Konzert:

DOOMSHIP 2025 – Hamburg, MS Stubnitz, 6. und 7. Juni 2025

Konzert vom 15.06.2025

Unweigerlich kommt dir Moby Dick in den Kopf, wenn du als Besucher des DOOMSHIP 2025 in das Innere der MS Stubnitz herunterkrabbelst. Über Stufen aus Metall, über in die Jahre gekommene Holz- und Betonschwellen geht es weit hinunter in das Innere der MS Stubnitz. Doch während Kapitän Ahab mit seinem Walfänger Pequod den weißen Wal aus Rachegelüsten jagt, ist die Premiere des Doom-Festivals in der Hamburger Hafen-City ein gelungener Ausdruck von Leidenschaft zur Musik, von internationaler Verständigung – ja sogar von Zuneigung und Liebe.

Als am Freitag pünktlich um 19 Uhr die Berliner URZA, die mit Gitarrist Olli maßgeblich an Planung und Durchführung des Festivals beteiligt waren, eröffnen, wabert zunächst wenig Love durch die bald stickige Luft des ehemaligen DDR-Kühlschiffs. Der Band-Hit  „Maunder Minimum“ fordert ohne Aufwärmen alles von den schon recht zahlreich anwesenden Fans. Der Titel beschreibt das Phänomen, dass 2030 die Sonne einschlafen wird – wer den Hauptstädtern folgt, der meint, es könne auch früher sein. Oder ist sie es sogar schon? Düster, mitreißend – und für Novizen, die lieber Drei-Minuten-Singles mögen, anstrengend. Aber die waren ja eh nicht da.
Setlist URZA:  Maunder Minimum, A History of Ghosts, Through Ages of Colossal Embitterment, Demystifying the Blackness.

Nach dieser Demonstration der Düsternis lässt die kurze Umbaupause nur wenig Lust zum Atmen. Denn die Hamburger Kirchenkritiker FVNERAL FVKK bitten zum Gottesdienst. Nicht wie Non Deus Est mit stilechten Sandalen, aber in Mönchskutten gekleidet, hat Sänger Cantor Cinaedicus am Kreuz schwer zu tragen. Sonst nicht, denn federleicht dirigiert er die Menge mit ausladenden Gesten und einer tollen Stimme durch die geharnischte Kritik an abgrundtief verabscheuungswürdigen klerikalen Missständen. Da mit Vicarius Vespillo und dem stinkend-verkatertem Frater Flagellum zwei Ophisten die Rhythmus-Sektion befehligen, ist guter Drive selbstverständlich. FVNERAL FVKK sind wahrscheinlich am nächsten dran am traditionellen Doom der Marke Candlemass, bewiesen aber eindrucksvoll, dass Doom Death auch mit klaren Vocals sehr gut funktionieren kann. Amen.
Setlist FVNERAL FVKK: Chapel of Abuse, Underneath the Phelonion, When God Is Not Watching, Bishop of the Iron Guard, Alone With the Cross, Poor Sisters of Nazareth, The Hallowed Leech.

Geradezu fröhlich wirken dann die niederländischen Urgesteine OFFICIUM TRISTE. Sie reiten vermutlich die konsensfähigste DOOMSHIP-Mischung von den entgegengesetzten Enden der Doom-Welle, die ja in der Gesamtheit von gothic-poppig bis brutal noisy reicht. Das Büro der Traurigkeit bedient dann auch (fast) die gesamte Klaviatur der Emotionen, macht aus gestanden Frauen verliebte Mädchen und aus erfahrenen alten, weißen Männern junge energiegeladene Doom-Novizen. Und das – wie übrigens ausnahmslos alle anderen Bands auch – mit einem Top-Sound, der durch die ungewöhnliche, aber herausragende Umgebung noch viel unglaublicher klingt. Und wie schön ist es, dass uns die Holländer mit dem wunderbaren „Like a Flower in the Desert“ in die kühle Luft im hohen Norden entlassen. Trotz des etwas schiefen Bildes gibt das paradoxerweise Hoffnung.  
Setlist OFFICIUM TRISTE: Walk in Shadows, World in Flames, Behind Closed Doors, Morose, Anna’s Woe, Forcefield, My Charcoal Heart, Like a Flower in the Desert.

