangen und mit glasklaren Chören versehenen Kompositionen ergießt und die „Hammerheart“/“Twilight Of The Gods“-Phase des 2004 verstorbenen Meisters zitiert. Wer sich zwischen diesen Genre-Meilensteinen stilistisch heimisch fühlt, darf sich hier über starke Kompositionen wie den knapp zehnminütigen Opener und Titelsong, das monumentale „Nifelheim“ oder das melancholische „The Deceiver Shall Repent“ freuen, die in Summe ein hohes Gesamtniveau halten, aber am Stück auch ein wenig langatmig und ermüdend ausgefallen sind. Atmosphärische Düsterhymnen dieser Machart schaffen Bands wie MOONSORROW, PRIMORDIAL oder ATLANTEAN KODEX noch eine Ecke packender, charismatischer und mitreißender. Dennoch ist „Fire Meets Ice“ unterm Strich eine gute Scheibe, nicht mehr und nicht weniger.
Obwohl bereits seit 20 Jahren aktiv, sind die österreichischen SUMMONING bislang ein Geheimtipp geblieben – ein Frevel in Zeiten der mittelalterlichen/wikingerischen Modewelt, die zum Großteil gar heidnischen Sondermüll fabriziert. Das Duo Richard Lederer (Protector) und Michael Gregor (Silenius) war seinerzeit einfach zu früh dran, vergleichbar mit den auf ewig unterbewerteten SUIDAKRA. Dafür zeigen die beiden Herren anno 2013 so ziemlich 99% der Waldläuferszene, wie es geht: „Old Mornings Dawn“, das siebte Album der Band in 18 Jahren und das erste seit sieben Jahren („Oath Bound“), ist ein Meisterwerk erhabener Melodien, das sich gekonnt zwischen düsteren, bombastischen Naturklängen und rohem Schwarzmetall einpendelt und die Werke von Landsmann RIVENDELL genauso in die Schranken verweist wie den Isländer FALKENBACH oder die auf ewig überbewerteten VINTERSORG, von Peinlichkeiten wie dem aktuellen TURISAS-Stumpfsinn ganz zu schweigen. Der einzige Kritikpunkt, den man gegen „Old Mornings Dawn“ vorbringen könnte, ist eine gewisse Langatmigkeit, jedoch muss man bedenken, dass die durchweg überlangen (und immer knapp die Zehn-Minuten-Marke tangierenden) Kompositionen diesen Anlauf brauchen um ihre Wirkung vollends zu entfalten. Der Titelsong sowie der überragende Abschluss „Earthshine“ haben sogar das Zeug zu Genre-Klassikern. Das Album genießt man jedoch am Besten am Stück und freut sich wie ein Schneekönig darüber, dass in diesem musikalischen Bereich doch noch nicht alles gesagt ist. Klasse!
Im Hause SUIDAKRA hat sich seit dem letzten Album erwartungsgemäß rein musikalisch nicht viel verändert, der größte Umbruch liegt im personellen Bereich: Marcus Riewaldt, der Mastermind Arkadius und Drummer Lars ganze zehn Jahre am Bass begleitete, verließ die Band vor zwei Jahren und wurde durch Tim Siebrecht ersetzt; außerdem ist mit Marius „Jussi“ Pesch ein neuer Live-Gitarrist an Bord. „Eternal Defiance“, das inzwischen elfte Album der seit 1994 unter dem Namen SUIDAKRA aktiven Band (vorher nannte man sich GLORYFICATION), knüpft nahtlos an die letzten beiden saustarken Scheiben „Crógacht“ und „Book Of Dowth“ an und führt den sehr eingängigen, melodischen Stil fort, ohne auf die gewohnt knackige Schwarztodmischung zu verzichten. Es gibt nur ganz wenige Bands, die den Spagat zwischen Härte und einschmeichelnden Folk-Einlagen beherrschen, ohne zum Discount-Wikingerkommando zu mutieren. Und es ist mir jetzt noch ein Rätsel, warum diese Band nicht spätestens mit dem Methorn-Trend kommerziell (in metallischem Rahmen versteht sich) durch die Decke gegangen ist. Ich befürchte fast, auch hier im Familienpack vertretene und teilweise von Tina Stabel am Mikro kraftvoll veredelte Hymnen wie „Inner Sanctum“, „Beneath The Red Eagle“, „March Of Conquest“, „Rage For Revenge“ oder „Defiant Dreams“ werden daran leider nichts mehr ändern, obwohl echte Kenner wissen, was zu tun ist. Lediglich die beiden Balladen „The Mindsong“ (von Frau Stabel gesungen) und „Damnatio Memoriae“ (von Arkadius gesungen… ruhiger Klargesang ist nicht seine große Stärke…) fallen gegenüber dem Rest etwas ab, dafür hat man mit dem überragend interpretierten irischen Traditional „Mrs. McGrath“ einen exquisiten Bonustrack ans Ende gehängt, der dieses Defizit locker ausgleicht. Als Gesamtpaket ist das Album daher problemlos wieder einen „Tipp“ wert.
