Review:

Leblos

(EISREGEN)

Ein lang erwartetes Album der Thüringer EISREGEN gilt es zu feiern. 25 Jahre Bandgeschichte sind eine lange Zeit, die mit dem vorliegenden Album begangen werden soll. Keine extreme Bandformation hat es in ihrer Geschichte geschafft, die Hörerschaft so zu spalten. Von den Einen mit ihrem Vorgängeralbum „Fegefeuer“ auf einen beachtlichen 17. Platz in den Charts gepusht, und von den Anderen belächelt und verteufelt. Und so werden EISREGEN auch mit Album Nummer 14 die Metal-Gemeinde mit ihren morbiden Texten und ihrer radikalen Tonkunst nicht einen können. „Leblos“ kommt zum Bandjubiläum mit einer Bonus CD, die wir später genauer (oder auch nicht) betrachten werden.

„Leblos“ beginnt“ mit dem Song „Ruhet Sanft“, welcher ganz entfernt an das „Schlaflied“ von den Ärzten erinnert. Mit dieser Formation wurden EISREGEN bestimmt noch nie verglichen. Natürlich ist die Stimme von Herrn Roth wieder mit einem rollenden rrr-Ton verheiratet, und der morbide Text passt gut zu dem mit Keyboard und leisen Gitarren begleiteten Song. Am Ende wird der Song ein wenig härter, bleibt aber immer noch sehr episch und trägt eine ganz eigene Stimmungslage in sich. Gefällt mir als Opener sehr gut.

Weiter geht es mit „Pechschwarz“, das sehr abwechslungsreich gestaltet ist. Klassische Metal-Gitarren treiben den Song gut nach vorne, und der typische EISREGEN-Gesang macht ihn zu einem typischen Song der Marke EISREGEN, obwohl der Refrain auch gerne von den APOKALYPTISCHEN REITERN hätte sein können. Ein sehr direkt ausgeführter Track, der sich als gutklassiger EISREGEN-Song platzieren kann.

Jetzt wird einen Gang hochgeschaltet. „Erstschlag“ bedient sich bei den Black Metal-Wurzeln der Band, die scheinbar nicht vergessen hat, aus welchem Loch sie vor 25 Jahren gekrochen ist. Hier wird nach Herzenslust geblastet und geprügelt. Hier muss man aber auch ein wenig kritisch werden und nicht alles durch die rosafarbene EISREGEN-Brille sehen. Echten Black Metal können andere Bands wesentlich besser, und eine volle Scheibe mit Songs wie „Erstschlag“ von einer Newcomer-Band wäre in der Presse keine Erwähnung wert. Leider ein ärgerlicher und unnötiger Song.

Besser wird es mit „1000 Jahre Nacht“. Schöne Piano- und Geigenklänge bilden einen passenden Songeinstieg. Ein feines Songkonzept macht das Lied hörenswert und einzigartig. Oder kennt Ihr eine Band, welche das Thema Vampir aus der Sicht eines solchen beschreibt? Dazu noch, hat der Vampir keine Lust mehr auf sein düsteres Dasein und wählt den Freitod in der Sonne. Wirklich sehr interessanter Ansatz und fernab aller Klischees. „1000 Jahre Nacht“ bleibt im Ohr hängen, der Refrain ist überaus gelungen, und somit kann man EISEREGEN hier einen echten Hit bescheinigen. Wirklich sehr gut gemacht.

Kommen wir zum Titeltrack der Scheibe. „Leblos“ kommt gitarrenseitig eher wie ein Hardrock-Song rüber, der von hübschen Geigenmelodien begleitet wird. Ansonsten kann man zu dem Song nicht viel sagen. Hier bleibt einfach zu wenig hängen, und musikalisch passiert auch nur Belangloses. Definitiv kein Stück für die Ewigkeit.

