Konzert:

With Full Force 2016 - Freitag

by Gast (nicht überprüft)
Konzert vom 01.07.2016

Das With Full Force Festival in Roitzschjora steht seit über zwanzig Jahren für das Beste aus Metal, Hardcore und Punkrock und ist eines der wichtigsten Festivals Europas geworden. Wir waren für euch das komplette Wochenende vor Ort und haben fleißig Eindrücke gesammelt, vertreten von Rupert und Nils, die im Hauptberuf bei TO THE MARROW den Ton angeben. 

Nachdem sich unsere Abreise am Donnerstag immer weiter verzögert hat ging es schließlich gegen 16:00 Uhr von Hannover aus los. Glücklicherweise kamen wir extrem gut durch, sodass wir um 19:00 Uhr auf dem VIP Campinggelände, etwas außerhalb des eigentlichen Zeltplatzes ankamen. Trotz der recht späten Uhrzeit waren wir fast alleine. Freundliche Nachbarn, mit denen das erste Bier genossen werden konnte, waren dennoch schnell gefunden. Da es auf unserem Zeltplatz generell sehr ruhig zuging, machten wir uns gegen acht Uhr zum ersten Mal auf den Weg zum Campinggelände. Hier sah es schon wesentlich wilder aus. Im Vergleich zu den nächsten drei Tagen kann man den Donnerstag aber eher als die Ruhe vor dem Sturm bezeichnen. So ging es nach einigen Treffen mit befreundeten Festivalgängern an diesem Tag auch schon recht früh ins ausgesprochen unbequeme Bett.

 

Freitag war für mich, was Bands betrifft, im Vorfeld der interessanteste und vollste Tag. Nach einem kurzen Frühstück im Camp ging es also recht zeitig in Richtung Tentstage, wo die Mathcore-Christen NORMA JEAN das Festival eröffneten. Obwohl diese Band mir seit Jahren ein Begriff ist, habe ich sie zuvor weder live gesehen, noch blieb mir besonders viel von ihrer Musik im Gedächtnis. Das sollte sich prompt ändern, als ich vor der Zeltbühne, dem sogenannten Hardbowl, ankam. Detaillierte Beschreibungen der Show sind kaum möglich. Die fünf Jungs aus Georgia versprühten einfach pure Energie die sich zu einhundert Prozent auf die Menge übertrug.In Anbetracht der frühen Uhrzeit (Stagetime: 13:45) ist das eine wirklich bemerkenswerte Leistung. Trotz des eher lärmenden Sounds der Band, wirkten die Songs unglaublich eingängig. Sänger Cory schrie sich um den Verstand und brachte das Gesungene auch körperlich rüber. Ein absolut gelungener Einstieg in das Festival. Dieser Tag versprach gut zu werden. Doch alles zu seiner Zeit. (NK)

 

Vom Hardbowl ging es direkt weiter zur Hauptbühne, wo bereits das Banner der Thrasher HAVOK im sommerlich heißen Wind wehte.
Die vier Jungs aus Denver, Colorado haben 2011 mit „Time Is Up“ eines meiner Lieblingsalben der aktuellen Thrash-Welle rausgehauen und mich auch schon mehrfach live voll überzeugt. Vor knapp zwei Wochen legten HAVOK einen überragenden Gig mit geiler Songauswahl in Hannover hin. Die Erwartungen für die WFF Show waren dementsprechend hoch…und wurden nicht enttäuscht! Beim Force lag der Schwerpunkt der Setlist auf aktuellem Material, glücklicherweise auf Uptempo-Nummer, wie z.B.: „From The Cradle To The Grave“, „Give Me Liberty Or Give Me Death“ oder auch dem Teaser des bevorstehenden Releases „Claiming Certainty“. Zu meiner großen Freude schafften es auch ein paar „Time Is Up“ Songs ins Programm. „No Amnesty“ und „D.O.A“ brachten ordentlich Bewegung in die, für diese unchristliche Zeit, feierfreudige Meute vor der Bühne. Neben der starken Songbasis beeindrucken Havok immer wieder durch ihre sympathische und authentische Bühnenpräsenz. Musikalisch ist der Vierer extrem professionell und routiniert, betrachtet man jedoch Agilität, Spielfreude und Spaß an der Sache, wirken HAVOK als wenn sie einen ihrer ersten Gigs spielten. Nichts wirkt aufgesetzt oder gekünstelt, die Ansagen von Sänger David Sanchez kommen oft humorvoll um die Ecke; sparen aber nie an der nötigen Kritik an Lebenswandel und Weltgeschehen.
Insgesamt einfach erstaunlich, wie eine Band, die gefühlt seit mehreren Jahren 70000000 Shows pro Jahr spielt, immer noch so viel Feuer haben kann. (RN)

