Review: Human. :II: Nature.
Fünf Jahre ist es her, dass NIGHTWISH ihr letztes Studioalbum herausgebracht haben – entsprechend hoch sind die Erwartungen an das neue Machwerk, schließlich hat man mit Tuomas Holopainen und Marco Hietala zwei hervorragende Songwriter und mit Floor Jansen zudem eine begnadete Sängerin am Start. Man wartet also mit Spannung, was einem da kredenzt wird, zumal die Band beschloss, zu klotzen statt zu kleckern und gleich ein Doppelalbum herauszubringen, bestehend aus einem „regulären“ NIGHTWISH-Album und einem durch einige Sprachpassagen ergänzten Instrumentalepos. Obwohl das Werk mit dem eher sperrigen Titel „Human. :II: Nature.“ laut Musikerangaben explizit kein Konzeptalbum ist, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein Konzept sehr wohl zu Grunde lag, denn das vorherrschende Thema ist klar die Entwicklung von Mensch und Natur sowie deren Wechselwirkung.
Der Opener „Music“ hat den Anspruch, die Entwicklung der Musik von ihren Anfängen in der Urgeschichte an einzufangen – kein kleines Unterfangen, weswegen es auch nicht verwundert, dass die Laufzeit um die 7 Minuten beträgt. Verwunderlicher ist dagegen schon eher, dass in diesen 7 Minuten so vergleichsweise wenig passiert: die ersten 6o Sekunden wähnt man sich ausschließlich einer Klangkulisse ausgesetzt, die vermutlich der einer steinzeitlichen Tropfsteinhöhle entsprechen soll und die, vorsichtig ausgedrückt, eher durch Ereignislosigkeit besticht. Bis Floor Jansen anfängt, zu singen, dauert es geschlagene 3 Minuten und bis zum Refrain (sofern man denn zu diesem späten Zeitpunkt noch von einem solchen sprechen kann, denn eigentlich fehlt dem Lied jegliche klassische Songstruktur) muss man sich bis anderthalb Minuten vor Schluss gedulden. Nun gut, Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Das darauffolgende „Noise“ tritt von vorherein deutlich mehr aufs Gaspedal, schwächelt aber etwas in Punkto Eingängigkeit, womit wir auch schon bei einem der Hauptprobleme des Albums angekommen wären: es fehlt an eingängigen Melodien.
In „Shoemaker“ widmet sich die Band dem Geologen Eugene Shoemaker. „Harvest“, dem Troy Donockley offensichtlich seinen musikalischen Stempel aufdrückte und konsequenterweise auch seinen Stimme leiht, ist ein netter Folksong, hat aber mit dem klassischen NIGHTWISH-Sound ähnlich viel zu tun wie Loreena McKennitt mit Heavy Metal. Auffällig ist, dass ausgerechnet die vom üblichen Sound deutlich in Richtung Folk abweichenden Songs noch die gefälligsten Melodien aufweisen: neben „Harvest“ ist „How´s The Heart“ der einzige Track, den man tatsächlich nach einmaligem Hören einigermaßen im Ohr hat, was beim Großteil des Materials selbst nach mehrfachen Durchläufen nicht so recht gelingen will. „Procession“ zeichnet sich durch eine erneut gefährlich an Ereignislosigkeit grenzende Ruhe aus, „Tribal“ hingehen ist eine weitestgehend melodiefreie, dafür aber zugegebenermaßen ausgesprochen schwermetallische Quälerei, auch wenn der sonst auf „Human. :II: Nature.“ unterrepräsentierte Marco Hietala hier tatsächlich auch mal Gesangsparts beisteuern darf.
