Interview:

2004-09-21 Zeke

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ZEKE spielen verdammt schnell. Und so verdammt schnell und räudig wie ihre Live-Performance hatten sie sich Ende 2002 aufgelöst - und sind seit Anfang 2004 schon wieder vereint. Im Sommer tourten sie sich schon wieder den Arsch ab, schüsselten in einem kleinen Van unter einfachsten Bedingungen längs und quer durch Europa - nachts billige Hotels und nur ein Crewmitglied als Fahrer und Tourmanager in Personalunion. Dabei wurde in dieser Mopsgeschwindigkeit noch nicht mal klar, warum sie sich aufgelöst hatten. Donny Paycheck ist mein dicker, wuscheliger Gesprächspartner und gleichzeitig der Motor dieses Boliden.InterviewDonny, kurz nachdem "Death Alley" in Europa rauskam, hattet ihr euch aufgelöst. Was war da passiert?


Also... wir waren seit zehn Jahren als Band zusammen, wir waren so lange auf Tour dass wir fast fertig miteinander waren. Ich glaube, es fing mit Sonny an (Abe Zanuel "Sonny" Riggs III war bis dato zweiter Gitarrist der Speedfreaks - laetti), Sonny wollte nicht mehr in der Band spielen und es war wirklich kein Spaß mehr. Wir waren pausenlos auf Tour, haben uns viel gestritten und wir hatten kaum noch Spaß zusammen. Und ich glaube, die Leute konnten das auch vor zwei Jahren sehen. Bevor wir uns absolut im Streit scheiden hatten wir damals beschlossen, einfach Freunde zu bleiben und die Band aufzulösen. So hatten wir einen sauberen Schnitt und in London fand unsere letzte Show statt.


... und kaum seid ihr wieder zusammen, tourt ihr schon wieder pausenlos.


Es geht nicht darum, auf Tour zu gehen, es ging darum, nicht mehr zu viel zu touren. Damals waren wir pro Jahr 250 Tage auf Tour, da bleibt einfach zu wenig Zeit. Man ist viel zu lange von zu Hause weg. Einige von uns waren müde von der Situation, ständig die Familie nicht sehen zu können. Sonny hat damals ernsthaft darüber nachgedacht, Vater zu werden und eine Familie zu gründen. Das hat bei ihm dann den Ausschlag gegeben. Wir haben aber auch draus gelernt, wir werden ab jetzt im Schnitt nur noch 150 Tage im Jahr spielen, nicht mehr 250. Das ist ein bisschen über der Hälfte und ein guter Kompromiss.


Obwohl sich das nach ganz anderen Einschnitten anhört, von 250 Shows im Schnitt kann man - klug gewirtschaftet - sein Auskommen haben.


Das können wir heute auch noch. Aber so weit ging es gar nicht, es ging nicht um das Geld. Es ging tiefer: Man sollte glücklich damit sein, was man tut, besonders, wenn man Musik macht. Es sieht für Außenstehende immer nach viel weniger Arbeit aus, als es ist. Heute zum Beispiel haben wir um 12 Uhr mittags angefangen aufzubauen und das Merchandise aufzuhängen, und bis alles wieder eingeräumt ist, wird es nach Mitternacht sein. Unsere Arbeitstage haben 12-Stunden-Schichten, und davon stehen wir nur zwischen 45 Minuten und einer Stunde auf der Bühne, das war es dann. Wir laden morgens alles in den Club ein, tragen abends alles wieder raus, fahren dazwischen stundenlang von A nach B. Es gibt eine Menge Kram, den keiner sieht, der damit zu tun hat.


Also macht ihr vieles selbst?


Ja, wir haben keine Crew. Also außer unserem Merchandiser und dem Fahrer des Vans. Das war es, den Rest machen wir allein. Wenn wir in den Staaten touren, haben wir auch keine Crew, dann fahren wir sogar selbst. Aber noch mal zu den anderen: Mark hat jetzt ein Baby und will die Zeit mit der Kleinen verbringen, das kann ich ihm schlecht vorwerfen.

(Mark Pierce war bis zum Split Bassist von ZEKE - laetti)


Wie seid ihr dann wieder zusammen gekommen?


