Festival de Vouziers
Konzert vom 19.11.2025Das Festival Metal in Vouziers feiert in den französischen Ardennen die fünfunddreißigste Auflage, der Organisationsverein sogar den vierzigsten Gründungstag. Zum Gratulieren kommen mehr als fünfhundert Leute, die die finanziellen Lücken aus den Vorjahren ein bisschen stopfen. Und alle feiern den Tag: Bands, Fans, Organisatoren. Es ist ein ganz besonderes Fest für Fans mit einer frankophilen Ader. Sie müssen die Ursuppe des französischen Metals auslöffeln. Um es vorwegzunehmen: Das Menü schmeckt ausgezeichnet. Es bleibt nur eine Frage: Wie sollen die Macher das bloß toppen?
HOLSTER eröffnen den Traum von einem Festival mit relativ unspektakulärem Hard Rock. Aber dafür sind sie bei der deutschen Delegation von Beginn der Reise mit im Auto, denn ab Hamburg frönt der eine oder andere der Biersorte Holsten und ändert per Edding den Namen auf der Dose – und macht den anderen ein R für ein N vor. HOLSTER knallt am dollsten. Im Ernst und wie auch immer: Wer die neu aufgenommene Scheibe der Franzosen mit den Demos aus den Achtzigern – oder sogar die Originale – kennt, der muss zugeben, dass die Songs gut gealtert sind. Der Einstieg ins fünfunddreißigste Festival ist vollauf geglückt, was auch die früh schon recht gut gefüllte Salle de Fêtes beweist. Es sollte allerdings nie wieder leerer werden, abgesehen von den Pausen und nach dem Ende der Veranstaltung.
H-BOMBS, das sind in Vouziers Schlagzeuger Fabien "Speedos" von TTT, Evil One und Thrashback, Gitarrist Alain von No Return sowie François (Gitarre) und Didier (Bass) von Hürlement und Bernard, der Ex-Gitarrist von Witches und ADX, der auch bei Manurain Gitarre spielt und singt. Marc Varez (Vulcain) und Lynda Basstarde (ex-Furies), die zuvor „Coup de Metal“ formierten, sind nicht mehr dabei. Das macht aber gar nichts, denn was die Jungs da auf die Bühne zaubern, das ist aller Ehren wert. Das hätte auch den Originalsänger Didier Izard gefreut, der ja leider schon 2018 verstarb. H-Bomb gab es ja nur bis 1986, aber das, was sie bis dahin veröffentlichten, bezeichnet der geneigte Fan zu Recht als legendär. Und so ist die Setlist der Coverband voller Hits. Wohl die wenigsten hätten gedacht, dass sie die Songs von damals noch einmal in dieser epischen Breite zu hören kriegen, mit viel Verve gespielt. Die Musiker leben jede einzelne Note vor, von „Exterminateurs“ bis „H-Bomb“. Einziger klitzekleiner Kritikpunkt: Die Musiker an den Saiteninstrumenten kennen die Texte (noch) besser als der Sänger. Aber der Auftritt ist ja auch eine Premiere. Und der große Mann am Mikro überspielt seine Fehler gar nicht erst, sondern macht sich über sich selber lustig, sodass es auch nicht weiter stört. Diese Band muss öfter spielen, überall!
KILLERS aus dem französischen Baskenland sind Stammgäste in Vouziers und konzentrierten sich angesichts des vierzigsten Geburtstags des Gründervereins auf die älteren Hits. Sie starteten mit „Killers“ und „Fils de la Haine“ furios. Obwohl es noch keine fünfzehn Uhr war, merkten alle, dass hier erneut ein historischer Auftritt folgen sollte. Die Band sprühte vor Spielfreude, Bruno präsentierte sich ungewohnt locker – und das Publikum war voll dabei und gab mit jeder Menge Sangesfreude all das zurück, was die KILLERS ihren Fans seit den Achtzigern geben. Bei „Assassins“ zwangen die Fans die Kapelle zum Weitermachen und „Rosalind“-Chöre zauberten Gänsehaut an den ganzen Körper; selbst die Band war überwältigt. Ein furioses „L’Aigle Noir“ beendete einen Auftritt, der unglaublich viel Spaß machte. Allen Beteiligten. BRAVO!
Setlist KILLERS
Killers
Le Fils de la Haine
Arrantzale
Chevaliers du Déshonneur
Délire de Mort
Minorité
Maître du Métal
Azken Agurraren Negarra
Le Magicien d'Oz
Tricheurs
Le Loup
L'Assassin
Rosalind
L’Aigle Noir (Barbara-Cover)
ADX – Dog an den Drums und Sänger Phil sind übrig geblieben – und das frische Fleisch wirkt nicht so, wie es soll. Irgendwo zwischen Langweiler und Rockstar reihen sich die „Neulinge“ ein – vor allem aber fehlt das echte Feeling. Klar, die Pariser kloppen ihre Songs gekonnt und bretthart in den Fetensaal – aber sie rauschen dabei auch an dir vorbei wie ein ICE, der durch deinen Garten rast. Das ist schade, denn auch wenn es vielen im Saal augenscheinlich gefiel, waren einige bitter enttäuscht. Selbst das eingestreute, geniale „Division Blindée“ konnte nicht mehr alles rausreißen. Es treibt einem die Tränen in die Augen, wenn der eigentliche Gitarrist Betov nur noch im Hintergrund managt und Merch ranschleppt, anstatt mit seiner ganz eigenen Spielweise die ADX-Songs zu veredeln.