Das treffend betitelte „Endlessness“ schleppt sich äußert programmatisch über gefühlt endlose 7 Minuten dahin, ohne den Zuhörer mit einer richtigen Hook dafür zu entlohnen, weswegen das Ganze leider irgendwann dann trotz der Abwechslung durch Marco Hietala am Mikrofon ziemlich an den Nerven zerrt – Geduld ist eine Tugend, die man zum Hören von „Human. :II: Nature.“ eindeutig mitbringen sollte. Hatten NIGHTWISH sonst ein Händchen für Melodien, die trotz aller musikalischen Opulenz und Schwere leichtfüßig über den Arrangements schwebten und sich oftmals gnadenlos im Ohr festkrallten, so hapert es in diesem Punkt auf dem neuen Werk leider an vielen Stellen gewaltig: die Melodien lahmen, sie holpern, stolpern und schleppen sich oftmals nur mit Mühe über die volle epische Länge, was auch deshalb schade ist, weil es Floor Jansens großartigem Gesangstalent in keiner Weise gerecht wird. An vielen Stellen geht ihre Stimme geradezu unter und ist weit davon entfernt, als verbindender Melodiebogen über den Arrangements zu liegen – ein Umstand, der umso befremdlicher erscheint, als Tuomas Holopainen offiziell zu Protokoll gab, es handele sich bei „Human. :II: Nature.“ um ein Album, bei dem der Gesang im Vordergrund stehe. Sicher, Troy Donockley als weiteren Sänger an Bord zu holen stellt eine Erweiterung des bisherigen Repertoires dar, aber warum darf Floor Jansen nicht zeigen, wozu sie sich schon bei unzähligen Konzerten und auf „Endless Forms Most Beautiful“ als fähig erwiesen hat? Und warum kommt Marco Hietalas Gesang als Kontrapunkt nur so überaus spärlich zum Einsatz? Fragen über Fragen begleiten das Anhören von „Human. :II: Nature.“, und nur die wenigsten davon stehen im Zusammenhang mit dem fraglos intendierten, aus der Thematik resultierenden Denkanstoß.
CD Nummer 2 beherbergt nicht etwa Instrumentalversionen des ersten Silberlings, sondern ein stark an einen Soundtrack erinnerndes Instrumentalepos, bei dem schon Titel wie „Vista“, „Moors“ und „Aurorae“ verraten, dass auch hier der Fokus auf die Natur erhalten bleibt. Gelegentliche Spoken Word-Passagen verdeutlichen das gesetzte Ziel vor weitestgehend sehr ruhig gehaltener Klangkulisse. Man kann sich darüber streiten, ob diese Tracks wirklich unter dem Namen NIGHTWISH veröffentlicht werden mussten oder ob Tuomas Holopainen sie nicht besser unter eigenem Namen separat an den Mann gebracht hätte, denn mit der Musik der Band hat die Suite, sieht man einmal von ihrem Urheber ab, nicht viel zu tun. Entsprechend handelt es sich hier mehr um schmückendes Beiwerk bzw. Selbstverwirklichung des Songwriters denn um ein tatsächliche NIGHTWISH-Veröffentlichung, Name hin oder her.
FAZIT: NIGHTWISH haben ein ums andere Mal bewiesen, dass sie nicht umsonst seit Jahren auf dem Symphonic Metal-Thron sitzen und „Human. :II: Nature.“ ist zweifellos ein ambitioniertes Projekt, doch es erinnert in seiner praktischen Umsetzung ein wenig an die Geschichte von Ikarus: auch der strebte nach Großem und das zunächst mit Erfolg, bevor er, durch diesen Erfolg übermütig geworden, zu viel verlangte, das Schicksal herausforderte und scheiterte. Man kann „Human. :II: Nature“ als ein Projekt ansehen, dass sich über Grenzen hinwegsetzt, Songstrukturen auflösen und Hörgewohnheiten erweitern will, um Großes zu schaffen, man kann aber auch einfach sagen: den Songs fehlt der rote Faden, sie sind überfrachtet, wollen zu viel und erreichen zu wenig. Schönheit liegt bekanntlich im Auge bzw. Ohr des Betrachters. Vielleicht war die Band zu satt geworden und wollte neue Wege gehen oder Tuomas Holopainen strebte, inspiriert vom Fokus auf die Natur und ihre Zeiträume, nach etwas Höherem, Allumfassenderem. Doch was in erdgeschichtlichen Zeiträumen funktioniert, lässt sich selbst von begnadeten Musikern nicht zwangsläufig auf die Musik übertragen und in wenige Minuten bannen, und zumindest innerhalb der durchschnittlichen Hörgewohnheiten funktioniert „Human. :II: Nature.“ über weite Strecken --leider!—nicht.
Human. :II: Nature.
