Review:

The Last Viking

(LEAVES´ EYES)

Schwierig, hier objektiv zu bleiben. Ich bin wahrlich kein großer Fan von Symphonic Metal und werde es auch in diesem Leben nicht mehr werden. Aber ich versuche, hier fair zu bleiben und das Album so zu bewerten, wie es sich mir darstellt. Dies wird dem Einen oder Anderen nicht gefallen, aber somit kann jeder Leser dieses Review für sich selber bewerten.

LEAVES´ EYES springen als Erstes auf einen Trend auf. Der Titel des Albums verrät es schon, es geht thematisch um die Wikinger und das Ende ihrer Ära. Gut, LEAVES´ EYES haben sich auf den letzten Alben auch schon mit geschichtlichen Themen beschäftigt, aber das Aufgreifen einer Wikinger-Saga kommt mir doch ein wenig zu konstruiert und geplant vor. Kann es an der Erfolgsserie „Vikings“ auf Netflix liegen? Wollte man hier eine neue Zielgruppe ansprechen? Soll nur eine Vermutung sein, aber irgendwie liegt dieser Gedankengang doch sehr nah. Im Übrigen wird es die wenigsten Hörer interessieren, ob die Band die historischen Ereignisse genaustens studiert und vertont hat. Geschichtsunterricht sollte nicht von einer Metal-Band vermittelt werden. Solche Thematiken gehören eher an die Universität, sonst bleibt dies alles leider Pseudowissen und halbgar.

Auf „The Last Viking“ sind die Rollen klar verteilt. Sängerin Elina ist für die sanften und wirklich guten Leadvocals zuständig und kann mit ihrer dominaten und klaren Sopranstimme überzeugen. Ex-ATROCITY-Sänger Alexander Krull (Krulle) übernimmt den angriffslustigen Part und somit die Growls. Diese bewerte ich ungerne, aber es fällt doch auf, das Krulles Vocals ein wenig eindimensional und lustlos wirken. Man sollte seine tolle Stimmlage auf alten ATROCITY-Alben wie „Hallocinations“ und dem jetzigen Output vergleichen. Hier liegen Welten dazwischen, und die abgehackten Betonungen tragen leider auch ihren Teil zu einer zwiespältigen Gesangsleistung bei.

Die 14 Songs sind allesamt sehr abwechslungsreich und stimmungsvoll aufgebaut. Hier keltische Hörner, da eine mittelalterliche Trommel und andere untypische Instrumente geben sich hier ein Stelldichein. Dies eröffnet immer neue Facetten im Sound der Band und wertet jeden Song definitiv auf. Somit ein klarer Punkt auf der Habenseite. Die Gitarrenfraktion sorgt mit mächtigen und ausdrucksvollen Riffs für ein sehr kompaktes Bild und verleiht „The Last Viking“ die nötige Härte und bildet so einen gelungenen Gegenpol zu Elinas glockenklarer Stimme. Natürlich erinnert dies immer wieder an die Genre-Alphatiere von NIGHTWISH, und deren Zielgruppe wird sich bei LEAVES´ EYES auch besonders wohl fühlen. Im Song „Black Butterfly“ biedert sich die Band eindeutig bei der Fangruppe von BEYOND THE BLACK an und haut, mit Unterstützung von Clémentine von VISIONS FROM ATLANTIS, einen derart massenkompatiblen Chartstürmer raus, das es einerseits eine Freude ist, aber andererseits der Band jede Glaubwürdigkeit nimmt. Schielt hier jemand nach dem großen TV-Auftritt?

Das Album hat in jedem Fall Filmmusik-Charakter und wirkt von vorne bis hinten durchgeplant, was hier aber nicht negativ ausgelegt werden sollte. Hier sind Profis am Werk, die genau wissen, welchen Weg sie mit „The Last Viking“ einschlagen wollen. Und dieser Weg wird ein erfolgreicher sein, da bin ich mir sicher. LEAVES´ EYES kennen ihr Marktpotential ganz genau, und dieses wird mit der Scheibe bestens ausgeschöpft und bedient. Zu finden sind eindeutig keine Zufälle oder spontane Handlungen - die Band wird sich schon im Vorfeld im Klaren sein, das „The Last Viking“ einschlagen wird wie die Axt auf einem Wikingerhelm. Produktionstechnisch wurde alles sehr gut in Szene gesetzt, und hier kann man Krulle und Thorsten Bauer (Gitarre, Bass) einen prima erledigten Job bescheinigen.

Das Album geht für mich schon in Ordnung, und der Schlusstrack „The Last Viking“ zieht nochmal auf über zehn Minuten alle Register. Klischee hin – Klischee her, LEAVES´ EYES zeigen besonders in diesem Song ihre Fähigkeit, eine großartige Spannung innerhalb eines Songs aufzubauen und bis zum Ende zu halten. Das muss man bei aller Kritik der Band lassen, aber kaufen würde ich mir ein solches Konstrukt trotzdem nie, und auch eine weitere Rotation der Scheibe werde ich mir ersparen. Grundsätzlich gesehen, haben hier ganz einfach zu viele Symphonic-Bands die Nase weiter vorne und wirken somit frischer. Genre-Fans sollten sich die Scheibe besorgen, denn eine Enttäuschung ist sie definitiv nicht. Naja, da die Musik nicht weh tut und keinen verängstigt, würde sie Wickie aus Flake bestimmt auch empfehlen.

 

The Last Viking


Cover - The Last Viking Band:

LEAVES´ EYES


Genre: Gothic Metal
Tracks: 14
Länge: 63:48 (CD)
Label: AFM Records
Vertrieb: Soulfood