 

 

Da STRAY FROM THE PATH leider kurzfristig abgesagt hatten, ging es nun erst mal zurück in Richtung Camp wo halbwegs kühle Getränke und Sonnencreme der Hitze etwas entgegenwirkten. Nach dieser kurzen Verschnaufpause wartete mit STICK TO YOUR GUNS ein echter Hardcore-Leckerbissen auf der Hauptbühne. Obwohl ich sagen muss, dass mich die letzten Alben der Jungs aus Orange County nicht mehr so sehr interessiert haben wie die aus den Anfangstagen, war es schön zu sehen, dass auf die Live Show dieser Band nach wie vor Verlass ist. Eine absolut solide Performance. Viele Hardcore Bands wirken auf großen Festivalbühnen etwas verloren. Vielleicht weil Hardcore immer auch von der Interaktion mit dem Publikum lebt. STICK TO YOUR GUNS jedoch nutzten die Größe der Bühne in ihrer Gesamtheit und durch die langen, kritischen, aber zu keiner Zeit aufgesetzt wirkenden Ansagen von Sänger Jesse Barnett wurde auch die Nähe zur Menge auf authentische Weise hergestellt.

 

Nach dieser Wiederentdeckung meiner alten Helden kam ich leider viel zu spät vor der Zeltbühne an, wo TURNSTILE gerade die letzten Takte ihres groovigen 90er Hardcore zum Besten gaben. Anhand der Reaktion der Menge und auch einiger Gespräche mit Freunden, die den Auftritt gesehen haben, gehe ich jedoch davon aus, dass auch diese Band komplett überzeugend abgeliefert hat. Wer die Jungs schon mal gesehen hat, weiß, dass langweilige Shows nicht ihr Ding sind. Bei mir war es zum Glück nicht einmal eine Woche her, weshalb ich nicht allzu enttäuscht war.

 

Das Zelt wurde nun etwas leerer und man konnte sich auf den Boden setzen und den Schatten genießen. Währenddessen wurde oben auf der Bühne alles für den Auftritt der New Yorker Urgesteine H2O bereit gemacht, die mit ihrem melodisch-positiven Mitsing-Hardcore von der ersten Sekunde an die Menge zum Tanzen brachten. Sänger Toby Morse sprang in seinem Adele-Shirt von einer Seite der Bühne zur anderen als würde er persönlich kontrollieren, ob auch wirklich jeder mitsingt. Das absolute Highlight der Show war der Song „Nothing To Prove“, für den Morse seinen Sohn Max ans Schlagzeug setzte. Wer H2O in den sozialen Netzwerken folgt, mag manchmal etwas genervt von der Obsession des Sängers mit seinem Sohn sein. Während dieser Show machte es aber einfach nur Spaß zuzusehen, wie Vater und Sohn zusammen eine Menge zum Kochen bringen. Insgesamt waren H2O bis hierhin mein Höhepunkt des Festivals, was sich jedoch schon bald ändern sollte...