Bei BLAZING ETERNITY müssen „echte“ Doom Deather leiden. An Überromantik mit einem Zuckerfaktor, der nicht nur Diabetiker überfordern dürfte. Nur: Im Laufe des Auftritts fangen die Dänen jeden ein. Die echten Fans tanzen, offene Doomerinnen und Doomer haben schon längst die Augen zu und wippen mit dem Oberkörper langsam im Kreis – und wer es eigentlich doof findet, trinkt Bier, hat den Partner im Arm oder beides. Ein irgendwie äußerst passender Abschluss des ersten Tages. Voller Liebe geht es dann eben auch nach Hause – oder wie einige der Musiker und die Organisatoren: direkt in die Koje. Peter und seine Mitstreiter hingegen machen sich auf gegen Osten. Sie spielen einen Tag später beim WGT.
Setlist BLAZING ETERNITY: The Ghosts Of Another Broken Life, No Bringer of Light, Concluding the Dive of Centuries, One Thousand Lights, To Meet You In Those Dreams, The Bells, Of Times and Unknown Waters, Your Mountains Will Drown Again, A Certain End Of Everything.

Der zweite Tag beginnt recht schnell mit einem Störtebeker. Das läuft ähnlich zäh wie die Musik der Österreicher ENDONOMOS bei manchem rein. Sänger Där Haidinger muss sich bei einem gleichzeitigen Auftritt mit seiner zweiten Band vertreten lassen, er wollte auf dem Schiff unbedingt dabei sein und setzte sich ins Auto, um von der deutschen Südgrenze gen Norden zu eiern. Und dennoch macht es der Opener einem schwer. Das liegt nicht an der Klasse der Band, sondern natürlich am Zustand des Rezipienten und (einiger?) Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Noch zu früh für schwere Kost, die sich bei klarem Sound zwischen eingängigen Melodien und frickeligeren Parts bewegt. Gut, dass diese Tasse Tee anderen, erneut schon recht zahlreich Anwesenden, besser mundet. Extra-Punkte sammelt der Fronter für kraftvolle Growls und sein TOTENMOND-Shirt.
Setlist ENDONOMOS: Inversion, Atropos, Weary, Resolve, Atheon Anarkhon, Wither and Thrive.

Die Griechen DECEMBERANCE haben nicht nur den längsten Bart am Start, sondern auch den längsten Song. Denn ihr Auftritt wirkt wie genau ein Lied. Sie erzeugen den perfekten Soundtrack für eine Doom-Metal-Doku. Immer cool, immer geil, egal, wo du einsteigst. Das kann auch ein Nachteil sein, wenn es jemand als Beliebigkeit auslegt. Die anwesenden Doom-Fans an Bord sind davon weit entfernt und schwelgen in den elegischen Weisen. Auch wenn es immer mindestens melancholisch und sogar sehr dunkel ist – oder gerade deswegen.
Setlist DECEMBERANCE: Scaffold, Shrouds (Fragment 1/4 Song), Departures.

Die Lokalmatadore OPHIS haben nicht den längsten (Bart), aber dafür sind sie am schnellsten (Im Sinne von Geschwindigkeit) und am härtesten (im Sinne des Heavy Metal). Sie beginnen mit „Godforsaken“ und erfreuen damit nicht nur Veranstalter Olli, der am Entstehen des Songs bei Ophis seinerzeit mitgewirkt hat. Sie spielen zwei neue Songs, Phil macht eine Ansage gegen den braunen Scheiß im Bundestag, der auch ohne Ost-Diss gut angekommen wäre und entschuldigt sich für zu hohes Tempo. Aber genau das ist gut so, im Sinne von Abwechslung und Heavyness. OPHIS sind an diesem Abend einfach mal wieder total überzeugend – wie erstaunlich, dass sie scheinbar immer besser werden: tight wie eine Stretchjeans beim Thrasher, schwer wie ein 40-Tonner-Diesel auf der A7. Und doch wirken OPHIS so nonchalant, wenn sie ihre Geschosse unter Deck verteilen. Gekonnt ist gekonnt. Einfach geil. OPHIS ist der Monstertruck des Doom Death.
Setlist Ophis: Godforsaken, The Astral Tomb, The Perennial Wound, Mundus Leprosus, Among the Falling Stones.

Monstermäßig können – und wollen – HELEVORN nicht sein. Die Mallorquiner wirken wie die Gentlemen des Doom an diesem Abend. Fast zurückhaltend beginnen Sie einen  Gig, der an Schönheit kaum zu überbieten ist – und der manchem (natürlich) viel zu soft erscheint. Aber auch das macht es aus, dieses kleine Doom-Genre, in dem scheinbar so große Toleranz herrscht. Mit ihrer Gothic-Schlagseite bringen HELEVORN sowas wie gute Laune in den Bauch der MS Stubnitz, der ist jetzt voller guter Gefühle. Die bei dem ein oder anderen von der „Free Palestine“-Botschaft von Sänger Josep gestört scheinen. In Zeiten wie diesen sollten auch bei einem unpolitischen Festival wie dem DOOMSHIP derartige Worte erlaubt sein. Und sie sollten so verstanden werden, wie Sie gemeint sind: Als Wunsch nach dem Ende des Leidens, als Forderung nach Frieden, als Aufforderung zu Offenheit und Bereitschaft zur Diskussion. Denn es gibt auch grau statt schwarz und weiß. Musikalisch tauchen HELEVORN ihre Fans in die Farbe der Liebe.
Setlist HELEVORN: Inherit the Stars, Signals, The Defiant God, When Nothing Shudders, A Sail To Sanity, Blackened Waves, The Inner Crumble, The Lost Futures, Two Voices, Surrounding, Burden Me.

