Mein Kollege Chris hat in seinem Review zum Vorgänger „Hoffnungsschimmer“ bereits einen guten Überblick über das Treiben der Frankfurter Mittelalterrocker NACHTGESCHREI gegeben. Und zwei Essenzen seines Reviews treffen auch auf „Am Rande Der Welt“ zu: die Musik des Septetts ist immer noch vorhersehbar wie eine Daily Soap, und die Stimme von Sänger Hotti klingt immer noch nach Schlagerhanseln der Marke Gunter Gabriel oder Truck Stop; an einen Eric Fish oder Michael Rhein kommt er einfach nicht heran. Auch die Texte fahren oft gefährlich nah am Silbereisen-Abgrund, doch trotz all dieser eher unmetallischen Eigenschaften haben NACHTGESCHREI ein paar sehr gute Melodien auf der Pfanne. Im Lastenheft steht eher Gefühl als Abrissbirne, und hier liegen auch die Stärken der Band. Stücke wie „Herz Aus Stein“, „Fernweh“ „Windfahrt“ oder „Nur Ein Kleines Stück Vom Himmel“ überzeugen mit einer Leichtigkeit, die sie einfach sympathisch macht, auch wenn man die ganz großen Nummern bei dieser Band noch nicht findet. „Am Rande Der Welt“ eignet sich daher als Anspieltipp für Mittelalterrocker, die es eher gemäßigter und „mainstreamiger“ mögen. In die erste Liga mit ihren IN EXTREMOs und SUBWAY TO SALLYs spielen sich die Jungs mit diesem Album aber nicht.
Noch nicht gar zu lange ist es her, dass IN EXTREMO mit "Sängerkrieg" ihre letztes Studioalbum präsentierten, nun legen die Mittelaltergrößen mit einer Akustik Live-Aufnahme unter dem selben Titel, aufgezeichnet beim Potsdamer Radiosender Fritz, nach. Allerdings ist der Titel in sofern etwas irreführend, als er einen zu der Annahme verleiten könnte, dass sich ausschließlich Material des "Sängerkrieg"- Studioalbums darauf befindet. Zwar liegt darauf tatsächlich der Schwerpunkt, aber es finden sich eben auch ältere Songs wie "Küss Mich" und "Vollmond". Die zweite Überraschung wäre, dass man ja nun bei einem Akustik-Album einer Mittelalter-Rockband mehr oder minder erwarten würde, dass, sobald man alles elektrisch Verstärkte abgezogen hat, hauptsächlich Mittelalter übrig bleibt. Ist aber hier nicht so. Im Gegenteil, die vorhandenen Mittelalter-Instrumente sind im großen und ganzen sehr zurückhaltend eingesetzt und rücken lediglich bei wenigen Songs, wie beispielsweise "Vollmond", etwas mehr in den Vordergrund. Das erfordert erst einmal etwas Gewöhnung, zumal die akustischen Arrangements der Stimme des Letzten Einhorns einen ganz anderen Rahmen geben als man das sonst so gewöhnt ist, ist in sich aber durchaus stimmig. Zusätzlich zu dem Radiomitschnitt runden mit "Requiem" und einer Piano-Version von "En Esta Noche" noch zwei Bonustracks sowie als Ergänzung auch noch eine ursprünglich mal bei DMAX ausgestrahlte, knapp 50-minütige Dokumentation über die Band mit einer Zusammenstellung aus Live-Ausschnitten und Interviews das Gesamtpaket ab. Wer also noch ein Weihnachtsgeschenk für einen ihm bekannten IN EXTREMO- Fan braucht, kann hier getrost zugreifen. Und auch wenn er selbst nicht so auf Mittelalter steht ruhig mal vor dem Verschenken reinhören.
1999 in Lüdenscheid gegründet haben sich SONOROUS DIN (bedeutet soviel wie "klangvolles Getöse") einer Spielart des Mittelalterrock angenommen, welche neben den bekannten mittelalterlichen Elementen noch einen Tick harte Metalriffs und eine eher düstere Grundstimmung bietet. Die drei Herren und drei Damen setzen voll auf deutsche Texte, deren Sinninhalt jedoch zeitweise bemüht anspruchsvoll rüberkommt - die aber, wie z.B. beim Titellied "Lusus Naturae", und den anderen Highlights wie "Schatten", das achtminütige "Der Zauberlehrling" oder "Liebeslied" zum Nachdenken einladen. Der Gesang lebt vom Wechselspiel der harten, zum Teil recht theatralischen männlichen Stimme von Thomas Haferberger und dem zart zerbrechlichen Organ der jungen Jamina La Rocca. Musikalisch dominiert neben dem Gesang vor allem die Geige als tonangebendes Instrument - Gitarre, Keyboard und Rhythmusfraktion kommen solide, überfrachten die Songs aber dank zurückhaltender Instrumentalisierung nicht. Ein gutes Gespür für eingängige und zugleich intensive Songs kann man dem Sextett bereits für des Debüt attestieren. Vergleichen kann man SONOROUS DIN mit bekannten Mittelalterbands allerdings recht schwer (was man durchaus als Kompliment verstehen darf) - am ehesten dürften wohl noch Schandmaul und die alten Subways herhalten. Ansonsten liegt "Lusus Naturae" für ein Debüt recht gut im grünen Bereich, der Sound für eine selbstproduzierte Demo geht so auch in Ordnung und die Aufmachung einschließlich Booklet darf man durchaus als professionell betrachten. Ein wenig mehr Lockerheit beim transportieren ihrer Texte würde der jungen Band noch gut tun - aber so was reift heran.