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
9+8
Länge:
81:0 ()
Label:
Vertrieb:
Review: Decades-Live In Buenos Aires
Im Studio machen NIGHTWISH sich in letzter Zeit rar: „Endless Forms Most Beautiful“, das letzte Studioalbum, stammt aus dem Jahr 2015, der Vorgänger „Imaginaerum“ erschien 2011. Umso fleißiger sind die Finnen dafür in Punkto Live-Output, denn mit „Decades: Live In Buenos Aires“ steht nun die seit 2013 dritte Live-Aufnahme in den Läden. Anlässlich der Jubiläums-Tour im Rahmen der Veröffentlichung von „Decades“, das als Best Of-Compilation die Highlights aus 20 Jahren Bandgeschichte zusammenfasste, wurde beschlossen, die umfassende Werkschau auch all jenen Fans zugänglich zu machen, die nicht bei einem der Konzerte dabei sein konnten. Herausgekommen ist ein über zweistündiges Werk, bei dem NIGHTWISH ihre gesamte Karriere Revue passieren lassen und eine breitgefächerte Setlist ins Feld führen, für die eigens auch Material wieder ins Programm aufgenommen wurde, das seit einiger Zeit im Dornröschenschlaf vor sich hinschlummerte. Bedingt durch den Sängerinnenwechsel klingt dabei zwangsläufig der eine oder andere Song etwas anders, aber Floor Jansen meistert die Herausforderung, es mit dem Erbe ihrer beiden Vorgängerinnen aufzunehmen und gibt dem Ganzen gesanglich eine etwas rockigere, rauere Note. Buenos Aires bietet ein mehr als enthusiastisches Publikum, das die Band mit Feuereifer durchs Set trägt, das einen Bogen von „The Carpenter“ und „Elvenpath“ über „Nemo“ , „Ghost Love Score“ und „Amaranth“ bis bin zu „Élan“ schlägt. Kurz: NIGHTWISH demonstrieren überaus anschaulich, warum sie nach wie vor unangefochten auf dem Symphonic Metal-Thron sitzen. Wer die Tour also verpasst hat, in Erinnerungen schwelgen will oder es auch einfach nur nicht abwarten kann bis die nächste ansteht, der kann sich mit „Decades: Live In Buenos Aires“ beste Konzertstimmung ins heimische Wohnzimmer holen.
Decades-Live In Buenos Aires
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
21
Länge:
131:23 ()
Label:
Vertrieb:
Review: Songs The Night Sings
THE DARK ELEMENT alias Anette Olzon (Ex-Nightwish) und Jani Liimatainen (Ex-Sonata Arctica) melden sich zurück: nach dem vom Publikum gut aufgenommenen selbstbetitelten Debüt präsentieren die beiden finnischen Musiker nun mit „Songs The Night Sings“ (erinnert das Cover-Artwork eigentlich noch jemanden an „Getting Away With Murder“ von Papa Roach?) ihr zweites Album. Dass der Sound nach wie vor sehr an Anette Olzon´s ursprüngliche Brötchengeber von NIGHTWISH erinnert, dürfte nicht besonders überraschen und so kommt schon der Opener „Not Your Monster“ erwartungsgemäß symphonisch-metallisch daher. Der flotte Titeltrack „Songs The Night Sings“ geht schnell ins Ohr, „When It All Comes Down“ kommt vermehrt heavy daher, gerät aber leider im Refrain ins Stocken, statt den vielversprechenden Start fortzusetzen und noch eine Schippe draufzulegen, und bremst sich somit unnötig selber aus. „Silence Between The Words“ ist ein hübscher melodischer Song mit viel Pop-Appeal, der die eigenen Wurzeln trotzdem nicht vernachlässigt und stark an NIGHTWISHs „Edema Ruh“ erinnert. „Pills On My Pilow“ flirtet ein wenig mit elektronischen Einflüssen, „To Whatever End“ präsentiert sich balladesk. Das epische „The Pallbearer Walks Alone“ mischt Syphonic Metal mit Progressive-Elementen, bei „I Have To Go“ hingegen zeigt Anette Olzon ihre schon auf „Imaginaerum“ stellenweise zu hörende Soul-Seite, die ihr auch hier ausgezeichnet zu Gesicht steht. Insgesamt sind die Melodien auf „Songs The Night Sings“ nicht ganz so eingängig und überzeugend geraten wie die des Vorgängers und hier und da könnte das Ganze noch etwas druckvoller und schmissiger klingen, aber beide Musiker sind nicht umsonst alte Hasen im Showgeschäft – man hätte vielleicht nach dem äußerst vielversprechenden Debüt noch etwas mehr erwarten können, aber bekanntlich ist das zweite Album aufgrund der gesteigerten Erwartungshaltung von allen Seiten ja immer das schwerste und alles in allem ist THE DARK ELEMENT durchaus ein rundes Anschlusswerk gelungen. Die Steigerung kommt dann vielleicht beim nächsten Mal.