Wie schlecht es um die Welt steht, das dokumentiert dann Frankreichs mächtigster Doom-Export ATARAXIE. Denn während der Band-Name unter anderem für Gleichmut steht, berührt der kompromisslose Doom Death jeden extrem, lässt niemanden gleichgültig zurück. Das Video zum Opener „Vomisseurs De Vide“ geht sowieso schon über die Kotzgrenze hinaus, aber live ist die Musik hart an der Grenze des Erträglichen. 08/15 ist hier gar nichts, Leichtgewichte unter den Anwesenden sind längst über Bord gegangen. Wer es aber bis zum Ende schafft, der gehört zum „elitären“ Kreis der erwachsenen Doomer und hat eine Prüfung überstanden, an der in Zukunft noch viele scheitern dürften. Was für eine großartige Band!
Setlist ATARAXIE: Vomisseurs De Vide, Glory of Ignominy, The Collapse, L' Ataraxie.

Fazit: Die schicksalhafte Fahrt durch die Welt des Doom auf der MS Stubnitz erschien wesentlich erfreulicher als die Jagd mit der Pequod. Doch auch auch der Weiße Wal im Roman „Moby Dick“ stand für ein Weltbild, das für ganz andere Emotionen und Einstellungen als Rache zeigte. Und so schien es auch in der Hamburger Hafen-City. Trotz offensichtlicher Trauer und Melancholie war die MS Stubnitz ein Hort der Lebensfreude. Denn: Die gesamte Spannweite des Doom ist so abwechslungsreich wie zig andere Genre zusammen!  Die Internationalität des Billings und die Bereitschaft und Offenheit für wenig Geld große Anstrengungen zu unternehmen, um an dieser Premiere teilzunehmen, war großartig! Und das dann alles noch so gut klappte: Orga perfekt, Zeitplan eingehalten, Sound super, überzeugender Besuch, etwa 300 Zuschauer sorgten für tolle Atmosphäre, aber es war eben auch nicht zu voll. Location einmalig. Das Wetter erlaubte Pausen an der frischen Luft an Deck. Dazu das Rahmenprogramm mit Denis und seinem Label Meuse Records, Merch von allen Kapellen, Kunst von Ophis-Ole, lecker Störtebier und Sekt-Mate für die Feinschnacker. Kritikpunkte gab es so gut wie keine. Manch einer vermisste wohl ein kulinarisches Angebot. Das war aber aus organisatorischen Gründen nicht möglich. Und über allem standen natürlich die ohne Ausnahme guten Auftritte der Bands. Was bleibt, ist die Hoffnung auf eine zweite Auflage in 2026 und der große Dank ans Orga-Team Bine und Olli und deren Unterstützer. Und an Marvin (https://www.instagram.com/marvinn_h1_Concerts/) für die tollen Bilder in schwarz-weißer Farbe. PS: Eine ähnlich gelungene Veranstaltung verspricht das „Haunting the Castle 6“, das im Februar im belgischen Château Avouerie in Anthisnes geplant ist.

 



DOOMSHIP Das Schiff URZA DOOMSHIP on stage URZA DOOMSHIP on stage URZA DOOMSHIP on stage FVNERAL FVKK auf der Kanzel MS Stubnitz FVNERAL FVKK auf der Kanzel MS Stubnitz FVNERAL FVKK auf der Kanzel MS Stubnitz OFFICIUM TRISTE DOOMSHIP on stage OFFICIUM TRISTE DOOMSHIP on stage OFFICIUM TRISTE DOOMSHIP on stage Blazing Eternity on stage ENDONOMOS auf der Bühne ENDONOMOS auf der Bühne DECEMBERANCE auf der Bühne DECEMBERANCE auf der Bühne OPHIS auf der Bühne OPHIS auf der Bühne OPHIS auf der Bühne OPHIS auf der Bühne OPHIS auf der Bühne OPHIS auf der Bühne HELEVORN auf der Bühne HELEVORN auf der Bühne HELEVORN auf der Bühne ATARAXIE auf der Bühne ATARAXIE auf der Bühne ATARAXIE auf der Bühne ATARAXIE auf der Bühne ATARAXIE auf der Bühne ATARAXIE auf der Bühne DOOMSHIP Location DOOMSHIP Location DOOMSHIP Location DOOMSHIP Location DOOMSHIP Location DOOMSHIP Location Mehr Infos:ATARAXIE
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