Review:

Rashomon

(Ibaraki)

IBARAKI ist das neu gegründete Black Metal-Nebenprojekt von TRIVIUM-Fronter Matthew Heafy, welcher erst kürzlich mit TRIVIUMs „In The Court Of The Dragon“ glänzte. Heafy greift seine japanischen Wurzeln auf und bringt sie in die Musik mit ein; das erscheint authentischer, als nordische Mythologie als thematische Grundlage zu wählen. Alleine die Tatsache, dass EMPEROR-Legende Ihshan an “Rashomon” beteiligt ist, eröffnet IBARAKI die Möglichkeit, dass Black Metal-Publikum zuhört. Immerhin ist TRIVIUM eine massenkompatible Band aus dem sogenannten Mainstream. Ihshan interessiert sich bekannterweise für experimentelle Genregrenzen, seine hörenswerten Soloalben sind ein guter Beweis dafür. “Rashomon” wurde von ihm produziert, einige Stücke hat er mitgeschrieben und er ist zwischendurch auch am Gesang und an der Gitarre zu hören. Der Name des Projektes stammt von einer japanischen Geschichte über einen Dämon.

Heafy verbindet in seinem neuen Projekt verschachtelte Prog-Elemente, symphonische Black Metal-Anteile und Folklore. Das Ergebnis ist durchaus interessant, innovativ und gekonnt und offenbart auch eine gutes Songwriting; nach Black Metal klingt es allerdings nur bedingt. Die Frage nach einer Genrezuordnung sollte man bei IBARAKI einfach nicht stellen.

Nach dem japanisch anmutenden Intro „Hakanaki Hitsuzen“ folgt der Opener „Kagutsuchi“: Melodic Black Metal mit Tremolo-Picking, cleanen und geschrienen Vocals. „Ibaraki-Doji“ zeigt Core-Affinitäten, welche auf Symphonic Black Metal und getragene Streicher-Sounds treffen. Die klaren Gesangsparts sind sehr gefühlvoll zerbrechlich vorgetragen und kontrastieren mit dem wütend-leidendem Gebrüll. „Jigoku Dayu“ startet langsam und bald poltert es sehr plötzlich los; der Track wird üppig, dramatisch und dynamisch mit progressiven Gitarrenläufen. Insgesamt ist hier viel gute Gitarrenarbeit zu finden: egal ob Leadgitarre, akustisches Picking oder Arpeggien. Es folgt die erste Singleauskopplung „Tamashii No Houkai“ mit TRIVIUM-Elementen, Keyboard und einem markanten Gameboy-Sound. „Akumu“ ist eine gute düstere Nummer mit Gastsänger Nergal von BEHEMOTH. Das Gesangsduo arbeitet gemeinsam mit harten Riffs an einer unverwechselbar bösen Atmosphäre: Ein bisschen Amerika, etwas Polen, eine Spur Japan. Ein interkontinentaler Ritt in die Hölle. „Komorebi“ ist ein abwechslungsreicher Song mit einigen Dynamikwechseln. In „Ronin“ ist erneut ein Gastsänger mit von der Partie. Die zehnminütige Nummer beginnt mit arg lieblichem Gesang, der glücklicher Weise schon bald von Gastsänger Gerard Way von MY CHEMICAL ROMANCE (Ups) zerstört wird. Manchmal beschert es mir Freude, wenn Balladenhaftigkeit mit dem Vorschlaghammer zerschmettert wird. Im Laufe des vielschichtigen Tracks kommen Akustik-Gitarre und Chorsounds zum Einsatz. Ihsahns Vocals mit EMPEROR-artigen Keys starten kraftvoll und traditionsbewusst in den Song „Susanoo No Mikoto“; es folgen Klargesang und viel Bombast, verschiedene Stimmen, Cello und schließlich ein sehr melodiöses Gitarrenspiel am Ende. Wow, das ist abgefahren! Versucht sich die Truppe hier an einem Musical mit mehreren Akten? An dem Song wurde auf jeden Fall viel herumgeschraubt und viel Energie, Hingabe und Liebe investiert. Das Abschlusslied „Kaizoku“ ist eine blasinstrumenthaltige Shanty-Nummer. Heafys Bandkollegen Alex Bent, Paolo Gregoletto und Corey Beaulieu arbeiten bei einigen Songs mit.

Der typische Black Metal - Konsument wird bei “Rashomon” einfach nicht glücklich. Wenn man aber offen für progressiv-kreative genresprengende Verrücktheiten ist, dann lohnt es sich, in das Album einzutauchen. „Eintauchen“ ist passend, weil IBARAKIs Stil einfach nichts für das Nebenbei-Hören ist; wir haben es mit einem ausgeklügelten intensiven Machwerk zu tun, an dem mehr als ein Jahrzehnt geschustert wurde. IBARAKI entführen die Hörerschaft in ein musikalisches Theaterstück mit Wendungen und Dramatik.

Rashomon


Cover - Rashomon Band:

Ibaraki


Genre: Progressive
Tracks: 10
Länge: 61:55 (CD)
Label: Nuclear Blast
Vertrieb: Rough Trade