Schwere Stoner Rock-Riffs und ausufernde Instrumentalparts konnten die 2003 gegründeten und aus Berlin, Leipzig und Rostock stammenden COOGANS BLUFF immer schon. Neu auf ihrem dritten und eher wie eine EP wirkenden Album sind allerdings die Bläser in Form von Posaune und Saxophon und einem vermutlich dadurch hervorgerufenen Einfluss von Funk, Soul und Jazz Rock. Klingt ungewöhnlich und ist es auch, hat man sich aber mal reingehört, weiß der unkonventionelle Mix durchaus zu gefallen. Vorausgesetzt, man mag Bläser. Und auf „Poncho Express“ gibt es leider ein bisschen arg viel davon. Jeder Song für sich ist dabei wirklich einnehmend und originell. Der Neunminüter „Beefheart“ setzt süßliche Harmonien und Kopfstimmen-Background in Kontrast zu oberbösem Gesang und einem psychedelischen Jam, das funkige Instrumental „The Dirt Keeps The Funk“ klingt nach Agenten-Thrillern aus den 70ern, „You And Me“ bietet eingängigen Hippie-Soul-Rock im Stile GRAVEYARDS, der Titel-Song ist ein fast rein instrumentaler Jam über Groove- und Space-Parts, und das abschließende achtminütige Instrumental „Afterwit Is Everybody's Wit“ klingt, als hätten sich MOTORPSYCHO und GRAVEYARD für eine Session verabredet. All das ist nicht verkehrt und hat immer wieder tolle Momente und einen guten Flow. Bis auf den letzten, endlich einmal bläserfreien, Song gibt es aber für meinen Geschmack etwas zu häufig und zu vordergründig Blechblasinstrumente zu hören, und die Jams verlaufen etwas ziellos. Die Sounds sind super, keine Frage, aber einer Band wie den eben genannten MOTORPSYCHO, die einen Instrumental-Part auch locker über eine halbe Stunde spannungsvoll halten, hinken COOGANS BLUFF eben noch meilenweit hinterher. Und mit fünf Songs und gut 30 Minuten Spielzeit ist die Scheibe auch etwas kurz geraten, denn wenn man gerade erst richtig drin ist, ist auch schon wieder alles vorbei.
JINGO DE LUNCH vermischten schon Punkrock, Hardcore und Metal, als es die Bezeichnung „Crossover“ für einen Musikstil noch gar nicht ab. 1987 in Berlin gegründet, veröffentlichte die Band um Frontfrau Yvonne Ducksworth bis 1994 fünf Alben, löste sich 1997 auf und vereinte sich 2006 wieder, ging auf Tour und veröffentliche 2007 eine Compilation alter Songs. 2010 erschien mit „Land Of The Free-ks“ dann auch wieder neues Material, das stilistisch an den altbekannten Sound anknüpft. „Live In Kreuzberg“ ist das erste Live-Album der Band und verbindet sieben Songs des letzten Studioalbums mit diversen alten Hits. Von den Alben „Underdog“ und „B.Y.E“ ist zwar kein Song enthalten, aber ansonsten hat man hier eine gelungene Mischung aus alt und neu, die bestens aufgeht. Der Sound ist roh und ungeschönt, und die Live-Energie der Band wird perfekt ins heimische Wohnzimmer transportiert. Das macht großen Spaß und beweist, dass der Sound von JINGO DE LUNCH keinesfalls den End-80ern und Früh-90ern verhaftet ist, sondern absolut zeitlos geblieben ist und immer noch bestens funktioniert.
CLAUS GRABKE hat viele Talente, in seiner Biografie lassen sich Skateboard-Weltmeister, Modelabel, MTV, Studiobesitzer und Musiker finden. Dass so einer auch mit Mitte 40 noch keine Lust auf einen gewöhnlichen Lebensstil hat, ist nicht weiter überraschend. Unter eigenem Namen macht er schon länger Musik und hat, gemeinsam mit seinem Sohn Fynn am Bass, „Deadly Bossanova“ fertig, auf dem er zehn Songs zum Besten gibt. Der CLAUS GRABKE-Sound des Jahres 2008 lässt sich schwer in Worte fassen, irgendwo im heftigen Rock mit Noise-Einschlag bewegt der sich. „Stranger“ hat sogar einen unterschwelligen Blues-Touch, schwitzt aber gleichzeitig Garage-Punk aus jeder Pore. Und wer den Mann schonmal live gesehen hat, weiß um die Intensität, mit der er und seine Mitstreiter zur Sache gehen. Es ist ihnen gelungen, dieses Feeling auf den Silberling zu bannen, was den Hörer anfangs leicht überfordern kann. Wer sich Zeit nimmt, wird den Charme der Songs entdecken und selbst sperrige, noisige Nummern („Tip Toe Airwaves“) zu schätzen lernen. „Deadly Bossanova“ ist eine Platte, die entdeckt und erobert werden will. Keine leicht zu habende Platte für eine Nacht, sondern eine Scheibe, die Leidenschaft und Ausdauer erfordert, dann aber auch für die Ewigkeit interessant bleibt. Und genau so soll gute Musik doch eigentlich sein.
BUBONIX waren lange Jahre ein Aushängeschild des DIY-Gedanken. Labeldeals kamen ihnen nicht ins Haus, veröffentlicht wurden schön viele 7“ und die Chance sie Live zu sehen war in besetzten Häusern größer als in schnieken Clubs. Dinge ändern sich. „Please Devil, Send Me Golden Hair“ war ihr erstes Full-Length und kam bei Noise-O-Lution raus. Knapp ein Jahr später steht der nächste Longplayer an. Haben die Limburger Blut geleckt? Verändert haben sie sich nicht, das Grundgerüst bildet noch immer wütender Hardcore, der mit gleich drei Gitarren wuchtig daherkommt. Die fünf Typen und die Dame lassen sich aber nicht auf ein Genre festlegen, Ska-Gitarren bei „Miscalculation“, technoide Klänge, poppiger Appeal bei „Dogs And Horses“, ja selbst Postcorige Töne und Geprügel lassen sich finden („Schlagbolzen“). So was geht entweder arg in die Hose oder ins Herz – BUBONIX haben’s nach vierzehn Jahren locker drauf, dieses Potpourri so zu gestalten, das es das Herz des Hörers problemlos einnimmt. Und das Tanzbei gleich mit, Songs wie „Dogs And Horses“ oder „We Won’t Fall“ kann sich niemand entziehen, der noch einigermaßen am Leben ist. Könnte wahrscheinlich auch Koma-Patienten zum Mitwippen bringen. Falls das jemand ausprobiert, bitte mit Ergebnissen melden. Bis dahin kann sich der Rest mit „Capsaicin“ bestens unterhalten und seine Euronen für eine der besten Platten des Jahres ausgeben. Egal ob DIY oder nicht, diese Scheibe ist schlicht großartig und der Beweis, dass sich BUBONIX nicht verbiegen lassen!