Songs The Night Sings
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
11
Länge:
55:56 ()
Label:
Vertrieb:
Nach zwei Jahrzehnten sind EDENBRIDGE eine etablierte Größe in der österreichischen Metal-Szene. Mit „Dynamind“ bringt die Kombo, die im Laufe ihres Bestehens zahlreiche Besetzungswechsel gesehen und überstanden hat, nun ihr zehntes Studioalbum heraus. Der neue Silberling bewegt sich in angestammten symphonischen Gefilden, setzt aber gleichzeitig auch auf harte Gitarrenriffs und kokettiert hier und da mit Elementen aus Power- und sogar Doom-Metal. Bissige Gitarren dominieren beispielsweise beim aggressiv vorwärtstreibenden „When Oceans Collide“ deutlich, auch „All Our Yesterdays“ kommt nach einem ruhigen Akustikauftakt überraschend düster daher. Highlight der Platte ist jedoch das irisch-inspirierte „On The Other Side“, das mit beschwingter-leichtfüßiger Stimmung und der mit Abstand besten und eingängigsten Melodie des Albums aufwartet. Auch „Live And Let Go“ präsentiert sich melodiös, „Tauerngold“ beginnt ruhig, wird im weiteren Lauf aber zunehmend schwermetallischer. Das episch angelegte „The Last Of His Kind“ bringt es auf stolze zwölf Minuten Spielzeit und durchläuft dabei sämtliche Stadien von ganz ruhig bis zu voller Powermetal-Breitseite. Mit dem titelgebenden „Dynamind“ schließt das Werk schließlich auf einer nachdenklich-getragenen Note. Wer jetzt noch nicht genug hatte, der kann sich das Ganze auch noch mal ohne Gesang anhören, denn auf einer zweiten CD gibt es das komplette Album noch einmal als Instrumentalversion obendrauf. EDENBRIGDE liefern mit „Dynamind“ musikalisch grundsolide Kost für Genre-Freunde, auch wenn die ganz großen Melodien fehlen.
Dynamind
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
10+10
Länge:
110:0 ()
Label:
Vertrieb:
Nach der Veröffentlichung des ersten, selbstbetitelten Albums sind CHAOS MAGIC und vor allem Sängerin Caterina Nix keine Unbekannten in der Szene mehr. Dass die Chilenin Timo Tolkki auf einer seiner Südamerika-Touren ursprünglich nicht umsonst auffiel, stellt sie nun auch auf dem neuen Werk „Furyborn“ eindrucksvoll unter Beweis. „Like Never Before“ ist ein schön energiegeladen-vorwärtstreibender Song mit melodiös-rockigem Gesang, das mit einem Piano-Intro eröffnete „Beware Of Silent Waters“ dagegen eine wunderbar eingängige, leichtfüßige Ballade. „Falling Again“, ein Duett mit Nasson, dem Produzenten des Projekts, startet flott mit harten Gitarren, die sich mit ruhigeren, von Christina Nix´ Gesang getragenen Passagen wechseln. „Throw Me To The Wolves“ legt ebenfalls ein paar Schippen Härte drauf und kommt druckvoll metallisch daher, bevor man mit „I´d Give It All“ eine waschechte Akustikballade aus dem Hut zaubert. „Path Of The Brave“ ist ein klasse Powermetal-Song, für den sich Caterina Nix Ronnie Romero (Rainbow und CoreLeoni) als Duett-Partner ins Boot geholt hat, dessen Stimme hervorragend mit ihrer harmoniert. „My Affliction“ dagegen präsentiert sich weitestgehend ruhig und stellenweise mit elektronischen Spielereien versehen. „Furyborn“ macht klar, dass CHAOS MAGIC große Ambitionen und auch durchaus das dazugehörige Potential haben – was die Eingängigkeit der Melodien angeht, ist zwar mitunter noch etwas Luft nach oben, aber es ist schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen und alles in allem bietet sich hier ein rundes Bild, an dem Freunde von Bands wie Nightwish und Within Temptation ihre Freude haben werden. Man darf gespannt sein, was CHAOS MAGIC in Zukunft noch so von sich hören lassen werden.