In „Schlachtraum“ wird textlich wieder alles gegeben. Ein typisch provozierender EISREGEN-Text, der grob an den Kannibalen von Rotenburg angelehnt ist. Die Geschmäcker können verschieden sein, und Lyrikästhetiker sollten den Genuss des Textes besser vermeiden. Musikalisch tut sich in „Schlachtraum“ nicht viel, aber der Refrain kann überzeugen und trägt den Song souverän durch die Spielzeit.

Es wird wieder ein wenig ruhiger. „Atme Asche“ fängt melancholisch an um dann in einen Black Metal-Part überzugehen. Die Geige übernimmt den Part der Leadgitarre und führt so den Song. Mich kann der Song nicht wirklich überzeugen. Ein typischer Durchschnittssong.

„Mein Leichenwerk“ ist textlich an Frankenstein angelegt. Stampfende Drums und schöne Piano-/Gitarrenmelodien weisen den Weg durch den Song. Ganz hübsch gemacht, aber leider wieder kein Volltreffer. Der Wiedererkennungswert tendiert leider in Richtung Null, und das kann auch ein kurzer Blastbeat-Einsatz nicht mehr ändern.

Wird „Wangenrot“ das zwischenzeitliche Tief wieder hinbiegen können? Leichte Gothic-Einflüsse sind nicht zu leugnen. Der Refrain kommt erschreckend kitschig durch die Boxen und auch gelegentlich schnellere Parts können den Song nicht mehr retten. Das ist alles mehr gewollt als gekonnt. „Wangenrot“ zieht das Album leider auch nicht aus der Talsohle.

„Mutter Schneidet“ beginnt extrem düster. Der Text ist gut verständlich und offenbart uns das düstere Universum von EISREGEN. Und ja, der Song kann durchaus überzeugen. Man kann immer wieder leichte Parallelen zu RAMMSTEIN raushören, welche aber gut zum Stil der Band passen. Der Hook ist fein gewählt und sehr gefällig arrangiert. Zwar spät, aber die Talsohle wird mit „Mutter Schneidet“ endlich durchschritten.

Der Songtitel wird wohl jedem zu einer Assoziation mit einem wohlbekannten Weihnachtslied treiben. „Drauss Vom Häuten Komm Ich Her“ bedient sich wieder der gewollten Provokation und gibt textlich natürlich alles. Der Song hat im Refrain einen leicht orientalischen Charakter, aber ansonsten haben wir es mit einem guten, aber nicht über die ganze Zeit überzeugenden Schlusstrack zu tun. Nur über provokante Texte kann man halt noch immer keinen guten Song kreieren. Und damit endet „Leblos“ genauso wie sich die Platte nennt: Ein wenig leblos…

Kommen wir zur Manöverkritik von „Leblos“. Schlecht ist die Platte nicht. Wirklich nicht. Aber leider gibt es zu viel Schatten. Zu wenig potentielle Hits oder gefälliges Songmaterial wurden hier komponiert. Das EISREGEN es ja eigentlich können, das wird ja bewiesen, aber für ein Full-Length-Album ist das einfach zu wenig. Auch mit dieser CD werde ich kein Fan der Band werden, obwohl das eine oder andere Lied bestimmt noch öfter gespielt wird. Trotzdem wird hier im Ganzen durchschnittliche Metalkunst angeboten, die aber ihre Käufer und Bewunderer finden wird.

Als Bonus wird „Leblos“ mit einer zweiten CD ausgeliefert. Als DIE RÄUDIGEN RENNSTEIG REBELLEN versuchen sich EISREGEN an vier Saufliedern. Was der Unsinn soll, das müsst ihr die Band schon selber fragen. ONKEL TOM auf EISREGEN getrimmt braucht kein Mensch, und auch meine Tastatur hat keine Lust mehr, über dieses musikalische Verbrechen zu schreiben. EISREGEN goes Ballermann? Ohne mich!

 

Leblos


Cover - Leblos Band:

EISREGEN


Genre: Black Metal
Tracks: 11
Länge: 50:7 (CD)
Label: Massacre Records
Vertrieb: Soulfood