Szenekennern ist Frankreich inzwischen bekannt als Heimatland von essentiellem, anspruchsvollem und künstlerisch ausuferndem Schwarzmetall, doch gehören FIR BOLG zu einem großen Teil (wenn auch beileibe nicht hundertprozentig) der musikalisch gehörnten Fraktion an. Die 2006 gegründete Ein-Mann-Band um Mastermind Dagoth, die bei Bedarf, sprich Live-Gigs, auch gerne mal um weitere Musiker ergänzt wird, hat mit „Paganism“ gerade mal eine (sehr gute) EP auf dem Gewissen, der mit „Towards Ancestral Lands“ nun endlich ein Debütalbum folgt. Was mich an dem Album wirklich beeindruckt, ist die Tatsache, dass die letzten paar Jahre, in denen im Viking/Pagan-Bereich fast nur noch Schrott herausgekackt wurde, scheinbar spurlos an FIR BOLG vorbeigegangen sind. Das Album klingt, als sei dieses Genre gerade auf einem künstlerischen Höhepunkt und nicht schon seit langer Zeit darüber hinaus. „Towards Ancestral Lands“ erinnert (zumindest in Sachen Klasse) mit seinen starken, hymnischen und ordentlich fett produzierten Stücken wie dem treibend schnellen Opener „Behind The Great Oppidum“, dem im Mittelteil mit gelungenen Folk-Intermezzi auftrumpfenden „Banshees“, dem mit flotten Gitarrenmelodien ausgestatteten „Final Battle On The Frozen Lake“ oder dem schon leicht progressiven, überlangen „Mag Tuired“ eher an Bands wie MANEGARM, THYRFING oder die großartigen SUIDAKRA. Lediglich eine gewisse, leichte Eintönigkeit des Materials und das Fehlen der ganz großen Übersongs lässt mich hier noch zögern, den „Tipp“ zu zücken – auch in der Überzeugung, dass ich FIR BOLG eine erneute Steigerung ohne Weiteres zutraue. Endlich mal wieder eine richtig gute Orgie für Schwarzwikinger!
Vor rund vier Jahren gingen die beiden NEGURA BUNGET-Gründer Hupogrammos und Negru nach knapp eineinhalb Dekaden Bandgeschichte getrennte Wege. Negru macht seitdem mit öfter mal wechselndem Line-Up (bislang auf überragendem Niveau wohlgemerkt!) unter dem Namen NEGURA BUNGET weiter, Hupogrammos und der ebenfalls abtrünnige Sol Faur haben sich DORDEDUH (was übersetzt so viel wie „Sehnsucht nach dem Geist“ bedeutet und eine tiefe Spiritualität andeutet, die von der Musik transportiert wird) zugewandt, die stilistisch ähnliche Wege geht wie die ehemalige Truppe der beiden. Auch die übermächtigen ENSLAVED stecken bis über beide Ohren in „Dar De Duh“, dem Debütalbum der bis zu acht Mitgliedern starken rumänischen Band. Musikalisch hat hier natürlich alles seinen Ursprung in schwarzmetallischen Gefilden, aber das Album einfach in die Schublade „Viking“, „Pagan“ oder „Folk“ zu pressen, greift definitiv zu kurz. „Dar De Duh“ ist ein abendfüllendes Epos aus großartigen Melodien osteuropäischer Prägung, vielen ruhigen Einschüben, traditioneller Folklore und ruppigen Momenten, das wie aus einem Guss klingt, den Hörer richtig fordert, dann aber mit einer scheuklappenlosen, hoch atmosphärischen und sogar in gewisser Weise eingängigen Reise in eine fremde Welt entführt. Ein Stück wie „Calea Rotilor De Foc“ hätte Quorthon nicht besser hinbekommen, und im Kontrast dazu hätte das abschließende „Dojana“ auch gut in den „Hobbit“ gepasst. Es gibt sicher Fans, die den Split mit NEGURA BUNGET bedauern, aber man sollte das inzwischen positiv sehen, denn sonst wäre dieses herausragende Album niemals aufgenommen worden. Ein Monster düsterer Spielkunst!