Furyborn
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
11
Länge:
46:6 ()
Label:
Vertrieb:
Fünf Jahre ist es her, dass WITHIN TEMPTATION mit „Hydra“ ihr letztes Album veröffentlichten. In der Zwischenzeit kriselte es in der Band, selbst Trennungsgerüchte wurden laut. Doch die Band raufte sich zusammen und so erscheint nun, wenn auch mit Verspätung gegenüber dem ursprünglich angekündigten Veröffentlichungstermin, das neue Werk „Resist“, das die Niederländer in Auszügen bereits Ende 2018 live vorstellten. Nach längerer Pause ist die Erwartungshaltung naturgemäß besonders hoch und umso mehr verwundert das, was da aus den Boxen schallt.
Für den Opener „The Reckoning“ wurde Jacoby Shaddix von Papa Roach als Gastsänger verpflichtet – da erwartet man sich ein richtig fettes, druckvoll energiegeladenes Brett und anfangs scheint das auch noch im Bereich des Möglichen zu sein. Nach einer Weile allerdings beginnt der Song sich auf unbestimmte Weise anzufühlen wie Ferrarifahren mit angezogener Handbremse: das Potential ist unbestritten da, wird aber nicht ausgeschöpft. Irgendetwas fehlt. Rätselhaft bleibt auch, warum man den Gesang von Sharon den Adel und Jacoby Shaddix – beides eigentlich keine Angehörigen der bedauernswerten Fraktion, der mittels Autotune zum richtigen Ton verholfen werden muss – mit Verfremdungs-Effekten belegen muss. Der Song ist beileibe nicht schlecht, er zündet aber einfach nicht ganz so, wie man es erwarten würde – und allein das ist man von WITHIN TEMPTATION so eigentlich schon nicht gewohnt. Dabei ist „The Reckoning“ noch eindeutig einer der besseren Tracks des Albums. Elektronische Spielereien hier, weichgespülte Synthie-Klänge da, dazwischen ein paar Shouts – man gewinnt den Eindruck, dass die Band krampfhaft bemüht ist, sich einen vermeintlich modernen Sound zuzulegen, um sich damit bei einer möglichst breiten Hörerschaft anzubiedern. Die gleich drei Features, die sich auf der Platte finden, muten da dann auch schon eher verzweifelt an und man wird den Verdacht nicht los, dass es sich dabei um einen Versuch handelt, zu überspielen, dass der Band alleine nichts wirklich Überzeugendes mehr einfällt und man sich daher schlicht nicht mehr anders zu helfen wusste, als den im Sinken begriffenen Kahn mithilfe von Gastmusikern notdürftig über Wasser zu halten.
WITHIN TEMPTATION gehörten einmal zu den Speerspitzen des Symphonic Metals, doch davon ist auf „Resist“ nur noch wenig zu spüren. Den einstigen opulent arrangierten Bombast sucht man hier eher vergebens. „Raise Your Banner“ mit Anders Fridén (IN FLAMES) geht immerhin gut vorwärts, verfügt über die Energie, die man an anderer Stelle oft vermisst und stellt damit einen der stärksten Tracks dar. „Endless War“, „Supernova“ und „In Vain“ dagegen plätschern eher vor sich hin. Das Tragische dabei ist, dass ein Lied wie „Endless War“ ohne die schwindsüchtig-schwachbrüstige Produktion des (leider nicht wirklich) für Fülle sorgenden orchestralen Mittelbaus sogar ein recht klassischer WITHIN TEMTPATION-Song hätte werden können. „Firelight“ hat zwar mit dem, was man bis dato gemeinhin mit dem Sound von WITHIN TEMPTATION assoziierte, überhaupt nichts mehr zu tun, schafft es aber wenigstens, etwas Stimmung aufzubauen. An anderer Stelle wiederum ergehen sich die Niederländer erfolgreich in der Demontage ihres eigenen Sounds: „Mad World“ klingt, als würde man den Remix eines ursprünglich vermutlich mal ganz brauchbaren WITHIN TEMPTATION-Songs hören, der von einem noch eher zurückhaltenden DJ durch die Mangel gedreht wurde: Holzhammer-Rhythmus der Marke Drum-Computer, im allgemeinen Klangmatsch nahezu versinkende Keyboardriffs, 0815-Melodie. Das nachfolgende „Mercy Mirror“ ist ein netter, radiotauglicher Pop-Song, der mit hübscher Melodie ins Ohr geht, aber einzig bei „Trophy Hunter“ blitzt noch einmal ein wenig der alten Größe auf. Seinen Tiefpunkt dagegen erreicht das Ganze bei „Holy Ground“, bei dem Sharon Den Adel sich stellenweise allen Ernstes am Sprechgesang versucht: man weiß nicht mehr, ob man lachen oder weinen soll, musikalische Street Credibility klingt jedenfalls anders.