 

Denn nun folgte auf der selben Bühne Ex-GALLOWS Sänger FRANK CARTER mit seinen RATTLESNAKES. Ich war schon zu GALLOWS-Zeiten Fan des volltätowierten Engländers. Seine neue Band habe ich trotzdem nur am Rande wahrgenommen, bis ich sie vor Kurzem als Vorband von BAD RELIGION in Hamburg live erleben durfte. Im Anschluss des Konzertes habe ich mir das Debütalbum „Blossom“ zugelegt, das ich in den folgenden Tagen unzählige Male durch hörte. Dementsprechend groß war die Freude diese Band nun noch ein mal zu sehen, ebenso hoch waren aber auch meine Erwartungen. Sie wurden nicht nur übertroffen, sondern wirken neben dem hier Dargebotenen nahezu lächerlich. Für mich war dieses Konzert ganz klar einer der intensivsten Momente, die die Musik mir bisher bereitet hat. Die Show war von Beginn an gewohnt energiegeladen. Alle vier Bandmitglieder, aber in erster Linie Frank Carter selbst, gaben alles was sie hatten. Vor allem die härteren Songs wie „Juggernaut“ kamen extrem gut an. Vorne wurde gecrowdsurft und mitgebrüllt, hinten wurde gemosht. Bis hierhin schon eine wahnsinnig mitreißende Show. Wirklich außergewöhnlich wurde es aber erst gegen Ende, als die Töne etwas ruhiger wurden. Wer Frank Carter, in welcher Band auch immer, einmal live gesehen hat weiß, dass es für ihn praktisch unumgänglich ist mindestens ein mal pro Show mitten in der Menge zu stehen. Ungewöhnlich war diesmal, dass die Menge selbst nicht stand, sondern, auf seinen Wunsch hin, saß. Nach einer herzzerreißenden Ansprache über den Tod seines Schwiegervaters folgte nun der Song „Beautiful Death“, der auch auf dem Album zu meinen Lieblingsliedern gehört. Während der gesamten Zeit hatte man das Gefühl als gäbe es keinen Menschen in diesem Zelt, der gerade nicht an Frank Carters Lippen hängt. Viele Musiker stecken ihr Innerstes in ihre Musik, doch ich habe es selten erlebt, dass jemand dazu bereit und in der Lage ist dieses Innerste vor unzähligen Menschen so gnadenlos herauszukehren. Großen Respekt dafür. Als letzter Song folgte, quasi als Pendant zum Vorgänger, „I Hate You“, der noch ein letztes Mal zum Mitbrüllen animierte. (Fun Fact: Beim Konzert in Hamburg, am Tag des Brexit, wurde dieser Song David Carmeron gewidmet) Als Fazit bleibt mir nur zu sagen: FRANK CARTER AND THE RATTLESNAKES waren mein absolutes Highlight des diesjähriges WITH FULL FORCE. Mich hat dieses Konzert verändert. (NK)

 

Zunächst war ich enttäuscht, dass ARCHITECTS einige Tage zuvor ihre Tour und damit auch die WFF-Show abgesagt hatten, zumal sie neben HAVOK einer meiner Hauptgründe waren das Force zu besuchen. Im Gegensatz zu Nils sind die eingesprungenen FRANK CARTER AND THE RATTLE SNAKES eigentlich gar nicht meine Baustelle, aber die Stimmung war ausgelassen und die bisherigen Bands haben die Erwartungen allesamt übertroffen. Also hörte ich auf seine Empfehlung und wurde tatsächlich belohnt.

Eine überragende Show, Spannung, Spiel, Action, Emotionen. Selten war ich während eines Konzertes so berührt. Es schien, als seien sich viele der Anwesenden einig gewesen, gerade das Highlight des Festivals erlebt zu haben. Ganz besonders hervorzuheben ist hier die Darbietung von „Beautiful Death“. Da können sich ganz viele Kollegen ganz viel von abschneiden.
Einfach nur stark!

 

Auf der Hauptbühne erwarteten uns nun noch zwei Schwergewichte:

WALLS OF JERICHO und SLAYER.
Die Pressetribüne wurde dieses Jahr deutlich besser platziert als 2015: Ein schöner Blick auf die beeindruckende Hauptbühne und die noch beeindruckendere Menschenmenge auf dem Platz davor. Das WFF, mitten in einem zum Erholungsgebiet umgewandelten alten Tagebau gelegen, bietet neben oft starken Bands und einer entspannten Atmosphäre auch einfach eine schöne Kulisse. So durften wir auch am Freitagabend eine beeindruckende Szenerie bestaunen.

