Sieben Minuten. Fast eine Stunde Laufzeit. Ein Titel über zehn, einer über achtzehn. Macht das nicht schon Lust genug auf das was 7TH NEMESIS hier vorstellen?
„Deterministic Nonperiodic Flow“ ist primär Death Metal – und zwar nicht zu knapp! In absolut brachialer Genre-Manier wird hier ins Mikrofon gegrowlt und Dampf gemacht, passend dazu gibt es auch mehr als einen Blastbeat und ein Tempo das so ungefähr das Gegenteil von „langsam“ oder „nackenfreundlich“ ist.
Gut, zugegeben: Normalerweise ist das kein Text bei dem man nun etwas positives von meiner Seite aus erwarten kann. Aber: Neben diesem harten Death-Grundcharakter hat 7TH NEMESIS wirklich schwer geniale Riffs auf der Platte die durchaus mal in Art, Anspruch und Geschwindigkeit wechseln, im Großen und Ganzen aber immer wahnsinnig Druck haben und auch jeden Fan anspruchsvollerer Kompositionen glücklich stimmen mögen. Da tut auch die erwähnte Überlänge der beiden Titel „Distorted Mass“ und „Ashes Of A New Era“ ihr Werk zu bei. Keine Sau schreibt schließlich einen Song der so lang ist wie bei anderen die ganze Scheibe wenn es dort keine Abwechslung gibt. Hier geschieht das maßgeblich durch Tempowechsel, Einspielungen von Stimmband-Aufnahmen und auch Variationen in der Härte der Songs und ihrem Charakter – sowohl innerhalb der langen als auch unterhalb der kürzeren Titel. „Seeding Devoultion“ ist fast komplett Geballer wogegen „Legacy Of Supremacy“ durchaus die ruhigere Seite der Band (soweit das möglich ist) ans Licht bringt.
„Deterministic Nonperiodic Flow“ hat was. Hat sogar viel und macht schwer Laune dem Mix aus fettem Riffing und Komplexität sowie Geschredder zu lauschen, übrigens auch zur Zeit völlig gratis auf der Website der Band. Ein definitiver Tipp von mir!
VESSELS kommen aus dem Vereinigten Königreich. Wie MOGWAI. VESSELS spielen größtenteils instrumentale Musik. Wie MOGWAI. Gesang spielt, wenn er überhaupt mal vorkommt, eine untergeordnete Rolle. Wie bei MOGWAI. Der Sound ist im Grunde rockig, wird aber auch immer mal wieder mit dezenten elektronischen Elementen angereichert. Wie bei MOGWAI. Damit enden dann die Gemeinsamkeiten. Denn – anders als MOGWAI – klingen VESSELS durch die Bank langweilig. Ihre Musik wirkt trotz der oft treibenden Beats ziemlich drucklos und weichgespült. Die Drums versuchen zwar immer wieder, Akzente zu setzen, doch niemand zieht mit. Es gibt keine echten Höhepunkte und kaum Dynamik: Laute, intensive Parts fehlen genauso wie wirklich ruhige Parts, die Musik plätschert lediglich vor sich hin. Post-Rock-Easy-Listening, könnte man sagen. Im Vorprogramm der letzten OCEANSIZE-Tour konnte man das ganze Elend auch schon erleben. Schon da habe ich immer auf irgendeinen Kick in der Musik gewartet – der jedoch ausblieb. Irgendwie hatte ich gehofft, dass die Band auf Platte mehr auf den Punkt kommen würde – leider vergebens. Na ja, was soll’s, bleibt mir ja noch die letzte von … wem wohl? Klar, MOGWAI!