Nun sind Neuerungen im Sound natürlich auch immer Geschmackssache, aber „Resist“ wirkt in seinem Schlingerkurs schrecklich halbherzig. Bei einem Album mit einem solchen Titel und der damit einhergehenden Themensetzung, die zu Widerstand gegen Unterdrückung und dem Einstehen für die eigenen Überzeugungen aufrufen, würde man einen kämpferischen, druckvollen Sound mit Biss und Liebe zum Detail erwarten, doch stattdessen klingt „Resist“ auch in seinen härteren Passagen oft seltsam blutleer. Die Arrangements wirken oftmals uninspiriert, die ehemalige Detailverliebtheit fehlt über große Strecken (oder geht schlicht im restlichen Klangbrei unter), der Sound erinnert stellenweise an einen matschigen, fürs Radio glattgebügelten Einheitsbrei, der jede Feinheit gnadenlos plattwalzt. Obwohl alle nur erdenklichen Register gezogen werden, klingt der Gesamtsound merkwürdig leer, als würde die Hälfte fehlen. Dabei wurde der ursprünglich für Mitte Dezember geplante Veröffentlichungstermin wegen produktionsbedingter Probleme schon um anderthalb Monate nach hinten verschoben – man muss sich bangen Herzens fragen, wie das Ganze dann erst vor der weiteren Bearbeitung geklungen haben muss. Oder war es im Gegenteil gerade diese Nachbearbeitung, die dem Album das Genick gebrochen hat? Denn dass die Produktion einen nicht geringen Anteil an der Misere trägt, steht außer Frage: der oftmals blutleer wirkende Gesamtklang hätte sich sicherlich deutlich verbessern lassen, wenn man nur an den entsprechenden Reglern gedreht hätte. „Resist“ ist über weite Strecken ein tontechnisches Fiasko. Die für die Band ehemals so zentralen symphonisch-orchestralen Elemente sind zum Teil durchaus da, sie sind nur dermaßen in den Hintergrund gemischt, dass sie nahezu untergehen und dadurch dünn und nach Konserve klingen, und auch die Gitarren verlieren sich an vielen Stellen im allgemeinen Grundrauschen. Man hätte das verhindern können – und müssen.
Die Band hatte seit ihrer letzten Veröffentlichung mit diversen Problemen zu kämpfen und gerade Sängerin Sharon den Adel wurde vom Schicksal übel mitgespielt. Vermutlich muss man also dankbar sein, dass die Niederländer ihre gemeinsame Karriere nicht einfach beendet haben. Doch das ändert leider nichts daran, dass „Resist“ – zumindest in der klangtechnischen Form, in der das Album nun vorliegt – eher das CD-gewordene Manifest einer Band ist, die sich über ihre eigene musikalische Richtung nicht mehr im Klaren zu sein scheint und sich in unentschlossener Belanglosigkeit verrennt. Bleibt zu hoffen, dass es in Zukunft wieder nach oben geht und WITHIN TEMPTATION sich auf ihre einstige Stärke besinnen, anstatt (im deutlichen Widerspruch zum Albumtitel von „Resist“) jedem Trend hinterherzurennen, um nur ja nicht altbacken zu klingen. Das haben sie schließlich eigentlich gar nicht nötig.