Während WALLS OF JERICHO mit ihrem metallischen Hardcore die Bühne und vor allem das Publikum zerlegten, bot sich hinter dem Bühnenaufbau ein wunderschöner, sich im Baggersee spiegelnder Sonnenuntergang. Insgesamt ein heftiges Bild, das dem starken Auftritt von WALLS OF JERICHO das gewisse Extra gab. Die Band um Frontmuskel Candace Puopolo kloppte sich durch den kompletten Backkatalog, routiniert, agil, energetisch. Das Publikum dankte es mit massiven Moshpits und Gesängen. Mehrere zehntausend Leute in Bewegung von oben betrachtet sind schon ein geiler Anblick. Wahnsinn.

 

 

Von den allseits beliebten und verkulteten SLAYER erwarte ich persönlich gar nicht viel. Weder haben mich die Alben sonderlich mitgerissen, noch konnte mich die Band trotz mehrfachen „Bestaunens“ live überzeugen. Nun kann ich nicht differenzieren, ob die Band einfach gut aufgelegt war oder ob es an dem superben ersten Tag des WFFs lag…SLAYER machten richtig Spaß. Gary Holt tut der Band als Aktivposten sichtlich gut und bringt neben dem eher statisch agierendem Rest ordentlich Dampf auf die Bühne. Vor wechselnden Backdrops und den obligaten umgedrehten Kreuzen machten heute Abend sogar ausgenudelte und in der Jugend vielleicht mal spannend gewesene Klassiker wie „Angel Of Death“, „War Ensemble“ oder „Seasons In The Abyss“ Spaß. Zugegebenermaßen kam Freude auf, als die Band „Black Magic“ zockte, für mich einer der besten SLAYER Songs. Die Bühne wurde, wie man es von SLAYER kennt, abwechselnd rot und grün beleuchtet, passt irgendwie super in die WFF-Landschaft, sah geil aus. Das Publikum feierte ordentlich, so dass Tom Araya gar nicht in Verlegenheit kam großartig einen auf publikumsnahen Frontmann zu machen, brauchte er heute auch nicht. Ist angesichts der kürzlich geschwungenen Reden vielleicht aber auch besser. Beendet wurde das Set, wie soll es auch anders sein, mit "Raining Blood"….und ja, auch der machte Spaß. Ich kann selbst kaum glauben das zu schreiben, aber ich fand SLAYER gut!

 

Kurz frisch gemacht und ab zur Knüppelnacht.

Das traditionelle späte Ende der Freitagnacht auf dem Force. Dieses Jahr besetzt mit INQUISITION, VADER, RAGNAROK, GRAVE und ENDSTILLE.

 

Nach dem langen Tag ist es erstaunlich, wie viele Leute sich zu später Stunde noch im Hardbowl versammelt haben um dem Blast zu frönen. VADER hatten die Menge gut im Griff. Ein drückender, fetter, aber stets klarer Sound sorgte für ordentlich Stimmung während des Sets der Polen. Die Hochgeschwindigkeitsorgien leben vor allem auch von der kräftigen Stimme von Sänger Petr, der auch live aus seiner eher zierlichen Gestalt kräftige, über den Blastbeats thronende Growls zaubert. Stark.


Für die nächsten Stunden lockten die vielen anderen Versuchungen eines Festivals, so dass wir erst zu ENDSTILLE wieder im Hardbowl aufschlugen.

Die Kieler Truppe spielte sich dem Sonnenaufgang entgegen, irgendwie passend, ein kleines Frühlingserwachen am Morgen. Das leider nicht mehr ganz so üppig gefüllte Zelt fand Gefallen am schnellen, puristischen Black Metal, trotz oder vielleicht auch gerade wegen des rumpeligen Sounds.

Alles in allem aber ein netter Abschluss für einen wahnsinnig geilen ersten Tag.


 

 

 

 

 

 



Mehr Infos:Norma Jean
HAVOK (US)
Stick To Your Guns
H2O
Walls Of Jericho
Slayer
VADER
ENDSTILLE