Konzert:

With Full Force Tag 3 mit Motörhead, Bring me the Horizon & Co.

Konzert vom 06.07.2014

Der finale Tag des With Full Force Festivals am 6. Juli 2014 sollte vor allem eine Frage beantworten: Würden MOTÖRHEAD diesmal spielen? So viel vorweg: Ja, Lemmy trat mit seinen Kumpels Phil Campbell und Mikkey Dee auf. Endlich! Und was machte das Wetter? Das legte nach dem etwas kühleren Samstag am Sonntag noch mal einen drauf und sorgte mit drückender Schwüle bei Temperaturen weit über 30 Grad dafür, dass die wenigen schattigen Plätze ständig überfüllt waren und der Getränkekonsum wohl in ungeahnte Höhen stieg.

Zu früh gefreut! Es gehört zum Full Force wie der Weihnachtskalender: die Spaßtruppe am Sonntag-Mittag. Bin ich beim Überfliegen des Programms vorab nicht drüber gestolpert, sollte aber dieses Jahr VOLKSMETAL sein. Mit meiner mangelnden Begeisterung gegenüber dieser Tradition gehöre ich jedoch offenbar einer Minderheit der Besucher an – darauf zumindest lässt jedes Jahr aufs Neue das reichlich gefüllte Infield schließen, so auch dieses Jahr. Sie begannen um 13.30 und riefen gefühlte 20 Mal „Guttten Moooooorgen“ über das Gelände, ihre blasinstrumentalisch und akkordeonunterstützte Party-Musik kam trotz undefiniertem Sounds offenbar gut an, kann ich nicht ganz genau beurteilen, habe mich nicht all zu dicht herangetraut. (jq)

THE OCEAN schaffen wahrlich klangliche Welten, dabei gelingt ihnen traumwandlerisch sicher der Vielfach-Spagat zwischen hardrockenden und getragenen Passagen, sind sie hier psychedelisch wabernd und da klar definiert und skalpellpräzis. Die gute Laune und Freude an der Musik, die insbesondere Sänger Loïc Rossetti transportierte, ließen die Zuschauer vielleicht annähernd das Konzept des Kollektivs um Robin Staps verstehen, der in der 14jährigen Bandgeschichte eine beachtliche Menge an Musikern an THE OCEAN herangeführt hat. „Lasst Euch treiben“ schreit es förmlich aus jedem Song, jeder Passage, jeder Note. Wunderbarer Auftritt, tolle Band, der auch ein späterer Slot ausgezeichnet zu Gesicht gestanden hätte. (jq)

Die süße Schwere, die THE OCEAN hinterließen, konnten und wollten im Anschluss DEATH BEFORE DISHONOR auf keinen Fall so stehen lassen. Fronter Bryan Harris schien überrascht über die hohen Temperaturen in Deutschland und war sich der Rolle der US-Ostküstler, die zwar zum wiederholten Male das Force rockten, dies aber zum ersten Mal auf der Hauptbühne taten, an eben dieser Wirkungsstelle nicht so ganz sicher, schob aber jegliche Zweifel beiseite und rief die Masse zur Vernunft auf, das sei immerhin noch eine HC-Show, also doch bitte abgehen. Das ließ sich das Publikum dann auch nicht zwei Mal sagen und unterlegte den modernen Hardcore der Bostoner nach Kräften mit passenden Bewegungen. (jq)

Kompromisslosigkeit kann viele Facetten haben. Dort, wo mit DEATH BEFORE DISHONOR - sozusagen ihre Vorgänger auf der Bühne - radikal die Beatdown-Keule schwangen, zockten THE DILLINGER ESCAPE PLAN auf der Mainstage im Anschluss gefühlt mal eben pro Song von der Notenmenge her eine komplette Sinfonie durch. Wer nur die neueren Sachen kennt, könnte versucht sein zu glauben, dass diese Band doch gar nicht so dramatisch uneingängig sei, wie immer beschrien. Doch sind sie! Werden sie wohl auch immer bleiben! Forderten damit am letzten Festivaltag das Publikum bei fast schon drückenden Temperaturen schonungslos heraus. Dafür sind sie aber ja auch zuständig. Kann man mögen, fällt ob der Komplexität sicher nicht leicht, es ist aber immer wieder eine Freude, sich die Gehirnzellen vom New Jersey-Fünfer anregen zu lassen. (jq)

Die Hardcore-Rabauken von MADBALL schien die Hitze nicht zu stören, insbesondere Freddy Ciricien tobte wie von der Tarantel gestochen über die Bühne und setzte ganz klar voraus, dass die müde Meute vor der Bühne es ihm nachtat. Seine Appelle fruchteten nach und nach, aber dass das WFF nicht komplett in einen einzigen Circle Pit mutierte, lag eben an der Hitze, nicht an MADBALL.