Resist
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
10
Länge:
47:0 ()
Label:
Vertrieb:
Eigentlich braucht man zu „Decades“ gar nicht viel zu sagen: schließlich handelt es sich bei dem Werk um ein Best Of-Album – die Songs dürfen also bei der Mehrzahl der interessierten Hörer tendenziell als bekannt vorausgesetzt werden – und bei NIGHTWISH um eine der mit weitem Abstand bekanntesten Bands ihres Genres. Aber das wäre auch wieder schade, denn schließlich hat die Band ihren Platz im Symphonic Metal-Olymp mehr als zu Recht und sollte daher nicht mit einem Satz abgespeist werden. „Decades“ vereint sämtliche bisherigen Schaffensphasen der Finnen in einem Werk, was zugleich bedeutet, dass nun erstmals alle drei Sängerinnen der Band auf einem Silberling vereint sind: der Bogen reicht von den altgedienten Bandklassikern – einschließlich der „Nightwish“-Demo – mit Tarja am Mikrofon, wie dem elegisch-melancholischen „Sleeping Sun“ oder „Nemo“, über Songs wie „Amaranth“, „I Want My Tears Back“ oder das grandios-epische „The Poet And The Pendulum“ (eigentlich ein komplettes Album für sich) mit Anette Olzon bis hin zu „Élan“ und „The Greatest Show On Earth“ vom bislang einzigen Studioalbum mit „Neuzugang“ Floor Jansen (inzwischen auch schon wieder mehrere Jahre dabei). Neu eingespielt wurde nichts, das Material wurde lediglich einer Remaster-Frischzellenkur unterzogen, um es auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Die aus der Zusammenstellung resultierende Werkschau demonstriert eindrucksvoll, warum NIGHTWISH ihren jetzigen Status innehaben und den Weg, der sie dorthin führte. Wer also seine Sammlung komplettieren oder auch erst eine beginnen möchte, der ist mit „Decades“ bestens bedient – und wem das noch nicht reicht, dem seien die zugehörigen Tourdaten ans Herz gelegt.
Decades
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
22
Länge:
141:41 ()
Label:
Vertrieb:
Review: Secrets Of Nature
Mit „Secrets Of Nature“ haben die Schwaben von CORONATUS nun ihr mittlerweile 8. Studialbum am Start. Dabei wurden gegenüber vorher einige Änderungen vorgenommen: zum einen setzt man nun vermehrt auf englischsprachige Texte, zum anderen wurde die bisherige Gesangsbesetzung, die mit Carmen Lorch (Sopranstimme) und Mareike Makosch (Rockstimme) ohnehin schon aus zwei Sängerinnen bestand, nun noch weiter aufgestockt und mit Gaby Krosch um eine zusätzliche Sopranstimme sowie stellenweise um männliche Gesangsparts von Teddy Möhrke erweitert. „Secrets Of Nature“ ist ein Konzeptalbum, in dessen Zentrum das Thema Naturmystik steht. Wer dabei als erstes an Esoterik denkt, liegt so verkehrt nicht – ein unterschwellig esoterisch angehauchtes Flair blitzt an der anderen Stelle durchaus auf. Der vielversprechende Opener „The Howling“ erinnert ein wenig an NIGHTWISH zu Tarja-Zeiten, auch das nachfolgende, episch-gehaltene und vom Gesang her eher rockiger geprägte „Mountain Sky“ ist ein hübscher Symphonic Metal-Song. „The Little People Of Iceland“ kommt mit männlichen Gesangsparts unerwartet hart daher. Doch wo Licht ist, das ist auch Schatten, und der findet sich entsprechend leider auch auf „Secrets Of Nature“, besonders, wenn es an die deutschsprachigen Songs geht: „Die See“ und „Tränen Des Himmels“ haben einen ausgesprochenen Überhang zum Kitsch und sind zudem auch noch recht zäh. Auch „Herr Mannelig“, vielen in der Version von In Extremo oder anderen Mittelalterbands bekannt und entsprechend beliebt, lahmt eher vor sich hin, zumal der klassische Gesang zum archaisch-heidnisch-altnordischen Flair einfach nicht so recht passen will. Und so richtig ins Ohr gehen wollen viele Melodien auch nicht so recht. Fazit: „Secrets Of Nature“ ist etwas durchwachsen geraten, aber Genre-Fans können durchaus mal ein Ohr riskieren.
Secrets Of Nature
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
9
Länge:
43:28 ()
Label:
Vertrieb:
Seiten