Erinnert man sich an die großartigen Konzerte nach dem letzten SCHANDMAUL Album, so sucht man auch auf "Mit Leib Und Seele" - sicher auch unbewusst - die neuen Songs, die an diese Stimmung heranreichen. Und noch während man mit "Der Untote" auch einen Song dieser Art findet, der sich locker in die Reihe der SCHANDMAUL Granaten einreiht, wird einem schnell bewusst: SCHANDMAUL klingen deutlich nachdenklicher und es finden sich deutlich mehr Gitarren als auf dem Vorgänger. Bedenkt man, dass SCHANDMAUL im Gegensatz zur restlichen Mittelalterkonkurrenz durchaus ihr Vagabundentum schon immer mit einer recht erwachsenen Musik vereinten, ist dieser Schritt zwar konsequent aber polarisierend. Sehr viele Tracks tragen ihre Trauer in Form von ruhigen Tönen an den Hörer. "Mit Leib Und Seele" kommt nicht mit der Alibiballade aus, sondern setzt hierauf klar einen Schwerpunkt. Die Texte sind gezeichnet von Schwermut, auch wenn Songs wie "Feuertanz" musikalisch im Chorus durchaus fetzen - Verfall und Elend wohin das Ohr hört. Einige Songs setzen auf breite Gitarrenwände mit modernem Touch - das gerollte "r" im moshbaren Chorus von "Mitgift" ist eine zum Lächeln anregende Andeutung. Man singt vom Weinen, vom Tod, der verlorenen Schlacht und der vergangenen Liebe. Die feinen Melodien, die den grandiosen Vorgänger auszeichneten, finden sich nicht mehr so häufig: "Das Spiel" macht eine der wenigen Ausnahmen und bietet neben einem Exkurs in mittelalterlicher Kriegstaktik wahrlich ohrenschmeichelnde Passagen. Fürs lockere Tanzbein ist das Instrumental "Käptn Coma" und sein witziger Rhythmuswechsel gegen Ende genau richtig, der Opener "Vor Der Schlacht" mit einem fulminanten Dudelsack-Gitarren Duell eine harte Eröffnung. Mir jedoch geht bei zu vielen Songs die Luft etwas aus oder wird zumindest dünn, die Leichtigkeit fehlt - nicht nur thematisch sondern auch oder grade bei der Umsetzung. Wahrlich kein schlechtes Album, aber im Vergleich zum Vorgänger eben "nur" ein Gutes.
Mittelalter Rock. Rock. Nicht Metal. Und eigentlich auch kein Rock sondern Pop... Das dritte Album "Minnenspiel" der deutschen Band ADARO, ist gleichzeitig mein erstes, denn obwohl ich mir einbilde den Namen schon mal gehört zu haben, so ist der große Durchbruch wohl ausgeblieben und somit die Band an mir vorbeigegangen. Und auch "Minnenspiel" fehlt wohl etwas um ADARO groß rauskommen zu lassen. Die Band lässt poppige Melodien mit einigen altertümlichen Instrumenten verschmelzen und einige Parts die dann Zusätze wie "Rock" oder gar "Metal" rechtfertigen könnten, werden in wenigen Songs in Form einer E-Gitarre oder treibender Drums forciert. Nicht in Ansätzen so hart wie In Extremo und Co. und auch vom musikalischen Anspruch und der potentiellen Zielgruppe eine andere Liga. Denn tanzbar sind die Songs nie und wollen es auch nicht sein, sie bilden vielmehr eine recht ruhige aber unter die Haut gehende Unterhaltung für einen Abend zu zweit etc.. Ob man das als Vorteil oder Nachteil für die Band auslegt, ist wohl in erster Linie Geschmackssache. Wie uns der Titel "Minnenspiel" ja ganz "subtil" andeutet, geht es textlich größtenteils um die Liebe, um nicht zu sagen um Sex, das ganze wird aber komplett in schönstes Mittelhochdeutsch gepackt und lässt selbst dadurch auch teilweise banale Zusammenhänge irgendwie hochtrabend klingen. Die beiden Leute am Gesang - einer männlich, eine weiblich - erledigen ihren Job gut, und genau das kommt mir an ADARO etwas seltsam vor: Sie machen eigentlich alles richtig, vielleicht ist die Sache eben einfach etwas zu zahnlos um so richtig zu begeistern. Schöne, erwachsene Musik findet sich auf "Minnenspiel" aber allemal.