Bei SEPULTURA lief es danach nicht grundlegend anders. Die Brasilianer gaben sich redlich Mühe und hatten diesmal einige ihrer alten Hits wie "Kaiowas" oder "Chaos A.D." in der Setlist, die ordentlich gespielt wurden. Aber, ganz offen, der Auftritt wäre erneut eher belanglos gewesen, hätten SEPULTURA nicht einen kleinen Coup vorbereitet: Zum MOTÖRHEAD-Cover "Orgasmatron" holten sie Phil Campbell auf die Bühne, womit auch allen klar wurde, dass MOTÖRHEAD diesmal wirklich spielen würden.

Was war denn mit SEPULTURA geschehen? Behäbig, fast schwerfällig und dadurch sehr langsam zockten sich die Thrash-/Death-Urgesteine durch ihr Set. Am frischesten kam da bei „Orgasmatron“ noch Gast-Gitarrist Phil Campbell herüber. Im Programmheft noch als hungrig und sich stets wieder erfindend beschrieben (gut, wäre auch taktisch unklug, einen der Headliner im Begleitheft als langsam abbauend zu deklarieren), wiesen sie so gar nichts vom bekannten Druck oder der Wut ihrer Songs auf und ließen den Auftritt eher wie eine Pflichtveranstaltung zum Einkommenserhalt über die Bühne plätschern. Sehr schade. (jq)

Die polnischen Black Metal-Giganten BEHEMOTH hatten dann auf der Mainstage mit der Hitze, dem Tageslicht und dem eher Metalcore-affinen Publikum zu kämpfen. An der Show der Truppe um den charismatischen Frontmann Nergal lag es sicher nicht, die legte sich mächtig ins Zeug. Sehr zur Freude ihrer echten Fans, die sich in der Mitte vor der Bühne versammelten und die intensive Show mit vielen Feuereffekten genossen. Dass sich weiter hinten die Zuschauer eher mit sich oder den Fressbuden beschäftigten, war auffallend, aber zu verschmerzen. BEHEMOTH haben jedenfalls wieder restlos überzeugt, auch wenn ihr Sound nicht optimal war.

 

 

Eine Band wie BEHEMOTH braucht doch Dunkelheit um zu wirken und keinen Slot an einem seinem Namen gerecht werdenden sonnigen und zudem heißen Sonntag um 19.05! Weit gefehlt! Natürlich gingen die Feuerzeremonien im Tageslicht etwas unter, die dicke Lightshow wurde gar nicht erst abgefahren, aber dennoch kreierten die Polen eine eindrucksvolle Stimmung. Lediglich ein kleiner Teil des Publikums wusste wohl nicht so ganz, wo es die Düstermänner verorten sollte. Den Rest hatten Nergal und die Seinen ganz schnell und fest in ihren Bann gezogen. Natürlich sind sie pathetisch und showtechnisch sehr auf den Unterhaltungsaspekt fokussiert, ihre Musik jedoch kommt nach wie vor grundehrlich und bitter böse daher. So viel Kraft, Schnelligkeit und Präzision mit Brutalität und Atmosphäre zu verbinden gelingt nur ganz wenigen Bands auf so hohem Niveau. Da darf dann auch mal Blut fließen und sie können schwarzes Konfetti regnen lassen. Wobei mit Lichteffekten, mehr Feuer … so im Dunkeln … ist es vielleicht doch noch ein kleines bisschen eindrucksvoller! (jq)

BRING ME THE HORIZON waren im Anschluss nicht unbedingt besser als BEHEMOTH, aber sie passten einfach besser zur Mehrheit der WFF-Besucher und räumten gnadenlos ab. Nicht nur direkt vor der Bühne ging die Party ab, sondern bis weiter hinters FOH herrschte Ausnahmezustand. Dass kurz nach dem Auftritt das Festivalgelände in eine dichte Staubwolke gehüllt war, dürfte dem kollektiven Hüpfen zehntausender Fans zu verdanken gewesen sein.

Gehüpft wurde bei MOTÖRHEAD nicht, und schon gar nicht von Lemmy. Der stand eisern an seinem Mikro und ließ sich von einer extra aufgestellten Klimaanlage kühlen. Sein Kompagnon Phil Campbell wagte sich immerhin öfters an den Bühnenrand, blickte aber auch immer wieder aufmerksam zu Mr. Kilmister - offenbar besorgt, wie es dem gesundheitlich angeschlagenen Haudegen ging. Lemmy nuschelte zwar extrem beim Sprechen - noch mehr als früher - und ließ Mikkey Dee bei den alten Songs wie "Damage Case" oder "Stay Clean" kräftig auf die Tempobremse drücken, aber er spielte seinen Rickenbacker so rotzig wie eh und je und grunzte in klassischer Lemmy-Manier ins Mikro. Klar, MOTÖRHEAD sind alt geworden und agieren mit angezogener Handbremse auf der Bühne, aber sie haben immer noch Klasse. Und Lemmy hat bewiesen, dass er wieder da ist. Angeschlagen, aber noch nicht "Killed by Death".