Ich habe schon seit Jahren ein eigenes Label, Dead Teenager Records. Auf dem habe ich unsere letzte Platte "Live & Unsencored" rausgebracht, mit acht Outtakes von verschiedenen Aufnahme-Sessions und einigen Live-Mitschnitten. Als ich den Kram zusammengestellt hatte, fragte mich mein Label-Partner, ob wir nicht für die Release-Party noch mal zusammen auf die Bretter klettern wollten. Wir haben uns zusammengesetzt, die Stimmung war ungefähr: "Ok. Warum nicht. Spielen wir doch eine Show in Seattle." Wir sind für lau auf unserer eigenen Release-Party aufgetreten, und es war ein Riesenspaß. Also haben wir eine Handvoll Reunion-Shows dran gehängt und haben uns dann entschlossen, gleich eine Tour draus zu machen. Nach der Tour kamen Relapse dann an. Dazu muss man wissen, dass ich schon seit Jahren mit dem Chef von Relapse befreundet bin. Ich war sowieso wegen anderer Bands und Vertriebsdingen mit ihm die ganze Zeit über in Kontakt, noch bevor wir die Band überhaupt aufgelöst hatten. Als er mitbekam, dass wir wieder touren, hat er uns gebeten, doch wieder ein Album zu machen. Und ich wollte schon immer mal bei ihm auf dem Label sein, das hat sich gut ergänzt.


Zu Epitaph wolltet ihr nicht noch mal zurück?


Epitaph haben keine Ahnung. Die haben uns noch vor "Death Alley" gedroppt. Die hatten keine Ahnung, was wir machen. Ist das nicht klar, was für Musik die sonst rausbringen? Die haben ihre ganz bestimmte Musiknische, die sie an ein ganz bestimmtes Publikum vermarkten, und das war es. Als wir damals bei ihnen unterschrieben hatten, haben wir gehofft, sie würden uns mit den NEW BOMB TURKS oder den DWARVES zusammen auf Tour schicken und eine Kampagne in die Richtung starten. Vor allem haben wir erwartet, dass sie ein bisschen arbeiten. Getan haben sie stattdessen: Sie haben uns vor ihr spezifisches Publikum gestellt, also vor Leute, die mit unserer Art von Musik nichts, aber auch gar nichts anfangen können.


Für den typischen Epitaph-Käufer wart ihr wahrscheinlich viel zu hart.


Ja. Zu hart, zu Metal, zu Punk und zu extrem.


Ihr habt halt nicht diese süßen, kleinen Melodien.


Wir sind nicht McPunk.


Bitte was?


McPunk - wie McDonalds. Punk am Stiel, für Kinder. Auspacken, aufessen, wegschmeißen. Das konnte nicht gut gehen. Aber ich bin froh, mal mit ihnen zusammen gearbeitet zu haben, und ich bin mindestens genauso froh, dass wir bei ihnen keine Platten mehr rausbringen müssen.


Kurze Nachfrage zu deinem eigenen Label: Welche Bands erscheinen auf Dead Teenager?


Mein Lieblings-Release der letzten Zeit ist die Zweit-Band vom UNSANE-Bassisten, sie heißt PLAYER´S CLUB und das aktuelle Album ist "Regenesis". Dann haben wir von ZEKE die "Live & Uncensored" und die DVD rausgebracht, meine Zweitband CAMAROSMITH und das aktuelle Album unserer Support-Band SPEEDEALER. Wir haben T-Shirts, die ganze Palette. Ach ja, außerdem werden wir von TAD ein Album rausbringen. Es sind also größtenteils Freunde von uns.


Ihr habt anscheinend ganz gute Kontakte zu anderen Relapse-Bands wie UNSANE, und ganz offensichtlich haltet ihr die Seattle-Szene am Laufen.


Hmm, hmm, Relapse. Das ist Zufall, dass Dave Curran und ich sonst auf demselben Label sind. Ich liebe einfach PLAYER´S CLUB und es passte sich gerade so gut: Er kam nach Seattle, also habe ich eine Show mit CAMAROSMITH und denen organisiert, und bei der Gelegenheit hat Dave mitbekommen, dass wir eine Plattenfirma haben. Es ist dann einfach so passiert - ein Freund, der für einen anderen Freund eine Platte rausbringt. Nichts weiter.


Du hast erzählt, ihr bringt die nächste TAD raus.