TITAN ganz anders: Die Blutauffrischung hat der zweiten Basken-Bande an diesem Abend nicht geschadet. Nur noch Sébastian Blanc ist „von früher“ dabei. Nach dem Abgang von Signature-Sänger Patrice waren viele gespannt, wie der neue Peio seine Sache macht. Um es vorwegzunehmen: ein bisschen anders, aber sehr gut, mit viel Energie. Und sie hatten den Mut, viele neue Stücke zu spielen, auch vom gerade veröffentlichten, nigelnagelneuen Album „Lacrimæ Mundi“. Die kommen genauso gut an, wenngleich die Klassiker „La Loi du Métal“, „L’Irlande au Cœur“, „Ultimatum“ und „GI’s Héritage“ für die totale Gänsehaut zuständig sind. Super, gut und sehr sympathisch – die neue Formation.
Setlist TITAN
Apophénies
Prométhéen
Demiurge
La Loi du Métal
L'Irlande au Cœur
Les Fous de Dieu
Cernés par les Ruines
Ultimatum
Venin Mental
Résurrection
Utopie
GI's Héritage
BLASPHÈME haben mit Olivier Del Valle (Face to Face, Shannon) und Alexis Roy-Petit (Hürlement) gleich zwei Sänger am Start – und die machen ihre Sache nicht wie kleine Könige, sondern wie große Künstler. Zusammen mit Szene-Original Philippe Guadagnino und dem Rest zaubern sie einen Auftritt in den Saal, der viel besser rüberkommt als die vorherigen Gigs. Was für ein „Vivre Libre“, was für ein „Désir du Vampyr“ – großartig und besser als Baccara! Oder hieß die Band mit mehreren Sängern etwa doch Helloween?
Setlist BLASPHÈME
Le Boucher de Londres
Le Saint de l’Esprit
Le Contrôle
Le Domaine des Hommes
La Débauche Romaine
La Faute de Mœurs
Vivre Libre
Le Fardeau du Peuple
Le Corbeau
Au Nom des Morts
Cueillir le Jour
La Solitude
Le Nom Éternel
Le Désir du Vampire
La Vengeance Barbare
NIGHTMARE sind wohl über die Jahre die international erfolgreichste Band des Billings. Sie spielen viele Songs aus der Zeit von „Waiting for a Twilight“ und „Power of the Universe“. Jo Amore als Sänger ist ein Bringer … aber die Besetzung war sich ihres Rufs vielleicht ein bisschen zu sehr bewusst. So kommen die Songs irgendwie an: Der Euro-Power-Metal ist sicherlich nicht schlecht, aber die Magie der anderen Gruppen will sich einfach nicht entfalten. Der Albtraum kam nicht so großspurig rüber wie Mystic Prophecy im Vorjahr, aber Sympathiepunkte verdienen sich an diesem Tag andere Bands.
SORTILÈGE zaubern fast schon zu perfekt. Hilft da die Technik? Egal: Wer Jahrhundert-Songs in petto hat, darf das. Achtundneunzig Minuten lang reihen Zouille und Co. ihre Hits aus allen Schaffensphasen aneinander – „Toujours Plus Haut“, „Chasse le Dragon“ und „Marchand d'Hommes“ sowieso. Sie spielen sogar ein neues Lied von der Ende November erscheinenden neuen Platte „Le Poids de l’Âme“, nämlich „Cœurs d’Acier“. Die Jungs sind professionell as fuck, manchmal bleibt vielleicht das Spontane ein wenig auf der Strecke. Aber es gab auch die ganz, ganz tollen Momente: So ist der Auftritt ein ganz besonderer, denn es ist der erste in Frankreich ohne den leider verstorbenen Gitarristen Bruno – und nach der sehr emotionalen Ansage folgte ein unvergesslich energisches „D’Ailleurs“. Und wie sehr Vouziers SORTILÈGE zu Füßen liegt, zeigte „Délire d’un Fou“. Phantastisch. Und jetzt alle – wie schon in Vouziers – singen, schreien, die Arme hoch, die Fäuste in die Luft. Alles mit Augen zu: „J’aurais le monde entier … à ma botte.“ Vouziers, ach was, die ganze Welt liegt SORTILÈGE zu Füßen!
Setlist SORTILÈGE
Medusa
Le Sacre du Sorcier
Phoenix
D'Ailleurs
Toujours Plus Haut
Le Cyclope de l'Étang
Chasse le Dragon
Progéniture
Civilisation Perdue
Derrière les Portes de Babylone
Attila
La Parade des Centaures
Délire d'un Fou
Cœurs d'Acier
Poseidon
Mourir pour une Princesse
Marchand d'Hommes
Vampire
Amazone
Sortilège
Veranstalter William und sein Team bedankten sich anschließend bei den Besuchern für ein wunderbar gelaufenes Fest, mit einem neuen Besucherrekord von gut fünfhundert und Publikum aus ganz Frankreich, Belgien, Luxemburg, Deutschland, der Schweiz, Italien, Ungarn, Österreich, Mexiko, Irland, Norwegen, Schweden, Finnland. Diesen Dank geben wohl alle zurück für ein tolles, charmantes, unglaubliches Festival da am Popöchen des Wildschweins. Es ist so schön. Was bleibt an Verbesserungsvorschlägen? Nicht viel. Wie jedes Jahr fordern germanische Biertrinker größere Becher. Zum einen sind selbige dann nicht so schnell leer, zum anderen kann man die Running Order mit vermeintlich größeren Lettern noch besser lesen. So kleben im Kopf die wundervollen Erinnerungen an zwei Tage voller Liebe – ein metallisches Beispiel für die deutsch-französische Freundschaft. Und die bittere Erkenntnis, dass es eigentlich nie wieder so schön werden kann. Oder, William, Gilles und Co.? (PS: Handy-Schnappschüsse)
NIGHTMARE
Blaspheme
TITAN (France)
Killers
ADX
H-BOMBS
HOLSTER



