Review:

Les Chansons Neurotique

(Neuroticfish)

Sascha Klein, der neurotische Fisch, hat wieder zugeschlagen! Und ich muss sagen: Das Fischchen ist gewachsen, aus der Sprotte ist ein Goldfisch geworden, der zwar immer noch im Tümpel Electro planscht, aber der auch manchmal versucht sich aus dem Schwarm der übrigen Mitbewohner abzusondern und das Becken ordentlich zum überschwappen zu bringen. Und es war einmal ein kleiner Goldfisch... der nach obligatorischem Intro mit "Reinvent The Pain" ganz gemäßigt anfängt, sich ganz brav gibt und den Piranha in Forellenschuppen mimt... Doch irgendwie ahnt der geneigte Hörer schon, dass hier falsch gespielt wird, und siehe: Der Song entwickelt sich zu einem wahren Stampfer dass sich die Kiemen aufstellen. Mit cleanem Gesang, hartem Beat und simpler Melodie wird Tanzmusik zelebriert, die nicht nur durch den ruhigen Anfang süchtig macht. Und wenn ein Fisch erst mal tanzt, will er auch nicht aufhören, und so geht der Reigen mit "Waste" munter weiter. Electronic Body Music Is Dead und ein Fisch hat Beine, bei "Prostitute" beweist unser Fisch dass es in dieser verschlafenen Szene auch noch intelligente Songs mit technoider Struktur gibt, anderswo verkauft man so was einfach als Future Pop. "Wake Me Up" stellt für mich zwar keinen der Höhepunkte des Albums dar, ist aber kompromisslos auf Massentauglichkeit getrimmt, bereits als Maxi ausgekoppelt und wird für verzückte Gesichter bei allen (weiblichen) Anhängern dieser Musikrichtung sorgen: Hart aber herzlich ist in, wie nicht nur die norwegischen Gassenhauer Apoptygma Berzerk bewiesen haben. Damit hätten wir den Exkurs in zeitgemäße Elektronik fast abgeschlossen und widmen uns von nun an den wahren Highlights des Albums. "Modulator" dreht - nach sehr schicken Intro - das Tempo etwas runter und spielt mit schön verzerrten Synths im Hintergrund und interessanter Dynamik während des gesamten Songs, frei nach dem Motto: "Bevor Du einschläfst trete ich Dir in den Arsch". Bei "Breakdown" fetzt es durch einen fiesen Bass zwar fast die Boxen auseinander, der Song ist aber extrem relaxed und bietet die letzte Möglichkeit zum Ausruhen bevor unser neurotischer Fisch mal wieder durchdreht: "Darkness/Influence" ist ein verdammt starker Song, einer dieser zwar langsamen aber tierisch fesselnden Tracks die nur wenige Acts in dieser Form zu zaubern in der Lage sind, zwei Gesangslagen, relativ mager "instrumentiert" und mit einer Melodie die nach zwei Takten im Ohr ist. Beide Daumen hoch! "Stop&Go" ist beinahe ein Rausschmeißer, man könnte fast vermuten dass der Fisch müde wird, sehr getragene Soundscapes fast ohne Text wabern durch die Luft, chill out für die schwarze Szene. Und dann kommt mein Favorit: "It´s Not Me", eine mit leichtem BreakBeat versetzte Granate und dabei ist Dynamitfischen doch illegal. Ungefähr in der Mitte des Songs deutet Klein schon das Ende um dann noch mal reichlich draufzulegen. Die Mischung ist vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, ich könnte den Song 1000 mal hören. "Inverse" ist Synthiepop, Klein zeigt hier recht eindrucksvoll dass er richtig singen kann. "Need" ist wohl das letzte offizielle Stück des Albums, es wird zwar nochmals etwas tanzbarer aber so richtig genial ist das Stückchen jetzt nicht. Obendrauf (nur in der Limited Edition?) gibt’s noch "Velocity" in einem neuen Mix, sowie ein paar Spielereien für den heimischen PC. Ausgereiftes Album dass zwar einerseits ziemlich auf der momentanen, nennen wir es "MelodicFuturePopElectroEBM"-Schiene schwimmt, andererseits aber auch Akzente setzen kann um sich aus der Flut (ach welche Wassersymbolik...) von Veröffentlichungen abzusetzen. Schwimm weiter mein Fisch, ruhig auch mal richtig gegen den Strom!

Les Chansons Neurotique


Cover - Les Chansons Neurotique Band:

Neuroticfish


Genre: Electro
Tracks: 13
Länge: 58:5 (CD)
Label: Strange Ways Records
Vertrieb: Strange Ways Records