TAD ist nur ein weiterer guter Freund. Er hat schon lange eine Platte in der Schublade, die niemals erschienen ist. Außerdem spielt er noch in einer anderen Band. Und wir wollen, dass Leute seine Platte kaufen können, und er sieht das genauso. Also veröffentlichen wir sie. That´s it. Bei uns funktioniert vieles nach dem Motto "Komm, lass uns das machen!" und dann tun wir es einfach. Wir schließen keine Plattenverträge mit den Bands ab, wir bringen nur ihre Platten raus, so dass sie es nicht selbst tun müssen. Es geht ein bisschen Schritt für Schritt - für den einen vielleicht einen Schritt zum nächsten "richtigen" Deal, für den anderen bringt es ein bisschen Geld. Aber wir können keine Geldbündel verteilen, und wir haben auch nicht das Kapital, Bands über Jahre an uns zu binden und darüber hinaus zu promoten und zu entwickeln.


Wer vertreibt eure CDs?


In den USA werden wir von Nail vertrieben, in Europa arbeiten wir mit einer Reihe von kleineren Vertrieben zusammen. Ich habe nicht alle im Kopf, aber in Deutschland ist es Cargo.


Wie sieht die Musikszene heute in Seattle generell aus - ihr seid zwar nur die Hälfte des Jahres zu Hause, aber wie hat sich das dort in den letzten Jahren verändert?


Seltsam, gestern habe ich dieselbe Frage gestellt bekommen: Die Szene in Seattle war wirklich für eine lange Zeit sehr geil, viele unserer Freunde bekamen einen Plattenvertrag. Aber dann sind zu viele Leute extra nach Seattle gezogen, um einen Deal zu bekommen und die Stadt hat sich in ein Rattenloch verwandelt. Es war ätzend, aus der ganzen Welt kamen schlechte Bands zu uns, um auch ein Stück vom Kuchen abzugreifen. Kurz drauf bekam gar keine Band im Seattle-Stil mehr einen Vertrag. Seit einiger Zeit hat es sich wieder normalisiert, jetzt sind nur noch die Bands hier, die hier auch ihre Musik spielen wollen. Es gibt wieder eine ganz gute Szene, Bands wie die STITS und THE BRIEFS, außerdem kommen FEDERATION X aus Bellingham, das ist zwischen Seattle und Kanada. Es passieren also wieder coole Sachen. Aber wenn wieder eine große Band aus Seattle bei einem Major unter Vertrag kommen sollte, geht das Theater bestimmt erneut von vorne los: "Oh, die Bands in Seattle bekommen schneller einen Plattenvertrag. Lasst uns sofort die Sachen packen und dahin ziehen." Aber das Theater haben sie in New Jersey auch gerade, es ist wohl überall so.


Was ist in Seattle aus dem Hype von 1993 geworden?


Die wirklich beschissensten Bands des Landes sind damals nach Seattle gekommen und haben in der Stadt rumgehangen, und bis etwa 1999 geblieben. In den letzten vier Jahren ist es endlich wieder besser geworden.


Bleiben wir bei der Stadt, was hältst du vom sogenannten "Seattle Movement" (in Deutschland eher bekannt unter "Globalisierungsbewegung"), das hier in Seattle 1999 mit den Demonstrationen gegen die WTO-Konferenz seinen Startschuss hatte? Ist das auch nur ein weiterer Hype?


Ich wünschte, es wäre so. Für manche Jugendliche ist es eine gute Ausreden, wenn sie mit dem Auto dahin fahren, Stress mit der Polizei anzetteln und es ändert sich nichts dadurch. Außer dass alle Schwierigkeiten bekommen und dann mit Tränengas beschossen werden. Das ist verdammt lächerlich. In den Vereinigten Staaten kann man protestieren, soviel man will, es ändert sich exakt nichts dadurch. Die Regierung kümmert sich einen Scheißdreck drum, sie hören den Leuten noch nicht einmal zu. Die Regierung tut, was sie will.


Das hört sich nicht nach einer funktionierenden Demokratie an.


Ich glaube auch nicht, dass es eine funktionierende Demokratie ist. Und ich glaube, das ist es schon lange nicht mehr. Es hat sich verändert zu - hmm, schwer zu sagen. Die Polizei hat viel Gewicht, und egal was so passiert, du bekommst den Arsch voll. Es gibt zu viele Leute mit zu vielen Waffen und es passiert zu viel Bullshit.


Wann meinst du denn, hat das angefangen? Was war in der Clinton-Ära?