Was hat sich der Musikzirkus nicht gefürchtet im vergangenen Jahr. Sollte Lemmy Kilmister tatsächlich langsam dem Rentnerdasein nahe kommen? Sollte sein auf unverständliche Weise immer noch lebendiger Körper und das darin schlagende Herz langsam aber sicher den Dekaden der gezielten Destruktion (manche nennen es auch Rock'n'Roll-Lebensstil) Tribut zollen. Es sah ganz danach aus. Konzerte abgesagt, Touren verschoben, um sie dann doch ganz zu canceln, Auftritte abgebrochen – das alles ließ auf nichts Gutes hoffen. Den bangen Blick zur Leinwand mit eventuellen Änderungen konnten viele Besucher nach dem vergangenen Jahr nicht einfach abschalten. Doch MOTÖRHEAD spielten – und wie! Also eigentlich wie immer, nur dass Lemmy nun eine Frischluftzufuhr unter den Mikroständer gebastelt bekam und Gitarrist Phil Campbell wie ein saitenbearbeitender Krankenpfleger immer wieder den Kontakt zu seinem Bandchef suchte. Es kann auch nicht verschwiegen werden, dass die vergangenen 1 ½ Jahre und die unterschiedlichen Erkrankungen nicht spurlos an Lemmy vorbei gegangen sind, seine Wangen waren eingefallen, der Blick schien ziemlich leer. Die Stimme und sein Bassspiel hat er sich aber erhalten. Ich wage es nicht, einen Abgesang auf ihn und damit auf MOTÖRHEAD zu schreiben. Ich glaube jedoch, es wäre für ihn gesünder, würde er das Touren sein lassen, vielleicht ein, zwei Festivals im Jahr zocken, Alben herausbringen. Doch er schien eine Schuldigkeit gegenüber den Fans zu empfinden, die er im vergangenen Jahr womöglich enttäuscht hatte. Hat er sicher nicht, nur in Sorge versetzt. Ich wünsche ihm, dass er sich mit dem Gefühl der getanen Schuldigkeit in seinen wohlverdienten Unruhestand verabschieden kann. Ob er das tun wird – nein, wohl eher auf der Bühne sterben, wäre sicher seine Antwort. (jq)

Im Vorfeld schien es ein bisschen, als seien dies Jahr die dicken Headliner nicht wirklich am Start – und falls doch, so hat man selbige in verschiedenen Konstellationen auch schon in der Vergangenheit auf dem With Full Force begutachten können. „Na und?“ darf im Anschluss die berechtigte Gegenfrage sein. Es funktioniert doch. Es sind so viele Genres Jahr um Jahr auf diesem Festival vertreten, die auf den ersten Blick nicht komplett zusammen passen und doch geht das Konzept immer wieder auch. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass das With Full Force nicht künstlich aufgebläht wird – ich hoffe so sehr, dass die Veranstalter an ihrer Zwei-Bühnen-Kurze-Wege-Taktik stets festhalten werden und ebenso an der Besucherzahl, denn dies sind Garanten für entspanntes Miteinander.
Nach dem verheerenden Unwetter 2012 und einem eher durchwachsenen 2013 schöpfte diesmal die sächsische Sonne so sehr aus den Vollen, dass es manchmal etwas schwer fiel, sich aufzuraffen, um vor die Bühne zu gelangen. Außer der Hardbowl bietet das Gelände regulären Besuchern kaum Schatten, vielleicht wären ein paar Pavillons oder Schirme abseits der Hauptbühne bei den Buden oder den Merchandise-Ständen eine sinnvolle Investition. Essensangebot und Preise sowie auch die der Getränke waren wie immer unschlagbar und so freue ich mich jetzt bereits auf Ausgabe 22 des With Full Force im kommenden Jahr! (jq)

Text & Fotos: Florian Stangl & Daniela Adelfinger



Motörhead Madball Madball Madball Madball Madball Madball Madball Madball Madball Madball Sepultura Sepultura Sepultura Sepultura Sepultura Sepultura Sepultura Sepultura Sepultura Sepultura Behemoth Behemoth Behemoth Behemoth Behemoth Behemoth Behemoth Behemoth Behemoth Behemoth Bring Me The Horizon Bring Me The Horizon Bring Me The Horizon Bring Me The Horizon Bring Me The Horizon Bring Me The Horizon Bring Me The Horizon Bring Me The Horizon Bring Me The Horizon Bring Me The Horizon Motörhead Motörhead http://metalinside.de/sites/default/files/styles/thumbnail/public/berichte/motoerhead_-_wff_2014_-_6-7-2014_0004.jpg?itok=B_Z9JwcdMotörhead Motörhead Motörhead Motörhead Motörhead Motörhead Motörhead Motörhead Motörhead Mehr Infos:MOTÖRHEAD
BRING ME THE HORIZON
Behemoth
Sepultura
Madball
The Dillinger Escape Plan
Death Before Dishonor
The Ocean