LONG DISTANCE CALLING entwickeln sich spätestens mit ihrem dritten Album vom Münsteraner Geheimtipp zum gesamtdeutschen Hit. Und das liegt nicht nur an der Umzugsfreude der Bandmitglieder raus aus der kleinen Studentenstadt, sondern vor allem in der Unkategorisierbarkeit ihrer Musik. Die Stimme ist halt auch nur ein Instrument - und ohne fehlt dem Hirn ganz offensichtlich eine Schublade, in die man die Musik hineinstopfen kann. LONG DISTANCE CALLING vergniedeln sich ganz erstaunlicher Weise nicht in ihren Stücken. Während man einigen Progrock- oder Stonerbands bereits in den instrumentalen Passagen ihrer Songs vorwerfen kann, die Übersicht verloren zu haben, haben die Songs von LONG DISTANCE CALLING immer einen hörbaren "roten Faden" und kommen zum Punkt zurück: Der Opener "Into The Black Wide Open" hört sich an wie eine tiefe Verbeugung vor Pink Floyd, "The Figrin D'an Boogie" swingt, ja, aber vor allem hat es eine mächtige Seventies-Instrumentierung und -Soundeffekte. Sollte "Boogie Nights" noch mal verfilmt werden, wäre das der Soundtrack für die Clubszenen. Angeblich soll "Long Distance Calling" ein Konzeptalbum über die Vertonung "von Zeit, Raum und Entfernung" gedacht sein - besonders gut geglückt ist das der Band mit den Songs "Invisible Giants" und "Timebends". Bei den gewohnt schweißtreibenden, intensiven Konzerten der Band (die Tour fand parallel zum Veröffentlichungstermin statt) kann man sich besonders die Uptempo-Nummer "Arecibo (Long Distance Calling)" vorstellen. Das besondere Schmankerl kommt fast am Schluss, für "Middleville" konnte ex-ANTHRAX-Sangeswunder John Bush als Gastsänger gewonnen werden. Bushs Röhre fällt sofort auf - und verändert den Eindruck der Musik erheblich. Passende Vergleiche wären A Perfect Circle - allerdings mit Cochones (!) oder Velvet Revolver ohne Koks. Wer im Kopf reisen und wieder ankommen will, kaufe sich dieses Album!
Da mögen manche des Hypes wegen schon die musikalischen Vorzüge des amerikanischen Blues-Gitarristen JOE BONAMASSA in Frage stellen – „Dust Bowl“ belehrt sie eines besseren. So liefert der gute Joe mit seinem neuen Longplayer das wohl hitverdächtigste Album nach seinem 2009er Überflieger „The Ballad Of John Henry“ ab. Der 1977 in Utica (New York) geborene JOE BONAMASSA wuchs, wo auch sonst, im Gitarrengeschäft seines Vaters auf und durfte bereits im Alter von 12 Jahren mit B.B. King spielen – sein Weg war vorgezeichnet. Ob Joe da noch was anderes außer Gitarren spielen macht braucht man nicht zu fragen: 2010 nahm er nicht nur das Vorgängeralbum „Black Rock“ auf, sondern feierte mit dem BLACK COUNTRY COMMUNION Debüt große Erfolge (deren zweites Album ja auch schon wieder im Kasten ist) – und jetzt also bereits wieder neuen Solo-Stoff für die Blues Rock Fans. Und der hat es durchaus in sich. Bei den wiederum überwiegend in den griechischen Black Rock Studio auf Santorini aufgenommenen Tracks ging es Joe diesmal mehr darum Geschichten zu erzählen, was ein leichtes Songwriter-Feeling aufkommen lässt. Musikalisch wird auch manches probiert; der Blues-Anteil im Vergleich zum recht rockigen Vorgänger wieder erhöht, ohne dabei die erdig-raue Grundausrichtung der hervorragend produzierten Platte aus den Augen zu verlieren. Der dampfend rockende Opener „Slow Train“ lässt im Geiste eben jenen langsamen Zug entstehen und mit zunehmenden Tempo hörbar werden. Aber auch das griechisch angehauchte semiakustische „Black Lung Heartache” und vor allem das Blues-Lehrstück „The Last Matador Of Bayonne“ – eine atmosphärische Ballade, samt Trompetepart welches gehörig Hitpotential aufweist - seien mal als Anspieltipps genannt. Country-Feeling kommt bei „Sweet Rowena“ (Gitarrenduell mit Vince Gill) und dem tollen „Tennessee Plates” (Duett mit John Hiatt) auf. Ein Hinhörer auch das Paul Rogers Cover „Heartbreaker“ mit Sänger Glenn Hughes am Mikro. Keine Frage – wer auf gut gemachten Blues Rock und Hard Rock steht, kommt spätesten mit „Dust Bowl“ auch hier in Europa an JOE BONAMASSA kaum vorbei.