Clinton war ein guter Präsident, aber die Situation hat sich schon weit davor verändert. Clinton hat sich um die Gesundheitsvorsorge gekümmert, er hat versucht, etwas gutes im Land zu erreichen. Und mir ist es da auch scheißegal, mit wem er Sex hatte. Ich finde es wichtiger, dass er das Staatsdefizit auf Null herunter gefahren hat, jetzt ist es doppelt so hoch wie vor Clintons Amtsantritt. Wahrscheinlich sind alle Politiker auf die eine oder andere Art verdorben, aber Clinton hat wenigstens etwas erreicht. Die negative Entwicklung in der Demokratie begann unter Richard Nixon, glaube ich, in den Sechziger Jahren. Damals konnten sie noch frei demonstrieren, und ihre Märsche haben etwas verändert. Wenn wir heute demonstrieren, werden wir in den Arsch getreten und bekommen Tränengas in die Augen. Wir wollten diesen Krieg nicht, wir haben gegen diesen Krieg demonstriert, und die einzige Reaktion im Weißen Haus waren die Wasserwerfer, die sie vor den Zaun gestellt hatten. Die Regierung sagt sich: "Hier demonstrieren viele Leute gegen den Irak-Krieg, aber das ist uns egal, wir müssen unser Öl sichern."


Jetzt muss Klein-George zu Ende bringen, was der große Daddy angefangen hat.


Genau. Big Brother.


Zurück nach Europa. Vor eurer Europa-Tour habt ihr auf eurer Webseite davon geschwärmt, endlich wieder in Europa auf Tour gehen zu können. Was mögt ihr an Europa?


Meine Erfahrung ist, dass die Leute in Europa Bands generell mehr Anerkennung entgegen bringen als in den USA. In den Staaten laufen viele Leute mit Scheuklappen herum. Sie mögen, was sie einmal mögen, und werden ganz fanatisch. Die wenigsten sind dann noch offen für anderes. Außerdem: Was auf MTV läuft, ist ein Hit, und der Untergrund ist nicht sonderlich stark sichtbar. Wir wollen uns dem nicht anbiedern, aber es ist hart, die Kluft zwischen dem Untergrund und der geschlossenen Gesellschaft von MTV zu überbrücken. Es ist einfach schon hart, neue Fans zu gewinnen. In Europa entscheiden die Hörer eher darüber, was sie gut finden und was nicht, und sind viel offener neuen Dingen gegenüber. In Europa ist es mir noch nie aufgefallen, dass jemand zu seinen Freunden gekommen wäre: "Hey, kennt ihr diese neue Band, wie gefällt euch die?" - Antwort: "Nein, ich mag die nicht." - und plötzlich ist es unmöglich, dass auch nur einem aus dem Freundeskreis die gefällt. Das ist High-School-Niveau, bei Teenagern ist das normal, aber irgendwann sollte man erwachsen werden.


Also regiert MTV die USA?


So ungefähr. Die Sendernetze werden von Clearchannel kontrolliert, und die stopfen den Leuten mit Scheiße den Hals. Und die Leute kaufen es trotzdem. Und das schon verdammt lange, der einzige Radiosender, den ich ertrage, ist Classic Rock. Sonst höre ich kein Radio, ich halte den ganzen neuen Kram nicht aus.


Gab es nicht mal eine Fülle von Untergrund-Sendern, über das ganze Land verteilt?


Nicht einen einzigen. Wir haben zwar College Radio, aber die spielen trotzdem hauptsächlich Mainstream. Gut, auf den College-Stationen werden auch ZEKE mal gespielt, aber das sind dann Ausnahmen. Hast du mal in den USA fern gesehen?


Nein, noch nie.


Das ist ziemlich schlimm, die erzählen dir nur, was du hören sollst. Selbst die Weltnachrichten hören sich hier nicht nach Weltnachrichten an. In Europa bekommt man dann die richtigen Neuigkeiten aus aller Welt, in den Staaten würdest du vieles davon nie mitbekommen. Immerhin seid ihr gut informiert. Die Leute in den USA haben oft gar keine Ahnung. Und sie wissen noch nicht einmal, dass sie keine Ahnung haben.


Interessant in diesem Zusammenhang, dass sich in Deutschland die Nachrichtensendungen sehr verändert haben, seitdem Anfang der Neunziger hier auch CNN empfangen werden kann, im positiven wie im negativen. Sie waren danach auf jeden Fall nicht mehr so trocken und auf mehr Bilder angewiesen, während CNN von Anfang an Bilder aus aller Welt geliefert hat.


In den USA gehören die Nachrichten-Stationen Leuten mit einer Menge Geld. Und die kontrollieren, was du wissen sollst, und worüber nicht berichtet wird, in jedem noch so kleinen Aspekt. Die lassen dich nur sehen, was du auch sehen sollst.




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